Читать книгу The way to find me: Sophie & Marc - Carolin Emrich - Страница 11
Kapitel 5 - Sophie
ОглавлениеMit dem Rücken lehnte ich an der Beifahrerseite und hatte die Beine locker ausgestreckt. In den Bäumen rauschte es, was mich hoffen ließ, es würde nicht ganz so heiß werden und ein laues Lüftchen gehen. Trotzdem trug ich nur ein Top und kurze Shorts.
Normalerweise zog ich zu solchen Ausflügen immer eine lange Hose an, doch obwohl es erst kurz nach sechs Uhr war, brannte die Sonne bereits vom blauen Himmel herunter.
Während ich auf Marc wartete, der hoffentlich pünktlich sein würde, sah ich mich in der Gegend ein bisschen um. Hier war ich noch nie gewesen. Die Häuser standen entweder allein oder es waren kleine Mehrfamilienhäuser mit hübschem Gemeinschaftsgarten. Jedes Grundstück trennte ein mehr oder weniger gepflegter Gartenzaun.
Auf der anderen Straßenseite lag ein kleiner Park, in dem nur einige wenige Leute zu sehen waren, die jetzt schon ihren Hund ausführten. Ein Mann sah so alt aus, dass er sich in der Mittagshitze nicht mehr raustrauen sollte, das könnte unschön enden. Ansonsten war es ruhig.
Ich spielte ein bisschen am Autoschlüssel herum, ließ das Metallteil einrasten und wieder rausschnellen.
Endlich hörte ich eine Haustür zufallen, und aus einem der Gärten kam mir Marc entgegen. Er trug ebenfalls kurze Sachen, aber auch feste Wanderschuhe. Kluger Mann. Und er sah gar nicht verkatert aus. Zumindest auf den ersten Blick.
»Guten Morgen«, rief er und hob die Hand, um mir zu winken.
»Na, du bist ja gut drauf«, stellte ich leise fest, bevor er bei mir angekommen war. »Alles fit?«, erkundigte ich mich, als er mich zur Begrüßung kurz in den Arm nahm.
Sein Deo stieg mir in die Nase, als meine Brüste seinen Oberkörper streiften. Seine Locken fühlten sich feucht an, während sie an meiner Schläfe kitzelten. Beim Zurücklehnen sog ich noch einmal seinen Duft ein, und trotz der Temperaturen überlief mich ein Schauer. Ich vergötterte herbe Männerdeos.
»Du riechst gut«, stellte ich fest. Das konnte ich einfach nicht unkommentiert lassen.
»Klar. Bin seit zwei Stunden auf und war schon joggen. Deswegen habe ich mich ein bisschen verspätet. Wollte nicht ohne eine Dusche kommen. Wäre ekelig gewesen.«
»Du warst schon joggen?«
»Ja. Ist meine normale Uhrzeit. An Wochentagen würde ich jetzt frühstücken und mich für die Uni fertig machen.«
»Echt?« Das verwirrte mich total. Ich wusste, dass er Sport trieb, aber dass er das so ernst nahm, hatte ich nicht erwartet.
»Warum ist das ungewöhnlich? Hast du geglaubt, dass ich frisch von einer Party komme? Und noch völlig fertig bin? Hab doch gesagt, dass ich zu Hause bleibe.« Er grinste und wechselte dabei die Hand, die seinen Rucksack hielt.
Ein bisschen peinlich berührt zuckte ich mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht so genau, was ich erwartet habe.« Mit den Händen deutete ich auf ihn. »Jedenfalls nicht das.«
Er schien mit sich selbst äußerst zufrieden zu sein, als er an mir vorbei nach dem Türgriff fasste.
»Du musst warten. Die Zentralverriegelung hat vor einer Weile den Geist aufgegeben.« Ich ging um den Wagen herum und schloss ihm auf.
»Wo müssen wir denn hin?«, fragte er, während er sich anschnallte und seine langen Beine mit dem Rucksack im Fußraum sortierte.
