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Der Quotenbiber

«Komm rein!»

Sammy machte eine einladende Pfotenbewegung, der Biber namens Brögi trat ein. Sie nahmen an dem Holztisch in der Küche Platz. Sammy öffnete die Schublade: «Käseknusper?»

Brögi verzog die Nase. Unruhig rutschte er auf dem Stuhl hin und her. Seine Klauen waren ständig in Bewegung. «Habt ihr Pappelzweige da? Oder wenigstens irgendwelche Kräuter?»

«Kräuter vielleicht!»

Sammy sprang auf und öffnete ein paar Schranktüren. Als er sich wieder umdrehte, hatte Brögi bereits ein großes Loch in den Küchentisch genagt. Innerlich schlug Sammy die Pfoten über dem Kopf zusammen. Äußerlich traute er sich nicht, etwas zu sagen. Es lag halt in Brögis Natur, und auch als Kratzbaumtechniker hatte er im Nebenfach Tierethik gelernt, dass man sich nicht über die Biologie einer anderen Spezies aufregen durfte.

Brögi hörte auf zu nagen und sah Sammy schuldbewusst an: «Entschuldige, ich war gerade etwas in Gedanken. Der Weg hierher war ganz schön anstrengend!»

Irgendetwas stimmte mit dem Biber nicht. Und es hatte nichts mit dem beschwerlichen Weg zu tun. Sammy beschloss, die Situation weiter zu beobachten und das Heft in der Hand zu behalten.

«Woher kommst du?»

«Sauerland», nuschelte sein Gegenüber.

«Und was studierst du?»

«Ich gehe dem ältesten Gewerbe der Welt nach: dem Dammbau.»

Er kicherte hysterisch. «Das studiere ich auf Magister.»

Geistesabwesend nahm der Biber ein großes, vom Tischbein stammendes Stück Holz zwischen die Zähne, während Sammy Mühe hatte, den Tisch vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

«Dammbau ist mein Steckenpferd. Wenn ich irgendetwas kann, dann das! Ich bin nicht so von der schnellen, sondern eher von der nagenden und grabenden Truppe.»

Brögi kicherte erneut. Sekunden später sprang er wie von der Tarantel gestochen auf, da sich in der Haustür erneut ein Schlüssel bewegte.

«Da kommt mein, äh, unser Mitbewohner», sagte Sammy.

Maxi schlurfte erschöpft hinein und warf den Schlüsselbund neben den Haken, sodass er laut klirrend auf den Boden fiel. «Was bin ich im Eimer! Das war schon kein Belastungstag mehr – das war Kratzbaumkrieg! Oh, wir haben Besuch?»

«Darf ich vorstellen, unser neuer Mitbewohner Brögelmann.»

«Brögi!», korrigierte der Biber.

«Er frisst unseren Tisch», sagte Maxi.

Brögi senkte den Blick und legte die Krallen aneinander. Dann blickte er wieder auf: «Welches ist mein Zimmer?»

Sachlich bleiben, dachte sich Sammy. Sachlich bleiben und die Ruhe bewahren.

Maxi zeigte geradeaus durch den Flur: «Das in der Mitte. Mit dem großen Q neben der Tür.»

«Was bedeutet das?»

«Quotenbiber. Wir wussten das erst auch nicht genau. Dann haben wir uns beim Studentenwerk informiert. Du bist hier im Pelztierbereich, doch damit sich nicht alle Tierarten grüppchenweise absondern, wird in jede Pelztier-WG ein Nager einquartiert. So mischen sich die Tierarten und lernen sich besser kennen. Die nennen das Inversion. Nein, warte, Inklusion. Na ja, was die sich da oben eben ausdenken, während wir Arbeiter uns am schlechten Sisal die Krallen ruinieren.» Sammy war der raue Ton von Maxi etwas unangenehm. Als Student gewann er langsam einen anderen Blick auf die Dinge und hätte nicht so abfällig über die wohlmeinende Schulleitung gesprochen. Beim Essen in der Mensa las er mittlerweile sogar die Zeitung, die der «marxistische Bund der Europäisch Kurzhaar / Felidae Internationale (EKHFI)» zweimal die Woche auslegte.

Brögelmann schaute beide Kater mit großen Augen an.

