Читать книгу Die Dämonenschatz-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling - Carsten Zehm - Страница 14

Schlechte Nachrichten

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„Was heißt hier keiner da?“, schrie der Minotaurus die Frau an.

Diese duckte sich unter den heftigen Worten wie unter einer auf sie niedersausenden Peitsche. „Alle Flößer sind stromauf zum Herbstfest der Flößer, wie jedes Jahr.“ Hinter ihr lagen die riedgedeckten Häuser der Flößersiedlung Wellenruh.

„Aber“, keuchte Sergio die Knochenzange, „man hat uns gesagt, dass die Flößer aus Wellenruh nicht am Flößerfest teilnehmen. Nur die Holzhafener Flößer würden dorthin fahren.“

„Holzhafen liegt stromabwärts, guter Herr. Das Flößerfest ist wie jedes Jahr in Wallburg, gut zehn Tagesreisen stromauf. Wir sind der am weitesten stromab gelegene Ort, der an diesem Flößerfest teilnimmt. Alle südlicher gelegenen Siedlungen, angefangen bei Holzhafen, fahren im Frühjahr stromabwärts zum Flößerfest in die Calonischen Berge.“

„Dieser verfluchte Bauernlümmel!“, wetterte der Magier.

„Sergio …“, unterbrach ihn der Gnom, aber sein Kumpan hörte nicht, fuhr stattdessen die Frau an.

„Und dann sind wahrscheinlich in den letzten Tagen auch keine Reisenden hier angekommen, die stromab fahren wollten?“

Sie schüttelte eingeschüchtert den Kopf. „Keine Reisenden, Herr.“

„Du, Sergio …“

Doch der Minotaurus brüllte so wütend auf, dass aus dem Ufergesträuch Schwärme von kleinen Rohrpfeifern aufstiegen und die Frau erschrocken mehrere Schritte zurückwich. Ängstliche Blicke warf sie dabei auf die furchterregend aussehenden Drago-Zentauren, die vor ihr im Uferschlamm nervös stampften.

„Sergio …“, wagte der Gnom schließlich einen dritten Anlauf.

„WAS?“, brüllte sein Kumpan, als wäre Claudio an der Misere schuld.

„Wir wissen doch, wo sie hinwollen. Warum reiten wir nicht einfach los und erwarten sie dort. Außerdem hast du doch noch den Knopf von ihrer Schürze. Zumindest die alte Vettel finden wir immer wieder.“

Der Minotaurus sah den Gnom an, als ob er ihn für diese Idee niederschlagen wollte.

„Lass uns nach Pilkristhal gehen, Sergio“, wiederholte Claudio Bluthammer vorsichtig, als erwarte er, sein Kumpan würde gleich in die Luft gehen. „Wir können ihnen dort einen schönen Empfang bereiten.“

Wortlos drehte der Minotaurus sich von der Frau und Claudio weg. Seine ganze Haltung drückte Wut aus, als er zu den Drago-Zentauren stapfte. Er schwang sich auf sein Reittier und zerrte grob am Zügel, so dass der Drago-Zentaur schmerzhaft aufschrie und eine weiße Qualmwolke ausstieß. Kurze Flammen züngelten aus seinen Nüstern und das zahnbewehrte Gebiss schnappte wütend in die Luft, als wolle es einen unsichtbaren Feind zerfleischen.

„Komm schon!“ Die Augen des Minotauren funkelten Claudio an. „Wenn wir vor dem Pack in Pilkristhal sein wollen, müssen wir uns beeilen.“

Der Gnom drehte sich zu der Frau. „Es führt doch ein Weg am Ufer entlang zu den Calonischen Bergen, oder?“

Schweigend, ihre großen Augen weit aufgerissen, nickte sie, wollte etwas sagen, verkniff es sich aber.

Claudio Bluthammer und Sergio die Knochenzange preschten auf ihren beiden Drago-Zentauren am Flussufer entlang nach Süden. Sie hofften, die verlorene Zeit wettzumachen und in Pilkristhal so zeitig anzukommen, dass sie noch einen würdigen Empfang für Bandath und sein Gefolge vorbereiten konnten.

Die Flößerfrau aber, die noch am Ufer stand, als die beiden unsympathischen Gesellen schon lange hinter der nächsten Flussbiegung verschwunden waren, fragte sich, ob sie ihnen hätte mitteilen müssen, dass die Wasserdrachen-Weibchen im Herbst immer besonders aggressiv waren. Immerhin schwärmten sie weit in die umliegenden Lande zum Eierlegen aus, wenn der Wasserdrachen-Fluss über die Ufer trat. Niemand, der all seine Sinne beieinander hatte, würde um diese Zeit am Ufer entlang nach Süden reiten.

