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Kapitel 3 - Sophie

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Tapp, tapp, tapp. Gleichmäßig schlugen meine nackten Fersen an die Wand meines Zimmers. Ich lag auf dem Rücken auf dem Bett, die Decke hatte ich auf den Boden geschmissen und versuchte krampfhaft, nicht daran zu denken, dass ich lernen sollte.

Obwohl es wichtig war und eigentlich keinen Aufschub duldete, war ich dennoch zu müde und hatte schlicht keine Lust. Mir war schon klar, dass ich auch einfach den Arsch zusammenkneifen und mich ransetzen konnte. Es machte aber doch zu viel Spaß, mich im Selbstmitleid der armen, überforderten Studentin zu suhlen.

Wenn ich wenigstens jemanden hätte, der mich von meiner Unlust ablenken würde, doch Zeit hatte wohl auch keiner. Hätte Sina nichts zu tun, wüsste ich das. Manchmal sahen wir uns fast jeden Tag, wobei das nun vermutlich ein Ende hatte, da sie ihre Freizeit eher mit ihrem Freund verbrachte. Das fand ich verständlich und solange sie mich nicht ganz vergaß, konnte ich das ab.

Ich fischte mein Handy vom Nachttisch und scrollte durch meine Chats. Schließlich schrieb ich Aaron, ob er mir Marcs Handynummer geben würde. Wenn ich mich ablenken wollte, dann musste es so richtig sein. Da konnte ich auch direkt die Wette in Angriff nehmen.

Er schrieb gleich zurück und übermittelte mir die Nummer seines Kumpels selbstverständlich gerne. Wundervoll. Marcs leeres Chatfenster lag vor mir und ich hatte so viele Möglichkeiten. Unser gemeinsames Hobby konnte ein guter Einstieg sein, da hatte Aaron recht gehabt. Das musste ich nutzen.

Sophie, 16:29 Uhr: Hi, Sophie hier. Hab gedacht, ich frage dich mal, ob du Bock hast, am Sonntag mitzukommen. Wollte mir eine alte Mühle in der Nähe angucken.

Ich wartete eine Weile, doch die Häkchen wurden weder blau noch antwortete er. Das war eindeutig unbefriedigend. Während ich überlegte, ob ich in eine Klimaanlage investieren sollte, klopfte es an meine Tür.

»Was machst du?«, fragte Mama, die in Kleid und Sandalen dastand. Ein Einkaufskorb stand zu ihren Füßen und sie hielt ihr Portemonnaie in der Hand.

»Weiß ich nicht. Mich ablenken.«

»Ich will jetzt einkaufen. Brauchst du was?«

Mit einem Seufzen rollte ich mich auf den Bauch. »Wollen wir die Woche grillen? Bringst du mir Joghurt mit? Nur bitte nicht diesen komischen, den wir neulich hatten, da waren so seltsame Stücke drin, die ganz sicher keine Heidelbeeren darstellten.«

»Dann solltest du besser mitkommen.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Aber jetzt bitte, ich möchte nicht den ganzen Feierabendbetrieb abkriegen.«

»Dafür ist es zu spät. Ich ziehe mir eben Schuhe an.«

Im Auto war es warm. Draußen war es warm und auf dem Parkplatz des Supermarktes war es noch viel wärmer. Erst bei den Kühltheken wollte ich stehen bleiben.

»Wenn du noch länger in die Auslage starrst, lasse ich dich hier«, drohte meine Mutter, was mich dazu verleitete, mir meine Joghurts auszusuchen.

Es war ja nicht so, als würde ich nicht gerne in der Kühltruhe schlafen, aber zur Uni dauerte es dann morgen früh zu lange. Außerdem öffnete der Laden nicht vor acht Uhr und ob ich vorher rechtzeitig hier rauskam, war fraglich.

Wieder zu Hause setzte ich mich auf den Boden vor mein Bett. Mit dem Rücken lehnte ich mich an das Holzgestell und streckte die Beine aus.

