Читать книгу Sardinien - Ein Traum wird wahr - Carlotta Renzo - Страница 10

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Dezember 2002

Ettore war Mitte Dezember für mehr als 2 Monate in den Sommer am anderen Ende der Welt geflogen, um sich von seinem letzten Arbeitsjahr, dem Stress der Übergabe seines Geschäfts an seinen bisherigen Partner und allen damit verbundenen kleinen und großen Problemen, den rechtlichen Dingen und dem damit daraus resultierenden ‚Papierkram‘, der ihm sowieso verhasst ist, zu erholen. Er wollte erst Ende Februar aus Südafrika wieder zurückkommen und fragte uns vor seiner Abreise nochmals, ob es uns wirklich ernst sei mit dem Kauf des Grundstückes und des Hauses.

Vielleicht ist es bezeichnend für einen Südländer (selbst wenn er schon so lange in Deutschland lebt wie er), dass er nicht wie wir Deutsche alles sofort bis ins Kleinste schriftlich festgelegt haben will – ihm genügt noch ein Wort und ein Händedruck! Oder vielleicht lag es auch ein bisschen an uns? Wir versicherten ihm, dass es auf jeden Fall bei unserem Entschluss bleiben würde und er keinen anderen Käufer suchen müsse. Über die noch zu klärenden Dinge würden wir uns sicher einig werden und auch über den endgültigen Preis – ich machte mir darüber keine allzu großen Sorgen.

In den beiden folgenden Monaten beschäftigten wir uns an den freien Wochenenden mit der Anfertigung von Plänen des Grundrisses vom Haus sowie Zeichnungen der einzelnen Räume aufgrund unserer eigenen Vermessungen und anhand der Fotos, die wir gemacht hatten und die nun auf eine CD gebrannt waren. Ich versuchte mich an der für die Räumlichkeiten idealsten Möblierung (die dazu möglichst wenig kosten sollte…) und malte mir in Gedanken aus, welche Farben und Materialien passen könnten. Gemeinsam überlegten wir, was wir an Dingen aus unserer Wohnung evtl. mitnehmen könnten, was wir dagegen noch besorgen müssten oder was wir besser vor Ort kaufen sollten.

Außerdem listeten wir auf, welche Fragen noch geklärt werden müssten und wie das Prozedere für den gesamten Kaufvorgang ablaufen sollte. Eine erste Version des Kaufvertrages, den wir dann in beiden Sprachen abfassen lassen wollten, wurde entworfen, und wir ließen uns zu Fragen der Finanzierung und damit einhergehende Transaktionen beraten.

Auf diese Art beschäftigten wir uns fast in jeder freien Minute mit dem, was wir in nächster Zeit alles tun mussten, um das Projekt in ‚trockene Tücher’ zu bringen, kein unnötiges Risiko einzugehen und den angenommenen Zeitplan einhalten zu können. Kurz gesagt, wir waren bereits total besessen von unserem Traum auf ein neues Leben! Aber alle diese Überlegungen halfen auch, die Ungeduld etwas zu zähmen und gleichzeitig unsere Vorfreude auf den kommenden Sommer zu steigern! Wir hatten uns sogar schon ausgerechnet, dass es unter günstigsten Umständen möglich sein müsste, bereits unsere Osterferien in unserem neuen Zuhause unter südlichem Himmel zu verbringen.

In den Wintermonaten motivierten wir uns mit vielfältigsten Aktivitäten unser anvisiertes Ziel betreffend, und wir luden die schönsten unserer Fotos auf unsere auch beruflich genutzten Notebooks, um uns an regnerischen, grauen Tagen oder bei auftretendem Ärger überall aufmuntern zu können. Ein farbiger Computerausdruck vom Foto des Hauses auf Sardinien zierte für den Anfang den leeren Platz neben unseren Toskana-Aquarellen. Kurze Zeit später wurde es durch ein selbst gemaltes Bild ersetzt, das mir für den ersten Versuch mit Aquarellfarben nach fast 30 Jahren ganz gut gelungen schien (leider hatte ich mich aus zeitlichen Gründen kaum noch mit der Malerei befassen können, und falls doch, benutzte ich Acrylfarben…)

Zudem legte ich einen dicken Ordner an, in dem ich Ideen und Bilder für ‚unser Haus‘ und das Grundstück sammelte, egal ob es um Gartengestaltung, dessen Bepflanzung oder um Vorschläge für die Einrichtung der Räume ging. Eine Art ‚Tagebuch’ nahm alle Gedanken und Ideen dazu auf und wurde auch eine wichtige Vorlage für dieses Buch. Sogar unser Speiseplan, der immer schon ziemlich südlich angehaucht war, wurde noch um einige zusätzliche mediterrane, vor allem aber italienische und sardische Varianten (soweit sich die Zutaten auftreiben ließen…) bereichert.