Marc war gar nicht übermäßig groß, aber er hatte dazu doch vergleichsweise lange Beine. Da hatten schon ganz andere Männer auf dem Beifahrersitz gesessen, die deutlich schlechter dahin gepasst hatten.
»Wir fahren ein kleines Stück aus Regensburg raus. Nicht weit. Die Mühle ist öffentlich zugänglich, wurde nur leider nie restauriert.«
Er seufzte. »Das finde ich immer schade. Es sind alte historische Gebäude, die ein Zeitgeschehen erzählen. So was sollte alles geschützt werden.«
»Klar«, stimmte ich ihm zu. »Doch das muss ja jemand bezahlen und unterhalten.«
»Das ist das Problem dabei.«
Da konnte ich ihm nur beipflichten. »Was hast du alles mit?« Ich nickte zu seinem Rucksack.
»Wasser und meine Kamera. Und einen Müsliriegel, falls ich Hunger bekomme.«
»Fotografierst du?«
Er warf mir einen merkwürdigen Blick zu. »Du bist so früh morgens noch nicht auf der Höhe, oder? Wozu sollte ich eine Kamera mitnehmen, wenn ich nicht fotografiere?«
Ich streckte ihm die Zunge raus. »Du weißt ganz genau, wie ich es gemeint habe.«
»Klar. Es ist nur so lustig, wie sehr es dich erstaunt, dass ich Hobbys habe und denen auch nachgehe.«
»Ich hatte tatsächlich eine falsche Meinung von dir«, gab ich zu, was ihn zum Lachen brachte.
»Ich habe nach wie vor noch keine wirkliche Meinung von dir und du hast deine bereits einmal geändert?«
Er schien das wirklich total lustig zu finden. Wir kannten uns seit ein paar Monaten, da bildete man doch automatisch eine Meinung. Ich konnte doch nicht einfach nichts von ihm denken.
»Sag mal, was hast du heute den Rest des Tages noch so vor?«, wechselte ich das Thema.
»Lernen wahrscheinlich. Du?«
»Ja, auch, hast du Lust, das ins Freibad zu verlegen? Ich könnte den anderen Bescheid sagen. Michelle und Fee freut es sicher.«
»Hm«, machte Marc daraufhin nur.
»Was denn?«
»Ich bin da nicht so für. Mein Hauttyp ist Mehl Typ 405. Weißt du, was ich für Sonnenbrand bekomme, wenn ich nicht aufpasse? Sogar im Schatten?«
Mein Schulterzucken musste ihm als Antwort reichen. Dann eben nicht. Die anderen würde ich nachher trotzdem fragen.
Wir fuhren ein kurzes Stück schweigend über die Autobahn und danach direkt wieder ab. Damit landeten wir in einem kleinen Ort, der zu Regensburg gehörte.
»Hier hat mal ein Kumpel gewohnt«, warf Marc beiläufig ein und deutete die Straße entlang. Ich musste mich auf den Verkehr konzentrieren und konnte nicht gucken, wohin er genau zeigte.
Wir bogen am Ortsausgang auf einen Feldweg ab, der zu einer kleinen Baumansammlung führte und von dort auf einen geschotterten Parkplatz. Ich parkte den Wagen möglichst so, dass er die ganze Zeit im Schatten stehen würde.
»Cool«, sagte Marc, während er die Autotür öffnete.
»Ja, mega«, stimmte ich ihm zu und folgte ihm.
Die Mühle sah von außen recht gepflegt aus, obwohl das Wasserrad nicht mehr in Betrieb war. Efeu rankte über die Fachwerkmauern und es wirkte alles sehr idyllisch und friedlich. Marc schulterte seinen Rucksack und war schon ein paar Schritte gelaufen, bis ich den Wagen abgeschlossen hatte.
Um diese Uhrzeit war mein Auto das einzige auf dem Parkplatz.
»Ich finde es jetzt schon total schön hier«, sagte Marc und drehte sich beim Laufen zu mir um.
