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Holzhafen

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„Was, bei den steinernen Hallen der Vorfahren, ist denn das für ein Vieh?“ Waltrude stand am Weg und starrte auf ein fast ponygroßes Tier, dem graugrüne Stacheln aus dem Rücken ragten. Das Maul zierten bedrohliche Raubtierzähne, die Krallen an den Pfoten konnten einem Wühlschwein den Leib von vorn bis hinten aufreißen. Das ganze Tier wirkte gefährlich und, zu Waltrudes Beruhigung, sehr tot. Ein Pfeil steckte in seinem rechten Auge, ein Elfenpfeil.

„Hier liegt noch eines!“, ließ sich Baldurion vernehmen. Er ritt mit schussbereiter Steinschleuder auf seiner unruhig tänzelnden Stute den Weg entlang. Theodil eilte zu ihm, seine zum Schlag erhobene Axt in den Händen.

„Es ist auch tot“, rief er Waltrude zu. Die Zwergin schloss auf.

„Es ist genau so ein Vieh … aber es hat eine andere Farbe!“

„Das müssten Chupacabras sein“, sagte Baldurion.

„Schuppenkarpfen?“, knurrte Waltrude.

„Chupacabras“, wiederholte der Flötenspieler.

„Ach ja?“ Waltrude war verärgert, dass er etwas kannte, von dem sie keine Ahnung hatte. „Und was soll ein Schuppen-Dingsda sein?“

„Wüstenbewohner, Raubtiere. Sie jagen im Rudel.“ Von seinem hohen Punkt auf Fiora sah er sich unruhig um.

„Raubtiere? Aus der Wüste? Balduin, ich mag mich ja vielleicht ein wenig täuschen, aber wo bitte sehr ist hier eine Wüste? Vielleicht dort vorn hinter den Felsen?“

„Ich weiß es auch nicht, Waltrude. Offensichtlich hat es hier einen Kampf gegeben …“

„Offensichtlich. Gut, dass du das sagst. Ich dumme, alte Frau wäre wohl nicht von alleine darauf gekommen.“ Sie zeigte auf ein drittes Tier, das mit zertrümmertem Schädel nur wenige Schritte entfernt lag. „Ich hatte vermutet, die wären an Altersschwäche gestorben – oder an Angst vor deinem Flötenspiel.“

„Es sind Korbinians Pfeile“, mischte sich Theodil in das Geplänkel. „Und der Schädel hier sieht aus, als hätte er Bekanntschaft mit Rulgos Keule gemacht.“ Unruhig schritt er den Weg weiter, sein Pony folgte, unsicher von einer Seite zur anderen schnaubend und den Kopf hochwerfend. Plötzlich blieb Theodil stehen, bückte sich und fasste in den Sand des Weges. Prüfend rieb er etwas zwischen Daumen und Zeigefinger, dann sah er zu Waltrude und Baldurion hoch. „Blut. Aber nicht von den Chuppu … Chappu …“

„Chupacabra“, kam Baldurion ihm zu Hilfe, ritt an seine Seite und stieg ab. „Du hast recht, das könnte Trollblut sein.“

Wenige Schritte weiter fanden sie noch mehr Blut auf der Erde.

„Es scheint, als wären beide verletzt.“ Theodil richtete sich auf und sah sich prüfend um.

„Die Spuren weichen nicht vom Weg ab“, drängte Baldurion. „Wir sollten weitergehen. Chupacabras jagen im Rudel. Wenn sich hier noch welche verbergen …“

„… werden wir sie wohl rechtzeitig sehen“, fuhr Waltrude dazwischen, blieb allerdings auf ihrem Pony sitzen und sah den Weg entlang in Richtung Holzhafen, als wolle sie sich gleich in Bewegung setzen.

