Читать книгу Unter Olmen - Carsten Wunn - Страница 9

Оглавление

3

Jagdinstinkt

Sammy schaute sich um. Der Wald endete hier. Er hielt kurz inne und nahm in Gedanken Abschied von der «Südwestfälischen Fachhochschule für Pelz- und Nagetiere Hagen-Haspe». Es war alles in allem eine schöne, ihn persönlich bereichernde Zeit gewesen. Besonders das dortige Konzept hatte ihn überzeugt. Man orientierte sich hier eher an den Bewohnern des Waldes als an den Menschen, was leider ansonsten viel zu oft der Fall war. Tiere waren besser einschätzbar und hatten im Normalfall grundsätzlich dieselben Hintergedanken. Die waren bekannt, und man ging damit um oder ihnen aus dem Weg. Meistens drehte sich sowieso alles um das Thema Fressen. Wer wen fraß und so. «Entscheidend ist im Napf», lautete die Devise. Derart einfache Denkstrukturen machten sie problemlos berechenbar. So traf man auf Hochschulfestivitäten hauptsächlich Füchse, Rehe und Hasen oder ab und zu mal ein Wildschwein. Leider waren Letztere weniger zahlreich vertreten. Sie entstammten oft extrem bildungsfernen Schichten und hatten wenig Ambitionen, diesen Zustand zu ändern. Sehr zum Leidwesen von Tieren wie Professor Doktor Doktor Doktor Dösig, die auch deren Ressourcen, die im nicht rein überlebenspraktischen Bereich lagen, gern entwickelt, genutzt und ergänzt hätten. In dieser Hinsicht erkannte er jede Menge brachliegendes, für die faunistische Gesellschaft relevantes Potenzial. Die auf dem Campus wohnenden Tiere lebten überwiegend friedlich zusammen. Hier herrschte ein Ehrenkodex, der naturbedingte Rivalitäten auszuleben verbot, selbst wenn das Gegenüber in freier Wildbahn Teil der eigenen Nahrungskette gewesen wäre. Sammy hatte sogar den einen oder anderen Abend mit ein paar Feldmäusen verbracht und sich dabei trotz des hohen Maßes an aufzubringender Disziplin durchaus amüsiert. Wenn man Tiere als Lebewesen sah und nicht zur reinen Nahrung degradierte, konnte man schon mal Überraschungen erleben. Die Rückmeldungen der geschonten Tiere gestalteten sich auch deutlich positiver aus als allgemein üblich. Das war ja auch mal ganz nett. Da fielen selbst die gelegentlichen Eskapaden auf Krawall gebürsteter Bewohner aus dem Stinktiermilieu oder rein zufällig auf dem Campus gelandeter Wildschweine kaum ins Gewicht. Jedes Klischee bestätigte sich nun mal hin und wieder. Davon abgesehen, bildete der Campus der Faunistischen Hochschule eine fast utopisch anmutende Oase des Friedens im Hasper Wald.

Sammy schaute an seinem Körper herunter. Erst jetzt bemerkte er, dass der feine Prüfungszweiteiler, dessen Erwerb ihn kürzlich noch fast ruiniert hatte, in Fetzen an ihm herunterhing. Der Zylinder war ganz verschollen, die Erinnerung verflogen. Er musste stundenlang durch das dichte Geäst geirrt sein. Nur wenige Bäume trennten ihn noch von den ersten Häusern, dahinter folgte eine auch zu dieser vorgerückten Stunde stark befahrene Straße. Das also war Haspe-Zentrum! Das Haspe der menschlichen Bewohner. Er hatte viel von ihnen gehört, auch davon, dass den allermeisten die Existenz der Tierfakultät gar nicht bekannt war. Eine andere Welt.

Der Kater schlich bergabwärts an den menschlichen Behausungen vorbei in Richtung der Motorengeräusche. Bald erreichte er die Lärmquelle. Er blieb auf dem Fußweg, während sich die Autos auf der Fahrbahn stauten. Nicht völlig ungewohnt für ihn, war er doch ursprünglich ein Hannover’scher Stadtkater gewesen. In der dortigen Südstadt hatte es viele solcher Orte gegeben. Damals, in seinem vorletzten Leben, das genauso abgeschlossen war wie von nun an seine Studentenexistenz.