«Ach, ihr seid gar keine Biber! Ich habe mich schon gewundert, warum ihr so komisch ausseht. Und wieso ihr Käseknusper esst statt dieser schmackhaften Möbel.»

Er schüttelte den Kopf. Sammy und Maxi schauten sich vielsagend an, dann verschwand der Nager, geistesabwesend am Stuhlbein kauend, in seinem neuen Zimmer.

Gegen drei Uhr nachts wurde Sammy von lauter Musik geweckt. Sehr lauter Musik. Von einem Augenblick auf den anderen stand er senkrecht in seinem Korb. Seine Körperhaare sträubten sich. Das Gelärme kam aus dem Nebenzimmer. Dem Zimmer Q für Quotenbiber. «Du hast den Schwanzlurch gefressen, mein Brögelmann», schallte es aus den Boxen, mit voll aufgedrehten Bässen. «Hast du nicht geseh’n, wie dünn der wahahahahr?»

Jetzt sang eine noch lautere Stimme mit, die konsequenterweise immer knapp neben dem eigentlich zu treffenden Ton lag.

«Du hast den Schwanzlurch gefressen, so dann und wann / Boah, schmeckte der beschissen, aber eigentlich war das klar!»

Um Bastets, der Katzengöttin, willen! Maxi hatte solch ein Verhalten nie an den Tag gelegt. Außerdem hörte er andere Musik. Nicht so ein grobschlächtiges Geholze. Sammy rollte sich aus dem Korb. Erschrocken zog er seine Hinterpfote zurück. Igitt! Der Boden war ja klatschnass! Sammy schaute genauer hin und schlug sich mit der flachen Pfote vor die Stirn. Der Boden war nicht nur nass, er stand komplett unter Wasser! Unter der Zimmertür hindurch flossen in kürzester Zeit riesige Mengen davon in sein Zimmer. Es hatte sich sogar schon eine Strömung gebildet. Mit Strudeln! Sammy hatte keine Wahl. Er musste seinen Korb verlassen. Als seine Pfoten den Boden erreicht hatten, schrie er auf. Kälter konnte ein Untergrund nicht sein. Jedenfalls in ungefrorenem Zustand. Auf Krallenspitzen hüpfte er zur Tür. Dort wurde er bereits von Maxi empfangen. Nur mit seinem weißen Morgenmantel bekleidet, watete der kleine Kater in Richtung Lärmquelle. Aus Brögelmanns Zimmer lief das Wasser in den Flur und weiter. Maxi klopfte.

«Brögi, bist du wahnsinnig geworden!?»

Sammy hatte seinen Freund und Mitbewohner noch nie so aufgebracht gesehen. Nicht mal, als er neulich die Zeitung der Kurzhaar-Marxisten gelesen hatte, die Sammy neben das Katzenklo gelegt hatte.

«Brögelmann!!!», schrie der kleine Kater und schlug mit geballten Pfoten gegen die Tür. Sie öffnete sich einen Spalt breit, und der Kopf des Quotennagers lugte hervor. Seine Haare standen wild zu Berge. Die Augen leuchteten wirr.

«Was hast du gesagt?»

Maxi riss die Tür auf, stieß den Biber zur Seite, bahnte sich einen Weg durch die steigenden Fluten, rannte zur mittig im Raum stehenden Stereoanlage und schaltete sie schneller aus, als nach normalem Ermessen eigentlich möglich gewesen wäre. Sammy war beeindruckt.

«Bist du verrückt geworden?»

Maxi packte Brögelmann so fest am Kragen, dass sich Sammy genötigt sah, ihn zurückzuhalten. Ihr Streit musste ja nicht gleich in Mord und Totschlag ausarten. Der Angegriffene selbst blieb unnatürlich ruhig.

«Nö», entgegnete er mit tonloser Stimme, «Dammbau am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen! Und zu dem besten Album der Biberpunk-Helden ‹Die langen Zähne› staut es sich eben gut.»

Brögelmanns Augen glänzten ungesund. Überhaupt wirkte das ganze Tier ernsthaft verwirrt. Sammy schaute in Richtung Waschbecken. Der Hahn war bis zum Anschlag aufgedreht. Mit einem beherzten Sprung saß er darin und schloss ihn. Inzwischen standen die drei Tiere knöcheltief im Wasser, während sich in der Mitte des Raumes der Strom staute. Ganz offensichtlich hatte der Biber in ihrer Wohnung einen Damm gebaut.