„Nein.“ Baldurion schüttelte ohne die sonst gestenreiche Unterstützung seiner Worte den Kopf. „Chupacabras können sich in ihrer Farbe sehr gut dem Hintergrund anpassen. Deshalb auch die unterschiedliche Farbe der toten Tiere hier. Sie könnten mitten auf der Wiese stehen und selbst die scharfen Augen einer kräutersammelnden Zwergin würden sie erst entdecken, wenn dieselbe über ein Chupacabra stolpert.“

Theodil schwang sich auf sein Pony. „Was ist mit Korbinian und Rulgo?“

Baldurion zuckte mit den Schultern. „Sie sind entweder entkommen, oder …“ Er ergänzte nicht, was er mit oder meinte, blickte aber vielsagend zwischen die Felsen. Die beiden Zwerge wankten. Einerseits waren sie für einen Kampf mit diesen Tieren nicht ausgerüstet und wollten das Gelände schnellstmöglich verlassen, andererseits widerstrebte es ihnen, Rulgo und Korbinian eventuell einem ungewissen Schicksal überlassen zu müssen.

Theodil musterte aufmerksam den Weg, ritt ein Stück vor, wo die Spuren deutlicher wurden und nicht mehr durch die Abdrücke der Chupacabra-Tatzen überdeckt waren.

„Sie sind weitergegangen, langsam zwar und verletzt, aber sie sind hier lang.“ Seine Hand wies den Weg entlang. Weitere tote Chupacabras lagen dort. Es mussten insgesamt mehr als ein Dutzend sein.

„Eure Freunde haben ganz schön gewütet.“ Baldurion sah sich um. „Ich habe noch nie gehört, dass zwei Mann ein ganzes Rudel Chupacabras erledigt haben.“

Waltrude strafte Baldurion mit Schweigen. Natürlich würden sie überlebt haben. Immerhin war der kleine, grüne Mann bei ihnen, von dem der Herr Magier so viel hielt. Und außerdem würde sie wohl kaum so viel Glück haben, durch ein paar verrückt gewordene Schuppen-Dinger von Korbinian erlöst zu werden.

„Sie sind wirklich verletzt, beide“, meldete sich Theodil, der den Weg weiter gefolgt war. Der Zwerg wies auf die Abdrücke und die dunklen Flecken im Sand. Eine halbe Stunde später fanden sie die Reste von Korbinians zerrissenem Hemd. Die Fetzen waren blutgetränkt und lagen neben dem Weg. Das Gras war niedergedrückt, als hätte hier jemand gelagert. Abdrücke von Stiefeln kamen hinzu, wahrscheinlich von Menschen, sowie Spuren eines Eselkarrens, der aus der Siedlung der Flößer gekommen sein musste. Er hatte hier gehalten, gewendet und war wieder zurückgefahren. Rulgos und Korbinians Fußspuren waren nicht mehr zu erkennen.

„Wahrscheinlich hat Niesputz Hilfe geholt“, vermutete Theodil. „Menschen aus Holzhafen. Die werden sie mit dem Karren in die Flößersiedlung gebracht haben.“

„Wann, meinst du, war das? Gestern?“ Baldurion beobachtete noch immer wachsam die Umgebung.

Theodil musterte das niedergedrückte Gras, strich vorsichtig über einige, sich schon langsam wieder aufrichtende Halme. „Gestern Abend würde ich sagen.“

„Dann sind sie in der Siedlung.“ Waltrude drückte ihre Fersen in die Seite des Ponys. „Wir sollten nicht länger zögern.“ Energisch trieb sie ihr Pony zurück auf den Weg und ließ es in Richtung Holzhafen traben.

Knapp zwei Stunden später erreichten sie die ersten Hütten der Flößersiedlung. Holzhafen war ein kleines Dorf, dessen einziger Zweck das Sammeln und Weiterleiten von Holz zu sein schien. Die Ansiedlung lag am Ufer des Heißen Stroms, der an dieser Stelle einen großen Bogen beschrieb. Stromaufwärts dehnten sich unendlich erscheinende Wälder, in denen Holzfäller Bäume schlugen, die sie anschließend in den Strom warfen. Der Fluss trieb die Baumstämme hier an das Ufer, das die Flößer künstlich zu einer Bucht erweitert hatten. Das Holz wurde in diesem Hafen zu großen Flößen gebunden und von den Flößern stromab geleitet. Der bevorstehende Winter hatte das Geschäft jedoch zum Erliegen gebracht. Ein paar zu spät eingetroffene Stämme lagen halb an Land gezogen im Hafen, mehrere breite, einmastige Boote dümpelten im Wasser. Die Blockhäuser standen verteilt am Ufer, eine Straße oder ein Dorfzentrum waren nicht zu erkennen.

Theodil musterte die Siedlung. „Kein Wirtshaus.“ Seine Stimme klang traurig.

