Читать книгу Der Schatten des Leoparden - Carola Hansson - Страница 8

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– In jenem Sommer, hatte sie zu erzählen begonnen, arbeitete ich bei einer Familie auf dem Land. Ich besorgte den Haushalt und das Vieh, die Familie hatte zwei Kühe und einige Hühner. Ich war dreizehn Jahre alt und diese Arbeit nicht gewöhnt, aber daß man mir für den Herbst eine Geige versprochen hatte, ließ mich die Tage überstehen.

Es war kein Traum. Ich war zwar nicht wach, aber ich schlief auch nicht. Ich befand mich in jenem überwachen Zustand, wie er manchmal vor dem Schlaf eintritt. Ich saß da und melkte die eine Kuh, meine Hände griffen um die weichen Zitzen, ich spürte die spitzen Hüftknochen und das rauhe Fell an meiner Stirne. Aber hinter meinen geschlossenen Augenlidern existierte jedes Ding aufgrund seines eigenen Lichtes, und es brauchte keine Worte, um sie sichtbar zu machen.

Ich glaubte mich in eine Landschaft versetzt, in der es noch Nacht war, die aber von einem Licht erhellt wurde, in dem sich alles deutlich abzeichnete: das schwarze, sanft hügelige Land, die knorrigen Bäume und der dunkle Himmel. Ich stand da und sah mich um. Ich wußte, daß es eine uralte, verschwundene Landschaft war, aber ich hatte keine Angst. Das Fehlen jeglichen Lebens, die Einsamkeit und die vollkommene Stille erfüllten mich mit einer starken Erwartung.

Nach einer Weile bemerkte ich, daß sich vor mir ein Hügel erhob, der höher war als die anderen. Und ich sah, daß das Licht von der Rückseite dieses Berges kam. Dieses Licht hatte nichts mit der Sonne zu tun, nichts mit dem Tageslicht.

Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Ich fühlte, wie ich von Sehnsucht durchströmt wurde, einer großen und schmerzhaften Sehnsucht, wie ich sie als Kind gespürt hatte. Daher wußte ich auch mit Bestimmtheit, daß das Licht, das immer höher über den Berg stieg, gleich innehalten würde: Im nächsten Augenblick würde es umkehren und wieder verschwinden, und nichts würde übrigbleiben als Leere und Dunkel.

Zitternd sah ich zum Berg hinüber. Aber was ich erwartet hatte, traf nicht ein. Stattdessen stieg das Licht immer höher. Ich erinnerte mich, wie ich die Arme über der Brust gekreuzt hatte und fest um meine Schultern griff. Ich fröstelte, hatte Gänsehaut vor Spannung. Und schließlich geschah, was ich nicht für möglich gehalten hätte: Das Licht brach durchs Dunkel.

Eine leuchtende Gestalt erschien auf der Spitze des Berges.

Ohne stehenzubleiben, bewegte sie sich vom Berg weg, geradewegs auf mich zu – und eine Freude durchströmte mich, wie ich sie nie empfunden hatte.

Im nächsten Augenblick bemerkte ich das schwache Abendlicht, das durch das Stallfenster fiel. Ich hörte das Brüllen der Kühe und das Plätschern des Urins gegen den Steinboden, ich sah mich um, betrachtete die Spinnengewebe am Fenster, die Mistgabel bei der Türe und den verbeulten Eimer zwischen meinen Knien.

Und ich wußte, daß nichts je wieder wie vorher sein würde.

Der Schatten des Leoparden

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