Читать книгу Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher - Страница 25
II.Schlechter Verlauf der EWR-Verhandlungen
ОглавлениеAm 2. Mai 1992 unterzeichnete die Schweiz in Porto zusammen mit den anderen sechs damaligen EFTA-Staaten – Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen Österreich und Schweden – und der EU das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum EWRA und das Überwachungs- und Gerichtshofsübereinkommen («ÜGA»). Mit dem ÜGA wurden die EFTA-Überwachungsbehörde (EFTA Surveillance Authority, «ESA») und der EFTA-Gerichtshof geschaffen. Das EWRA fusst auf einem Zwei-Pfeiler-Modell. Im EU-Pfeiler liegt die Überwachung in den Händen der Europäischen Kommission und die gerichtliche Kontrolle beim EuGH. Im EFTA-Pfeiler sind ESA und der EFTA-Gerichtshof zuständig. Die beiden EFTA-Institutionen sind strukturell unabhängig. Neues EWR-Recht entsteht durch Übernahme von EU-Recht. Dabei haben die EFTA-Staaten ein anspruchsvolles Mitspracherecht. Ziel des EWRA ist die Erstreckung des Binnenmarktes auf die EFTA-Staaten. Im Gegenzug öffnen diese ihre Märkte für Akteure aus den EU-Staaten.
Das EWRA ist das umfassendste multilaterale Assoziationsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat. Der Nationalrat billigte den Vertrag mit 138 gegen 57 Stimmen, der Ständerat mit 38 gegen 2 Stimmen. Allerdings waren die Verhandlungen für die Schweiz nicht günstig verlaufen. Ihre Diplomaten waren schlecht auf ein multilaterales Unterfangen dieser Grössenordnung vorbereitet. Ich weiss nicht, wie oft ich von österreichischen und schwedischen Unterhändlern gehört habe, mit welcher Überheblichkeit gewisse Schweizer zu Beginn der Verhandlungen aufgetreten sind. Eine Aufforderung der Kommission, die Bereiche zu bennen, die für sie von vitalem Interesse sein würden, wurde von den EFTA-Staaten dahin verstanden, dass es darum ging, permanente Ausnahme von der Übernahme des EH acquis zu erreichen. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Bemerkenswert ist, dass die Schweiz die mit Abstand längste Wunschliste vorlegte, es sollen 140 Positionen gewesen sein. Am Ende musste das alles zurückgenommen werden.
Die Schweizer nahmen die Zusage von Kommissionspräsident Delors vom Januar 1989 zum Nennwert, dass den EFTA-Staaten ein Mitentscheidungsrecht bei der Setzung neuen, für den EWR relevanten EU-Rechts eingeräumt würde. Für sie schien damit ein Traum in Erfüllung zu gehen, den man seit langem geträumt hatte: Ein Mitentscheidungsrecht zu haben, ohne EWG-Mitglied zu sein. Die Phalanx der EFTA-Staaten war freilich brüchig. Delors konnte daher sein Versprechen ein Jahr später ohne grosses Federlesen zurückziehen. Die Schweizer beharrten trotzdem auf einem Mitentscheidungsrecht. Dass die EFTA-Staaten in einem Europäischen Wirtschaftsraum nicht nur uneingeschränkten Zugang zum EG-Binnenmarkt haben, sondern auch ihre Souveränität in den Bereichen Aussenhandel, Landwirtschaft, Fischerei und Steuern behalten würden, wurde ausgeblendet. Auch dass die EFTA-Staaten ihre eigene Überwachungsbehörde und ihren eigenen Gerichtshof haben würden, wurde als unwichtig angesehen. Teile der Schweizer Delegation hielten das EWRA für ein unwürdiges Abkommen, und da man sich mit der realen Entwcklung des EWR gar nicht erst befasst, dominiert diese Sichtweise die Einstellung des Aussenministeriums gegenüber dem Abkommen bis heute. Die anderen EFTA-Staaten massen dem fehlenden Stimmrecht weniger Bedeutung bei. Mit Ausnahme von Island und Liechtenstein waren sie entschlossen, den Aufenthalt im EWR so kurz wie möglich zu gestalten und der EU beizutreten. Irgendwann stand die Schweiz kurz davor, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Sie entschloss sich dann trotzdem, dabei zu bleiben. Aber bei gewissen Diplomaten setzte sich sukzessive die Meinung durch, wegen des fehlenden Stimmrechts könne das EWRA nur als Zwischenschritt zu einem EU-Beitritt akzeptiert werden.