„Wir haben keine Zeit für ein Bier“, knurrte Waltrude.

„Mir geht es nicht um Bier, sondern um Neuigkeiten.“

Waltrudes Blick nach zu urteilen, hielt sie das für eine Ausrede.

Zwei Kinder kamen über die Straße gerannt, blieben jedoch abrupt stehen, als sie die Reisenden sahen. Die Mädchen in Leinenröcken, hellen Jacken und mit sehr langem, lockigem Haar musterten die Zwerge und den Musikanten intensiv. Dann tuschelten sie, zeigten auf Waltrude und kicherten. Die Zwergin stieg schnaufend vom Pferd und trat auf die beiden Mädchen zu. Sie waren fast genauso groß wie Waltrude.

„Was ist denn so lustig an mir?“

„Wir haben noch nie eine Zwergin gesehen“, sagte die Größere der beiden keck. Ihr Haar war etwas dunkler als das des anderen Mädchens.

„Und, seid ihr überrascht?“

Das Mädchen nickte. „Wir hätten nicht gedacht, dass ihr so klein seid.“

„Aber Zwergenmänner habt ihr doch schon gesehen?“

Beide nickten. „Im Sommer kommen immer welche mit dem Holz aus dem Wald und ziehen nach Süden. Sie verkaufen dort die Steine, die sie unter der Erde finden. Die sind aber etwas größer als du.“

„Ja, wir Zwerge aus den Drummel-Drachen-Bergen sind kleiner als eure Waldzwerge.“ Waltrude nickte, dann wechselte sie das Thema. „Gestern haben Leute aus eurem Dorf mit dem Wagen zwei Verwundete aus dem Wald geholt.“

Beide nickten. Ihre Wangen glühten. Das alles schien mächtig aufregend für sie zu sein. „Ein Elf, ein Troll und ein Ährchen-Knörgi. Aber das war nicht verwundet, hat nur immer rumgemeckert.“

„Bedora! Pela! Mit wem redet ihr dort?“ Eine alte Frau hatte die Tür des nahe stehenden Hauses geöffnet und die beiden Mädchen gerufen.

„Mit Reisenden, Großmutter!“, antwortete das Mädchen. „Sie fragen nach den Verwundeten von gestern.“

Die Großmutter schwieg einen Moment. „Stellt eure Pferde vor das Haus“, sagte sie dann, „und kommt in die Stube. Ich mache uns einen Tee.“

„Gern“, nahm Waltrude die Einladung an. Sie führte ihr Pony, begleitet von den Mädchen, zum Haus der alten Frau, drehte sich unterwegs aber ungeduldig zu ihren zwei Reisegefährten um. „Was ist nun? Theodil! Balduin! Habt ihr Angst vor der Großmutter dieser Mädchen?“

Die alte Frau ging weit nach vorn gebeugt, den Rücken krumm, den Kopf gesenkt. Eine spitze Nase hing tief über den Mund. Waltrude rechnete damit, dass sie jederzeit das weit nach vorn stehende, fast genauso spitze Kinn berühren würde. Tiefe Falten durchzogen das Gesicht und ließen die Augen fast verschwinden. Sie werkelte am Herd mit kochendem Wasser, als die kleine Gruppe den Raum betrat. Die Mädchen rückten zwei Bänke an den großen Holztisch und setzten sich neben Waltrude. Theodil und Baldurion teilten sich die zweite Bank. Schweigen breitete sich aus, unterbrochen nur vom leisen Getuschel der Mädchen, die unter ihren Locken jetzt dem Musiker Blicke zuwarfen, die Köpfe zusammensteckten und kicherten.

„Wer seid ihr?“, fragte die Alte schließlich, als sie an den Tisch geschlurft kam, ein Tablett in der Hand, beladen mit einer großen Kanne und sechs Keramikbechern.

„Reisende“, antwortete Baldurion schnell und wollte weiterreden, aber die Alte ließ ihm keine Zeit dazu.

„Ach?“, unterbrach sie ironisch und schenkte ihm ein zahnloses Lächeln. „Das wäre mir gar nicht aufgefallen.“

Sie stellte als erstes Waltrude einen Becher hin, dann den Mädchen, den Männern und sich selbst. Den Tee goss sie in derselben Reihenfolge ein.