Sammy lief ziellos durch die Innenstadt, ließ sich einfach treiben. Für die Menschen hier war er mit Sicherheit lediglich ein ganz gewöhnlicher streunender Kater, auf keinen Fall aber eine ehemals potenzielle Koryphäe in der Disziplin Kratzbaumtechnik. Hier kannte ihn niemand. Dementsprechend wurde er auch behandelt. Hin und wieder gelang es ihm, alten Thunfisch (ohne Sauce und Dilltopping an sich ein Frevel) oder Ähnliches aus einer geöffneten Mülltonne zu angeln. Satt wurde er so natürlich nicht, und als Gourmet wäre er auf der Straße auch verloren gewesen. Es vergingen qualvolle, vom Aufblitzen schamhafter Gedanken überschattete Tage. Sammy schlief am Straßenrand oder unter Büschen im Park. Einige Male kam er anderen Tieren ins Gehege, weil er deren Revier betreten hatte oder wegen ähnlich profanen Schwachsinns, als welchen er diese Streitigkeiten schon immer empfunden hatte und seit seiner Zeit hier auf dem Campus noch weniger verstehen konnte. Die Erde gehörte ihnen allen und nicht nur einem Lebewesen ein paar Quadratmeter Fläche! Wie oberflächlich und engstirnig das doch gedacht war. Diese Tiere hatten überhaupt keinen Blick für die Schönheit und Größe des Universums, sie dachten ja kaum bis zum eigenen Tellerrand! Er versuchte mit Einzelnen zu sprechen, einer Bisamratte am Ufer der Ennepe oder einem Straßenkater im Park. Sie verstanden gar nicht, was er meinte, ließen ihn noch nicht einmal ausreden und prügelten einfach drauflos. Blamabel und schmerzhaft – auch körperlich! Daran und an seinem spätestens an der Hochschule ganz automatisch entwickelten Habitus zeigte sich seine Andersartigkeit, während er sich rein äußerlich schnell in Richtung Verwahrlosung anpasste. Auch eine Art von Integration! «Das Leben ist ein Jammertal, und hier ist die Zentrale!», hatte sein Vater oft gesagt. Das traf seine derzeitige Situation am besten.

Von hundert auf null in drei Sekunden. So erschien ihm sein Leben. Ungefähr so lange hatte es gedauert, bis der Kratzbaum, sinnbildlich für seine ganze Existenz, zusammengebrochen war. Er mochte diese Gedanken nicht denken, sie kamen ihm einfach, und es gelang ihm nicht, sie zu vertreiben. Sammy Kater, der Absteiger des Jahres! Das Gespött der Südwestfälischen Fachhochschule für Pelz- und Nagetiere. Mochten sie sich doch die Mäuler, die Schnauzen oder von ihm aus auch die Münder zerreißen. Er war dann schon mal weg! Für immer!

Nur an die Zeit mit Maxi dachte er nicht ohne Wehmut zurück. Wie er jetzt wohl allein mit dem verwirrten Biber klarkommen würde? Sammy wischte diesen Gedanken fort. Egal. Die Zeit mit ihm war unwiederbringlich vorbei. Im Moment brauchte er nur einem warmen Platz, an dem er gefahrlos übernachten konnte.

Er mochte so vier, fünf Tage auf den Straßen der Gegend herumgestreunt sein, da entdeckte er abends eine Art offene Tür oder Klappe, die ihm Schutz und Wärme zu bieten schien. Er war viel zu müde, den Unterschied herauszuarbeiten, und auf Anhieb erkannte er ihn nicht. Letzten Endes war auch das maximal zweitrangig. Er war müde und durchgefroren. Mit letzter Kraft sprang Sammy hinauf. Eine Klappe. Immer noch nicht wichtig. Er schlich langsam in Richtung Wärmequelle. Dort angekommen, erwartete ihn ein Raum, der über und über mit Kartons und Paketen gefüllt war. Auch egal. Mehr Wärme und Ruhe hätte er sich nicht wünschen können. Das war entscheidend! Der Kater nahm zwischen zwei Paketen Platz, rollte sich behaglich zusammen, und bevor er noch etwas denken konnte, schlief er ein. Sammy hatte im Traum gerade einen riesigen, köstlichst mit Dill garnierten Thunfisch gefressen, da wurde er von einem lauten Geräusch unsanft geweckt. Er blinzelte. Längst war es hell geworden, und er konnte seine Umgebung genauer wahrnehmen. Neben und unter ihm stapelten sich wie erwartet Unmengen von Kartons. Seine Kurzzeitunterkunft rumpelte so heftig, dass er gezwungen war, sich an dem rechts neben ihm gestapelten Paket festzukrallen.

