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3 Brenda
ОглавлениеDrei Gäste. Drei läppische Gäste. Einer davon war der alte Tom, der jeden Tag kam und sich stundenlang an einem Glas Wein festhielt.
Bei den anderen Gästen handelte es sich um ein Pärchen aus Denver. Sie waren für ein verlängertes Wochenende in Plansprings. Zum Wandern, hatten sie Brenda erklärt und sich von ihr Routen empfehlen lassen. Sie gehörten zu den immer selteneren Besuchern, die es nicht hoch in den Luxuskomplex zog, sondern ihr Quartier unten im Dorf nahmen. Aber selbst sie hatten die Plastikmöbel auf der Terrasse kritisch beäugt. Brenda seufzte. Wie gerne hätte sie hier schöne Holzmöbel. Dazu Heizpilze und Decken, damit die Gäste auch an den kühleren Tagen die Aussicht genießen konnten. Denn auch die Terrasse des ›Plansprings Inn‹ erlaubte einen spektakulären Ausblick. Jetzt, wo die Weiden ein Meer an Farben boten, die Laubbäume ein saftig grünes Haupt trugen und das Grau der Berge zu ihren vom Schnee weißgetünchten Gipfeln interessante Kontraste setzte, konnte sich niemand dem Zauber entziehen. Besucher und Einheimische waren sich gleichermaßen darin einig, dass es die schönste Jahreszeit war.
Brenda begann, Kartoffeln zu schälen. Lustlos, denn in den vergangenen Tagen hatte nicht ein Gast ihre Spezialität, hausgemachte Pommes frites aus frischen Kartoffeln, bestellt. Wenn überhaupt hatte sie etwas von dem Kuchen verkauft. Vielleicht sollte sie statt der Pommes mehr Kuchen machen?
Sofort hob sich ihre Laune. Backen war ihre neuentdeckte Leidenschaft. Seit es im ›Plansprings Inn‹ immer ruhiger wurde, vertrieb sie sich damit die Zeit. Sie war gerade dabei, die Zutaten abzuwiegen, als jemand die Tür zur Küche aufstieß.
»Onkel Hank, es ist wenig los, deshalb mache …« Brenda hob den Kopf und hielt inne. »Oh, Cadie. Hallo. Ich dachte, es sei Hank.« Brenda zog unbewusst die Schultern hoch. Sie hatte Cadie seit der Party nicht mehr gesprochen und ahnte, dass noch etwas nachkommen würde.
»Da war aber schon mal mehr Begeisterung in deiner Stimme, wenn du mich begrüßt hast.« Trockener Spott schwang in Cadies Tonfall mit, aber sie lächelte freundlich. Mit zur Seite geneigtem Kopf sah sie Brenda an. »Backen kannst du auch später. Wie wär’s: Wir trinken einen Kaffee und du erzählst mir, was dich bedrückt?«
Brenda strich sich mit dem Handrücken eine Strähne zurück. »Ich weiß nicht, ich habe noch viel zu tun.«
»Das sehe ich. Der alte Tom mit seinem Glas Wein hält dich ganz schön auf Trab.« Cadie hatte selbst lange im ›Plansprings Inn‹ gearbeitet; ihr konnte Brenda nichts vormachen.
Mit einem unterdrückten Seufzen löste Brenda die Küchenschürze, wusch die Mehlspuren von den Fingern und folgte Cadie nach vorne. Das Pärchen hatte inzwischen gezahlt. Tom und Hank waren in eine Unterhaltung über irgendein Footballspiel vertieft. Vielleicht war es auch Baseball. Die zwei Männer schafften es zu Brendas Erstaunen jeden Tag, Gesprächsstoff zu finden.
Brenda musste unwillkürlich lächeln, als sie die beiden so sah. Das ›Plansprings Inn‹ war für ihren Onkel nicht nur seine Existenzgrundlage, sondern auch ein Zuhause. Das Zentrum seines sozialen Lebens. Wer etwas von Hank wollte, fand ihn meist hinter der Theke, auch wenn er auf Anraten seines Arztes gezwungen war, Brenda immer mehr Verantwortung zu überlassen.
»Kaffeepause?« Hank zwinkerte ihr zu, als sich Brenda an ihm vorbei zu dem altersschwachen Ungetüm von Gastronomiekaffeemaschine schob, deren Mahlwerk nur stotternd in Gang kam. Ein Punkt auf der Liste der dringend erneuerungsbedürftigen Dinge im ›Inn‹. Stirnrunzelnd vernahm Brenda das Quietschen, das dem Getöse des Mahlwerks folgte. Lange würde es nicht mehr dauern und sie wären ein Café ohne Kaffee.