Sie legte den Kopf schief. Allerdings, wenn sie es sich genau überlegte, dann kamen ihr die beiden auch nicht so vor, als wenn sie alle Sinne beieinander hätten.

Kurz vor Holzhafen verordnete Niesputz seinen Reisekameraden eine Ruhepause.

„Wieso das denn?“ Korbinian regte sich auf. „Können wir nicht nach Holzhafen und dort eine längere Rast einlegen? Ich bin sicher, die haben ein gutes Wirtshaus mit vernünftigen Betten und einem ordentlichen Essen. Ganz zu schweigen von dem Bier. Flößer brauen gutes Bier, müsst ihr wissen.“

Niesputz schüttelte den Kopf. Der Troll jedoch ließ sich widerspruchslos unter einen Baum plumpsen. „Warum?“, fragte er und seine Stimme kollerte wie der leere Magen eines Drummel-Drachen.

„Weil“, antwortete das Ährchen-Knörgi und schwebte vor der ungeschlachten Gestalt seines Reisegefährten bewegungslos in der Luft, „ich erstmal die Gegend erkunden will. Ich habe ein komisches Gefühl. Und wenn ich vom Zauberer …“

„Magier!“, korrigierte Rulgo grinsend.

„… vom Zauberer etwas gelernt habe“, wiederholte Niesputz wütend und ein wenig irritiert, „dann ist es, dass man ein klein wenig mehr auf sein Bauchgefühl vertrauen sollte.“ Er sah wie ein Feldherr wechselseitig vom Elf zum Troll. „Kann ich euch beide hierlassen, ohne dass einer den anderen zerhackstückelt?“

„Geh nur“, knurrte der Troll. „Elfen haben in einem ehrlichen Kampf von Natur aus keine Chance gegen Trolle.“

Korbinian schnaubte verächtlich. Er hatte es sich unter einem Busch gemütlich gemacht. „Im Gegensatz zu Trollen halten sich Elfen an gegebene Versprechen. Ich versprach meiner Schwester, dem Troll nicht zu schaden. Also flieg ruhig, kleiner Grünling, ich werde den Troll schon beschützen, wenn ein böses Hexenweiblein kommt und ihm ein paar weiße Zähne hexen will.“

Wortlos surrte Niesputz davon.

Von einer waldlosen Anhöhe aus konnten Waltrude, Theodil und Baldurion die Ebene überblicken, in der der Heiße Fluss, noch etwa zwei Tagesreisen von ihnen entfernt, breit und gemächlich in großen Bögen dahinfloss.

„Trollspuren.“ Der Zwerg wies in den Staub des Weges, in dem sich die Umrisse von Rulgos mächtigen Füßen abzeichneten. „Höchstens einen Tag alt. Wenn wir Glück haben und uns beeilen, erwischen wir sie in Holzhafen.“

„Bist du sicher, dass das die Spuren eurer werten Freunde sind?“ Baldurion sah zweifelnd nach unten.

„Pass mal auf, Flötenspieler“, fauchte Waltrude. „Das sind nicht unsere werten Freunde, sondern die vom Herrn Magier. Die einzige Vernünftige in der ganzen Bande ist Barella.“

Theodil verdrehte die Augen. Baldurion konnte sagen was er wollte, Waltrude fuhr ihn permanent an. Der Zwerg bewunderte mittlerweile den Langmut, mit dem der Musikant auf die Sticheleien Waltrudes reagierte. Und je gelassener er dies tat, desto wütender wurde die Zwergin. Wie immer versuchte Theodil sofort, die Schärfe aus dem Gespräch zu nehmen.

„Siehst du den leicht abstehenden Zeh am rechten Fuß? Das ist Rulgos Spur, glaube mir. Außerdem dürften hier nicht allzu viele Trolle unterwegs sein.“ Er beschattete die Augen mit der Hand und sah nach Osten. „Wenn wir das Tempo beibehalten, sind wir übermorgen Mittag in Holzhafen.“ Theodil wies auf eine kleine, kaum erkennbare Siedlung am Ufer des Stromes. „Und vielleicht haben wir sie dann eingeholt.“

„Halten eure Ponys das durch?“ Baldurion klopfte selbstgefällig den Hals seiner Stute.

