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Der Besucher

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Die nächsten Wochen verliefen normal und man ging der gewohnten Ordnung nach. Fürstin Johanna konzentrierte sich wieder ausschließlich auf die Erziehung ihrer Enkelin, was von dieser jedoch mit wenig Begeisterung hingenommen wurde. Aber sie fügte sich in ihr Schicksal und so kamen sie recht gut miteinander aus.

Als Lucia eines Tages, nach einer anstrengenden Lektion in französischer Sprache, die Räume ihrer Großmutter verließ und gerade die Treppe zum Salon hinunterstieg, sah sie, wie sich die Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters öffnete und Frederic in Begleitung eines Fremden heraustrat. Schnell versteckte sie sich hinter einem Schrank und beobachtete die beiden Männer.

Es war deutlich zu spüren, dass die Stimmung zwischen ihnen sehr angespannt war. Lucia konnte einen flüchtigen Blick auf den Besucher erhaschen. Er war etwa so groß wie ihr Vater und schien noch recht jung zu sein. Sie schätzte, dass er zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren alt war. Er trug sein welliges dunkelblondes Haar locker aus dem Gesicht gestrichen, und war eine sehr eindrucksvolle Erscheinung. Er strahlte eine große Selbstsicherheit aus, was ihm den leichten Anschein von Arroganz verlieh. Jetzt beugte er sich dicht zu Frederic hinüber und redete mit warnendem Unterton auf den Fürsten ein.

„Bedenkt was es für Folgen für Euch haben kann, wenn ihr diesen Standpunkt weiter vertretet. Es wäre besser, wenn die Bora hier verschwinden. Ich kann Euch dabei unterstützen, das Problem so zu lösen, dass Ihr wenig Aufwand damit habt und des Königs Wohlwollen behaltet. Was sollte es Euch nutzen, aus falschem Stolz heraus das Wohl Eurer Familie aufs Spiel zu setzen?“

Er sprach mit deutlicher Härte und Lucia entging die Drohung in seiner Stimme nicht.

„Wie ich Euch schon sagte, Herzog, ich werde mich nicht aus purer Feigheit heraus von meinem Weg abbringen lassen. Ich bin es gewohnt, zu meiner Meinung zu stehen und ich werde damit jetzt nicht aufhören. Diese Menschen verdienen es nicht, dass man sie im Stich lässt. Es ist meine Pflicht, alle meine Untertanen zu schützen. Das gilt auch für die Bora. Euer Weg ist nicht der meine, egal, was die Konsequenzen daraus sind. Ich danke Euch für Euren Besuch, aber ich kann Eure Lösung genausowenig akzeptieren wie die der anderen. Königskriecher allesamt! Man sollte doch wohl tun können, was man für das Richtige hält. Wie könnte ich sonst noch in den Spiegel oder ins Gesicht meiner Tochter sehen?“

Der Fremde schüttelte verständnislos mit dem Kopf. „Euer Stolz in allen Ehren, aber dies kann kein gutes Ende nehmen. Ihr setzt alles aufs Spiel, auch die Zukunft Eurer Tochter! Nur, um vor der Welt als Held dazustehen? Das ist es nicht wert!“

„Oh doch, ich glaube, dass es das ist! Andernfalls wird es zu neuem Unrecht kommen. Und was mit den Bora geschieht, ist Unrecht, ganz gleich wie Ihr es verpackt. Wenn Ihr so leben könnt, dann tut es. Diese Leute werden hier bleiben, solange sie wollen! Und das werde ich immer und überall öffentlich zum Ausdruck bringen.“

Auch Fürst Frederic hatte jetzt eine Schärfe in der Stimme, die Lucia bisher nur selten bei ihm erlebt hatte.

„Tut, was Ihr für richtig haltet!“, knurrte der Fremde und verließ Frederic, der ihm angespannt nachsah, grußlos.

Nun verließ Lucia ihr Versteck und eilte zu ihrem Vater hinüber. „Wer war das und was wollte er von dir?“

Überrascht von ihrem plötzlichen Erscheinen, sah Frederic seine Tochter vorwurfsvoll an.

„Du hast es schon wieder getan, nicht wahr?“, fragte er enttäuscht.

„Ich wollte nicht lauschen! Ich lief gerade die Treppe hinunter, als ihr aus dem Zimmer kamt. Da habe ich mich versteckt und alles mit angehört.“

„Schon gut! Das war nichts weiter. Der Herzog von Reifenstein war hier, um mich von meiner Haltung, die Bora betreffend, abzubringen. Wie du sicher bemerkt hast, ist ihm das nicht geglückt und das hat er mir wohl verübelt.“

„Was hat er gemeint, als er sagte, du würdest meine Zukunft aufs Spiel setzten?“

Fürst Frederic nahm das Gesicht seiner Tochter in beide Hände und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Er hat leider nicht ganz unrecht damit. Wenn ich meinem Weg treu bleibe, werden sich irgendwann wahrscheinlich die meisten der anderen Lehnsherren gegen mich wenden. Keiner von ihnen wird einem seiner Söhne erlauben, dich zur Frau zu nehmen.“

Lucia atmete erleichtert auf. „Wenn es nur darum geht, dann sei unbesorgt. Eh‘ ich eines dieser herzlosen Monster heirate, werde ich lieber eine alte Jungfer. Wir haben es doch gut zusammen! Ich brauche keinen anderen Mann als dich an meiner Seite. Du darfst die Bora nicht meinetwegen im Stich lassen.“

Er blickte nachsichtig auf sie herab und nickte lächelnd. „Wir werden sehen, mein Kind.“

Lucia im Netz der Lüge

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