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Kapitel 4 - Marc

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Eigentlich half mir das Joggen immer, den Kopf frei zu bekommen und mich weniger mit meinen Sorgen zu beschäftigen. Es gab nichts Schöneres, als den Tag damit zu starten, eine Runde laufen zu gehen. David würde etwas anderes sagen, aber mein kleiner Bruder hatte da kein Mitspracherecht.

Heute jedoch half sogar meine morgendliche Routine nicht dabei, runterzukommen. Dafür hasste ich Vorträge zu sehr. Und heute stand mir einer bevor.

Es war immer noch warm draußen, als ich in kurzer Laufhose und T-Shirt das Haus verließ. Meine Smartwatch sagte mir, dass wir um fünf Uhr morgens bereits 24 °C hatten.

Normalerweise startete ich meine Aufwärmrunde im Sommer mit einem lockeren Pullover, da es nachts vergleichsweise empfindlich abkühlte, aber das war heute nicht nötig. In weiser Voraussicht hatte ich gar keinen übergezogen.

Ich trabte locker rüber in den Park, dehnte mich ein wenig und lief eine kleine Runde. Dann stellte ich meine Stoppuhr und machte mich daran, meine Zeit vom Vortag zu übertreffen. Ich hatte nur noch bis zum September, um mich richtig auf den Halbmarathon vorzubereiten, und so langsam musste ich aufhören, so viel zu trinken und jedes Wochenende unterwegs zu sein. Meine Distanzläufe wiesen noch nicht die Zeit auf, die ich anstrebte, um den Halbmarathon in anderthalb Stunden zu meistern.

Das war tatsächlich ein sehr ambitioniertes Ziel, doch es gab kaum etwas Besseres, als den inneren Schweinehund zu besiegen. Da traf es sich eigentlich sehr gut, dass mich Sophie gefragt hatte, ob wir uns am Sonntag eine alte Mühle ansehen wollten. Das hieß, dass ich Samstag zu Hause bleiben würde, und mehr als meine Bücher bekamen mich nicht zu Gesicht.

Das Lauftraining lief heute nicht so gut, wie ich es gerne gehabt hätte, aber ich schob es einfach darauf, dass ich mit dem Kopf ganz woanders war.

Als ich wieder über die Straße ging, überzog ein dünner Schweißfilm meine bloßen Arme. Selbst jetzt fror ich nicht. Nicht mal ein kleines bisschen.

Noch lag das Haus in völliger Ruhe, als ich meine Klamotten in den Wäschekorb warf und unter die Dusche stieg. Kalt ließ ich den Schweiß abwaschen, damit ich schnell das Wasser wärmer drehen konnte.

Wenn ich vom Sport kam, musste ich immer kurz kalt anfangen, da ich sonst das Gefühl hatte, nicht richtig sauber zu werden. Doch danach entspannte ich kleiner Warmduscher lieber bei einer heißeren Temperatur. Ich hasste kaltes Wasser.

Die Uhr im Bad zeigte halb sieben, als ich aus der Dusche trat und die Glaswände mit einem Gummiwischer abzog, damit keine Kalkflecken zurückblieben. Ich hatte noch reichlich Zeit zu frühstücken und mich dann auf den Weg zu machen, um nicht zu spät zu kommen.

Normalerweise würde mich das freuen, doch der Grund, weswegen ich so früh auf war, bereitete mir Magenschmerzen. Vorträge waren nicht mein Fall, da konnte ich noch so oft üben und mir Karteikarten schreiben.

Wenn ich da vorne stand und zu einer Menge Leute sprechen musste, begann ich, zu stammeln. Daran gewöhnte man sich, aber es nahm mir nicht die Aufregung, wegen der ich nicht hatte schlafen können.

»Guten Morgen«, begrüßte mich mein Bruder, der in der Küche stand und sich sein Frühstück zubereitete.

»Hi«, erwiderte ich und wuschelte mir durch die feuchten Locken.

Ich konnte mit denen eh machen, was ich wollte, sie saßen nie so, wie ich es mir vorstellte. Würde David seine Haare länger tragen, würden sie sich auch locken, doch er rasierte sie immer so kurz, dass es nicht passierte.

»Das ist ein Wetter, was?«, fragte er mich und kontrollierte den Topf auf dem Herd.

»Du kochst jetzt nicht gerade Eier, oder? Massephase oder was?«, wollte ich wissen, aber David grinste nur. »Wie lange sind die schon drin?«

Mit einem prüfenden Blick suchte ich nach einer Eieruhr. Im Hause Brunner kochte niemand Eier, ohne eine Uhr zu stellen.