„Ich bin Waltrude Birkenreisig“, ergriff die Zwergin die Initiative. „Das ist Theodil Holznagel. Wir sind aus Neu-Drachenfurt, nördlich von Flussburg. Der lange Kerl hier ist Balduin, ein Flötenspieler den wir unterwegs aufgesammelt haben.“

„Baldurion“, korrigierte der Musikant, wurde von der Alten jedoch ignoriert.

Sie nickte jedem einen Gruß zu. „Ich bin Zudora. Seid ihr schon lange unterwegs?“, fragte sie Waltrude. Baldurion verzog das Gesicht. Waltrude schmunzelte.

„Wir kommen aus den Drummel-Drachen-Bergen und müssen nach Süden.“

„Genau wie die drei gestern.“

„Wo sind sie?“

„Der verrückte Zidor bringt sie flussabwärts. Sie sind heute früh los.“ Die Alte schüttelte über so viel Unverständnis den Kopf. „Niemand fährt im Herbst nach Süden, nur Zidor und sein genauso verrückter Bruder.“

„Wir hatten den Eindruck, dass sie verletzt waren. Es hatte einen Kampf gegeben, oben im Wald bei den Felsen.“ Die Zwergin nippte am Tee und verzog anerkennend das Gesicht.

„Gestern Abend kam ein Ährchen-Knörgi ins Dorf, erzählte von dem Angriff durch irgendwelche Biester, die es hier noch nie gab.“ Jetzt schlürfte die Alte an ihrem Tee, nickte den beiden Mädchen zu: „Trinkt Kinder. Der ist gesund, treibt euch das Blut in die Wangen und lässt euch wachsen.“

Wieder kicherten die Mädchen, griffen jedoch gehorsam nach den Bechern mit dem heißen Getränk.

„Der Elf war am Bein verletzt, der Troll am Oberarm und am Rücken. Die Männer haben sie mit dem Karren geholt. Jetzt sind die meisten von ihnen unterwegs, durchkämmen die Gegend auf der Jagd nach noch mehr Schuppu … Schappa …“

„Schuppen-Dingern“, half Waltrude. Die beiden Frauen schienen sich auf Anhieb zu verstehen.

„Die zwei Verletzten waren verrückt, wollten unbedingt weiter, sagten, die Wunden könnten auf dem Boot heilen. Wie gesagt, heute früh sind sie aufgebrochen.“

„Kann uns auch jemand den Fluss abwärts bringen?“ Theodil hielt seinen geleerten Becher in der Hand und beugte sich nach vorn.

„Höchstens Kudak, Zidors Bruder. Sonst ist keiner so verrückt. Im Herbst ziehen die Wasserdrachen-Weibchen umher, suchen Plätze für ihre Eier. Denen sollte man nicht zu nahe kommen.“ Das irgendjemand in dieser Jahreszeit unbedingt in den Süden wollte, schien jenseits ihrer Vorstellungskraft. Wieder sah sie Waltrude an. „Was wollt ihr dort?“

Als ob das alles erklären würde, verdrehte die Zwergin ihre Augen. Die alte Frau nickte wissend. „Jaja, Männer und ihre Geschäfte. Und wir Frauen müssen immer darunter leiden.“ Sie strich der kleineren der beiden Mädchen übers Haar. „Pela-Schätzchen, flitz doch mal rasch zu Kudak rüber. Er soll herkommen und zwar schnell.“

Pela nickte, schob sich hinter dem Tisch vor und huschte aus dem Raum. Während sie auf Kudak warteten, erzählte Zudora, dass die Flößer auch jetzt wieder auf der Jagd wären. Nein, beantwortete sie eine Frage Baldurions, diese Schuppen-Tiere – sie weigerte sich beharrlich, den Namen Chupacabra zu benutzen – seien hier noch nie vorgekommen. Es könne auch nicht mit der alljährlichen Eiablage der Wasserdrachen-Weibchen zusammenhängen, obwohl diese in diesem Jahr aggressiver seien als jemals zuvor, warum auch immer. Deshalb sei es einfach nur Blödsinn, den Fluss hinabzufahren, ein unnötiges Risiko sozusagen.