»Ich habe bis jetzt nur Fotos gesehen, aber mir war sofort klar gewesen, dass ich sie mir angucken muss.«
»Danke, dass du gefragt hast, ob ich mitkomme.«
»Kein Problem. Es ist doch cool, jemanden zu haben, den man kennt.« Ich sah ihn vor mir nur mit dem Kopf nicken.
Wir drehten erst eine Runde über das relativ verwilderte Grundstück, ehe wir uns ins Innere wagten. Kaum hatten wir die Mühle betreten, umfing uns eine angenehme Kühle. Wie außen lag auch innen der Backstein frei und ließ alles noch älter wirken. Hier und da war etwas rausgebrochen oder verwittert.
Marc kramte seine Kamera aus dem Rucksack und schoss ein paar Fotos. Nach jedem verstellte er etwas an dem Gerät.
Eigentlich wollte ich nachhaken, was er da machte, aber ich ahnte, dass ich es eh nicht verstehen würde, deswegen beschloss ich, die Frage zu verschieben. Wir würden sicher noch einmal gemeinsam unterwegs sein, dann konnte er mir das in Ruhe erklären. Oder später.
Der untere Teil der Mühle bestand aus einer großen Kammer, in der das Mehl letzten Endes verarbeitet wurde. Öfen waren an einer der Wände eingelassen und es gab große metallene Siebe, vor denen Marc in die Hocke ging, um sie im richtigen Winkel zu fotografieren. Die Sonne schien durch eines der Fenster herein und irgendwie gab es dem Ganzen einen noch altertümlicheren Touch. In seiner Nähe lagen alte zerschlissene Jutesäcke, von denen er sich einen nahm und ihn sanft ausschüttete. Ich hätte nicht gedacht, dass da noch Mehl enthalten war, aber das weiße Zeug rieselte in einer kleinen Wolke auf den Boden.
»Schau.« Marc ging auf die Knie und hielt seinen Arm daneben. »Ich bin sogar heller als das Mehl.«
»Wirklich?«, wollte ich mit einem amüsierten Augenrollen wissen, ehe er lachend wieder aufstand und sich den Dreck von den Beinen wischte.
»Wie viele Brote sie hier wohl früher gebacken haben?«, fragte mich Marc, als er zu einem der Fenster ging und aus ebendiesem sah.
»Ich vermute mal, dass es entweder eine offene Backstube war, wo jeder kommen konnte, dem es zu Hause nicht möglich war, zu backen, oder sie haben hier verkauft. Wahrscheinlich beides. Wusstest du, dass die ältesten Brotfunde fast 40.000 Jahre alt sind?«
Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Das ist alt.«
»Ja. Zuerst war es nur zu Fladen gebackener Getreidebrei, der so haltbar und transportfähig gemacht wurde. Erst mit der Entdeckung der Hefegärung vor rund 5.000 Jahren und der Erfindung von richtigen Öfen wurden dann auch klassische Brote gebacken.«
Er kam auf mich zu. »Danke, Frau Schubeck, haben Sie gerade Wikipedia zitiert?« Im Laufen schoss er blind mit der Kamera vor seiner Brust ein paar Fotos von mir, wie ich ihn musterte.
»Wir waren in der achten Klasse in einem Freilichtmuseum. Da durften wir mit dem Mörser selber mahlen und so. War ganz nett, daher weiß ich so einen Kram noch.«
»Das ist spannend, gewöhn dir nie ab, so was zu erzählen, wenn du es weißt. Das ist nicht klugscheißen, das ist cool.«
Für einen kurzen Moment betrachtete ich seine grünen Augen und ließ meinen Blick über sein Gesicht wandern. »Hat denn schon mal jemand versucht, dir eine positive Eigenschaft auszureden? Hör nicht drauf. Wer dich nicht so mag, wie du bist, der hat dich gar nicht verdient.«
Ein feines Grinsen erschien auf seinen Lippen. »Haben wir jetzt einmal unsere Lebensweisheiten ausgetauscht?«
Mit einem leichten Schlag gegen seine Brust drehte ich mich weg und lief ein paar Schritte durch den Raum, um mir den Rest anzusehen. Auf einem der Tische lagen alte zerfledderte Bücher. Vorsichtig hob ich den Deckel des ersten an. »Guck dir das an«, rief ich.