Wo war er? Warum bewegte sich hier alles? Es dauerte nicht lange, da war das Rätsel gelöst. Ganz offensichtlich befand er sich auf der Ladefläche eines Transporters. Dessen Hinterklappe war geschlossen, nur ein dünner Lichtstrahl gelangte ins Wageninnere. Genug, um den Kater begreifen zu lassen, wie verzweifelt sich seine Lage gestaltete. Er griff ein Paket und entzifferte die Aufschrift: «UPS». Ganz offensichtlich fuhren sie mit hohem Tempo, er wurde mächtig durchgeschüttelt. Der Fahrer befand sich doch wohl nicht auf einer Auslieferungstour? Um Gottes willen! Und wenn doch, wohin? Er kannte sich in der Umgebung von Hagen-Haspe kaum aus. Sammy nahm seine ganze Kraft zusammen und schlug mit beiden Pfoten gegen die Wand des Transporters. Verschlossen. Keine Chance. Er rüttelte an der Ladeklappe. Nichts. Auch vergebens. Er war gefangen. Der Kater begann am ganzen Körper zu zittern, sämtliche Körperhaare stellten sich auf. Er saß in der Falle.

Seit gefühlten Stunden war er in seinem fahrenden Gefängnis unterwegs, da hielt der Wagen wie aus heiterem Himmel an. Sammy hörte, wie die Vordertür geöffnet wurde, eine schwergewichtige Person aus dem Auto sprang und sich schnellen Schrittes nach hinten bewegte. Der Kater schlich zur Ausgangstür. Jetzt hieß es, alles auf eine Karte zu setzen. Er positionierte sich weit vorn auf dem obersten Paket, spannte jeden Muskel seines Katzenkörpers an und nahm seine übliche Lauerstellung ein. Die menschliche Person war an der Ladeklappe angekommen. Nur eine Metalltür trennte sie noch voneinander. Sammy hörte ein lautes Klicken. Die Klappe ging langsam hoch. Er wartete, bis sich der Spalt weit genug geöffnet hatte. Jetzt! Wild fauchend sprang der Kater durch die entstandene Lücke knapp am Kopf des Fahrers vorbei in die Freiheit. Nichts wie weg hier! Sammy lief, so schnell er konnte. Und das ging deutlich besser, als er es sich angesichts seiner körperlichen Schwäche noch zugetraut hätte. Nach einiger Zeit hatte er so viel Distanz zwischen sich und den Transporter gelegt, dass er verschnaufen und zurückschauen konnte. Am Horizont erkannte er schemenhaft die Gestalt des Paketfahrers. Er hatte die Arme in die Hüften gestemmt und schien ihm immer noch fassungslos hinterherzuschauen. Sammy drehte sich wieder um. Das wäre geschafft! Nächste Frage: Wo war er hier? Jedenfalls nicht am richtigen Ort. So viel konnte man schon einmal sagen. Dazu hatte die Fahrt viel zu lange gedauert. Von der veränderten Umgebung ganz zu schweigen. Sie war bergiger und weniger dicht bebaut als die Stadt, in der er eingestiegen war. Seine Erleichterung war dahin. Er war auf dem Land. Weitab jeder menschlichen Zivilisation, wie es ihm, dem Kater aus der Großstadt Hannover, erschien. Mal schauen, wo genau er hier gestrandet war. Er schlich langsam am Straßenrand entlang. Nach einiger Zeit stand er vor einem gelben Schild: «Stadt Attendorn – Kreis Olpe».

