Читать книгу ...und schon bist Du Rassist! - Carl Betze - Страница 8
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Flüchtlinge – gab es die schon immer?
Flucht und Vertreibung existieren, seitdem die Menschen auf der Erde wandeln. Kriege, Missernten, Verfolgung, wirtschaftliche Not, Umweltkatastrophen oder fehlende Lebensperspektiven – die Motive, warum Menschen ihre Heimat verlassen, sind vielfältig.
Schon in der vorchristlichen Bronze- und Eisenzeit gibt es zwischen verschiedenen Stämmen Auseinandersetzungen um Jagdreviere, Siedlungsorte und Frauen als Fortpflanzungspartner. Die Überlebenden des unterlegenen Stammes müssen schlussendlich ihre Heimat verlassen und an anderer Stelle sesshaft werden.
Auch in der Bibel sind Unterdrückung und Flucht allgegenwärtig. So wird Moses von Gott auserkoren, das Volk Israel von seinem Sklavendasein in Ägypten zu befreien, und führt sein Volk ins gelobte Land nach Kanaan. Viele Historiker vertreten die Ansicht, dass der Auszug aus Ägypten im Alten Testament auf wahren historischen Begebenheiten im 13. Jahrhundert vor Christus beruht.
In der Antike und zur Römerzeit werden viele Volksgruppen wegen ihres Glaubens und ihrer Kultur vertrieben. Auch das Ende des Römischen Reichs und der Beginn des Mittelalters stehen in engem Zusammenhang mit massenhaften Flüchtlingsbewegungen, die meist unter dem verharmlosenden Begriff "Völkerwanderung" zusammengefasst werden.
Auf der Flucht vor den Hunnen, einem aus Zentralasien anrückenden Reitervolk, machen sich viele germanische Stämme auf den Weg nach Westen. Sie ersuchen darum, sich im Römischen Reich niederlassen zu dürfen, was ihnen 376 nach Christus auch gewährt wird.
Die Integration indes schlägt fehl, es kommt zu Aufständen. Immer neue Volksstämme ziehen in den folgenden Jahrzehnten aus Norden und Osten Richtung Römisches Reich, wo sie sich ein wirtschaftlich und politisch besseres Leben erhoffen. Als Folge der mannigfaltigen, zum Teil mit Gewalt erzwungenen Völkerbewegungen zerfällt Rom in viele kleinere Reiche, in denen der Grundstein für das heutige Europa gelegt wird.
In den folgenden Jahrhunderten sind es immer wieder Kriege aufgrund von Territorialinteressen oder infolge religiöser oder rassistischer Überzeugungen, die zu Flucht und Vertreibung führen. Der dreißigjährige Krieg oder beide Weltkriege im 20. Jahrhundert, in deren Folge Millionen Menschen ihre Heimat verlieren, sind die bedeutendsten unter vielen.
Auch Missernten sind Ursachen für Fluchtbewegungen. So machen sich Mitte des 19. Jahrhunderts nach mehreren schlechten Kartoffelernten und der dadurch grassierenden Hungersnot knapp zwei Millionen Iren auf den Weg nach Amerika, Australien und Großbritannien.
Seit Ende des 20. Jahrhunderts haben sich die Flüchtlingsbewegungen zunehmend globalisiert. Zwar bilden kriegerische Konflikte weiterhin oftmals die Ursache, doch mehr und mehr spielen auch andere Gründe eine Rolle, infolge derer Menschen ihre Heimat verlassen: Armut, Hunger, Umweltkatastrophen und fehlende Lebensperspektiven. Auch Eingriffe in die Natur wie zum Beispiel Flussbegradigungen oder Staudämme ziehen immer wieder Fluchtbewegungen nach sich.
Die westlichen Industrienationen verheißen zurzeit am meisten Sicherheit und Wohlstand und sind somit zum Ziel von Millionen Flüchtlingen aus armen und konfliktbeladenen Regionen, vor allem aus Afrika und Asien, geworden. Besonders die USA sowie die Staaten der Europäischen Union sind beliebte Ziele.
Die Flüchtlinge nehmen dafür große Strapazen und hohe finanzielle Belastungen in Kauf und riskieren nicht selten ihr Leben – etwa bei der Überfahrt von Nordafrika durch das Mittelmeer. Und selbst wenn ihnen die Einreise gelingt, kommt es oft vor, dass sie nicht als asylsuchende Flüchtlinge anerkannt und zurück in ihre Heimat abgeschoben werden.
Die Hilfsangebote für Flüchtlinge sind auf verschiedenen Ebenen organisiert. So wird 1951 das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen gegründet (UNHCR), das sich für die Rechte der Flüchtlinge und die Einhaltung der Genfer Konvention einsetzt und in Krisengebieten Hilfe leistet.
Die Europäische Union (EU) richtet 1992 eine Generaldirektion für humanitäre Hilfe ein und ist in nahezu allen Krisenregionen der Welt aktiv. Zudem ist die EU einer der größten Geber öffentlicher Entwicklungshilfe.
Programme zur Wirtschaftsförderung, Gesundheitsverbesserung und Armutsbekämpfung sollen dazu beitragen, Gründe für eine mögliche Flucht zu reduzieren.
Auch einzelne Staaten leisten in Form von Notprogrammen und bilateralen Vereinbarungen mit Partnerländern Hilfe zur wirtschaftlichen Entwicklung. Zudem wird auf staatlicher Ebene in Form der Asylgesetzgebung der Umgang mit Flüchtlingen geregelt. So bekommt ein Asylberechtigter in Deutschland eine auf vorerst drei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung sowie unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Sozialleistungen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leistet Hilfe bei der Integration von Flüchtlingen, die in Deutschland bleiben wollen, zum Beispiel durch Sprachkurse und Rechtsberatung. Außerdem engagieren sich viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in der Flüchtlingshilfe. Organisationen und Vereine wie Rotes Kreuz, Roter Halbmond, Ärzte ohne Grenzen, terre des hommes oder Cap Anamur, die sich dem Gemeinnutz verpflichtet haben, helfen in Notsituationen und versorgen Flüchtlinge vor Ort.
Aufgrund ihrer schlanken Strukturen und teilweise kurzen Entscheidungswege sind NGOs oft flexibler und somit zu schnellerer Hilfe in der Lage als staatliche Stellen.
Trotz der wachsenden Hilfsangebote von verschiedenen Seiten hat sich die Lage für Flüchtlinge im neuen Jahrtausend nicht verbessert. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen waren 2018 weltweit etwa 71 Millionen Menschen auf der Flucht.
Während die Zahl der offiziell anerkannten Flüchtlinge seit 1999 tendenziell unverändert bleibt, ist die Zahl der sogenannten Binnenflüchtlinge stark angestiegen, die innerhalb ihres Heimatlandes zur Flucht gezwungen werden. Binnenflüchtlinge machen mit 41 Millionen inzwischen den größten Anteil der Menschen aus, die ihre Heimat verloren haben (06).