Читать книгу Die Dämonenschatz-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling - Carsten Zehm - Страница 11
Aufbruch
ОглавлениеSie wollten zwei Tage später aufbrechen, sehr zum Missfallen von Waltrude. Bis zum Schluss lag sie Bandath in den Ohren, doch hierzubleiben. Nun war die Tatsache, dass Bandath zu einer Reise aufbrach, an sich nicht ungewöhnlich. Seit seiner Rückkehr von der Magierausbildung vor nunmehr fast einhundert Jahren, war er jedes Jahr zwei- bis dreimal zu irgendwelchen Reisen aufgebrochen, auch während des Winters – mehr oder weniger zweifelhaften Reisen übrigens, wie Waltrude ständig anmerkte. Oft genug kam er mit einem Beutel voller Silber- oder gar Goldmünzen zurück, schwieg aber stets, was die Art seiner „Geschäfte“ betraf. Wahrscheinlich hatte Waltrude recht, wenn sie diese als „windig“ bezeichnete. Auch wenn er immer darauf bestand, dass durch seine Geschäfte noch nie jemand ernsthaft zu Schaden gekommen war.
Der Magier wollte am Nachmittag vor dem Aufbruch die letzten Einzelheiten besprechen. Um nicht von Waltrude gestört zu werden, gingen er, Niesputz und Barella in das Wirtshaus. Es war für sie eindeutig der beste Platz, denn Waltrude hatte heute ihren Groß-Reinemach-Tag. Natürlich kam Korbinian mit, als er hörte, wo sie sich treffen wollten. Und kaum saßen sie am Tisch, kam Rulgo hinzu.
„Na, Elflein“, seine Pranke krachte auf Korbinians Schulter und schleuderte den Elf gegen den Tisch. „Der Kopf wieder frisch?“ Der massige Körper des Trolls sackte auf die Bank, die unter dieser plötzlichen Belastung hörbar ächzte. Ohne auf eine Antwort des Elfen zu warten, der sich stöhnend die Schulter und die geprellte Brust rieb, wandte er sich an Bandath: „Eigentlich sollte ich beleidigt sein, Magier.“
Der Zwergling hob die Augenbrauen. „Wieso das denn?“
„Die Grünspatzen pfeifen von den Dächern, dass ihr morgen oder übermorgen zu einer Reise aufbrechen wollt. Allerdings weiß keiner so richtig, wohin.“
„Und?“
„Ihr habt euren alten Freund Rulgo nicht gefragt, ob er mitkommen möchte.“ Der Troll blickte Bandath mit unschuldigem Blick an. „Geht es um die Sache, die ihr im letzten Jahr angesprochen hattet, diese Dämonenstadt und den riesigen …“
Ruckartig hob Bandath die Hand und stoppte den Redefluss Rulgos. „Bitte noch kein einziges Wort zu irgendjemanden. Klar?“ Dann nickte er resigniert. Er hatte gehofft, die Reise mit Barella und Niesputz alleine unternehmen zu können. Anscheinend war ihm das nicht vergönnt. Gegen Rulgo hatte er nichts, allerdings würde seine Angewohnheit, bei Sonnenuntergang in todesähnlichen Schlaf zu fallen und erst am Morgen wieder zu erwachen, sie doch etwas behindern.
„Wenn du denkst, mich hierlassen zu können …“ Der Troll ließ offen, was dann wäre. „Komm schon, Bandath. Wir hatten so viel Spaß im letzten Jahr. Und wenn dabei ein paar Münzen für mich abfallen, dann ist das auch in Ordnung.“
„Hast du als Anführer der Taglicht-Trolle denn nichts zu tun?“, wagte der Magier einen Einwand.
„Ich? Habe ich dir das nicht erzählt? Im Sommer gab es eine neue Wahl bei uns. Es gibt keine Elfen mehr zu verprügeln und kein Diamantschwert mehr zu bewachen. In das Umstrittene Land kommen wir auch nicht mehr rein. Was soll ich dann tun, als Anführer? Ich habe mir lange genug Sorgen um die Vorräte und das Zusammenleben mit den Elfen gemacht. Sollen sich andere jetzt den Kopf zerbrechen.“
Niesputz kicherte. „Ist dir langweilig, Fleischklops?“ Er drehte sich zu Bandath. „Lass ihn uns mitnehmen. Vielleicht können wir ihn abrichten und mit einer Kette am Hals im Süden gegen Geld auf den Märkten herumzeigen.“
Als auch Barella zustimmte, hob Bandath resigniert die Hände. „Also gut, komm mit.“
„Und ich auch“, ergänzte Korbinian. Bei Rulgos Erwähnung von Münzen hatte er sich ruckartig gerade hingesetzt und die ohnehin schon spitzen Ohren weiter aufgerichtet.
„Vergiss es“, zischte Barella.
