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4 Terroristen

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Sofort war Fox in Kampfbereitschaft. Er spürte, wie das Adrenalin in seine Blutbahnen schoss. Situationsanalyse: Der Mann, von dessen Gesicht lediglich die Augen zu sehen waren, stand allein in der geöffneten Zellentür, mit einem Maschinengewehr bewaffnet. Sie waren zu zweit, hatten aber keine Hilfsmittel. Zudem war Fox immer noch leicht angeschlagen, aber in diesem Moment war von den Schmerzen nichts mehr zu spüren. Was also tun? Irgendwie mussten sie die Initiative an sich reißen. Der Terrorist wurde ungeduldig.

-„Allez! Allez! Allez!“, rief er lautstark.

Leonie stand noch immer wie angewurzelt neben Fox. Die atmosphärische Spannung war kaum auszuhalten. Innerlich zählte Fox bis drei, dann trat er blitzschnell einen Schritt nach vorne und verpasste dem Mann einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Zwar überrascht, aber nicht benommen, hob der Terrorist seine Waffe und zielte, irgendetwas brüllend, auf Fox‘ Brust. Der taumelte erschrocken zurück bis zur hinteren Zellenwand. Hektisch blickte er sich um. Er konnte sich nicht wehren, solange er keine Hilfsmittel hatte und Fox war sich sicher, dass der Terrorist nicht lange zögern und ihn erschießen würde. Langsam ging der Mann ein paar Schritte. Immer noch zielte er ganz konzentriert auf seine Brust. Fox stellte sich bereits vor, wie er zerfetzt in der Ecke liegen und man ihn vergessen würde, ohne dass er noch einen Nachruf in der Zeitung bekam. In diesem Moment machte der Terrorist einen weiteren Schritt nach vorne und stand nun genau neben der immer noch wie erstarrten Leonie Krüger. Plötzlich zuckte ihr linker Arm nach oben und riss an seinem um den Kopf gebundenen Tuch. Erschrocken wirbelte er herum. Diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte Fox und schnellte nach vorne, um ihm erneut einen Schlag zu verpassen, diesmal allerdings mit aller Kraft und genau auf die Zwölf. Der Terrorist taumelte benommen ein paar Schritte zurück. Fox griff nach dem Maschinengewehr und riss es dem Mann aus den Händen. Er warf es Leonie zu und verpasste seinem Gegner noch einen Kinnhaken, der ihn zurückfliegen und gegen die Wand prallen ließ. Der Terrorist sackte zusammen wie ein nasser Sack. Ohne ein Wort zu sagen, lief Fox zu Leonie, nahm ihr das MG ab, fasste ihre Hand und zog sie aus der Zelle. Draußen schlug er das Eisengitter zu und suchte kurz nach einem Schlüssel für das Schloss, den er allerdings nicht fand.

-„Verdammt“, stieß er aus.

In der einen Hand das Maschinengewehr, in der anderen die von Leonie rannte er einem schwachen Licht entgegen. Während sie durch einen engen Gang liefen, bemerkte er, dass ihre Zelle sich in einem relativ großen Komplex befunden hatte. Sie liefen fast hundert Meter über sandigen Boden zwischen Lehmwänden. Bislang schien sie niemand entdeckt zu haben und das war eine Tatsache, die ihn positiv stimmte. Kurz vor dem Ende des Ganges blieb Fox abrupt stehen. Das schwache Licht, das er gesehen hatte, entstammte einer kleinen Lampe, die vor dem Eingang zu diesem langgezogenen Gebäude hing. Draußen war es bereits stockdunkel. Was ihn aber hatte innehalten lassen, war eine Beobachtung, die er aus dem Augenwinkel gemacht hatte. Neben ihrer derzeitigen Position befand sich eine Tür mit einem kleinen Fenster. Als er nun hindurch blickte, bestätigte sich sein Verdacht. Einer der Soldaten, mit dem er vor einigen Stunden noch Seite an Seite gekämpft hatte, saß fröhlich grinsend mit einigen vermummten Männern und einem Europäer zusammen und aß aus einer Konservenbüchse. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihm auf. Dass sie in diesen Hinterhalt geraten waren, schien kein Zufall zu sein. Sie hatten einen Verräter in ihren Reihen gehabt. Noch beunruhigender aber war die Tatsache, dass ein Europäer beteiligt schien. Der libysche Soldat zählte gerade ein Bündel Geldscheine und sagte irgendetwas, als der Europäer plötzlich eine Waffe zog und dem Mann in den Kopf schoss. Blut spritzte und der Soldat fiel rücklings zu Boden. Unruhe breitete sich unter den vermummten Gestalten aus, als der Mörder etwas durch den Raum rief. Offensichtlich schien er hier einen gewissen Einfluss zu haben. Fox durchforstete seine Taschen. Auch wenn er sie beide damit in noch akutere Lebensgefahr brachte, musste er es riskieren und ein Foto von dem Europäer machen. Offensichtlich war er eine wichtige Person in den Reihen dieser Terroristen, auch wenn seine Rolle Fox auf den ersten Blick nicht klar wurde. Er tastete weiter nach seinem iPhone, doch er fand nichts. Sein Blick wanderte zu Leonie, die trotz angenehmer Temperaturen am ganzen Körper zitterte.