„Zwergenponys halten noch viel mehr aus, Balduin“, knurrte Waltrude. „Sie können es vielleicht bei der Geschwindigkeit nicht mit deinem langbeinigen Gaul aufnehmen, aber was die Ausdauer angeht, gibt es nicht viele Pferde, die Zwergenponys schlagen können.“

Der Musikant grinste. „Schon gut, Waltrude, ich zweifele nicht die Ehre eines Zwergenponys an. Vielleicht können wir bei Gelegenheit einmal einen kleinen Wettkampf veranstalten? Eure Ponys gegen meine Fiora.“ Er sah wieder zu dem silbrigen Band in der Ferne. Bevor die schnaufende Waltrude etwas entgegnen konnte, fuhr er fort: „Wie auch immer. Wenn wir auf dem Floß sind, können eure Ponys sich ein wenig ausruhen.“

„Ausruhen?“, zischte Waltrude. „Ausruhen? Das einzige, was ausruhen muss, wird wohl dein zarter Hintern sein, der das viele Reiten nicht gewöhnt ist!“ Wütend stemmte sie ihrem Pony die Fersen in die Flanken, das daraufhin unwillig wieherte und sich zügig in Trab setzte, den Pfad hügelabwärts folgend in Richtung Holzhafen.

„Ausruhen!“, brummte sie vorwurfsvoll vor sich hin, laut genug, dass die beiden Zurückgebliebenen es hören konnten.

„Nimm es ihr nicht übel“, flüsterte Theodil. „Sie ist sonst nicht ganz so brummig. Ich glaube, sie macht sich Sorgen um den Magier.“

Baldurion grinste. „Kein Problem. Ich bin so einiges gewöhnt. Schließlich lebe ich schon viele Jahre als fahrender Musikant. Waltrude ist auf keinen Fall das Schlimmste, was mir bisher passiert ist.“ Er ruckte am Zügel und Fiora folgte tänzelnd dem Pfad.

Theodil atmete tief durch. Er fragte sich, wer es schwerer hatte: Er mit Waltrude und Baldurion oder Niesputz mit Korbinian und Rulgo. Nun, sie würden es erfahren, recht bald sogar, so hoffte der Zwerg.

„Nichts“, knurrte Niesputz. „Bis zum Dorf scheint es keine Probleme zu geben.“

„Na, dann können wir ja weiter“, brummte Rulgo, erhob sich, trat zu dem schlafenden Elf und stieß ihm den Fuß in die Seite. „Aufstehen, Schlafelf. Unser fliegender Spion hat sich getäuscht, was sein Bauchgrimmen angeht.“

Korbinian stöhnte, kämpfte sich hoch und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Rippen da, wo ihn der Fuß des Trolls getroffen hatte. „Du sollst das bleiben lassen!“

Vorsichtig hob er den Arm und dehnte sich.

„Was habt ihr nur gemacht, du und mein Vater, zwei ganze Mondzyklen lang, da oben auf dem Berg, bevor euch der Drummel-Drache heruntergeholt hat?“

„Wir? Er! Nur er hat etwas gemacht. Ich habe kommentiert, egal was er gemacht hat.“

„Und mein Vater hatte nicht das Bedürfnis, dich zu erschlagen?“

„Mich? Wieso? Die Hälfte meiner Anspielungen hat er gar nicht verstanden. Du weißt doch, Elfen kapieren von Natur aus schlecht.“

„Und Trolle stänkern von Natur aus gern.“

„Ich stänkere nicht, ich sage die Wahrheit. Aber es ist mir klar, dass du das nicht verstehst. Elfen haben von Natur aus Probleme mit der Wahrheit.“

Korbinian schüttelte den Kopf. „Können wir weiter?“, fragte er an Niesputz gewandt. „Was war jetzt mit deinem Bauchgefühl?“

Niesputz war unzufrieden und hatte den Disput der beiden nicht verfolgt. Ihm war unwohl. Er wurde das Gefühl nicht los, dass etwas in der Luft lag, eine Spannung, die er nicht näher beschreiben konnte. Anzeichen für Gefahr hatte er jedoch keine gesehen. Bis Holzhafen hatte er den Weg kontrolliert und er lag ruhig und sicher vor ihnen. Die Siedlung selbst machte einen ausgesprochen verschlafenen Eindruck. Ein paar Angler dösten auf einem Steg vor sich hin, Frauen hängten Wäsche auf und am Dorfrand hatten einige Kinder gespielt.