Der Elf sah misstrauisch in die Runde. „Wenn ihr mich nicht mitnehmt, werde ich euch auf eigene Faust folgen.“
„Verfolgen?“, dröhnte Rulgo. „Kannst du das genauso gut wie trinken? Dann haben wir dich nämlich nach einer halben Stunde abgehängt. Bandath, bitte lass mich einen Felsen auf ihn wälzen. Ich nehme den Stein auch wieder runter, wenn wir im Frühjahr zurückkommen.“
Ihre Diskussion wurde unterbrochen, als Kendor an den Tisch trat. „Vier Bier und …“, der Wirt sah Niesputz an, „ein Getreidekorn, nehme ich an?“
Das Ährchen-Knörgi schüttelte den Kopf. „Nein, heute nehme ich auch ein Bier.“ Niesputz hob die Hand und spreizte Daumen und Zeigefinger auseinander. „So ein großes!“
Kendor nickte lächelnd. „Irgendetwas zu essen?“
Jetzt grinste Bandath säuerlich. „Wenn wir bei dir essen, Kendor, schicke ich dir hinterher Waltrude auf den Hals, der du erklären kannst, weshalb wir nicht das essen, was sie zu Hause gekocht hat. Das müsstest du doch mittlerweile wissen.“
Kendor griente breit und ging zurück zur Theke. Bandath wandte sich an Korbinian: „Nenne mir bitte einen vernünftigen Grund, weshalb wir dich mitnehmen sollten.“
Mit erhobener Hand, den Daumen abgespreizt, fing dieser an, aufzuzählen: „Der Troll kommt auch mit!“
„Uäh!“, greinte Rulgo übertrieben wie ein kleines Kind. „Ich will das auch, der Troll kommt auch mit!“
Korbinian ignorierte Rulgos Einwurf und klappte den Zeigefinger aus. „Ich will meine Schwester kennenlernen, da ich nun nach vielen Jahren erfahren habe, dass sie existiert.“
„Woher dieser plötzliche Familiensinn?“, fauchte Barella und wurde, genau wie Rulgo zuvor, ignoriert.
Der Mittelfinger: „Vater hat gesagt, ich soll dich unterstützen, wenn du Hilfe brauchst, Bandath.“
„Oh, ich denke, der Zauberer schafft das auch ohne dich, schließlich hat er mich.“ Niesputz plusterte sich auf.
„Magier“, korrigierte Bandath das Ährchen-Knörgi. Nach seiner Auffassung traten Zauberer auf Jahrmärkten zur Belustigung der Besucher auf. Er war ein ernsthafter Magier.
Korbinian zeigte den Ringfinger. „Ich kenne den Süden einigermaßen und kann euch dort helfen.“ Als Letztes folgte der kleine Finger. Mit einem Seitenblick auf den Troll senkte der Elf die Stimme. „Und ganz ehrlich, ich könnte auch ein paar Münzen gebrauchen.“
„Was heißt ‚du könntest‘? Wahrscheinlich brauchst du sie dringend, da du irgendwo Schulden hast“, knurrte seine Schwester.
Der Elf grinste wortlos.
„Was berechtigt dich zu der Annahme, dass ein paar Münzen für dich abfallen könnten?“, fragte Bandath.
„Der Troll hat es doch eben erwähnt. Sag schon, Magier, geht es um einen lukrativen Auftrag oder um einen Schatz?“
Bandath schwieg, schaute den Elf nur an.
„Wenn ihr mich nicht mitnehmt, erzähle ich in allen Wirtshäusern südlich des Drummel-Drachen-Gebirges herum, dass ihr auf der Suche nach einem Schatz seid. Dann werden sich bald Hunderte von Schatzsuchern und Abenteurern an eure Fersen …“ Korbinian stoppte abrupt, als sich Rulgos Hand um seinen Nacken legte.
„Hast du schon mal davon gehört, Elflein, dass Trolle mit einer einzigen Handbewegung das Genick von Elfen brechen können?“
Bandath hob beschwichtigend die Hand. „Langsam, Rulgo. Der Friede zwischen euren Völkern ist noch jung und empfindlich. Störe ihn nicht mit einem Mord, der es nicht wert ist.“ Er seufzte resigniert. „Dann sind wir also fünf“, sagte er, nachdem Barella ihm zugenickt hatte.
Bandath griff in den Schultersack, den er ständig bei sich trug, und holte eine Landkarte heraus. In einem sehr großen Maßstab zeigte sie die Ländereien südlich des gewaltigen Drummel-Drachen-Gebirges bis hin zur Todeswüste und den Urwäldern des Südens.
„Unsere erste Station sollte Pilkristhal sein.“ Sein Finger stupste auf einen Punkt der Karte. Südlich des Ewigen Stroms erstreckte sich über viele Tagesreisen hinweg das Drei-Strom-Land. Der Grünhaifluss, der Wasserdrachen-Fluss und der Heiße Strom durchflossen eine abwechslungsreiche Landschaft. Wälder wechselten sich mit riesigen Heidelandschaften ab, Berge mit Tälern und Ebenen. Natürlich war keiner der Berge so hoch, wie ihre größeren Verwandten hier im Gebirge. Hunderte von Bauernhöfen lagen dort verteilt, Getreide wurde angebaut und Vieh gezüchtet. Aber auch Städte konnte man da finden. Auf eine von diesen Städten zeigte Bandath – Pilkristhal. „Ich denke, dort sollten wir uns treffen.“
„Treffen?“ Unverständnis spiegelte sich in den Blicken seiner Mitstreiter.