Marc hatte sich in der Zwischenzeit gemeldet.

Marc, 16:45 Uhr: Hi, klar, gerne. Wann am Sonntag? Muss irgendwann auch noch lernen, aber das müssen wir ja alle.

Sophie, 18:09 Uhr: Erinner mich nicht daran. Was hältst du von 6 Uhr?

Marc, 18:10 Uhr: 6 Uhr morgens?

Sophie, 18:10 Uhr: Jep. Da ist es noch nicht so warm und wir haben noch genug Zeit, über den Tag etwas zu machen. Oder ist dir das zu früh?

Marc, 18:11 Uhr: Nee, nee, ich wollte es nur wissen.

Sophie, 18:11 Uhr: Musst die Nächte dann einfach zum Schlafen nutzen.

Marc, 18:12 Uhr: Das mache ich, glaub mir. Ich bin gar nicht so der Typ, um Nächte durchzumachen. Auch nicht zum Lernen. Nur wenn ich feiern gehe.

Sophie, 18:12 Uhr: Ich nutze die auch tendenziell zum Schlafen. Auf die ein oder andere Weise. :-P

Marc, 18:12 Uhr: ^^

Ich wartete noch einen Moment, es kam jedoch nichts mehr von ihm. Da war ich ja mal gespannt, ob er morgens um sechs Uhr wirklich fit war. Nicht dass ich ihn aus dem Bett klingeln musste. Das würde ich wahrscheinlich auch tun, denn das konnte witzig werden. Hoffentlich war er dann nüchtern. Falls er direkt von einer Party kam, ließ ich ihn stehen. Eine Alkoholeiche konnte ich nicht gebrauchen.

Ich schrieb Sina, ob sie nicht doch Zeit hatte – Fehlanzeige. Nachdem mich selbst Sinas mehrmals empfohlene und hoch angepriesene Lieblingsserie auf Netflix nicht packte, musste ich den Tatsachen ins Auge sehen: Lernen war unumgänglich.

Mittwochnachmittags lief ich immer ein bisschen beschwingter durch die Gänge der Uni. Ja, unter normalen Umständen hielt ich mich gerne hier auf und lernte Neues, allerdings waren die Prüfungen etwas anderes. Sie waren das Grauen.

Ich tat gerne mal so, als hätte ich ein schweres Leben, aber eigentlich durfte ich mich echt nicht beklagen. Ich wohnte noch zu Hause, mir wurden die Studiengebühren bezahlt und ich liebte den Job beim Studifunk. Radio war etwas, was ich mir im Gegensatz zu Jenny und Nils auch später vorstellen könnte.

Eigentlich hatte ich mehr als genug Zeit, mich endlich um ein Praktikum zu kümmern. Das musste ich so langsam mal tun. Und was passte da besser als ein Praktikum beim Radio? Allerdings sollte mich mal jemand antreiben, damit ich die Bewerbung abschickte. Prokrastination war mein dritter Vorname.

An unserem Radio gefiel mir vor allem, dass ich mittlerweile für Klatsch und Tratsch zuständig war.

Vor ein paar Wochen hatte ich für ein mittelgroßes Drama gesorgt, weil ich aus Jux verkündet hatte, dass der beliebteste Junggeselle am Campus nun vergeben war. Wir hatten das alle superlustig gefunden, bis Rieke eines Morgens einen filmreifen Brief mitbrachte. Da hatte sich jemand die Mühe gemacht, so richtig wie im Fernsehen Buchstaben auszuschneiden und ihr eine astreine Morddrohung zu schicken.

Zuerst fanden wir es alle witzig, doch als ein zweiter kam, änderte sich das. Rieke hatte es nicht auf die leichte Schulter genommen und bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt erstattet. Wir sollten aber keine allzu großen Erwartungen haben, da selbst Dennis nicht mal eine Vermutung hatte, welche seiner vielen Verflossenen dafür infrage käme. Gruselig, was bei manchen Menschen nicht richtig lief. Seitdem war zum Glück kein weiterer Vorfall dieser Art passiert.

