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Kapitel 2 - Marc

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Ein Jahr zuvor

»Wie, du hast Schluss gemacht?«, fragte mich meine beste Freundin Rieke und lehnte sich auf ihrer Couch zurück. Sie wohnte in einer WG mit vier anderen Frauen. Heute waren die alle ausgeflogen, weswegen wir im Gemeinschaftswohnzimmer saßen und nicht in ihrem Zimmer.

»Ja, irgendwie … sie hat sich nie gemeldet, wenn sie mit ihren Freundinnen unterwegs war, und hat sich sogar noch beschwert, dass ich klammern würde. Ich meine, es interessiert mich eben, was sie so macht und wann sie zu Hause ist. Ist es denn zu viel verlangt, sich eben zu melden, wenn man sicher daheim angekommen ist?«

»War nicht genau das dein Problem mit der Vorherigen? Dass sie nicht mal einen Abend mit ihren Freundinnen genießen konnte, ohne dir zu schreiben? Das hast du doch bei Svenja immer bemängelt. Sie wollte auch immer, dass du dich meldest. Wie kommt es, dass es dich nun stört, wenn Nadine das nicht macht?«

»Das ist ein Unterschied«, behauptete ich, aber ich ahnte bereits selbst, dass das Problem woanders lag.

»Wie erkläre ich dir das jetzt am besten?«, murmelte sie und fuhr sich durch die dichten braunen Locken, die ihr bis über die Schultern fielen. Würde ich meine Haare wachsen lassen, sähen sie sicher ähnlich voluminös aus.

»Sag’s einfach.«

»Okay. Pass auf, du bist mein bester Freund und ich meine das auch nicht böse, ja? Du neigst dazu, dich relativ schnell zu verlieben, wenn es das überhaupt ist. Meine Vermutung ist ja, dass es vielleicht Sympathie ist, keine Liebe. Ich meine, du bist ein hübscher Kerl, an Angeboten mangelt es dir nicht, aber ich habe das Gefühl, dass du im Moment nur eine Freundin brauchst, weil du es alleine nicht aushältst. Und das ist nie eine gute Grundlage für eine Beziehung und den Frauen gegenüber auch echt unfair.« Sie kniff die Lippen zusammen und sah mich irgendwie entschuldigend an.

»Ich weiß«, sagte ich und ihre braunen Augen wurden ein bisschen größer. Wahrscheinlich hatte sie mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass ich ihr zustimmen könnte. »Ich hab mir da schon selber Gedanken drüber gemacht, warum es manchmal nach ein paar Wochen schon wieder vorbei ist. Aber ganz ehrlich, ich kann nicht alleine sein. Ich brauche jemanden. Ich mag es, jemanden zu haben, mit dem ich die ruhigen Momente verbringen kann. Nach einer Party gemeinsam runterkommen, Sonntage auf der Couch verbringen, Filmnächte, wach bleiben, bis die Sonne aufgeht … Einfach jemanden, der mir näher ist als alle anderen und neben mir liegt, damit ich schlafen kann. Am Anfang wirkt es immer so, als würde es passen, aber dann nach einer Weile …« Hilflos zuckte ich mit den Schultern. Es brach mir jedes Mal das Herz, einer Frau wehzutun, die ich ja trotzdem gernhatte.

»… beendest du es und stolperst direkt über die nächste«, vollendete sie meinen Satz. Ich nickte, auch wenn mir das Thema ein wenig unangenehm war. Immerhin war es Rieke. Mit wem, wenn nicht ihr, könnte ich sonst darüber sprechen? »Ich finde es schon mal cool, dass du das selber gemerkt hast, denn genau das hätte ich dir jetzt erklären wollen.«

Ich lehnte mich zurück und streckte die Beine unter dem hellen Holztisch aus.