„Wieso treffen?“, fragte Rulgo. Er zeigte in die Runde, als würde Bandath die anderen nicht sehen. „Wir sitzen doch schon zusammen.“
„Ich habe lange nachgedacht“, erklärte der Magier. „Wenn wir Erfolg haben wollen, brauche ich noch ein paar Informationen. Und ich denke, ich weiß auch, wo ich die bekomme.“
„Und?“, fragte Barella schließlich, als Bandath schwieg. „Woher bekommst du die?“
„Aus der Bibliothek von Go-Ran-Goh. Die Magierfeste hat die umfangreichste Sammlung an Büchern, die man sich nur vorstellen kann.“ Er wies auf einen einsamen Berg im Osten. „Ich bin mit meinem Laufdrachen bedeutend schneller als ihr beide.“ Der Zwergling sah zu Rulgo und Korbinian.
„Ich habe ein sehr gutes Pferd. Ich wette um fünf Goldstücke, dass es deinen Laufdrachen …“
„Vergiss es!“, fuhr ihn Barella an. „Du würdest doch wieder nur verlieren. Wenn du dabei sein willst, dann halte dich an Regel Nummer eins!“
„Regel Nummer eins?“
„Es wird gemacht, was Bandath und ich sagen, grundsätzlich, sofort und ohne Fragen zu stellen. Klar?“
„Aber wenn …“, versuchte Korbinian zu widersprechen.
„Klar?!“, schnitt ihm Barella scharf das Wort ab.
„Verstanden“, maulte der Elf und griff als erster nach dem Bier, das Kendor in diesem Moment brachte.
„Und wenn die beiden nicht da sind, gilt Regel Nummer eins für mich!“, nahm Niesputz für sich in Anspruch und griff seinerseits zu seinem kleinen Bierkrug, den Bandath ihm zur Winntersonnenwend-Feier geschenkt hatte und den Kendor für ihn verwahrte.
„Und dann für mich“, legte Rulgo fest. „Elfen haben nämlich von Natur aus nichts zu sagen.“
Korbinian sah die um den Tisch Sitzenden belustigt an. „Na prima, eine ganze Bande von Stellvertretern. Auch mal nicht schlecht. So lange ich nicht jeden Abend für das Essen verantwortlich bin.“
„Für das Essen nicht“, murmelte seine Schwester, „aber für den Abwasch.“
„Was genau ist denn unser Ziel? Ich vermute mal, dass es sich um eine Truhe voller Gold handelt?“ Erwartungsvoll sah Korbinian den Magier an.
„Regel Nummer zwei“, sagte dieser ungerührt. „Keine Fragen! Zu gegebener Zeit wirst du alles erfahren.“ Er nahm einen tiefen Schluck und wischte sich den Bierschaum von der Oberlippe. Seit er im letzten Jahr unter der Erde in ein Feuer geraten war, trug er keinen Bart mehr. Sein graues Haar hielt er sich neuerdings mit einem ledernen Band aus der Stirn, genau wie Barella dies tat. Die Zwelfe hatte ihm eins gefertigt. Während sie jedoch ihr tiefbraunes Haar offen trug, hatte sich Bandath seines zu einem langen und kräftigen Zopf gebunden. Er kratzte sich unter dem Lederband. „Also noch mal: Barella und ich sind bedeutend schneller. Wir werden über Go-Ran-Goh nach Pilkristhal kommen, ihr beide nehmt den direkten Weg, am besten über Flussburg.“ Er sah den Elfen an. „Du kennst Pilkristhal?“
Korbinian nickte.
„Kannst du uns ein Wirtshaus empfehlen, in dem wir uns treffen können?“
„Der Würfelbecher“, antwortete der Elf sofort.
„Und welches würdest du uns auf keinen Fall empfehlen?“, fragte seine Schwester.
„Den Fröhlichen Zimmermann.“
„Gut“, entgegnete sie.
„Dann treffen wir uns also im Fröhlichen Zimmermann“, ergänzte Bandath.
„He!“, rief Korbinian empört. „Weshalb fragt ihr mich nach meiner Meinung, wenn ihr dann sowieso das Gegenteil macht?“
„Eben deshalb“, lachte Rulgo und schlug dem Elf auf die Schulter.
Den schleuderte es gegen die Tischkante. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich die Brust. „Könntest du das bitte sein lassen?“
„Ich glaube“, rief Niesputz und surrte zwischen Elf und Troll, „ich werde den Fleischklops und das Spitzohr begleiten, damit nicht einer den anderen heimlich zerhackstückelt.“
„Gut.“ Bandath lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Dann wäre also auch das geklärt.“
Eine Stunde und zwei Bier pro Person später löste sich die kleine Versammlung auf.