Als ich den Vorraum zur Aufnahmekabine betrat, wischte Nils gerade mit einem Lappen auf dem Tisch herum, auf dem Pult und Mikro standen. Er trug seine Haare gerade so lang, dass er sie zu einem Zopf binden konnte, was meiner Meinung nach echt bescheuert aussah. Da ich quasi die gleiche Frisur trug, hielt ich mich mit Kritik jedoch zurück.

»Was hast du angestellt?«, fragte ich, was ihn zusammenzucken ließ. Anscheinend hatte er mich nicht kommen gehört.

»Entspann dich«, bat er. »Nichts passiert.« Mit einer Rolle Zewa kam er zu mir rüber.

»Ich kenne dein ›nichts passiert‹. Am Ende gibt es wieder ein riesengroßes Drama.«

Meine Tasche stellte ich auf einem der Stühle ab. Wer wusste schon, was hier noch alles ausgeschüttet oder umgeworfen worden war?

»Du übertreibst«, stellte er klar, aber damit bekam er mich nicht.

»Ich übertreibe? Du bist doch die Dramaqueen schlechthin.« Mit dem Finger deutete ich auf ihn, um meinen Worten mehr Nachdruck zu geben.

»Du nicht?« Er ließ sich locker auf einen Bürostuhl im Vorraum fallen.

»Hä? Nein. Wenn ich irgendwas nicht bin, dann eine Dramaqueen. Meine Katze ist eine. Das ist schrecklich.«

»Was hast du für eine?« Nils drehte sich auf dem Stuhl hin und her, ehe er nach einer Flasche Apfelsaftschorle griff, die ganz nah an der Wand auf dem Tisch stand.

Ob das der Übeltäter war?

»Eine graue Perserkatze. Ewig alt. Hab sie quasi schon immer. Sie heißt Tiffy. Und hasst Menschen.« Hatte ich sie nie zuvor erwähnt?

»Ach.« Nils schraubte die Flasche auf und warf den Deckel wieder zurück auf den Tisch. »Mich mögen alle Tiere.«

Ich schüttelte einfach nur den Kopf. Das kannte ich schon. Es hatten bereits einige Leute behauptet, dass sie mit Tieren gut konnten, aber Tiffy war … na ja, Tiffy eben.

Meine Eltern durften sie anfassen und wenn sie gut drauf war, durfte ich es auch. Ansonsten niemand.

Selbst Sina, die schon ewig bei uns ein und aus ging, musste aufpassen. Tiffy hatte sich einmal an ihr Bein gehängt, weil meine beste Freundin die Katze hinter einer Ecke übersah.

Ich wollte mich nicht drauf versteifen, doch noch immer war ich quasi überzeugt, dass Tiffy das absichtlich getan hatte. Sie wollte einen Grund finden, Menschen wehzutun.

Marc verglich sie gelegentlich mit dem schwarzen Vieh aus Friedhof der Kuscheltiere, wenn wir über sie sprachen. Er sollte froh sein, sie noch nie live und in Farbe erlebt zu haben.

»Keine Sorge, ich hab da drinnen nichts kaputt gemacht«, erklärte Nils und deutete zum Aufnahmeraum.

»Das will ich stark hoffen«, erwiderte ich, was ihm nur ein Schulterzucken entlockte.

»Du müsstest es doch nicht bezahlen.«

»Natürlich nicht, trotzdem muss das ja nicht sein.«

Er stellte seine Flasche wieder an den sicheren Platz zurück, an dem er sie zuvor abgestellt hatte. »Nee, nee, schon klar.« Mit einem abklärenden Rundumblick erhob er sich. »Ich bin jetzt weg. Du willst doch wahrscheinlich eh noch etwas vorbereiten.«

Nicht unbedingt sofort, aber dazu musste ich Nils nicht aufhalten. »Alles klar. Wir sehen uns«, verabschiedete ich ihn, woraufhin er nickte und winkend verschwand.