Marc war schon bei der Treppe und drehte sich noch einmal um.
»Das hier sind alte Auftragsbücher.«
Er hatte seine Kamera bereits gezückt, bevor er bei mir ankam. Mit einem nachdenklichen Blick lief er um den Tisch herum. Ich kam nicht umhin, ihn zu beobachten. Es war echt spannend zu sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete und sich das auf seinem Gesicht widerspiegelte.
»Mich irritiert, dass die immer noch hier liegen und sie keiner mitgenommen oder zerrissen hat.«
»Na ja, sieh dich um. Das hier scheint kein Jugendtreff zu sein, sonst wäre hier Graffiti. Oder es lägen irgendwo gebrauchte Kondome und zerdeppertes Glas herum. Und beim Urban Exploring ist eine wichtige Regel, dass nichts entwendet oder zerstört wird.«
»Ja, schon, aber dadurch, dass es hier nicht mal mehr eine Tür gibt, ist es umso verwunderlicher.«
Da stimmte ich ihm zu. Mich irritierte es ebenfalls, dennoch gefiel es mir. Ich war schon zu oft über Scherben, Spritzen und altes Zeug gestolpert.
»Gehen wir hoch?« Marc wartete gar nicht, ob ich ihm folgte, sondern lief einfach los.
Die Treppe nach oben war wackelig und das Geländer nicht mehr vollständig. Ich hielt mich mit einer Hand an der Wand fest, weil es mir sicherer erschien.
Im ersten Stock befand sich der Steinboden. So wurde die Ebene genannt, auf der das Korn gemahlen wurde. Von oben führten breite, gewundene Rutschen herunter, über die das gelagerte Korn damals heruntertransportiert worden war.
Die Dielen knarzten unter unseren Schritten und es war deutlich zu spüren, wohin wir traten. Erwischte ich einen Balken, wippte der Boden vergleichsweise wenig mit.
Ich blieb an der Treppe stehen, während Marc in den Raum hineintrat und sich alles in Ruhe ansah. Am ersten Pfosten prangte ein Metallschild.
Langsam ging ich darauf zu, während ich mein Handy zückte, damit ich auch ein paar Fotos hatte, die ich posten konnte. Obwohl sie sicher nicht so gut waren wie seine.
»Kommst du später noch vorbei, dann können wir uns in Ruhe die Bilder angucken?«, fragte Marc, der sich mit der Kamera im Anschlag zu mir umdrehte.
»Eigentlich gar keine schlechte Idee. Aber bitte erst, wenn es nicht mehr so warm ist.«
»Das ist okay. Ich muss ja eh noch lernen.« Er drückte ab und hatte mich wieder festgehalten. Die Bilder würden doch nachher nach nichts aussehen, wenn ich nur in die Gegend starrte.
»Ganz ehrlich, wenn du ein Foto von mir willst, nimm mein Profilbild bei Facebook. Das sieht wenigstens gescheit aus.«
Marc warf mir ein Grinsen über die Schulter zu. »Ich schreibe dir später, wenn ich Zeit habe.«
Wir erkundeten noch das Dachgeschoss, aber hier gab es nicht wirklich etwas zu sehen. Außer einem Blick über die Landschaft. Der gefiel mir wirklich gut und ich hielt ihn selbst noch einmal fest, auch wenn Marc wieder drölfzig Fotos schoss.
Der Weg nach unten war ebenfalls wackelig und mit Blick dorthin, wo meine Reise enden würde, falls ich fiel, musste ich ein paar Mal schlucken.
Mir war gar nicht klar gewesen, dass mir Höhe zu schaffen machte. Marc hingegen lief locker vor mir her, was die alten Stufen umso mehr zum Wackeln brachte.
Ich atmete einmal heimlich tief durch, als ich unten ankam.