All dies half vor allem mir, den Winter halbwegs zu ‚überstehen’, verstärkte aber auch gleichzeitig meine übergroße Sehnsucht nach dem Süden. Es war, als ob sich alles, was ich in den vergangenen Jahren in diesem Zusammenhang immer wieder verdrängt hatte oder verdrängen musste, auf einmal Raum schaffen würde – wie bei einer Eruption. Vielleicht würde dies wirklich das neue, andere Leben werden – möglicherweise hätten wir uns damit auch schon viel früher befassen sollen… Gedanken über Gedanken!

Eine weitere Beschäftigung lieferte mir die Suche nach geeigneter Literatur, um unser Vorhaben zu erleichtern und um zusätzliche Orientierung zu erhalten. Dies erwies sich allerdings als ziemlich schwieriges Unterfangen. Weder ausführliche Sachbücher noch Erfahrungsberichte über Sardinien waren zu finden; es gab kaum etwas, das über die übliche Reiseliteratur hinausging (auch diese ist in weitaus geringerem Maße als für andere südliche Länder vorhanden)

Selbst im Bereich Belletristik gab es offensichtlich sehr wenig an Literatur Sardinien betreffend (ich konnte nur 3 kleine Taschenbücher aufspüren). Sogar kenntnisreiche, ausführliche und vor allem genaue Wanderkarten stellten ein Problem dar.

Wohn- und Hauszeitschriften berichten meist nur über den Bau oder die Neugestaltung von teuren Anwesen durch berühmte Architekten an der Costa Smeralda; wunderschöne Fotos zeugen von den durchaus gelungenen und teils ungewöhnlichen Ergebnissen – aber dies war alles weit entfernt von den Informationen, die ich zu finden gehofft hatte.

Auch Recherchen im Internet brachten kaum irgendwelche brauchbaren Erkenntnisse, die mir weiterhelfen konnten. Die Universität Köln hatte einen Beitrag über die sardische Sprache und Kultur sowie einiges über die Geschichte auf einer Website veröffentlicht: wissenschaftliche Abhandlungen über die uralten Kulturen, die Besetzung der Insel in den letzten zweitausend Jahren durch die unterschiedlichsten Völker und das Vorkommen längst ausgestorbener Tierarten auf Sardinien, aber das war dann auch schon alles…

Auf anderen Internetseiten über Oliven und Olivenöl gelangte ich dann noch auf private Erfahrungsberichte von ‚Auswanderern’ oder Aussteigern auf Zeit. Wir waren inzwischen schon richtig süchtig nach allen möglichen Informationen im Zusammenhang mit Sardinien, und wir entdeckten auf unserer Suche durchaus auch interessante Hinweise und Veröffentlichungen, einige wenige auf Sardinien bezogen, manche generell auf Italien.

So wurden wir auch auf einen Artikel aufmerksam, der sich mit den ‚Feuerbergen’ Italiens und seiner Inselwelt befasst. Neuen Forschungen zufolge sind Italiens Vulkane bedrohlicher als lange Zeit gedacht! Zwar ist bekannt, dass sich in Süditalien die Vulkane häufen. Jeder kennt die Bilder des kontinuierlich Rauchwolken ausstoßenden Stromboli oder die letzten Ausbrüche des Ätna auf Sizilien, der seit Oktober 2002 wieder sehr aktiv ist. Beunruhigend für die Vulkanologen dabei ist aber nicht nur die zunehmende Heftigkeit der Ausbrüche, sondern auch die Substanz, die der Berg neuerdings ausstößt. Das jetzt zähflüssigere Material ist wesentlich explosiver, weil es den Vulkanschlund verstopfen kann wie ein Korken eine Flasche. Der Gasdruck, der sich dadurch im Inneren aufbauen und in einer gigantischen Explosion entladen kann, würde im schlimmsten Fall zu einer Mega-Katastrophe führen.

Zur Beruhigung wurde jedoch in diesem Artikel auch erwähnt, dass eine solche Entwicklung Abertausende von Jahren dauern kann. Wenige wissen vielleicht, dass auch der Vesuv (der in Schulbüchern damals noch als ‚erloschen’ galt) durchaus noch genug ‚Leben’ hat – er sitzt nämlich auf einer gigantischen Zeitbombe: Einem riesigen Magmabecken von mindestens 400 qkm Größe. Damit brodelt unter diesem Vulkan jetzt mehr Magma, als er insgesamt je ausgespuckt hat. Und wie die Geschichte gezeigt hat, geschah dies bereits mehrmals…

Zwar gibt es derzeit keine direkten Anzeichen für eine nahende Eruption, doch laut den zitierten Forschern wäre rein statistisch längst wieder eine solche fällig! Noch viel weniger bekannt dürfte sein, dass zu den genannten Vulkanen auf dem Land auch noch einige Unterwasservulkane kommen, wie z. B. der Marsili, dessen Gipfel rund 3000 m über dem Meeresgrund und etwa 500 m unter der Wasseroberfläche liegt. Dass der Marsili aktiv ist, stellten Forscher bereits vor einigen Jahren fest.