Bei Sonnenaufgang am nächsten Morgen verließ die Gruppe Neu-Drachenfurt. Der Zwergling ritt auf seinem Laufdrachen Dwego, Barella auf Sokah, ihrem weißen Leh-Muhr, einem Laufvogel, der es in Kraft, Geschwindigkeit und Ausdauer mit jedem Laufdrachen aufnahm. Niesputz saß auf der Schulter der Zwelfe. Hinter den beiden tapste Rulgo mit dem eigentümlich wiegenden Gang der Trolle her, gefolgt von Korbinian auf seinem schwarzen Hengst Memoloth.
Neben den unvermeidlichen und unergründlichen Schultersäcken, die Bandath und Barella auf ihren Rücken trugen, waren die Reittiere und Rulgo mit Proviantsäcken beladen, die Waltrude ihnen gepackt hatte. Sie würden, zumindest in der ersten Zeit, keinerlei Probleme mit ihrer Verpflegung bekommen.
Am frühen Nachmittag verließen sie die höheren Bereiche der Drummel-Drachen-Berge und kamen in die Vorgebirge. Weite Hänge mit vereinzelten Baumgruppen erstreckten sich vor ihnen. Ganz weit in der Ferne konnte man das silbrig glänzende Band des Ewigen Stroms erkennen, an dessen Ufer die Stadt Flussburg lag. Das Land dazwischen war wildreich und fruchtbar, aber nur dünn besiedelt.
Bevor sich Bandath und Barella von den anderen verabschiedeten, sprach der Magier noch einmal kurz mit dem Troll. Er nahm ihm das Versprechen ab, den Elf lebend bis nach Pilkristhal zu bringen.
Barella ihrerseits redete mit ihrem Halbbruder. „Ich will, dass ihr Pilkristhal lebend und unversehrt erreicht. Beide! Sollte dem Troll unterwegs irgendetwas geschehen, so verspreche ich dir, dass ich dich finden und lebendig zu den Trollen schleifen werde.“
Korbinian schüttelte den Kopf. „Was mein Vater nur an euch gefunden hat …“
Rulgo, Korbinian und Niesputz brachen nach Süden auf, Bandath und Barella nach Osten.
Zwei Tage später stapfte Waltrude nördlich von Neu-Drachenfurt durch ein bewaldetes Tal, in dem sie schon seit vielen Jahren Kräuter sammelte, die sie für den Winter brauchte. Vor allem ihre Vorräte an Urinella, einem harntreibenden Kraut, und Schnupfwurz, einem Kraut gegen Erkältung, bedurften dringend der Auffrischung. Erfreut schnaufte sie, als die Bäume zu einer kleinen Lichtung auseinandertraten und der Boden vor der Zwergin fast vollständig mit den kleinen, blauen Blüten der Urinella bedeckt war. Sie griff nach ihrem Messer in der Tasche und konnte sich plötzlich nicht mehr bewegen. Begleitet von einem höhnischen Kichern trat auf der anderen Seite der Lichtung ein Gnom aus dem Gebüsch hervor. Claudio Bluthammer. Die Angst, die Waltrude im ersten Moment ergriffen hatte, wurde durch unbändige Wut abgelöst. Dieser Gnom hatte zusammen mit seinem hässlichen, ochsenköpfigen Kumpan das alte Haus des Magiers und damit seine wertvolle Büchersammlung verbrannt – nicht zu vergessen Waltrudes gesamtes Hab und Gut. Wenn sie den in ihre Finger kriegen könnte. Aber leider hatte er sie wohl mit Lähmungs-Magie belegt. Sie konnte nicht einmal ihre Augenlider rühren. Hinter ihr hüstelte eine tiefe Stimme und der Minotaurus schritt gewichtig in ihr Blickfeld – Sergio die Knochenzange.
„Also, alte Schachtel, wir wollen uns gar nicht lange aufhalten.“ Sergio spazierte gestelzt vor ihr auf und ab, während Claudio leicht gebückt etwas im Hintergrund stand und mit seinen klobigen Gnomenfüßen auf der Urinella herumtrampelte. Zu ihrem Schreck hatte der Gnom ein langes, spitzes und wohl auch äußerst scharfes Messer gezückt und ließ das Licht der Herbstsonne auf der Klinge blitzen.
„Wir wissen“, grunzte der Minotaurus, „dass du die Haushälterin des Mischling-Magiers bist. Wo ist er? Wir haben ihn in eurer Siedlung nicht gesehen.“ Er machte eine nachlässige Handbewegung und sie spürte, wie die Lähmungs-Magie ihren Kopf freigab.
„Gib mich ganz frei, Ochsenkopf, und ich werde dich in die Richtung werfen, in die der Herr Magier aufgebrochen ist …“ Die Lähmungs-Magie erfasste sie erneut. Ochsenkopf kam ganz nah ans Waltrudes Gesicht heran, während der Gnom im Hintergrund kicherte.