Waltrude schüttelte den Kopf. „Leider geht es nicht anders, Zudora.“

Die Alte blickte prüfend von einem zum anderen, nickte wissend, murmelte etwas von „Männern“ und polterte dann los, wo Kudak nur bliebe. Als habe er auf dieses Stichwort gewartet, öffnete sich plötzlich die Tür des Hauses und der Flößer trat ein. Er war so riesig, dass er sich bücken musste, als er wie verloren mitten im Raum stehen blieb und seinen breitkrempigen Hut in den Händen drehte. Dabei steckte er abwechselnd seine riesigen Finger durch eines der vielen Löcher in dem Filzhut. Die leinene Jacke spannte über den Schultern und die Arme sahen aus, als wäre er in der Lage, in Baldurion einen Knoten zu machen.

„Kudak.“ Die Alte stand auf und ging auf den Flößer zu. Vor ihm wirkte sie wie ein Zwerg. Sie sprach ganz langsam, als könne Kudak die Sprache nicht verstehen. „Diese nette Frau muss mit ihren Dienern in den Süden.“

Ein Blick von Waltrude brachte Theodils ansetzenden Protest zum Erliegen und verwandelte seine Worte in ein trockenes Hüsteln. Baldurion zog die Augenbrauen hoch und atmete tief ein.

„Fünf Goldstücke“, verlangte Kudak einsilbig.

Jetzt zog Waltrude die Luft zischend ein. Fünf Goldstücke? Nun, ganz so verrückt, wie Zudora glauben wollte, war Kudak wohl doch nicht.

„Fünf ist etwas viel für uns. Drei Leute, drei Goldstücke“, antwortete Waltrude.

„Aber auch Pferde. Vier Goldstücke und fünf Silberlinge.“

Waltrude warf die Arme in die Luft. „Wo sollen wir das denn hernehmen? Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“

„Ich muss meine Frau für lange Zeit allein lassen, vielleicht einen ganzen Mond, meine Kinder auch!“, entgegnete Kudak. So langsam und bedächtig wie er redete und sich bewegte, so schnell schienen dagegen seine Gedanken zu laufen.

„Allerhöchstens drei Goldstücke und fünf Silberlinge!“ Waltrude versuchte hart zu bleiben.

„Ihr habt aber auch drei Pferde dabei“, wiederholte Kudak. „Vier Goldstücke und zwei Silberlinge.“

„Pferde?“, rief Waltrude. „Pferde? Du willst doch wohl nicht Balduins Klepper als Pferd bezeichnen? Und die winzigen Zwergenponys zählen doch nicht wirklich! Drei Goldstücke und sieben Silberlinge.“

„Ich hatte mal ’ne Tour, da waren auch Pferde dabei. Die haben wirklich viel gefressen. Vier Goldstücke.“

„Einverstanden“, sagte Waltrude und hielt Kudak die Hand hin.

Der bückte sich und schlug ein. „Und ihr verpflegt mich mit.“

Waltrude schluckte. Das könnte sich als kostspielig erweisen.

Kudak verabschiedete sich mit den Worten: „Wir treffen uns in einer Stunde am Boot.“

Zudora wiegte den Kopf, als der Flößer das Haus verlassen hatte. „Einerseits nehmen die Flößer im Sommer sonst nur zwei Goldstücke für so eine Tour. Andererseits würdet ihr keinen finden, der im Herbst flussabwärts fährt. Und eure Freunde haben gestern vier Goldstücke und fünf Silberlinge bezahlt. Ihr seid also doch recht gut bei weggekommen.“

Dann kicherte sie belustigt. „Dass Kudak allerdings Frau und Kinder hat, ist mir völlig neu. Wollt ihr noch einen Tee?“

Das Boot, welches Waltrude mit ihren „Dienern“ im Gefolge etwas später betrat, war ein großer, flacher Lastkahn mit einem kleinen Häuschen im hinteren Bereich. Kudak hatte auf ihm Heu unter einer Plane vor Regen geschützt bereitgelegt. Im vorderen Drittel war bereits ein Gatter errichtet, hinter dem die Ponys und das Pferd sich einigermaßen bewegen konnten. Nachdem sie die Tiere eingestellt hatten, drückte er Baldurion eine Schaufel in die Hand.

„Wofür das denn?“, fragte der Musikant.