-„Hast Du mein iPhone irgendwo gesehen?“, fragte er im Flüsterton.

Leonie brauchte einen Moment, um seine Frage zu verarbeiten, dann griff sie unter ihr Top und zog sein iPhone aus ihrem Büstenhalter.

-„Du hattest es verloren, als Du mich hinter dem Felsen zurückgelassen hast. Da habe ich es eingesteckt.“ Sie lächelte verlegen.

Ohne auf ihre Erklärung einzugehen, nahm er das mit Kratzern übersäte Smartphone und öffnete die Foto-Funktion. Schnell deaktivierte er die Blitz-Automatik, dann schoss er ein Foto von dem Europäer. Die Bildqualität war bei dem Licht und durch das Fenster nicht besonders gut, aber es reichte für eine Gesichtsanalyse. Er gab Leonie das Smartphone zurück.

-„Hier, ich glaube bei Dir ist es besser aufgehoben.“

Nachdem sie es wieder an seinen alten Platz zurückgesteckt hatte, rannten sie weiter. Der Untergrund war draußen etwas härter, was Fox keine größeren Probleme bereitete, da seine Schuhe noch halbwegs zusammenhielten. Leonie mühte sich jedoch redlich nicht vor Schmerzen zu schreien. Barfuß und mit vollem Tempo über Steine und sonstige Hindernisse zu laufen, schien sie nicht zu erfreuen.

-„Wir brauchen irgendein Fortbewegungsmittel, mit dem wir von hier wegkommen.“ Fox versuchte ruhig zu klingen. „Aber bislang sehe ich gar nichts. Ist Dir vorhin etwas aufgefallen?“

In vollem Tempo deutete Leonie auf eine Gasse zwischen einem Zelt und einer Lehmhütte.

-„Da hinten müsste irgendwo der Jeep geparkt sein.“

Fox zog sie weiter hinter sich her, nun in die Richtung in der sie den Jeep vermutete. Als sie gerade in die Gasse einbogen, kreuzten plötzlich zwei Wachen - ebenso vermummt wie der Mann in ihrer Zelle - ihren Weg. Ohne zu zögern nahm Fox das Maschinengewehr in beide Hände und schoss. Die Salve erwischte die Männer noch ehe sie ihre Gewehre erheben konnten.

Obwohl sie während der letzten Stunden bereits einige schockierende Morde mit angesehen hatte, stand Leonie bestürzt neben Fox und rang keuchend um Atem. Im Schein der wenigen Lichter, die vor den Zelten und Lehmhäusern angebracht waren, wirkte sie noch verängstigter, als sie es ohnehin schon war. Sie fuhr sich stöhnend mit der Hand über das schmerzverzerrte Gesicht. Fox musterte sie mit besorgtem Blick, nahm sie dann aber wieder an die Hand und riss sie mit sich über den immer unangenehmer werdenden Untergrund. Ein ganz leichter Wind frischte auf und ihr zerrissener Rock flatterte um ihre Beine. Nachdem sie die Gasse durchquert hatten, lagen vor ihnen nur noch ein kleines Zelt, aus dem Rauch aufstieg und ein Schuppen, in dem Fox Munition und Waffen entdeckte. Ganz schön leichtsinnig, dachte er. Als sie dem Zelt näher kamen, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Er beachtete sie nicht, sondern lief einfach weiter. Er hatte den Jeep entdeckt.

-„Stop!“, schrie eine helle Stimme. Fox blieb stehen. Wenn er die Situation richtig einschätzte, konnte jedes Zucken seinerseits das letzte sein. In der linken Hand fühlte er das Maschinengewehr. Er hielt es mit festem Griff umklammert. Die andere Hand befreite er nun aus der von Leonie.