„Pass auf, Zwergenweib! Ich frage, du antwortest! Und zwar nur auf meine Fragen!“
Waltrude bemerkte, dass die Lähmungs-Magie zwar ihren Körper zur Bewegungslosigkeit verdammte, ihre Nase jedoch konnte weiterhin ungestört ihre Funktion ausführen. Der Minotaurus stank gewaltig aus seinem Maul. All die Verachtung, die sie den Wegelagerern gegenüber empfand, versuchte die Zwergin in ihren Blick zu legen. Sollten die beiden doch mit ihr anstellen, was sie wollten. Die Informationen, die sie interessierten, würden sie nicht bekommen – jedenfalls nicht von ihr.
„Noch mal, alte Vettel. Ich glaube, du weißt nicht, wen du vor dir hast. Ich bin ein Magier, Sergio die Knochenzange. Rate mal, warum man mich die Knochenzange nennt?“ Er schwieg einen Moment theatralisch, als wolle er den Gedanken ganz tief in Waltrudes Hirn einsickern lassen. „Also, wo ist Bandath?“ Wieder schlenkerte er mit seiner Hand. Waltrude bewegte den Kopf, als müsse sie ihren Nacken entkrampfen.
„Der Herr Magier? Er ist zum Großen Markt am Nebelgipfel aufgebrochen.“
„Was will er denn dort?“
„Da gibt es eine besondere Sorte von Eisenstäben. Die kann ich bei unserem Schmied ins Feuer legen und wenn sie dann glühen, werde ich sie euch ganz tief in eine bestimmte Körperöffnung schieben, ihr verfluchtes Gesindel. Habt wohl Angst vor einer fetten, alten Frau, dass ihr mich hier so feige lähmt? Hört mit eurer verkorksten Magie auf und gebt mich frei, dann klären wir das – von Zwerg zu Ochse!“
Unsichtbare Fesseln pressten Waltrude zum dritten Mal die Kiefer aufeinander. Wütend funkelten sie die Augen des Minotauren an.
„Du hast es so gewollt, Weib. Ich werde jetzt meine Spezialität bei dir anwenden …“
„Au ja!“, rief der Gnom und hüpfte freudig erregt hinter seinem Kumpan auf und ab. „Die Knochenzange! Ja, Sergio, mach ihr die Knochenzange!“
Ruhe gebietend hob der Minotaurus die Hand und Claudio verstummte abrupt.
„Ich fange mit dem kleinen Finger der linken Hand an, Weib. Wenn der gebrochen ist, folgen nach und nach die anderen Finger, dann die Arme, danach die Füße und die Beine. Du glaubst gar nicht, wie viele Knochen ein Zwerg hat. Und jeden einzelnen davon werde ich dir brechen, bis du mir sagst, wo der Mischling ist.“ Er begann, seine Finger in einem komplizierten Spiel zu bewegen. Wie mit eisernen Klammern gepackt, wurde Waltrudes Arm nach oben gezogen. Zitternd versuchte sie, dagegen anzukämpfen, vergeblich. Die unsichtbare Kraft bog ihr den Arm, bis sich ihre Hand vor ihrem Gesicht befand, und spreizte dann die Finger ab. Eines musste man dem Minotaurus lassen, diese Magie beherrschte er wirklich. Waltrude brach der Schweiß aus, aber sie kam nicht gegen die Kraft an, die er heraufbeschwor. Sie fühlte und sah, wie ihr kleiner Finger nach hinten gebogen wurde, weiter und weiter. Allerdings brauchte sie sich das Stöhnen kaum zu verkneifen, die Geburt ihrer zweiten Tochter war bedeutend schmerzhafter gewesen. Dennoch vernahm sie mit einer gewissen Erleichterung das trockene Knacken, mit dem der Finger brach.
Die Fessel um ihr Gesicht löste sich. Bevor jedoch der Minotaurus seine Frage stellen konnte, spuckte sie ihm ins Gesicht. „Wenn ich es mir recht überlege, werde ich den Schmied zuerst bitten, mir Widerhaken an die Eisenstäbe zu schmieden, bevor ich sie ins Feuer lege. Zu zweit eine arme, alte, wehrlose Frau quälen. Zu mehr hat es bei euch wohl nicht gereicht? Kein Wunder, dass sie euch aus Go-Ran-Goh geschmissen haben …“
Der Minotaurus schrie wütend auf. Dass sie beide vor vielen Jahren ihre Ausbildung auf der Magierfeste abbrechen mussten, weil sie Bandath einen lebensgefährlichen Streich gespielt hatten, hatte er noch immer nicht verwunden. Erneut fühlte Waltrude die unbarmherzige Klammer der Lähmungs-Magie.