Olpe! Sammy kramte in seinen Erinnerungen. Ein Großteil der an der Fachhochschule Haspe studierenden Tiere stammte aus dem Sauerland. In diesem Zusammenhang war auch der Name Olpe ab und zu gefallen. Er erinnerte sich, gehört zu haben, dass Olpe weder zentral gelegen noch in der näheren Umgebung von Hagen verortet oder gar mit einer Pelztierexpress-Haltestelle ausgestattet sein sollte. Sein Verdacht, geografisch ins Abseits geraten zu sein, erhärtete sich also. Andererseits: Was sollte es! Er hatte nichts mehr zu verlieren, schon gar nicht eine Heimat oder so etwas wie eine Existenz. Genau genommen hatte er im Moment exakt ein Bedürfnis: Hunger! Jetzt, seiner bürgerlich–akademischen Grundlage beraubt, konnte er alle Hemmungen fallen lassen. Im tiefsten Sauerland gab es keinen Ehrenkodex. Hier sprach niemand von friedlicher Koexistenz oder Nichtangriffspakten zwischen von Natur aus rivalisierenden Tierarten. Hier befand er sich in freier Wildbahn! Jetzt, in der Not, konnte er seinen Trieben freien Lauf lassen. Hier waren andere Tugenden gefragt: Jagdinstinkt zum Beispiel! Sammy spürte das Adrenalin in sich aufsteigen. Hier, in tiefster Provinz, konnte er so richtig Tier sein! Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. Keine Zwänge, keine Konventionen! Sammy bleckte die Zähne.

«Roarr!!!»

Ja. Er war ein Raubtier! Er musste jetzt, genau jetzt, seine animalischen Instinkte reaktivieren, um überhaupt überleben zu können. Sich aus der Mensa der Natur bedienen, um noch ein letztes Mal den Vergleich zu seiner akademischen Vergangenheit zu ziehen. Sein Hunger war nun sein Antrieb. Sammy verließ die Straße und schlug sich in die Büsche. Sein Hungergefühl nahm zu, steuerte sein Denken und Handeln, bis er keine anderen Gedanken mehr hatte und der ganze Kater nur noch auf das Eine fokussiert war: Fressen! Fressen! Nochmals Fressen! Nahrung finden, Nahrung erlegen, Nahrung aufnehmen. Sein Weg führte ihn immer tiefer in den Wald. Sammys Vorgehensweise könnte man wohl am präzisesten mit den Worten «zielgerichtetes Umherirren» bezeichnen. Seinen Durst stillte der Kater an einem nahe gelegenen Bach, doch der Hunger blieb. Mehr noch, dieses Gefühl steigerte sich ins fast Unermessliche! Er hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, in absehbarer Zeit passende Beute aufzuspüren, da vernahmen seine gespitzten Ohren ein leises Rascheln am Wegesrand. Das klang erfolgversprechend! Sammy folgte dem Geräusch. Langsam schlich er sich an, nahm seine ganze Konzentration zusammen, beziehungsweise die Reste davon, über die er in seinem geschwächten Zustand noch verfügte. Er machte sich zum Sprung bereit. Bewegte sich dort sein Mittagessen? Wartete hinter diesem Strauch seine langersehnte Mahlzeit auf ihn?

Sammy sprang …

Kurz bevor seine Pfoten den Boden wieder berührten, bewegte sich der Strauch, und eine kleine, komplett pelzfreie Gestalt schlüpfte direkt vor Sammys Nase vorbei. Dieser hielt kurz inne. Mist! Heute ging aber auch wirklich alles schief! Was war das überhaupt für ein Tier gewesen? So jemanden hatte er ja noch nie gesehen! Noch nicht einmal als Fotografie oder Zeichnung in seinem Biologiebuch! Wieder eine Bewegung. Er schaute genauer hin: Direkt vor seiner Nase flüchtete aus dem Unterholz ein kleines, haarloses, schlangenartiges Wesen, vielleicht dreißig Zentimeter lang. Seine Haut war von der Grundfarbe her fahl, aber dennoch dunkler pigmentiert. Kiemen am Hinterkopf und ein ruderartiger Schwanz rundeten den seltsamen Gesamteindruck ab. Kurz und mit den Worten eines hungrigen Katers gesagt: Der könnte auch ohne Sauce schmackhaft sein! Vielleicht eine Spur zu mager, aber durchaus mit Potenzial zum Hauptgericht. Sammy lief das Wasser in der Schnauze zusammen. Das schien ja ein leckeres Kerlchen zu sein! Er folgte dem Tier hochmotiviert und so behände, wie es ein völlig entkräfteter Kater gerade noch zu tun in der Lage war. Vor ihm lief sein erstes vollständiges Mittagessen in spe seit Ewigkeiten. Der Kater ging aufs Ganze. Jetzt oder nie!