»Meiner Meinung nach solltest du eine Pause einlegen. Du musst wieder lernen, alleine zurechtzukommen. Sonst wirst du keine glückliche Beziehung führen können.«

Mit einem Seufzen setzte ich mich wieder aufrecht hin. »Und was schlägst du vor? Und jetzt komm mir nicht wahnwitzig mit einer Therapie um die Ecke. Es gibt Menschen mit echten Problemen.«

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du hast echte Probleme, aber gut. Ich bin doch im Moment auch single und wenn was ist, kannst du dich jederzeit melden. Ich ziehe deine Gesellschaft immer einem anderen Kerl vor, das weißt du. Lass uns zusammen die Nächte um die Ohren schlagen, wenn du nicht schlafen kannst, und dabei Millionen Serien gucken.«

»Du lügst«, sagte ich ihr auf den Kopf zu. »Du könntest Sex haben, stattdessen betüddelst du mich, weil ich nicht schlafen kann. Lüg mich nicht an.«

»Ach, Marc. Nimm es einfach an und versprich mir, erst mal mit dir selber zurechtzukommen, bevor du dich wieder auf eine andere Person einlässt, okay?«

Ich nickte, denn mit Rieke ließ es sich da schlecht diskutieren. Außerdem wusste ich insgeheim, dass sie wirklich immer für mich da war, wenn ich sie brauchte. Wahrscheinlich würde sie im Ernstfall sogar mit mir eine Leiche verschwinden lassen und mir ein Alibi besorgen. Dafür war sie einfach meine beste Freundin. Die beste, die ich mir wünschen konnte.

Heute

Ich war ein absoluter Frühaufsteher. Das Klischee vom bis mittags schlafenden Studenten traf auf mich keineswegs zu. Es sei denn, man wusste nicht mehr, wie lange die Party gegangen war, weil man irgendwann einfach einen Filmriss erlitt.

Als ich mich jetzt mühsam rumdrehte, zeigte mein Wecker auf dem Nachttisch fast elf Uhr mittags an. Meine Bettdecke lag auf dem Boden, was in Anbetracht der Temperaturen, die bereits jetzt im Zimmer herrschten, eine reine Wohltat war.

Langsam quälte ich mich auf die Beine und musste erst mal meine Zunge vom Gaumen schaben. Sollte ich erst einen Kaffee trinken und dann eine Tablette gegen die dröhnenden Kopfschmerzen nehmen oder umgekehrt? Es war mir aber auch nie möglich, mir endlich mal zu merken, in welcher Reihenfolge ich es besser vertrug. Heute spülte ich die Tablette mit einer Tasse Kaffee runter, während Papa am Küchentisch saß und seine Zeitung las.

»Spät geworden gestern, hm?«, fragte er, dabei sollte es wohl mehr eine Feststellung sein. Wenn ich nicht wusste, wie ich nach Hause gekommen war, musste es in den frühen Morgenstunden gewesen sein. Entweder schaffte ich bewusst frühzeitig den Absprung oder eben nicht. »Hättest Brötchen mitbringen sollen.«

»Tja, wenn ich gewusst hätte, was ich mache und wo, dann wäre das vielleicht eine Option gewesen.«

Papa sah mich über den Rand seiner Lesebrille an. Es gefiel ihm nicht, dass ich manchmal so über die Stränge schlug, aber er äußerte sich auch nie wirklich dazu.

»Du bist ja auf«, sagte Mama, die mit Einkäufen in die Küche kam. Bis ich schnallte, dass es angemessen wäre, ihr zu helfen, war Papa längst aufgestanden.

Ich sah also dabei zu, wie meine Eltern die Einkäufe ausräumten, und trank dabei meinen Kaffee aus, der heute pechschwarz war und eigentlich zu stark.

»Ich gehe mal duschen«, gab ich irgendwann bekannt und machte mich erst auf den Weg in mein Zimmer, um zu lüften.

Als ich die Tür aufstieß, empfing mich der ganze abgestandene Alkoholatem. Beinahe wäre ich rückwärts wieder rausgegangen. Stoßlüften musste reichen, sonst kam zu viel Wärme herein. Mein Zimmer besaß den Vorteil, dass es auf der Nordseite lag, so wurde es lediglich warm hier drin, nicht brütend heiß. Wenn man nicht vergaß, das Fenster rechtzeitig zu schließen.

Nachdem ich mir frische Klamotten rausgesucht hatte, schloss ich die Fenster direkt wieder und ging erst mal unter die Dusche, damit ich endlich klarkam.

Noch immer war ich definitiv nicht nüchtern. Vielleicht wusste ja einer meiner Freunde, was ich gestern so gemacht hatte und wie es endete.