Käme es zu einem Ausbruch, wären starke Unterwasserbeben die Folge, die im schlimmsten Falle Riesenwellen erzeugen und damit die Küsten Siziliens und Kalabriens verwüsten könnten. Über das tatsächliche Gefahrenpotenzial sind sich die Experten aber uneins. Ein anderer Unterwasservulkan, Ferdinandea genannt, der sich etwa 40 km vor Sizilien befindet, vermochte es sogar, Spannungen in die internationale Politik zu bringen. Die Spitze dieses Vulkans liegt nur noch 5,7 m unter dem Meeresspiegel und nicht 8 m wie in den letzten 100 Jahren. So steht es in einem Dossier, das eigens für das Außenministerium in Rom erstellt wurde. Nach einem Ausbruch im Jahre 1831 stieg der Vulkangipfel nämlich über die Meeresoberfläche empor und die Briten hissten flugs ihre Flagge und beanspruchten das ‚neue’ Eiland für sich. Dies löste entsprechenden Ärger bei den Italienern aus.

Erfreulicherweise erübrigte sich der daran entzündete Streit relativ schnell, obwohl bis heute keine der beiden Seiten verzichtete, denn die Lava-Insel versank nach einem halben Jahr wieder im Meer! Vor einigen Jahren haben die Italiener nun mittels Tauchern eine schwere Steintafel auf Ferdinandea anbringen lassen, die das Eiland für Sizilien reklamiert, sobald es wieder hervorkommt!!!

Und wo ist nun bei diesem Thema der Bezug zu Sardinien? Ganz einfach: aus diesem doch sehr ausführlichen Artikel ging auch hervor, dass es auf und um Sardinien angeblich keinerlei Vulkane geben soll, weder auf dem Lande noch unter Wasser, was uns doch sehr beruhigt hat. Und das italienische Festland ist immerhin 190 km entfernt; nach Tunesien sind es 180 km… vielleicht reicht das!

Um beim Thema Literatur zu bleiben: Über die Provence gab es erstaunlicherweise Bücher mit Erfahrungen und Erlebnissen von den verschiedensten Autoren, von solchen, die sich dort niedergelassen hatten und solchen, die nur zeitweise dort leben, auch über das Leben von amerikanischen und englischen Künstlern, Schriftstellern und anderen Aussteigern, die sich ein Haus in der Toskana oder in Ligurien gekauft hatten. Aber wir haben nichts, aber auch gar nichts in ähnlicher Art in Sachen Sardinien gefunden!

Die betuchten Ausländer, die an der Costa Smeralda ihren ersten oder zweiten (oder dritten) Wohnsitz aufgeschlagen haben, schreiben wohl keine Bücher und die übrigen Ausländer, die sich an nicht ganz so mondänen Orten niedergelassen haben, anscheinend ebenso wenig… Wahrscheinlich sind es auch nicht sehr viele! So war das einzige, was uns zu diesem Zeitpunkt außer unseren Planungen und Vorbereitungen noch blieb, die italienische Sprache weiter zu vertiefen.

Ich wollte nicht nur bei den bevorzugten Gesprächsthemen Wetter, Essen und Reisen richtig mitreden können, sondern meinen Wortschatz um jetzt notwendigeres Vokabular erweitern, wie es das Verhandeln mit Handwerkern, mit der zuständigen Kommune und den verschiedenen Behörden, mit dem Notar, etc. verlangt.

Mein Mann, der zwar über etwas verstaubtes Schulitalienisch verfügte, versuchte sich an entsprechenden Computerprogrammen, um sich wieder fit zu machen… Allerdings ist die Sprache der Sarden nicht Italienisch, wie man vermuten könnte, sondern eine alte romanische Sprache, die in vielem dem Latein und in der Region im Nordwesten dem Katalanischen sehr ähnelt, aber auch sehr viele eigenständige Worte und Laute enthält, die überhaupt nicht vergleichbar sind mit bekannten Worten aus anderen Sprachen. Auf den Inseln Sant’Antioco und San Pietro wird heute noch tabarkinisch gesprochen, ein Dialekt, der auf die Genueser zurückgeht.

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts – mit dem Wechsel der spanischen Herrschaft zur piemontesisch-savoyischen Herrschaft war nicht mehr Kastilisch oder Katalanisch, sondern Italienisch die Amtssprache auf Sardinien (in der Provinz Sassari wird im Westen, vor allem in und um Alghero z.T. auch heute immer noch Katalanisch gesprochen).

Die meisten Sarden sind also zweisprachig groß geworden. Aber nicht nur viele ältere Menschen und die Kinder – bevor sie in die Schule kommen – sprechen zu Hause auch heute noch oft überwiegend Sardisch! Und es gibt nicht die eine sardische Sprache, sondern so viele Varianten oder Dialekte davon wie Provinzen! Dank des Projekts ‚Lingua 2000’ wird übrigens seit kurzem an sardischen Schulen auch Deutsch unterrichtet.

Wir nutzten also die trübe Jahreszeit bei uns auch zum Studium über die Jahrtausende alte Geschichte Sardiniens, über die verschiedenen Spekulationen seiner Entstehung und damit zusammenhängende, geologische Gegebenheiten, aber auch über die Kultur auf der Insel und viele andere interessante und wissenswerte Dinge.

Sardinien - Ein Traum wird wahr

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