»Sechs Minuten«, informierte mich mein kleiner Bruder, nachdem er auf sein Handy gesehen hatte.

»Du kochst sie hart.«

»Ja, natürlich, ich will sie mit zur Arbeit nehmen.«

Mit einem Seufzen griff ich mir ein Ei aus der Verpackung und legte es ans Ceranfeld, damit ich es gleich reintun konnte, wenn David fertig war.

»Guten Morgen. Seid ihr zwei heute Abend zu Hause?«, fragte Papa, der bereits mit der Tageszeitung in die Küche kam und aussah, als würde er direkt loswollen.

David und ich warfen uns einen fragenden Blick zu.

»Ich ja, bin wahrscheinlich mit Lernen beschäftigt«, sagte ich und schielte zum Handy.

Herrgott, die Eier waren doch bereits hart. Noch härter ging es nicht.

David nickte irgendwo neben mir. »Wollte mal gucken, was Kathi so vorhat. Eigentlich ist nichts geplant. Wieso?«

»Hab gedacht, wir könnten mal wieder einen Spielabend machen. Was meint ihr?«

Sein Ernst? Wusste er etwa nicht mehr, was beim letzten Mal passiert war? Ich stimmte zu, aber mit einer Diskussion am frühen Morgen, was für Spiele wir vorschlugen und ob David sich zusammenreißen würde, wollte ich nichts zu tun haben.

Im Bus ging ich meine Karteikarten noch einmal durch und hatte wirklich das Gefühl zu wissen, was ich gleich erzählen würde. Aber mir war auch klar, dass es nur eine Momentaufnahme sein konnte. Vorne vor den Leuten sah es schon wieder ganz anders aus.

Zum Glück fand der Vortrag gleich in der ersten Vorlesung statt, sodass ich es direkt hinter mir hatte.

Den Blick ließ ich gesenkt, als ich über den Campus huschte. Meine Freunde liefen hier sicher irgendwo herum, doch dafür hatte ich keinen Kopf.

Das tat mir immer leid, wenn sie mich grüßten und ich in solchen Momenten nicht reagierte, aber da mussten sie Verständnis aufbringen.

Auf meinem Sitzplatz in der Vorlesung wippte ich die ganze Zeit mit dem Bein. Es war mir nicht möglich, es ruhig zu halten. Meine Finger tippten lautlos auf den Tisch.

Eine Ewigkeit später durfte ich endlich nach vorne kommen und meinen Vortrag über das Dehnen vor dem Schulsport halten. Das war immer etwas, was wenig behandelt wurde, dabei war es ein genauso wichtiger Teil dessen und es sollte einen Platz im Lehrplan bekommen. Selbst wenn es leider Lehrer gab, welche die ganze Zeit nur Völkerball spielen ließen.

Ich hatte meine Karteikarten, ich kannte mich sehr gut mit dem Thema aus und war überzeugt von dem, was ich da erzählte. Dennoch redete ich meiner Meinung nach zu leise und hakte zu häufig.

Am Ende kamen noch vereinzelte Fragen, die ich alle problemlos hinter mich brachte, und dann war ich endlich erlöst.

Es war sekündlich zu merken, wie die Anspannung von mir abfiel, als ich danach über den ganzen verdammten Campus laufen musste, um zu meiner nächsten Vorlesung zu gelangen. Da ich dafür genug Zeit hatte, holte ich mir unterwegs einen Kaffee.

Mir kam es heute gar nicht so heiß vor, aber das konnte täuschen. Meine Smartwatch zeigte mir 30 °C an. Und das vormittags. Es würde sicher wieder eine Tropennacht geben.

Ich genoss das kleine Gefühl der Freiheit, denn spätestens nachher, wenn ich für meine mündliche Prüfung am Montag üben würde, war ich wieder so am Arsch.

Im Gang vor meinem nächsten Vorlesungssaal lehnte ich mich an die Wand und wollte erst meinen Kaffee austrinken, damit ich nicht die ganze Zeit den leeren Becher auf dem Tisch stehen hatte.

An der Tür wartete ebenfalls ein Pärchen, das sich leise miteinander unterhielt. Er sagte etwas, was sie zum Lachen brachte und dafür sorgte, dass sie sich an ihn lehnte. Sie lächelte, als er den Arm um ihren Oberkörper schlang und sie noch näher zog.