Das Haus lag wie ausgestorben vor mir, als ich nur mit einem Handtuch durch den Flur huschte.

Mittlerweile ging es mir so weit gut, dass ich beschloss, ein wenig an die frische Luft zu gehen. Joggen würde ich nicht schaffen und dafür war es auch jetzt zu warm, aber wenigstens den Kreislauf in Schwung bringen musste ich.

Als ich in T-Shirt und Shorts die Haustür öffnete, schlug mir eine Wand aus Hitze und stehender Luft entgegen. Ich atmete tief durch, ging aber trotzdem los. In Ruhe und langsam, jedoch kontinuierlich.

Mit einem Blick auf meine Smartwatch wäre ich gern wieder umgedreht. 36 °C und ich hatte die Befürchtung, dass es über Nacht nicht wirklich abkühlen würde, wenn es nicht regnete.

Der Rasen im Park hatte braune Flecken, und die Blätter, die im leichten Windhauch von den Bäumen segelten, taten das nicht, weil der Herbst begann.

Die Wege lagen wie leer gefegt vor mir. Keiner, der klar bei Verstand war, wagte sich nun raus. Außer mir, der nichts Besseres zu tun hatte, als einen Sonnenbrand zu bekommen. Es knisterte tatsächlich unter meinen Latschen, als ich zwischen den Wegen über ein kleines Stückchen Wiese lief.

Doch was sollte man ändern? Einen Park konnte man nicht wässern, so wie mein Vater seinen Rasen. Und dann meckerte er, wenn er ihn mähen müsste, weil das Gras wuchs.

David und ich versuchten ihm jeden Sommer zu erklären, dass er einfach nicht gießen sollte. Das war auch wieder nicht okay. Könnten ja Löcher im Rasen zurückbleiben, die im Herbst matschig wurden. Mir reichte eine kleine Runde um den Block, damit ich irgendwie außer Atem war und genug hatte. Sonst besaß ich eine gute Kondition, aber die Kombination aus Kater und Affenhitze tat auch mir nicht gut.

David stand in der Küche, als ich reinkam, um mir etwas zu trinken zu holen. Er hatte sich gerade ein Glas Eistee eingeschenkt.

»Hat Mama den gemacht?«, wollte ich wissen und holte mir ein Glas aus dem Schrank über der Spüle.

»Klar. Hatten wir je Eistee hier, der nicht selbst gemacht ist?« Er schob mir den Krug rüber.

Ich zuckte mit den Schultern. »Am Ende ist er von dir und ist nicht süß genug.«

»Der Tee vielleicht nicht, aber ich«, behauptete er.

David war drei Jahre jünger als ich und nein, er war nicht süß. Während ich als Ausgleich zur Uni joggen ging und im September meinen ersten Halbmarathon bestreiten wollte, hatte David vor ein paar Jahren neben seiner Ausbildung Bodybuilding für sich entdeckt.

Er war also das krasse Gegenteil von mir. Nicht nur körperlich, denn er war seit bald vier Jahren mit seiner ersten Freundin zusammen. Ob ich ihn dafür beglückwünschen sollte oder eher bemitleidete, entschied ich jeden Tag aufs Neue.

»Bock, eine Runde mit mir zu zocken?«, wollte ich wissen, während David den Krug wieder abdeckte und in den Kühlschrank stellte.

»Ja, können wir, nur nicht ewig. Wollte noch weg.«

David war immer unterwegs. Entweder mit seiner Freundin Kathi, bei seinen Kumpels aus dem Fitnessstudio oder mit Leuten von der Arbeit. Ich könnte das gar nicht mehr. Meine Akkus mussten in Ruhe – und vor allem ohne Menschen um mich herum – aufladen. Etwas, was mir früher gar nicht möglich gewesen war.

Mit unseren Gläsern verzogen wir uns in mein Zimmer und versuchten uns gegen zerstörerische Maschinen zu behaupten und das Geheimnis um Aloy zu lüften.

Am Montagmorgen war ich wieder fit und ansprechbar. Nach meiner Laufrunde packte ich meine Sachen zusammen und saß pünktlich im Bus. Ich tippte ein wenig auf meinem Handy herum und versuchte noch etwas zu entspannen, ehe der hektische Alltag losging. Am Bussteig der Uni traf ich auf Aaron.