„Lasst uns aufbrechen. In zwei Stunden sind wir im Dorf.“

Eine Stunde später passierten sie auf halber Strecke zur Flößersiedlung mehrere große Felsen, die aussahen, als hätte irgendein Riese sie vor Jahrhunderten hier sinnlos abgelegt und in die Erde gerammt. Kopfgroße Steine waren genauso zu finden wie Felsen in der Größe von Pferden. Bäume wuchsen zwischen ihnen, Farne bewegten sich im Wind. Niesputz flog unruhig mehrere hundert Schritte vor Rulgo her, Korbinian trottete mürrisch am Ende der kleinen Gruppe und führte sein Pferd am Zügel. Er beobachtete den breiten Rücken des Trolls vor sich, als er zu seiner Rechten eine kaum sichtbare Bewegung wahrnahm. Aufmerksam geworden drehte er den Kopf, sah aber nur Felsen, groß wie der Troll und klein wie einer dieser verdammten Zwerge. Korbinian blieb stehen. Hatte er sich getäuscht? Die ganze Szenerie erschien friedlich. Freundliche Sonnenstrahlen stachen Lichtfinger durch das herbstlich gefärbte Laub der Bäume. Ein Schwarm Gelbmeisen flog aus einem Gebüsch auf, drehte eine Runde in der Luft und ließ sich im Gras nieder, direkt neben einem lang ausgestreckten Findling. Irritiert sah er sich um und glaubte erneut aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahrgenommen zu haben, dieses Mal in der Nähe Rulgos.

„Troll“, rief er halblaut und wandte sich nach vorn. Rulgo stapfte unbeirrt weiter, wahrscheinlich hatte er den Ruf des Elfen überhaupt nicht gehört. Unschlüssig zauderte Korbinian, griff nach seinem Schwert und hielt die Hand locker am Griff. Sollten sich irgendwelche Banditen hinter den Steinen verstecken? Sehr sorgfältig ließ er seinen Blick umherschweifen und zuckte zusammen, als der Schwarm Gelbmeisen schimpfend aufflog und wieder in einem Gebüsch verschwand. Vorsichtig zog er sein Schwert. Was hatte die Vögel aufgescheucht?

„Rulgo“, rief er, lauter als vorher, doch der Troll lief weiter, als hätte er es noch immer nicht gehört.

Korbinian war jetzt sehr beunruhigt. Langsam steckte er das Schwert in die Erde, den Griff nur handbereit neben sich, und nahm den Bogen von der Schulter. Drei Pfeile zog er aus dem Köcher, zwei davon nahm er in die linke Hand, den Dritten legte er mit der rechten schussbereit auf die Sehne. Im selben Moment erfolgte der Angriff. Einer der Felsen, die Rulgo gerade passiert hatte, veränderte plötzlich seine Farbe von steingrau in grasgrün. Aus seinem Buckel schossen mehrere armlange Stacheln hervor. Beine wurden sichtbar und das stachelbewehrte Tier raste hinter dem Troll her. Jetzt konnte der Elf auch den Kopf mit der langen Schnauze und den Zähnen des Raubtieres sehen.

„Rulgo!“, schrie Korbinian eine Warnung. „Chupacabras!“ Er riss den Bogen hoch und feuerte. Mit einem dumpfen Schlag traf der Pfeil das Hinterteil des Tieres, das von der Wucht des Treffers herumgerissen wurde und wütend aufschrie. Rote und graue Streifen flimmerten über seine Haut. Unbeirrt setzte es seinen Angriff auf den Troll fort. Doch der Warnruf hatte sein Ziel genauso erreicht wie der Pfeil. Rulgo fuhr herum und schwang seine Keule, die er stets über der Schulter trug. Das angreifende Tier wurde durch den Schlag zur Seite geschleudert und blieb mit zerschmettertem Schädel und zuckenden Beinen neben dem Weg liegen.

„Was zum dreimal vom Blitz getroffenen Elfen ist das?“, brüllte Rulgo. Niesputz surrte heran, er war eine ganze Strecke vorausgeflogen gewesen. Erschrocken musterte er das Wesen, auf dessen graugrünen Stacheln mehrere Grasbatzen aufgespießt waren, die es bei seinem Sturz aus der Erde gerissen hatte.

Korbinian kannte diese Tiere, allerdings hatte er gedacht, dass sie nur in der Nähe von Wüsten lebten.

„Ein Chupacabra!“, rief Niesputz erstaunt. „Was macht das denn hier?“ Dann sah er sich alarmiert um. „Wo sind die anderen?“

Stinkende Trollhöhle, fluchte Korbinian in Gedanken. Chupacabras jagten im Rudel – immer!

Im selben Moment brach die Hölle los.

Die Dämonenschatz-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling

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