Ich kam nicht umhin, sie ein wenig um das zu beneiden, was sie hatten. Ich wusste, warum ich aktuell die Finger von Beziehungen ließ, dennoch vermisste ich es, jemanden zu haben, an den ich mich anlehnen konnte. Der für mich da war, jemand, für den ich da sein durfte.

Es hatte mich viel Zeit und einige gebrochene Herzen gekostet, bis mir klar wurde, dass ich mein Glück nicht von einem Partner abhängig machen durfte. Ich hatte also erst mal wieder lernen müssen, allein zufrieden zu sein. Glücklich zu sein, wäre zu viel gesagt, aber ich kam zurecht.

Trotzdem hatte ich mir auferlegt, die letzten Semester nichts mehr mit einer Frau anzufangen. Weil ich eh nicht der Typ war, der eine lockere Beziehung führen konnte, rutschte ich da auch nicht aus Versehen rein. Ich ließ es einfach komplett bleiben. Es gab Partys, Alkohol und meine Freunde. Mehr brauchte ich im Moment nicht.

An mir lief eine junge Frau vorbei, die die Haare blau gefärbt trug und dazu große rote Kopfhörer aufhatte. Sie bewegte die Lippen leicht mit, während sie sich ebenfalls in die Nähe der Tür stellte.

Beim Laufen war Musik auch immer mein Begleiter gewesen, bis ich gemerkt hatte, dass es mich ablenkte und ich schneller außer Atem kam, weil ich immer wieder begann mitzusingen.

Die beiden an der Tür verabschiedeten sich mit einem Kuss voneinander, und mit einem leisen Seufzen folgte ich dem Kerl in den Vorlesungssaal.

Ich war rechtzeitig geflüchtet, bevor der Streit losgehen konnte. Dabei hatte sich mein Bruder an einer meiner Aussagen aufgehangen. Es war genau das eingetreten, was ich erwartet hatte. Bei einer Runde Cluedo stand David plötzlich ohne Tatwaffe da und behauptete, ich hätte ihm eine falsche Info gegeben. War natürlich alles völliger Quatsch, aber er steigerte sich immer so rein, dass der ganze Abend gelaufen war. Nachdem sich seine Freundin Kathi dann eingemischt hatte, war es an der Zeit zu flüchten.

Jetzt saß ich auf meinem Schreibtischstuhl und versackte in Facebook, scrollte ein bisschen durch Twitter und sah mir an, was für Veranstaltungen am Wochenende anstanden.

Die Zimmertür meines Bruders knallte zu und kurz darauf die Haustür. Anscheinend war Kathi gegangen.

Am oberen Rand erschien eine Mitteilung und so wechselte ich von Facebook zu WhatsApp.

Sophie, 21:49 Uhr: Ich sehe, dass du an Veranstaltungen interessiert bist, die am Samstag stattfinden!

Marc, 21:50 Uhr: Stalkst du mich etwa?

Sophie, 21:50 Uhr: Selbstverständlich. Denk dran, Sonntag, 6 Uhr, gebügelt und gestriegelt.

Marc, 21:51 Uhr: Ich habe das nicht vergessen.

Sophie, 21:51 Uhr: Gut. Was machst du so?

Marc, 21:52 Uhr: Ach, ich habe gerade einen Spieleabend mit meinem leicht cholerischen Bruder überlebt. Er hat sich mit seiner Freundin gestritten. Und du?

Sophie, 21:52 Uhr: Oh cool. Klingt spannend. Was hast du angestellt?

Marc, 21:53 Uhr: Gar nichts. Was soll ich denn getan haben? Es wurde Cluedo gespielt, David hat nicht aufgepasst und hatte keine Waffe mehr. Da hat er mich beschuldigt.

Sophie, 21:53 Uhr: Irgendetwas wirst du schon getan haben.

Marc, 21:54 Uhr: Ja, na klar. Ich war es immer. So ist das mit größeren Brüdern. :-P

Sophie, 21:54 Uhr: Natürlich. Ich bin zwar Einzelkind, aber man weiß ja, wie das mit Geschwistern ist. Muss jetzt wohl doch lernen. Denk an Sonntag.

Marc, 21:55 Uhr: Ja, natürlich. Ich bleibe Samstag einfach zu Hause. Tu nicht so, als könnte ich das nicht.

Sophie, 21:55 Uhr: Okay, okay. Wir sehen uns dann.

Marc, 21:55 Uhr: Gebürstet und gestriegelt.

The way to find me: Sophie & Marc

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