„Du wirst schreien!“, geiferte ihr der rasende Minotaurus ins Gesicht. „Du wirst betteln. Aber ich werde nicht aufhören. Ich werde dir jeden einzelnen Knochen brechen …“
Der Gnom unterbrach die Tirade seines Freundes mit einem Schmerzensschrei. Unwillig drehte Sergio sich zu seinem Gefährten um. „Was …?“
Ein heranzischender Stein traf ihn an der Stirn und ließ ihn zurückstolpern. Aufstöhnend riss er die Hände hoch und hielt sich die blutende Wunde zwischen den Augen. Plötzlich folgte ein regelrechter Hagel von runden, weißen Kieselsteinen, die, einer nach dem anderen, aus dem Gebüsch herausgeschossen kamen, aus dem kurz zuvor der Gnom aufgetaucht war. Sie prasselten auf jede ungeschützte Körperstelle der beiden Schurken, die schreiend umhersprangen und verzweifelt versuchten, sich vor den Steinen zu schützen. Durch den unverhofften Angriff abgelenkt, verlor die Lähmungs-Magie ihre Wirksamkeit, Waltrude war frei. Mit den Worten „Du brichst mir keinen Finger mehr!“, holte sie mit ihrer rechten Hand das Messer aus dem Beutel, dessen Griff sie schon die ganze Zeit umspannt gehalten hatte. Blitzartig zuckte die Klinge nach vorn und biss Sergio in den Oberschenkel. Der Minotaurus schrie gepeinigt auf und schlug nach ihr. Mit einer Gewandtheit, die man der fülligen Zwergin niemals zugetraut hätte, wich sie dem Schlag aus und führte ihrerseits einen Angriff gegen Claudio Bluthammer. Sie traf ihn am Oberarm. Das Jaulen des Gnoms schrillte über die Lichtung und panisch schlugen sich beide in die Büsche, gefolgt von den letzten Kieselsteinen, die Löcher in die Blätter rissen. Noch eine ganze Weile hörte sie das Brechen der Zweige unter den Füßen des Gnoms und den Hufen des Minotaurus’.
Waltrude atmete heftig, steckte ihr Messer weg und fasste vorsichtig ihren nach hinten abstehenden kleinen Finger. Energisch bog sie ihn wieder in die richtige Position. Es knackte trocken in ihrer Hand.
„Komm schon vor!“, rief sie ihrem unsichtbaren Retter zu. „Ich tue dir nichts.“
„Davon bin ich überzeugt“, ließ sich eine tiefe, angenehm klingende Stimme vernehmen. Es raschelte und ein großer, kräftiger Mensch trat hinter dem Busch hervor. Seine kurz unter den Knien endende Leinenhose wurde mit einem Ledergürtel auf der Hüfte gehalten. Unten schauten stachelig behaarte Beine heraus, die in braunen Stiefeln endeten. Ein weites, weißes Hemd steckte in der Hose. Aus dem Brustausschnitt quoll wolliges Haar hervor. Es war genauso schwarz wie sein Kopfhaar, das in leichten Wellen auf die Schultern fiel. Das Gesicht war, nach Art der Menschen, rasiert. Die braunen Augen strahlten Klugheit aus. Eine scharf geschnittene Nase und ein energisches Kinn gaben dem Gesicht einen entschlossenen Ausdruck. In der rechten Hand hielt der Mann eine Steinschleuder, in der linken einen noch zur Hälfte mit Kieselsteinen gefüllten Leinenbeutel. Sein schwarzer Umhang fiel von den Schultern fast bis auf die Erde und konnte beinahe für eine Verlängerung seines Haares gehalten werden. Er lachte ein offenes, sympathisches Lachen.
„Die werden so schnell nicht wiederkommen.“ Nach drei Schritten mit seinen langen Beinen stand er vor Waltrude, legte die rechte Hand aufs Herz und verbeugte sich elegant. „Baldurion Schönklang, fahrender Musikant, Flötenspieler und …“, er richtete sich wieder auf, „… Retter von edlen Damen in Not. Brauchst du Hilfe?“
„Blödsinn!“, knurrte Waltrude. „Erstens bin ich keine Dame, zweitens nicht edel und drittens hast du mich nicht gerettet, du hast mir maximal geholfen. Viertens wird kein Zwerg je Hilfe brauchen, bloß weil er sich den Finger gebrochen hat.“
„Selbstverständlich.“ Baldurion nickte und lächelte. „Wahrscheinlich wärst du früher oder später alleine frei gekommen … mit zwei gebrochenen Armen.“ Er wies auf ihren Finger. „Brauchst du wirklich keine Hilfe?“
„Ich wäre nicht Waltrude, wenn mich so eine kleine Verletzung umhauen würde.“ Während sie ein sauberes, weißes Tuch aus ihrer Tasche zog, einen daumendicken Ast aufnahm und begann, sich den Finger zu bandagieren, betrachtete sie ihren „Helfer“.
„So, so. Und du willst ein Sänger sein, und ein Steine werfender noch dazu?“
„Ich habe die Steine nicht geworfen, sondern geschleudert.“ Baldurion wies auf die am Gürtel hängende Lederschlaufe, seine Schleuder.
Waltrude betrachtete interessiert ihren unnatürlich abgespreizten Finger, als überlege sie, in welche Richtung sie ihn jetzt biegen müsse.
„Du brauchst wirklich keine Hilfe?“, bot sich Baldurion noch einmal an.
„Zwerge brauchen sich von Natur aus nicht von Menschen helfen lassen, die herumziehen, Steine werfen und alte Frauen ausfragen.“ Sie hielt den Ast an den Finger und richtete diesen dann nach dem Holzstück aus.