Cadie dachte offenbar in eine ähnliche Richtung. »Das Ding klingt jeden Tag schlimmer«, kommentierte sie, nahm die beiden Tassen in Empfang und trug sie auf die Terrasse hinaus. Brenda folgte mit zwei Tellern, auf denen Cinnamon Twists einen appetitlichen Duft verströmten.
Cadies Augen leuchteten auf, als sie eine der gedrehten Stangen ergriff, die reichlich mit Zimt und Zucker bestreut waren. »Seit du backst, besuche ich dich noch lieber.« Sie probierte genüsslich. »Himmlisch.«
»Das sind eigentlich nur längliche Donuts«, wehrte Brenda das Kompliment ab, freute sich aber über das Lob. Sie biss nun ebenfalls ein Stück ab und musste ihrer Freundin insgeheim recht geben. Backunfälle waren selten geworden, mittlerweile konnten sich die meisten Ergebnisse sehen lassen. Vielleicht sollte sie sich in Vail bei einem Bäcker bewerben, wenn hier endgültig Schluss war. Plötzlich schmeckte die Zimtstange nur noch halb so gut.
»Du ziehst schon wieder das gleiche Gesicht wie am Samstag«, bemerkte Cadie sofort und runzelte die Stirn. »Als deine beste Freundin bestehe ich darauf, dass du mir endlich erzählst, was los ist. Dich belastet doch etwas.«
»Mir geht halt viel durch den Kopf.« Brenda stopfte sich ein großes Stück Zimtstange in den Mund. Sie wollte nicht darüber reden. Das ›Plansprings Inn‹ gehörte seit Generationen ihrer Familie. Und kaum schickte sie sich an, es zu übernehmen, starb das Lebenswerk ihrer Vorfahren.
»Wir kennen uns ein Leben lang.« Cadie langte über den Tisch nach Brendas Hand und hielt sie davon ab, einen weiteren Bissen zu nehmen. »Glaubst du wirklich, ich lasse mich mit dieser lapidaren Erklärung abspeisen?« Sie sah Brenda mit blitzenden Augen an. »Also rede mit mir, oder ich werde nachträglich doch noch sauer, weil du dich am Samstag einfach von der Party geschlichen hast!«
»Ich hatte Kopfschmerzen«, murmelte Brenda und verfolgte angelegentlich, wie sich ein paar Sperlinge am Ende der Terrasse um einige Krümel balgten.
»Ja, das hast du am Samstag schon als Grund vorgeschoben«, gab Cadie zurück. »Aber die Brenda, die ich kenne, hätte nach einer Aspirin gefragt und weitergefeiert. Was war es also wirklich?«
»Ich sage doch, es ging mir nicht gut.« Brenda presste die Lippen aufeinander und hoffte, ihre Freundin möge das Zeichen verstehen. Eigentlich war Brenda immer die Resolutere von ihnen gewesen. Doch jetzt starrte Cadie sie derart entschlossen an, dass Brenda wusste: Dieses Verhör war noch nicht vorüber.
»Ist es wegen eines Mannes?«, überlegte Cadie nun laut. Dann riss sie die Augen auf. »O mein Gott, ist es Matt? Ich habe beobachtet, wie ihr euch unterhalten habt, bevor du nach draußen geflüchtet bist.« Sie kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. »Brenda Callen, ich will jetzt sofort wissen, was los ist.«
»Matt? Wie kommst du denn auf Matt?«, fragte Brenda viel zu laut. Gut, dass niemand in der Nähe saß. Zum ersten Mal war sie froh über den Mangel an Gästen.
»Die Art, wie er dir nachgeschaut hat. Er macht sich ebenfalls Sorgen.« Cadie sah sie eindringlich an. »Wie wir alle. Wenn es also nicht um Matt geht: Was ist es dann?«
Schritte und Stimmen ersparten ihr eine Antwort. Eine Gruppe Wanderer kam schwatzend auf die Terrasse. Brenda sprang auf, um ihnen dabei zu helfen, die Tische zusammenzuschieben. »Tut mir leid, ich muss arbeiten«, murmelte sie Cadie im Vorbeigehen zu. Ein Blick das Gesicht ihrer Freundin verriet ihr, dass die Unterhaltung nur aufgeschoben war. Sie würde sich eine plausible Antwort überlegen müssen.