Ich nahm seinen Platz auf dem Stuhl ein, jedoch nur kurz. Dann wollte ich mich lieber meiner Playlist widmen.

Meine Tasche nahm ich mit rüber, stellte sie am Schreibtisch ab und kippte erst mal eines der Oberlichter. Die Luft roch alt mit einer Note abgewetzten Gummis. Auf den Lamellen am Fenster lag ganz fein Staub. Das Thema der Woche lautete 90s, da dazu am Samstag mal wieder eine Party stieg. Ich selbst würde nicht hingehen können, doch das machte mir nichts aus. Ich freute mich auf die Mühle und es erfüllte mich mit Euphorie, dass ich in Zukunft jemanden hatte, der gerne und regelmäßig mitkommen würde.

Mithilfe des Internets suchte ich mir eine Liste mit den damaligen Charts heraus. Alle konnte ich schließlich nicht kennen.

Um Punkt halb vier ließ ich meine Stunde mit den Backstreet Boys starten. Was war mehr 90er als die Backstreet Boys?

Mit dem Fuß wippte ich ein bisschen mit, doch ich musste auch drauf achten, dass ich mein Mikro rechtzeitig wieder anstellte.

»Hallo Leute«, sagte ich, nachdem die letzten Töne verklungen waren. »Hier ist wieder Sophie mit Sag’s Sophie. Ich hoffe, eure Woche war nicht so katastrophal wie meine. Das Thema der heutigen Sendung habt ihr sicher bereits erkannt. Heute steht alles im Zeichen der 90er Jahre. Am Samstag steigt nämlich die Party des Jahres. Ihr müsst euch mal eine Pause gönnen. Deswegen lasst ihr es dann ab 20 Uhr so richtig krachen. Alle weiteren Infos bekommt ihr nach Fanta Vier. Wie immer könnt ihr mir auf Twitter und Facebook schreiben. Auch Kommentare auf unserer Website sind immer gern gesehen.«

Damit ließ ich Die da? von den Fantastischen Vier laufen und checkte dabei den Kommentarbereich unserer Website.

Es gab tatsächlich Leute, die auf meine Sendung warteten, was ich immer noch nicht so richtig geschnallt hatte. Das war, als hätte ich Fans. In einem der Kommentare wurde ich auf eine Party aufmerksam gemacht, die ich ankündigen sollte. Bei so was musste ich mich immer rückversichern, ob es gewünscht war, die Feier hier zu erwähnen. Private Feiern ließ ich deswegen generell links liegen. Ich konnte da nie sicher sein, ob es dem Gastgeber recht war, wenn plötzlich viel mehr Menschen auftauchten.

Ich erkundigte mich also, ob der Gastgeber dort schrieb und es abgesegnet hatte. Die Antwort fiel negativ aus. Immerhin. Er hätte mich auch anlügen können.

Normalerweise nahm ich solche Partyanfragen nur auf, wenn ich den Anfragenden kannte und genau wusste, wo und zu welchen Bedingungen die Party stattfand.

Letztes Jahr hatten wir eine Grillstelle an der Donau klargemacht und als Mitbringparty war das echt gut gelaufen. Beim nächsten Team-Meeting sollte ich das unbedingt noch einmal vorschlagen. Das Ganze ließe sich recht spontan organisieren.

Genau in dem Moment ploppte auf meinem Handy die Wetter-App auf und warnte aufgrund der aktuellen Höchsttemperaturen vor Grillen mit offenem Feuer. Als hätte mein Handy gewusst, was ich vorhatte. Das fühlte sich irgendwie gruselig an.

Mit spitzen Fingern drückte ich die Sperre wieder rein und schob es weit von mir weg.

Um mich abzulenken, suchte ich noch zwei Lieder raus, die ich anschließend direkt spielen wollte, und kümmerte mich weiter um die Anfragen.

The way to find me: Sophie & Marc

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