„Also, Balduin, oder wie du heißt …“
„Mein Name ist Baldurion“, stellte er richtig und sah zu, wie sie den Bruch noch einmal richtete, ohne eine Miene zu verziehen. „Ich bin Flötenspieler und Musikant. Selbstverständlich singe ich auch hin und wieder, aber meine Passion ist das Flötenspiel.“
„Und wo hat der Herr Flötenspieler gelernt, so gewandt mit der Schleuder umzugehen?“
Baldurion begann die herumliegenden Kiesel wieder einzusammeln. „Nun, ich bin oft unterwegs, meistens allein und nicht immer treffe ich auf mir wohlgesinnte Reisende, wie auch du heute bemerken musstest.“
Waltrude schüttelte unwillig den Kopf. „Quatschst du immer so gestelztes Zeug? Rede wie ein normaler Zwerg, wenn du mit mir sprichst.“ Sie hatte ihren Finger mit Holz und Taschentuch geschient. „Was tust du denn da?“
„Ich sammle die Steine wieder ein. Wunderbar runde, weiße Bachkiesel. So etwas findet man nicht überall.“
„Wir sollten hier verschwinden.“ Waltrude sah sich um. „Wenn die zwei Idioten zurückkommen, könnten wir eventuell doch noch ernsthafte Probleme kriegen.“
Baldurion nickte, steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen schrillen Pfiff ertönen. Kurz darauf trat eine weiße Stute aus dem Wald. Waltrude konnte nicht umhin festzustellen, dass sie wunderschön war. Das Pferd schritt auf den Flötenspieler zu, der ihr sacht die Nüstern streichelte. Wohlig schnaubte es. „Fiora“, sagte der wandernde Musikant. „Ich möchte dir Waltrude vorstellen, eine edle Zwergendame, der ich in der Not half. Waltrude“, er drehte sich halb zur Zwergin, „meine Stute Fiora ist bereit, uns in die Richtung zu tragen, die du uns weist.“
Mit Hilfe eines Baumstubbens gelangte Waltrude, unwillig schimpfend, auf den Rücken des Pferdes. Baldurion schwang sich elegant hinter ihr in den Sattel. Noch niemals zuvor hatte Waltrude so hoch oben auf einem Reittier gesessen. Krampfhaft griff sie in die Mähne des Pferdes.
„So ein blödes Gerede“, brummelte sie vor sich hin, als sie auf dem Weg nach Neu-Drachenfurt waren. „Edle Waltrude. Gnomengefasel!“ Plötzlich jedoch verstummte sie. Wie ein brennender Pfeil schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Die zwei Halunken waren dem Herrn Magier auf den haarigen Fersen seiner Halblingsfüße. Wenn sie auch von ihr keinen Hinweis erhalten hatten, so würde es doch nur eine kleine Weile dauern, bis sie seine Spur finden würden. Bandath musste gewarnt werden und Waltrude wusste auch schon, wer ihn warnen würde.
Eine halbe Stunde später ritten sie in Neu-Drachenfurt ein und erregten gewaltiges Aufsehen. Fast sofort wurde ein Trupp Bewaffneter zusammengestellt, der sich unter Leitung von Menach auf die Suche nach den beiden Kopfgeldjägern machte. Menach war der Mensch im Rat Neu-Drachenfurts und unter anderem verantwortlich für Aufgaben der Sicherheit.
Waltrude verband ihre Hand neu, während Baldurion dem Zwerg Theodil die Ereignisse schilderte.
„Kann schon sein, dass es mich etwas schlimmer erwischt hätte, wenn der Flötenmann nicht vorbeigekommen wäre“, knurrte Waltrude einige Minuten später. „Hat es aber nicht, also hör auf, mir die Ohren vollzujammern, Theodil.“ Sie stapfte in die Küche und begann, Proviant auf den Tisch zu häufen.
„Was hast du vor, Waltrude?“ Theodil war ihr gefolgt, Baldurion im Schlepptau.
„Was schon? Ich werde losziehen und den Herrn Magier warnen.“
„Weißt du denn, wo er ist?“
„Ich weiß zumindest, wo er sich mit dem klobigen Troll und diesem Taugenichts von einem Elfen treffen will. Wenn ich mich beeile, dann kann ich sie dort abfangen. Er muss wissen, dass die beiden Kopfgeldjäger hinter ihm her sind.“
„Meinst du nicht, dass er alleine mit ihnen fertig wird?“
Waltrude unterbrach ihre Wühlerei und sah den Zwerg an. „Ist er das schon einmal?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage. „Und nein“, ergänzte sie, Theodil zuvorkommend, der den Mund zum nächsten Argument öffnen wollte. „Ich bin nicht der Meinung, dass das jemand anderes machen sollte. Jetzt wo die beiden Idioten hinter ihm her sind, sollten keine Unbeteiligten hineingezogen werden.“
„Er wird merken, dass etwas nicht stimmt, wenn er uns mit Fernsicht-Magie beobachtet.“
„Warum sollte er? Als er im letzten Jahr unterwegs war, da waren wir vor dem Vulkan auf der Flucht. Er machte sich Sorgen, nur deshalb hat er nach uns geschaut. Bei seinen sonstigen Reisen beobachtete er uns auch nie. Weshalb soll er also gerade jetzt nach uns sehen? Neu-Drachenfurt geht es gut wie nie zuvor. Die Vorratskammern sind für den Winter gut gefüllt. Er braucht sich keine Sorgen zu machen. Wir uns aber um ihn, Theodil. Du hast sie nicht gesehen. Ich habe noch nie bei einem lebenden Wesen einen solchen Hass verspürt. Sie werden ihn sofort töten, wenn sie ihn treffen. Er wird keine Chance von ihnen bekommen. Bandath muss gewarnt werden.“
„Und das willst ausgerechnet du tun?“
Der Blick, den sie Theodil zuwarf, sprach Bände: Er konnte sich jede weitere Diskussion sparen. Gegen Waltrudes Willen war einfach nicht anzukommen.
