Читать книгу Der beste Suizid ist immer noch sich tot zu leben - Candy Bukowski - Страница 12
WANN WAR DAS EIGENTLICH
ОглавлениеWann war das eigentlich, als die Tage noch aus sinnvollem Herumstromern bestanden? Aus in der Sonne liegen und cool wie Paulchen Panther an Straßenecken stehen. Als wir uns irgendwelche Höhlen bauten, nur um sie wieder einzureißen, barfuß über Sommerwiesen trabten und in den Hosentaschen klebrige Bonbons fanden?
Wann war das, dass wir ständig hinfielen und uns die Beine aufschlugen, aber lachend sofort wieder auf die Füße kamen, ein paar Kiesel aus der Wunde zippten und ein wenig heiße Spucke alles sofort gesunden ließ? Heile, Heile Gänschen, echte Indianer kennen keinen Schmerz und 1, 2, 3, 4, Eckstein, alles muss versteckt sein.
Wann war das? Angeleckt ist meins und mit dir, mein Freund, teile ich sogar Esspapier und weiße Mäuse? Als sich drohendes Unheil mit Abschreiben lösen ließ und wir uneingeschränkt an alles glaubten, was wundervolle Zeit versprach, oder Glitzernadeln am Tannenbaum und bunte Geschenke darunter.
Wann war das, als wir genau wussten, was wir wollten? Und all das nur wenig mit Sinn und Unsinn, aber mit gewaltig viel Lust zu tun hatte? Als der Wunschzettel lang und das Sehnen kurz war, weil es niemals für uns infrage stand, all das unbeschreiblich große Glück auch zu verdienen. Ich will, ich mag, ich brauche unbedingt und natürlich wird sich alles finden.
Wann war das, als die größten Probleme einfach von der Nacht gefressen wurden und die Tage sich wie bunte Glasperlen auf einer Kette aneinanderreihten? Als wir besten Tand suchten und fanden und heimlich in kleinen Holzkästchen bewahrten.
Was für ein Schatz, was für ein Abenteuer und was für ein Geheimnis, nur allerliebsten Menschen flüsternd vorgezeigt, ansonsten unterm Bett in dunklen Ecken gut verborgen. Das darfst du nicht, das darfst du niemals einem sagen, das hier ist nur für uns allein und sowieso für immer.
Wann war das eigentlich? Unter der Bettdecke noch heimlich zu lesen und dabei wirklich etwas von der Welt zu verstehen. Von Falsch und Richtig und Gut und Böse. Und wenn es dennoch Spaß macht, darfst du dich eben nicht erwischen lassen. Aber eigentlich weißt du ganz genau, wofür sich alles lohnt. Und was eben einfach nur dazugehört.
Wann war das, als wir nicht um jeden Preis gemocht, sondern verstanden werden wollten? Und die Liebe im heiligsten Falle eine Blutsbrüderschaft war. Mit Ehrfurcht angenommen und vergeben, der erste, rote, feine Schmerz. Geschenk im Glauben an die Ewigkeit.
Wann war das, als unsere Träume so groß wie die Welt und die Welt so klein wie unsere Nachbarschaften war? Und nie etwas liegen blieb. Nichts auf der hohen Kante und nichts im Versuch, perfekt zu sein. Nichts, was getan, erledigt werden musste, auf weite Sicht, wenn doch das Jetzt und Heute lockt und alles ist.
Wann war das, als wir noch Helden hatten und selber welche waren, uns Vorbilder fürs Leben taugten und wer mich nicht versteht, eben nur ein blöder Nichtversteher war? Du hast mir nichts zu sagen, nichts zu tun, bist nicht weiter relevant, und wenn ich erst groß bin, werde ich es dir schon zeigen.
Wann war das eigentlich?
Als wir ans Leben glaubten.
Und Zukunft ein Wort für Freiheit war.
Als wir alles dürfen wollten.
Und als wir es durften, nicht mehr mochten.
Sag mir wann?