»Guten Morgen«, begrüßte er mich und ich erwiderte seinen Handschlag.

»Hi. Wo musst du hin?«

Aaron deutete über den Campus und murmelte etwas von »persönlicher Untergang«. Ja, gut, da konnte ich mich anschließen.

»Wollen wir uns noch etwas zu trinken holen?«, fragte ich, als wir das Mensagebäude passiert hatten.

»Auf jeden Fall. Das halte ich sonst nicht aus. Irgendetwas Kaltes mit Koffein. Hab bei Sina geschlafen, da gibt’s nur Kaffee und Wasser.«

Sina war seine Freundin und sie hatte eine fast sechsjährige Tochter. Die war schon voll in unseren Kreis integriert, da Riekes kleine Schwester Fiona im selben Alter war. Es hatte uns tatsächlich gar nicht so gestört, aber manch einer reagierte sehr irritiert, wenn eine Einundzwanzigjährige mit einem Fast-Schulkind ankam.

»So ist es mit einem kleinen Kind«, zog ich ihn auf.

»Ich habe mich ja grundsätzlich gar nicht beschwert. Michelle ist toll. Am Wochenende hat sie mich gefragt, warum ich immer wieder nach Hause gehe. Es wäre doch viel cooler, wenn ich einfach bleiben würde. Hat ein Weilchen gedauert, bis sie zufrieden damit war, dass das noch ein bisschen Zeit hat.«

»Klingt süß. Sie mag dich halt.«

Aaron nickte und wir stellten uns an der Cafeteria an. »Auf jeden Fall.«

Wir kauften uns beide einen Eiskaffee und liefen weiter über den Campus. Es war warm. Jetzt schon. Heute Morgen hatte es sich aushalten lassen, doch für die letzten Tage der Woche waren wieder Rekordtemperaturen angesagt.

»Wollen wir am Wochenende etwas zusammen unternehmen?«, fragte ich noch, bevor sich unsere Wege wieder trennten.

»Weiß noch nicht, ob ich Zeit habe. Ich muss lernen und wir wollen auch irgendwann mit Michelle an den See. Wir haben neulich ohne Schwimmflügel geübt und sie kann es fast, sie muss sich nur mal trauen.«

Mit einem Grinsen hob ich meinen Becher. »Süß, wie du dich da reinhängst.«

»Ja, ich weiß auch nicht.« Aaron nahm einen Schluck. »Das macht einfach Spaß. Gerade wenn Michelle solche Meilensteine erreicht, da ist man einfach furchtbar stolz. Ich meine, ich bin nicht ihr Vater, aber wenn ihr Vater nicht so für sie da ist, will ich es wenigstens sein.«

»Dann entscheiden wir das spontan und schreiben uns zusammen, wenn etwas geht«, schlug ich vor.

»Das ist gut. Ich muss jetzt los.« Er winkte mir noch mal, ehe er in eine andere Richtung davonlief.

Ich machte mich auf den Weg zu meinem ersten Kurs und würde dabei nicht zu sehr versuchen, an Donnerstag zu denken. Denn da stand ein Vortrag an und wir waren keine guten Freunde.

Wir hatten schon in der Schulzeit eine knifflige Beziehung zueinander gehabt. In der Grundschule hatte ich kein Wort rausgebracht und war sogar das ein oder andere Mal in Tränen ausgebrochen, weil ich mir nicht zu helfen wusste.

Auf dem Gymnasium war es ansatzweise besser geworden und die mündliche Prüfung im Abi hatte ich zumindest bestanden, doch es gab eindeutig Leute, denen mündliche Prüfungen leichter fielen.

Als ich das Gebäude betrat, wurde es ein wenig kühler, leider ließ sich meine Stimmung nicht so leicht ändern.

Wenn das jetzt bis Donnerstag so weiterging, würde ich wahnsinnig werden. Und damit endete der ganze Mist auch noch nicht. Am nächsten Montag folgte gleich eine mündliche Prüfung. Zum Glück die einzige dieses Semester.

The way to find me: Sophie & Marc

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