-„Beweg Dich ganz langsam und stell Dich mit dem Rücken vor mich“, flüsterte er.

Wie bei einem leisen Tanz drehte sie sich um ihn herum, sodass sie schnell mit dem Rücken vor ihm stand. Nun war sie besser geschützt. Zumindest etwas.

-„Non ti muovere!“ Die Stimme schnitt förmlich durch die angebrochene Nacht.

Fox stand vollkommen steif auf der Stelle und zwang seinen Puls sich zu beruhigen. Er atmete langsamer. Die ganze Szenerie schien mit einem Mal wie eingefroren. Der Wind hatte sich gelegt. Kein Tierlaut war mehr zu hören. Nur sein sich beruhigender Atem und das tiefe Luftholen seiner Begleiterin. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Sie mussten irgendwie rauskommen. Sie hatten es bis hier geschafft, dann musste auch der letzte Schritt noch möglich sein. Nur wie? Beruhig Dich! Beruhig Dich! Es gab nur eine Möglichkeit aus dieser Situation zu entkommen. Aus dem Hintergrund hörte er nun bereits lautes Stimmenwirrwarr. Offenbar hatte sich ihr Ausbruch herumgesprochen.

-„Wenn ich „jetzt“ sage, läufst Du zum Jeep und startest den Motor, verstanden?“ Insgeheim betete er, dass der Schlüssel steckte. Immerhin lag die Munition ja auch offen hier herum.

-„Voltati!“, sagte der Mann in nun ruhigem Tonfall.

Das kannst Du haben, dachte Fox und sagte laut „jetzt“. Noch ehe der letzte Ton verklungen war, wirbelte er herum, nahm das MG in Anschlag und schoss. Er nahm sich nicht einmal die Zeit das Ergebnis zu betrachten. Allein die Tatsache, dass er nicht getroffen war, bestätigte den Erfolg der Aktion. Nun rannte er in vollem Tempo hinter Leonie Krüger her auf den Jeep zu.

Als er das Fahrzeug erreichte, saß sie bereits am Steuer und schrie ihn verzweifelt an.

-„Hier ist kein Schlüssel! Ich kann den Wagen nicht starten!“

Fox schob sie auf den Beifahrersitz. Das Maschinengewehr legte er zwischen sie. Das Magazin war so gut wie leer, aber sie hatten keine Zeit sich noch bei den Munitionsvorräten zu bedienen. Im Hintergrund wurde das aufgeregte Geschrei der Terroristen immer lauter – die Sekunden, die ihnen blieben, rannen dahin. Schnell griff er hinter die Abdeckung unter dem Lenkrad und zog einige Kabel heraus. Geschickt entwirrte er sie und schloss die Zündung kurz. Ein Ruck ging durch den Jeep und der Motor startete.

-„Manchmal sind halt auch solche Verbrechertricks ganz nützlich“, sagte er grinsend und trat das Gaspedal voll durch. Der Wagen machte einen Satz und wurde dann immer schneller. Fox fuhr eine enge Kurve, um in die dem Camp entgegengesetzte Richtung zu verschwinden. Aus dem Augenwinkel sah er, wie die Terroristen die Leiche der Nachtwache erreichten und zu schießen begannen.

-„Ducken!“, befahl er seiner Begleiterin.

Einige Einschläge an der Heckseite des Wagens mussten sie einstecken. Das laute Krachen beim Einschlag in die Ladeklappe war unüberhörbar. Dann aber wurden die Schussgeräusche leiser und sie fuhren bei durchgedrücktem Gaspedal mit rund hundert Stundenkilometern durch die Wüste abseits der Gebirgslandschaften. In der Dunkelheit konnte man von der exotischen Vegetation, die sich am Rande der Wüste hier noch entwickelte und den zum Teil überaus gefährlichen Tieren kaum etwas erkennen. Vermutlich hätte das laute Knattern des Motors die Tiere auch verschreckt und in die Flucht getrieben. Dieser alte Jeep aus den Sechzigern war noch einer von den Willys, die schon im zweiten Weltkrieg eingesetzt worden waren.