Doch das kleine Geschöpf erwies sich als empörend widerspenstig und weniger als die erhofft leichte Beute. Während Sammy mit großen Schritten Meter um Meter aufholte, schlängelte sich das Tier geschickt und Haken schlagend vor ihm her. Mehrfach war der Jäger in Pfotenschlagdistanz, mehrfach holte er zum finalen Schlag aus, worauf das andere Tier immer wieder mit einer geschickten Körpertäuschung entwich. Es glitt unter seinen fangbereiten Pfoten förmlich hindurch und verschaffte sich so wieder Abstand zum Verfolger. Gerade hatte Sammy ein weiteres Mal ausgeholt und sein Ziel nur um Haares– beziehungsweise Nichthaaresbreite verpasst, da schienen seine Ohren tatsächlich so etwas wie artikulierte Worte zu vernehmen.

«Stopp! Lass mich am Leben!»

Und dann: «Idiot!»

In seiner Überraschung verlor Sammy nicht nur seine absolute Konzentration und Fokussierung, sondern für einen ganz kurzen Moment auch die Contenance. Unglaublich! Schon wieder war ihm dieser elende Ruderschwanzträger entwischt. Und was war das für unglaublich dummes Zeug, das er da hören musste, wenn er nicht bereits vor Hunger halluziniert haben sollte? Warum sollte er ihn jetzt noch leben lassen? Jetzt, nachdem er ihm gegenüber zu allem Überfluss auch noch ernsthaft ausfällig geworden war. Denn um eine Halluzination konnte es sich bei dessen Kommentar nach tierischem Ermessen eigentlich nicht gehandelt haben. Er war kein Idiot, er hatte Hunger! Zwei völlig verschiedene Paar Schuhe! Wem sein Leben lieb war und noch hoffte, verschont zu werden, der sollte sich zu benehmen wissen und seine Worte sorgsam wählen, auf gar keinen Fall aber auch noch Öl ins Feuer gießen. Was bildete sich dieser Nacktmull oder als was auch immer er sich schimpfen mochte, eigentlich ein? Und überhaupt: Auch er musste endlich sehen, wo er blieb. Langsam hatte der Kater die Schnauze wortwörtlich voll.

Oder litt er vielleicht doch an akustischen Halluzinationen? So ganz abwegig war das nun auch wieder nicht bei dem Stress. Das kleine Schlangenwesen sah beim besten Willen nicht aus, als wäre es zu einer zivilisierten Aktion fähig, von artikuliertem Sprechen ganz zu schweigen. Doch selbst wenn er sich wider Erwarten nicht getäuscht haben sollte, blieb immer noch der quälende Hunger, der gestillt werden musste. Er kam ja fast um! Also: Alles egal! Gegen Hunger gab es genau drei Mittel: Fressen, fressen und fressen!

Sammy nahm die Verfolgung wieder auf. Fast hatte er den Vorsprung des anderen Tieres egalisiert, da verschwand es ohne Vorwarnung und direkt vor ihm im Erdboden. Ehe der Kater sich wundern, geschweige denn bremsen konnte, spürte er, wie der Boden unter ihm nachgab und er den Halt verlor. Sammy fiel. Er war gerade noch dazu in der Lage, sich im Flug zu drehen. Eine Fähigkeit, die allen Katzen von Natur aus gegeben ist, um auch aus großen Höhen sicher landen zu können. Doch der Kater fiel nicht tief genug und hatte nicht genügend Zeit, seine Pfoten komplett auszustrecken. So landete er ungebremst auf unbekanntem Terrain, das sich als steinharter Boden entpuppte. Er prallte auf, und ihm wurde schwarz vor Augen.

«Schade», war sein letzter Gedanke, «der hätte jetzt aber mal wirklich zum Mittagessen getaugt!»

Dann senkte sich gnädig der Schleier der Umnachtung über ihn.

Unter Olmen

Подняться наверх