Читать книгу Der Schatten des Leoparden - Carola Hansson - Страница 6

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Er schreckte zusammen.

Das Mädchen stand dicht an seinem Tisch. Es trug eine magere Katze unter dem Arm, und als es lächelte, sah er, daß nicht nur seine Lippen, sondern auch seine Zähne schwarze Flecken hatten. Er glaubte, daß sie von Vernachlässigung herrührten, wußte noch nicht, daß die Indianer aus dem Süden Kokablätter mit einem ätzenden Zusatz von ungelöschtem Kalk kauen, der von gebrannten Schneckenhäusern stammt. Es stellte einen Teller mit Maisbrot und kleinen, grünen Mangos vor ihn hin, und als er es fragend anblickte, lächelte es nochmals, nickte und schob den Teller näher an seine Hand heran. Es ging erst, als er eine der Früchte aufgeschnitten hatte.

Er aß nicht viel. Das Maisbrot triefte vor Fett, und die Mango hatte einen schwachen Beigeschmack nach Terpentin. Er fürchtete, es könnte ihm erneut übel werden. Flüchtig streifte ihn der Gedanke, ob die Sendung mit der Pflanzenpresse und dem Löschpapier tatsächlich vor ihm in Montezuma angekommen war. Die Hitze wurde immer drückender, die Luft war feucht und stickig. Er fragte sich, wie lange er noch würde warten müssen. Irgendwann im Laufe des Tages sollten sie sich treffen, bis dahin konnten noch Stunden vergehen. Er öffnete den Fensterladen wieder, etwas weiter diesmal, und sah, daß ein paar Männer unter dem Baum mit den roten Blüten saßen, drei Männer in schwarzen Hosen, weißen Hemden und mit weißen, weichen Hüten, die sie weit in die Stirn gedrückt trugen. Auf dem versengten Gras zwischen ihnen lagen einige Bierflaschen und eine riesige, grüne Wassermelone.

Vielleicht war er eingenickt. Er hatte das Gefühl, Stimmen gehört zu haben. Daß ihn jemand in seiner eigenen Sprache angeredet hatte. Für einen kurzen Augenblick hatte er auch Agnes gesehen, da auf dem schattigen Weg vor ihm, sie hielt jemanden an der Hand, den er nicht wiedererkannte. Schwach ahnte er, daß es das dunkle Wasser von Brunsviken war, das dort weit vorne glitzerte. Er sah den hellen, zerzausten Haarschopf seiner Tochter, die Träger, die sich auf ihrem Rücken kreuzten, und gerade als ihn der Gedanke durchfuhr, daß sie sich auf eine vollkommene Weise bewegte, drehte sie sich um und lachte ihn an – ihr ganzes Gesicht hell, leuchtend, wie in großer Freude.

Irgendwoher, kaum hörbar: das Geräusch eines Schreies.

Sonne, Hitze, der zum Niesen reizende Geruch nach Staub.

Marjatta geht vor ihm die Treppe der Uspenski-Kathedrale hinunter. Ihr zweiter Tag, und er hat zum ersten Mal ihren Nacken berührt. Das Wasser ist sommerblau, weiß leuchten die Boote, ein kleiner Junge bückt sich am Fuß der Treppe und bindet einen Schnürsenkel. Sie wissen beide, daß dies der Anfang aller Dinge ist, daß noch alles ungesagt ist, ein Geruch nach Fisch weht vom Hafen herüber, und die Mauer neben ihnen ist mit kleinen, spitzen Steinen übersät.

Ein unvermitteltes, greifbares Gefühl von Berührung.

Er fuhr auf und sah sich um. Der Mann in der Ecke schlief immer noch, und das Mädchen war mit seiner Katze verschwunden. Es war ganz still. Draußen rannte ein kleiner Junge barfuß über den Platz, tauchte in den Schatten der Honigpalme ein und kehrte gleich darauf, den Ochsen an einem kurzen Seil führend, zurück. Die freie Hand ruhte klein und dunkel auf der breiten, hellen Stirn zwischen den gewaltigen Hörnern des Tieres. In einer Wolke aus Staub und Sonnendunst verschwanden sie, dem Weg an der hellblauen Holzbaracke entlang, im Grün.

Er strich sich mit der Hand über die Augen und dachte, daß er Marjatta in Wirklichkeit mehr denn je liebte.

In der Nacht, bevor er sie verlassen hatte, war Schnee gefallen.

War es nicht eigenartig, schoß ihm plötzlich durch den Kopf, – ja, unnatürlich – daß er schon als kleiner Junge eine so besinnungslose Angst vor dem Sterben verspürt hatte?

Der Schatten des Leoparden

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