Jetzt, da der leichte Fahrtwind ihm ins Gesicht blies und er sich ein wenig entspannen konnte, ließ er die Ereignisse der letzten Minuten noch einmal Revue passieren. Wichtig war sicherlich, die Identität des Europäers herauszufinden. Aber auch die Terroristengruppe an sich schien schon ein internationaler Haufen zu sein. Die Wache, die sie aus der Zelle gelassen hatte, sprach Französisch. Vermutlich also Algerier oder Marokkaner. Der Mann, den er erschossen hatte, musste Libyer gewesen sein. Italienisch war eine der offiziellen Handelssprachen des Landes und so akzentfrei wie er die Befehle erteilt hatte, schien er die Sprache zweifelsohne zu beherrschen. Im Grunde aber war das alles unwichtig. Man hatte von ihrer Ankunft sehr früh erfahren, sonst hätte der libysche Soldat sie nicht verraten können und dass ein Europäer hier respektiert wurde und auch noch mit Geld um sich warf, schmeckte Fox gar nicht. Es wurde Zeit, dass Opal Alpha und der ESS in Kenntnis gesetzt wurden. Erst einmal mussten sie allerdings hier weg. Und das konnte schwierig werden, zumal er nicht die geringste Ahnung hatte, in welche Richtung sie eigentlich fuhren. Er lenkte etwas nach rechts und der Wagen beschrieb eine fünfzig-Grad-Kurve. Gefühlt fuhren sie nun in Richtung Küste. Fox wandte sich Leonie Krüger zu.

-„Kannst Du Dich noch erinnern, aus welcher Richtung wir gekommen sind?“

Sie blickte ihn schläfrig an.

-„Ehrlich gesagt habe ich ein bisschen die Orientierung verloren.“ Ihre Stimme zitterte noch immer. „Du hast mir gerade schon wieder das Leben gerettet. So langsam wird es schwierig einen angemessenen Dank zu finden.“ Ein Lächeln huschte über ihr schönes Gesicht. Dann blickte sie in die unendliche Dunkelheit vor ihnen, die nur durch die leichten Lichtkegel der Scheinwerfer durchbrochen wurde.

-„Das ist doch quasi mein Job, Dich zu beschützen. Du brauchst Dich also nicht zu bedanken.“

Seine Worte blieben in der Luft hängen. Eine Weile sagten sie beide nichts. Dann deutete Leonie plötzlich nach vorn.

-„Siehst Du die Lichter dort?“

Ja, Fox sah die Lichter vor ihnen. Nach seinen Berechnungen konnten sie allerdings keine Siedlung erreichen, bevor sie das Gebirge durchquert hatten. Ein schrecklicher Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Waren sie etwa im Kreis gefahren und fuhren nun direkt wieder auf das Camp zu? Nein, es konnte nicht sein! Er verlangsamte das Tempo und stellte die Scheinwerfer ab.

Als sie den Lichtern näherkamen, wurden die Konturen eines Hubschraubers sichtbar. Das Camp war es also glücklicherweise nicht. Vielleicht war es sogar die ideale Fluchtmöglichkeit. Fox ließ den Wagen ausrollen und sprang auf den sandigen Boden.

Vor dem Helikopter, der dem Robinson R 44 ähnelte, stand ein sportlich gekleideter Mann, der nun seine Zigarette in den Sand warf und ihm entgegen kam. Fox bemerkte, dass er das MG im Jeep hatte liegen lassen. Vielleicht ein Fehler?

-„Guten Abend. Können Sie uns nach Benghazi fliegen?“

-„Bin ich ein Shuttle-Service?“, fragte der Mann barsch. „Wo ist der Boss?“

Allein die Art, wie der Mann redete gefiel Fox nicht und die Frage nach seinem „Boss“ deutete nicht gerade auf eine legale Unternehmung hin. Langsam machte er ein paar Schritte zurück zum Jeep.

-„Der Boss ist leider verhindert. Er sagte, Sie sollen uns nach Benghazi fliegen. Er würde nachkommen.“

Er tastete hinter seinem Rücken nach dem Maschinengewehr.

-„Sie wollen mich doch auf den Arm nehmen“, sagte der Mann verärgert. „Nehmen Sie mal lieber ganz schnell die Hände hoch!“ Er fummelte umständlich eine alte Browning aus seiner Westentasche. Doch Fox hatte bereits das MG in der Hand und zog es nun hinter seinem Rücken hervor.

-„Ah, ah, ah, nicht so schnell! Lass das Ding fallen!“

Der Mann befolgte die Anweisung. Offenbar wollte er nicht von einer Salve durchlöchert werden.