«Ich arbeite am liebsten mit Musik. Das ist Entspannung pur!»

«Nicht für dein Umfeld!»

Sammy konnte vor Empörung kaum sprechen, während Maxi bereits dazu übergegangen war, mit Handtüchern den Boden der Wohnung trockenzulegen.

«Wo ist eigentlich unser Esstisch?»

Sammy nahm ein Stück Holz aus der Dammkonstruktion und hielt es hoch.

«Okay. Ich ziehe die Frage zurück.»

«Warum machst du das, Brögelmann?»

«Der Dammbau ist die Bestimmung meiner Art und die Königsdisziplin unter den Ingenieurwissenschaften», leierte der Biber tonlos wie ein Politiker herunter. «Wer Dämme baut, baut Leben.»

Sammy fragte kein weiteres Mal nach Brögelmanns Geisteszustand.

Diese Frage beantwortete sich von selbst. Eine andere allerdings beschäftigte ihn. Was für eine Lebensform war dieser Schwanzlurch, den Brögelmann zu seiner Punk-Platte gerade so lautstark besungen hatte? Wie sah das Tier aus? Wo lebte es? Existierte es überhaupt, oder handelte es sich um eine Sagengestalt wie den Yeti? Schwanzlurch … Sammy hatte diesen Namen noch nie gehört, jedenfalls nicht bewusst. Doch er faszinierte ihn auf eine Art und Weise, die sich ihm nicht erschloss. Er traute sich nicht einmal, Maxi danach zu fragen, aus Angst, es handele sich um ein besonders obszönes Tier, dessen Existenz man lieber nicht ansprach. Der Name gab das durchaus her. Er nahm sich vor, die Sache im Auge zu behalten.

Das ganze Theater kam Sammy überhaupt nicht gelegen. Immerhin stand seine Zwischenprüfung an! Noch mitten in der Nacht schnappte er sich seinen Prüfungskratzbaum und brachte ihn in Sicherheit. Nicht auszudenken, wenn er Schaden nähme. Das Teil war nicht nur sein Faustpfand für eine gelungene Prüfung, sondern auch sein ganzer Stolz. Zu viel Mühe hatte ihn die Konstruktion gekostet, zu viel Herzblut steckte in seiner Anfertigung, als dass er auch nur die kleinste Beschädigung hätte hinnehmen können. Nächtelang hatte er Pläne angefertigt, um diese dann in wochenlanger Arbeit in die Realität umzusetzen. Es fehlten nur noch Nuancen, letzte Kleinigkeiten, bis er den optimalen Kratzbaum erschaffen hatte. Er war stolz wie Oskar und brannte darauf, ihn seinen Dozenten – allen voran seinem Mentor Professor Doktor Doktor Doktor Dösig – vorzuführen.

Noch eine unerwartete Flut, noch mehr infernalischer Lärm … das ging einfach nicht!

«Es gibt zurzeit keinen freien bibergerechten Wohnraum», sagte die Dame vom Studentenwerk, als Sammy und Maxi sich heimlich in die Verwaltung schlichen, um ihren Mitbewohner auf legalem Wege ausquartieren zu lassen. «Halten Sie einfach durch. So etwas passiert selten, kommt aber schon mal vor. Vielleicht können Sie mit Ihrem Mitbewohner eine Nage- und Dammbauzone vereinbaren, die er nicht überschreitet.»

Der Vorschlag klang ebenso einleuchtend, wie er unpraktikabel war. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in Reinkultur. Eine Absprache mit Brögelmann treffen zu wollen, entpuppte sich als genauso sinnlos wie seine nächtlichen Dammbauaktionen. Wenigstens war er multitaskingfähig, auch wenn das nur für die Bereiche Fressen, Nagen und Dämmebauen galt. Wobei der Begriff «Tasking» für derlei Aktivitäten schon sehr weit ausgedehnt werden musste.

Sein Kratzbaumwerkstück holte Sammy in den folgenden Tagen nur noch unter größten Sicherheitsvorkehrungen hervor.