„Gut“, seufzte er. „Dann erlaube mir wenigstens, dich zu begleiten.“
Ohne mit dem Packen innezuhalten, nickte Waltrude. „Ich breche in einer Stunde auf. Wenn du mit deinem Pony vor der Tür stehst, kannst du mitkommen. Hast du dich bis dahin nicht von deiner Frau verabschiedet, reise ich allein.“
„Nicht ganz allein“, mischte sich Baldurion ein. „Geht es gegen diese beiden Schurken, Zwergenfrau, dann streite ich an deiner Seite.“
„An meiner Seite? Wieso willst du dich streiten?“ Waltrude imitierte den gestelzten Tonfall des Musikanten.
„Ich will nicht streiten, sondern dir beistehen!“, reagierte dieser etwas irritiert.
„Aha! Und wer fragt mich?“
„Oh!“ Jetzt grinste der Flötenspieler, wieder sicherer geworden. „So wenig wie du dich umstimmen lässt, so wenig werde ich meine Meinung ändern. Gegen diese beiden Bösewichte können du und dein Meister jeden einzelnen Kieselstein gebrauchen.“ Er klopfte auf den prall gefüllten Beutel, der direkt neben der Schleuder und einem Messer an seinem Gürtel hing.
„Er ist nicht mein Meister! Und das sind keine Bösewichte, das sind hundsgemeine Diebe und Mörder!“ Sie knurrte und warf dann resignierend die Hände in die Luft. „Also, bei den Hallen meiner Vorfahren und dem Urzwerg, der darin wandelt, dann kommt eben mit.“ Sie schüttelte den Kopf und packte weiter. „Ich weiß, ich werde diese Entscheidung bereuen“, brummte sie dem Brot zu, das sie in ein Tuch schlug.
Und so kam es, dass knapp eine Stunde später Theodil Holznagel und Waltrude Birkenreisig auf kräftigen Zwergenponys Neu-Drachenfurt in Richtung Süden verließen, gefolgt von Baldurion Schönklang auf seiner weißen Stute Fiora.
„Ich habe dir doch gesagt, dass es klappt.“ Der Minotaurus grinste. Eines seiner Augen war zugeschwollen. Mehrere blutende Stellen am Kopf zeugten von den Treffern der Steinschleuder. Den Oberschenkel zierte ein Verband, um die Blutung der Wunde zu stillen, die er durch Waltrudes Messer erhalten hatte.
„Bissu sicher?“ Dem Gnom fehlten vorn zwei Zähne. Er biss auf einen blutbesudelten Lappen und nahm ihn zum Sprechen nur kurz aus dem Mund. Es würde eine Weile dauern, bis die Zähne nachgewachsen waren. Auch er blutete aus mehreren Wunden am Kopf und hatte sich an verschiedene Stellen des Körpers nasse Tücher gelegt, um die Blessuren zu kühlen. Von Zeit zu Zeit wusch er das Tuch aus seinem Mund in dem neben ihm plätschernden Bach aus. Rote Wolken trieben dann das Wasser herab und lösten sich langsam auf.
„Ich hoffe nur, daz eß daz wert war!“
„Vertrau mir, Claudio“, erwiderte der Minotaurus. Er lag bäuchlings einige Schritte entfernt und spähte die steile Bergflanke herab, an deren höchsten Punkt sie lagerten. „Die Tölpel aus dem Dorf suchen uns. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Alte aufgebrochen ist. Ich garantiere dir, die ist unterwegs zu diesem Mischling.“ Er stand auf und kam zu seinem Kumpan. „Alles läuft nach Plan. Wir brauchen ihr bloß zu folgen.“ Triumphierend hielt er einen Knopf hoch. „Von ihrer Schürze. Selbst wenn wir sie nicht mehr sehen, können wir sie immer noch mit einem Finde-Zauber aufspüren.“
Sein Blick ging zu ihren schwarzen Reittieren. Man hätte sie fast für Pferde halten können, wären da nicht die krallenbewehrten Tatzen an Stelle der Hufe, die beiden zusätzlichen Klauen unter dem Hals und das mit scharfen Raubtierzähnen versehene Gebiss gewesen. Rauch stieg aus ihren Nüstern, als sie schnaubten.