-„Sehr gut. Und jetzt sagen Sie mir, wie Sie heißen!“

-„Adam.“

-„Nun gut, Adam.“ Fox war sich ziemlich sicher, dass dies nicht der richtige Name des Mannes war, aber darum ging es ihm auch nicht. „Sie werden diese wunderschöne junge Frau und mich jetzt nach Benghazi fliegen. Und wenn Sie überleben wollen, dann machen Sie besser keine Dummheiten. Ist das klar?“

Der Mann, der sich Adam nannte, nickte wütend. Leonie stand mittlerweile neben Fox und stieg nun in den Helikopter. Adam folgte ihr ungelenk und setzte das Headset auf. Fox hob die Browning auf, überprüfte das Magazin und vergewisserte sich, dass es vollgeladen war. Dann warf er das MG zurück in den Jeep und stieg ebenfalls in den Helikopter.

Bald darauf schwebten sie in der Luft über der Wüste Ost-Libyens. Das laute Rattern des Rotors wurde immer wieder von Funksprüchen übertönt, die auf voller Lautstärke aus den Kopfhörern des Headsets kamen, das Adam sich mittlerweile um den Hals gehängt hatte. Bis auf den kurzen Befehl, den Fox dem Piloten gab, und seinem nochmaligen Hinweis, bloß keine Dummheiten zu machen, schwiegen sie über weite Strecken des Fluges. Es gab kaum etwas zu sehen und die Dunkelheit erschwerte einen Blick auf das unter ihnen liegende Land noch zusätzlich. Außerdem konnte keiner auch nur sein eigenes Wort verstehen, wenn er nicht gerade schrie, so laut er konnte. Adam steuerte konzentriert den kleinen Hubschrauber durch die Lüfte, wobei ihm eine gewisse Nervosität durchaus anzumerken war. Was aber nicht weiter verwunderlich schien, da vermutlich jeder Mensch mit einer Waffe im Nacken etwas nervös ist. Fox wiederum saß vollkommen ruhig mit der Browning in der Hand auf der Rückbank hinter ihm und hielt Leonie, die, ihrer immer noch spärlichen Bekleidung wegen, ein wenig zitterte, mit einem Arm fest an sich gedrückt.

So erreichten sie relativ schnell und ohne Zwischenfälle den Luftraum von Benghazi. Die Lichter der Stadt funkelten in der Dunkelheit. Besonders der Hafen war hell erleuchtet. Fox brüllte über den Lärm hinweg:

-„Lassen Sie uns beim Benghazi-See runter. Da hinten bei dem großen Hotel-Komplex.“

Adam hielt den Helikopter in der Luft und begann dann langsam den Sinkflug auf der Stelle. Der mondbeschienene Platz an der Straße des 23. Juli vor dem Tibesty-Hotelkomplex kam näher und der Pilot versuchte, möglichst genau zwischen den parkenden Lastkraftwagen zu landen. Als sie unten punktgenau aufgesetzt hatten, stellte Adam den Motor ab und der Rotor machte noch einige kurze Drehungen mit dem typischen Flapp-Flapp-Geräusch und kam dann zum Stehen.

-„Vielen Dank für den angenehmen Flug“, sagte Fox mit süffisantem Unterton. „Eine Frage hätte ich allerdings noch: Was haben Sie mit ihrem Fluggerät mitten in der libyschen Wüste gemacht?“

Adam drehte sich unsicher um.

-„Was? Das wissen Sie wirklich nicht?“ Eine kurze Pause folgte, in der der Mann zu überlegen schien, ob er die Wahrheit sagen sollte oder nicht. „Der Boss wollte da abgesetzt werden. Er wurde dann mit einem Wagen abgeholt, der Ihrem Jeep sehr ähnlich sah. Eigentlich sollte er in diesem Moment wieder auf dem Weg in Richtung Ost-Europa sein, in diesem Hubschrauber.“

Fox überlegte. Der Pilot schien wirklich nicht viel zu wissen. Oder aber, er wollte es nicht zeigen. Möglicherweise bestand eine Verbindung zu den Terroristen und dem Camp. Sehr wahrscheinlich sogar.

-„Wie heißt denn Ihr Boss?“ Ihm war klar, dass er auf diese Frage vermutlich keine Antwort bekommen würde, aber fragen kostete ja bekanntlich nichts.