„Für Pferdescheiße“, antwortete Kudak, drehte sich um und ging über das Deck zur Anlegestelle, wo er sich an den Seilen zu schaffen machte, mit dem sein Kahn noch immer am Pier befestigt war.

Waltrude und Theodil brachen in Gelächter aus, während Baldurion verdutzt die Schaufel in seinen Händen anstarrte und dann dem Flößer hinterherblickte. „He!“, protestierte er schließlich. „Das war so nicht ausgemacht. Warum soll ausgerechnet ich …“

„… die Pferdeäpfel wegräumen?“, ergänzte Waltrude und grinste breit. „Damit du endlich einmal etwas Nützliches machst mit deinen zarten Musikantenfingerchen.“

Ein Ruck ging durch das Boot. Kudak hatte abgelegt und eilte nach hinten, wo er den langen Steuerriemen in die Hand nahm. Kräftig legte er sich dagegen, das Boot drehte sich in die Strömung, nahm Fahrt auf und glitt flussabwärts davon. Waltrude und Theodil gingen über das leicht schwankende Deck zu Kudak.

„Wie kommst du wieder nach Hause?“, fragte der Zwerg.

Kudak wies auf den Mast in der Mitte des Bootes. „Segeln“, stieß er hervor. „Aber das geht nur bei gutem Wind und dauert lange. Ich hatte mal ’ne Tour, da habe ich zwei Monate für den Rückweg gebraucht.“

Rechts und links zogen mehr oder weniger bewachsene Hügel vorbei. Die Blockhütten Holzhafens verschwanden hinter einer Biegung des Flusses.

„Was meinst du, wie lange werden wir bis zu den Calonischen Bergen brauchen?“ Waltrude sah Kudak an.

Der Flößer musterte den Fluss, spuckte ins Wasser, sah zum Ufer. „Bei der Strömung – fünf bis sechs Tage.“

„Haben wir eine Chance, deinen Bruder einzuholen?“

„Warum?“

„Weil wir die treffen müssen, die sich auf seinem Boot befinden.“

Abwägend legte er den Kopf auf die Seite. „Ich weiß nicht …“

„Ein Goldstück zusätzlich, wenn wir es schaffen.“

Ruckartig bekam der Kopf des Flößers wieder seine aufrechte Haltung zurück. „Wir müssen im Dunkeln anhalten, am rechten Ufer. Links treiben sich die Wasserdrachen herum. Wenn wir abends fahren, bis wir nichts mehr sehen und morgens vor Sonnenaufgang ablegen, sollten wir es in drei bis vier Tagen geschafft haben.“

Als Baldurion und die Zwerge bereits den zweiten Tag auf dem Fluss unterwegs waren, passierten Sergio und Claudio Holzhafen. Sie schonten ihre Drago-Zentauren nicht, wollten unbedingt vor allen anderen in Pilkristhal sein. Dort hätten die Drago-Zentauren auch die Gelegenheit, sich auszuruhen. Sie wussten, dass ihre Reittiere das schaffen.

Der Weg, dem sie folgten, führte zwar parallel zum Fluss, jedoch nicht immer in seiner Nähe. Mal ritten sie direkt am Ufer, mal lagen Hügel mit ausgedehnten Wäldern zwischen ihnen und dem Wasser. So kam es, dass sie Kudaks Boot überholten, ohne es zu bemerken. Nur einen halben Tag später jedoch lagen sie auf einer Anhöhe und beobachteten das Boot seines Bruders, das unter ihnen langsam dahinglitt.

„Es ist der Troll, stimmt’s?“ Claudio lispelte noch immer, obwohl seine Schneidezähne schon fast komplett nachgewachsen waren.

Sergio nickte. Der Minotaurus starrte hasserfüllt auf das Boot. Auch die würden der gerechten Rache nicht entgehen. Er erinnerte sich an die Keulenschläge des Trolls und daran, dass sowohl Rulgo als auch der Elf ihn hatten umbringen wollen.

„Komm weiter!“, flüsterte er heiser. „Wir wollen ihnen in Pilkristhal einen gebührenden Empfang bereiten!“

Sie schwangen sich im Schutz des Hügels auf ihre Drago-Zentauren und ritten eilig davon. Nur wenige Meilen weiter gerieten sie in eine Gruppe aufgeregter Wasserdrachen-Weibchen.

Die Dämonenschatz-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling

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