Nach drei weiteren chaotischen Tagen und Nächten beschlossen die beiden Kater, Diskriminierung anderer Spezies hin oder her, dem Biber das verdammte Wasser abzudrehen. Diese Maßnahme verurteilte Brögi dazu, Trockendammbau zu betreiben, was sein Vergnügen sichtlich schmälerte. Wenn er überhaupt noch mit seinen Mitbewohnern sprach, dann handelte es sich ausschließlich um Vorwürfe, sie würden seine Freiheit beschneiden und ihn auf inakzeptable Weise quälen. Die Kater sahen ihre Aktion als reine Notwehrmaßnahme. Wenigstens konnten sie hin und wieder mal ein Auge zumachen, denn Trockendammbau und laute Musik bissen sich nach Brögelmanns Angaben, sodass er gezwungen war, sich in dieser Hinsicht etwas moderater zu präsentieren.

Sammy tüftelte in jeder freien Minute an der Optimierung seines Prüfungsstücks. Schon jetzt, in der Zwischenprüfung, wollte er ein Zeichen setzen, den Kratzbaum der Zukunft zu präsentieren. Mit etwas Hightech, aber nicht zu viel. Mit mutiger Ästhetik, aber ausreichend Komfort. Ein Kratzbaum für die anspruchsvolle Katze und den anspruchsvollen Kater von morgen. Elegant, funktional, unaufdringlich. Vor seinem geistigen Auge sah er die glänzenden Augen von Herrn Professor Doktor Doktor Doktor Dösig und seinen Beisitzern. «Sie haben etwas für die Ewigkeit geschaffen, Herr Kater!», sagte der Gelehrte in Sammys Fantasie. Der Kater brannte auf seinen Einsatz.

Und dann war der Tag der Tage gekommen.

Sammy sprang aus dem Bett. Schon lange hatte er sich nicht mehr so gut gefühlt. Auf den Krallenspitzen hüpfte er zur Tür, öffnete sie und horchte in Richtung Nebenzimmer. Lautes Schnarchen. Er atmete auf. Von dieser Seite drohte heute kein Ungemach. Auf dem Flur begegnete er Maxi, der gerade von der Nachtschicht kam.

«Viel Glück!», flüsterte der kleine Kater, «ich drücke dir beide Pfoten!»

«Danke!»

Sammy lächelte. Das würde sein Tag werden. Das sagte ihm sein Bauchgefühl. Seine Familie würde beeindruckt sein und Annabelle widerlegt. Nach dem gemeinsamen Frühstück ging Maxi ins Körbchen. Sammy öffnete die Abstellkammer. Vorsichtig holte er seinen Kratzbaum hervor und nahm ihn in beide Pfoten. Wie ein rohes Ei trug er ihn die Treppe hinunter und mehrere hundert Meter über den Campus. Stolz registrierte er die bewundernden Blicke der ihn passierenden Mitstudenten. Pünktlich zum Prüfungstermin erreichte er sein Ziel.

«Sie können gleich hereinkommen.»

Die nette Katzendame aus dem Sekretariat winkte ihn freundlich durch. Vielleicht hätte sie ja Lust, sich einmal von ihm auf eine Portion Thunfisch mit extra Joghurtsauce einladen zu lassen? Maxi hatte ihm erst kürzlich ein Pelztierrestaurant gezeigt, das für seine riesige Auswahl an Thunfisch, Scholle und Lachs bekannt war. Oder bevorzugte sie Leberwursthäppchen? Sammy verspürte große Lust, sie hier und jetzt zu fragen, doch er widerstand dem Impuls. Nach der Prüfung. Auf jeden Fall nach der Prüfung. Dann würde ihm keine Katzendame mehr widerstehen können!

Gemessenen Schrittes betrat er den Raum und grüßte Professor Dösig sowie die anderen Dozenten.

«Na, Herr Kater. Dann wollen wir uns ihr Arbeitsstück einmal genauer anschauen!»

Der Professor wirkte aufgeräumt und bester Dinge. Das konnte nun wirklich nicht mehr schiefgehen. Schon gar nicht bei der Vorbereitung. Dösig hob den Baum in die Höhe.

«Alle Achtung! Mit integrierter Kuhlenhydraulik und zeitlich verstellbarer Weckfunktion.»

Der Dozent schnalzte mit der Zunge.