Der Mann wand sich. Wie Fox erwartet hatte. Er öffnete die Tür des Helikopters und sprang auf den harten Untergrund. Als er auf den weißen Kacheln des Platzes aufkam, durchfuhr ihn ein starker Schmerz. Alle Verletzungen, die er von der Explosion der Granate im Al-Jabal Al-Akhdar-Gebirge davongetragen hatte, schienen eine Meldung an sein Gehirn abgeben zu wollen, dass sie noch da waren. Durch die Hektik der letzten Stunden waren die Schmerzen für ihn in den Hintergrund gerückt und er hatte sie kaum mehr gespürt. Jetzt, da er sich hier in Sicherheit wähnte, kamen alle wieder zurück. Fast trieb der Schmerz ihm Tränen in die Augen, so plötzlich und stark war er über ihn gekommen. Aber er riss sich zusammen. Er hielt Leonie seine geöffnete Handfläche hin, um ihr aus dem Hubschrauber zu helfen. Als er sie auffing, musste er krampfhaft die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut loszuschreien. Hoffentlich hatte er sich nichts gebrochen – eine wochenlange Behandlung oder gar eine Operation konnte er sich im Augenblick nicht leisten. Zu viel stand auf dem Spiel. Noch einmal blickte er zu dem Piloten hinauf. Eine Antwort auf seine Frage würde er nicht mehr bekommen. Es würde auch keinen Sinn machen, ihn gewaltsam mitzunehmen und zum Reden zu bringen. Zudem erschien es ihm wichtiger, nun die gewonnenen Informationen an das ESS-HQ in Konstanz weiterzugeben. Der Mann schien keine Gefahr darzustellen; vermutlich war er ein einfacher Pilot, der nur zufällig in diese Angelegenheit geraten war.

Fox klopfte zweimal gegen den Rumpf des Helikopters.

-„Sie können dann jetzt abfliegen. Nicht, dass Ihr Boss noch einen Wutanfall bekommt, weil sein Shuttle nicht da ist.“

Die Rotorblätter des Robinson begannen sich zu drehen und wenig später erhob er sich unter lautem Dröhnen vom Boden.

Es war inzwischen kurz nach zehn Uhr am Abend und die Temperaturen hier an der Küste waren mit denen in der libyschen Wüste nicht zu vergleichen. Eine kühle Brise ließ die gefühlte Temperatur auf etwa zwölf Grad Celsius absinken. Es war nicht unbedingt ein schönes Gefühl hier auf einem offenen Platz zu stehen in seiner zerfetzten Hose und dem dünnen schweißnassen Hemd. Leonie schien es in ihrem leichten Top und dem Mini-Rock, der sich fast schon aufgelöst hatte, nicht besser zu gehen. Sie drückte sich an ihn und Fox merkte, dass sie zitterte. Er legte einen Arm um sie. Einen Moment lang standen sie nur so da ohne ein Wort zu sagen, dann blickte Fox sich um. Er hatte diesen Platz bewusst gewählt. Am See des Dreiundzwanzigsten Juli gibt es eine Reihe guter Hotels. Die besten liegen zwischen der 23rd July Road und der Jamal AbDun Naser Street. So auch das Tibesty-Hotel, vor dessen T-förmigem Komplex sich die Beiden augenblicklich befanden. Der Haupteingang lag auf der anderen Seite des Hotels, sodass sie nun auf die tribünenartige, begrünte Abstufung des seeseitigen Gebäudes schauten. Um zur Rezeption zu gelangen, mussten sie über die breite Straße des Dreiundzwanzigsten Juli, die zu dieser späten Tageszeit kaum befahren war, und durch die ausgedehnte Grünanlage des Hotels laufen.

-„Was hältst Du von einem warmen Hotelzimmer mit Seeblick?“, flüsterte Fox. Leonie Krüger blickte ihm in die Augen und nickte nur.

Während sie langsam auf den Hotelkomplex zugingen, hörte man im Hintergrund leise Verkehrslärm und die typischen nordafrikanischen Stadtgeräusche. Einige Vögel sangen noch ihr Lied und das Zirpen der Zikaden fügte sich in die Geräuschkulisse mit ein.

In der Grünanlage hatten es sich einige Grasmücken bequem gemacht und durch die großen Fenster sahen sie die Speiseräume des Hotels, in denen noch Licht brannte. Fox blickte an sich herunter.

-„Na hoffentlich lassen die uns in unserem Outfit da überhaupt ´rein.“

Das Euro-Attentat

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