«Wie ich sehe, sind sogar die allgemein üblichen Fresszeiten eingestellt! Sehr vorausschauend. Sie haben einen Blick für das Detail, Herr Kater. Daran erkennt man einen guten Ingenieur! Ihr Kratzbaum erinnert mich an Wischnewski. Schon rein vom Design her. Und das, ohne seine Alltagstauglichkeit auch nur ansatzweise einzuschränken. Plus zusätzlicher Wellnessfunktionen! Genau solche Leute wie Sie brauchen wir! Alle Achtung!»

Sammy holte tief Luft und bemühte sich gleichzeitig, nicht vor Stolz zu platzen. Wischnewski. Ein größeres Lob konnte man von Dösig kaum bekommen. Der Wischnewski-Prototyp von 2008 galt, populär ausgedrückt, als der Mercedes unter den Kratzbäumen. Das Maß aller Dinge. Der Professor selbst verehrte Wischnewski und war persönlich mit ihm bekannt. Es war ein offenes Geheimnis im Fachbereich, dass sie in regem Austausch miteinander standen. Gut möglich also, dass der Meister selbst auf diesem Wege von seiner Leistung erfahren würde.

Sammy sah sich bereits mit Dösig und Wischnewski speisen, die Katzendame aus dem Sekretariat im Arm, sanften Jazz im Hintergrund. Er würde sich ein eigenes Haus bauen können, höher im Wald, ohne Biber, vielleicht mit Maxi. So träumte er, als Professor Dösig das Werkstück eine Spur fester als ursprünglich geplant auf den Boden zurückstellte und ein lautes Knacken ertönte. Unter dem stillen Entsetzen aller Anwesenden brach der Kratzbaum zusammen! Er spaltete sich genau in der Mitte.

«Oh nein!!!»

Sammy schlug seine Pfoten vor das Gesicht.

Der Professor beugte sich zu den Trümmern und schob seine Brille auf die bepelzte Stirn: «Kennen Sie jemanden, der gern nagt? Ich sehe eindeutige Bissspuren an der Bruchstelle.»

Wie in Trance hörte der Kater die Stimme des Dozenten. Sammy sprang auf. «Das darf doch nicht wahr sein! Nein, nein, nein!»

Er drehte sich um, rannte zur Tür und verließ den Raum, die Prüfungskommission verdutzt zurücklassend.

Völlig außer sich rannte er über den Campus zum Wohnheim, verschaffte sich Einlass in die WG, erblickte den Übeltäter, griff ihn fest am Oberkörper ins Fell und hob das viel größere und nicht wenig überraschte Tier in die Höhe.

«Warum machst das? Wieso zerstörst du meinen Kratzbaum? Und mein Leben???»

Er schluchzte.

Der Biber behielt auch in der Luft schwebend die Contenance. Zumindest schien er nicht zu erkennen, was er falsch gemacht haben sollte. Statt sich zu entschuldigen, erhob er die Stimme und sang, wie es auch nach tierischem Ermessen kaum dissonanter hätte klingen können.

«Nagen ist unser Leben,

denn König Nagen regiert die Welt.

Wir nagen und geben alles,

bis dann ein Baum nach dem anderen fällt.»

Dem Kater fehlten die Worte. Da machte der sich auch noch über sein Unglück lustig! Dieser verdammte Zyniker! Leider hatte der Biber sein musikalisches Repertoire noch nicht ausgeschöpft.

«Klingelingeling, Klingelingeling,

hier kommt der Brögelmann.

Klingelingeling, Klingelingeling,

ich nag die Möbel an.

Klingelingeling, Klingelingeling,

bald kommt dein Kratzbaum dran.»

«Er war schon dran, du Mistkerl!»

Sammy kochte vor Wut. Er schüttelte den Biber ein letztes Mal, warf ihn mit Wucht gegen die Wand, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand.

«Wer nicht hüpft, der ist ein Kater», waren die letzten Worte, die an sein Ohr drangen.

Weg hier! Nur noch weg!

Weg, weg, weg!

Sammy rannte vom Unigelände und weiter durch den Wald.

Die Tränen rannen ihm in für Katzen völlig unüblicher Weise über das Gesicht. Ziellos stolperte er durch das Gehölz. Er nahm nichts mehr um sich herum wahr. Nicht, wo er sich befand. Nicht, wo er hinlief. Nach Stunden des Umherirrens hielt der Kater erschöpft an und horchte. Motorengeräusche. Licht. Was mochte hier sein? Und wo war er eigentlich?

Unter Olmen

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