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Vorwort

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Das vor­lie­gen­de Buch ent­spricht den Tat­sa­chen, wie sie sich wirk­lich ab­ge­spielt ha­ben. Die Pro­tago­nis­tin Ca­tha­ri­na Reh­berg stellt da­bei mich selbst dar und er­zählt aus ih­rer Per­spek­ti­ve die Ge­schich­te mei­nes Le­bens. Im Buch selbst wer­den sie im­mer wie­der den Be­griff ei­ner Krank­heit an­tref­fen, un­ter der ich wirk­lich lei­de. Da­mit sie be­reits vor­her et­was ge­nau­er in­for­miert sind, um was es sich da­bei han­delt, möch­te ich sie hier so weit be­schrei­ben:


Ich lei­de un­ter ei­ner Form der Ale­xi­thy­mie, ei­ne sel­te­ne Krank­heit, die man um­gangs­sprach­lich auch als Ge­fühls­blind­heit be­schreibt. Die­se Men­schen re­gis­trie­ren zwar be­stimm­te Vor­gän­ge in ih­rem In­ne­ren, kön­nen sie aber nicht be­schrei­ben oder er­klä­ren. Bei mir ist das ein biss­chen an­ders, fällt aber in die glei­che Ka­te­go­rie. Ich kann mei­ne Ge­füh­le bis zu ei­nem ge­wis­sen Punkt füh­len und auch be­schrei­ben, al­ler­dings nicht nach au­ßen hin zei­gen. Das be­deu­tet, ich füh­le zum Bei­spiel Freu­de, wenn man einen Scherz macht oder man mir einen Witz er­zählt, be­gin­ne al­ler­dings nicht zu la­chen. Auch wenn man mich mit ei­ner Waf­fe be­droht, wie es auch schon vor­kam, wie sie spä­ter le­sen wer­den, füh­le ich zwar Angst, mein Kör­per al­ler­dings zeigt kei­ne Re­ak­ti­on. Er rea­giert we­der mit ei­nem be­schleu­nig­ten Herz­schlag und er­höh­ter Schweiß­pro­duk­ti­on oder zeigt auf mei­nem Ge­sicht Sor­gen. Mei­ne Mi­mik, Ges­tik, die Spra­che und Be­we­gun­gen sind im­mer gleich.

Um das et­was ge­nau­er zu be­schrei­ben, nen­ne ich ih­nen ein Bei­spiel. Wir ken­nen al­le die Si­tua­ti­on von ei­nem Vor­ge­setz­ten, sei­en es Leh­rer, Chefs oder auch nur ein ein­fa­cher Ar­bei­ter in einen Streit ver­wi­ckelt zu wer­den. Die Stim­mung wird ge­reiz­ter, man schreit sich an und es fal­len ei­ni­ge Wör­ter, die man bes­ser nicht öf­fent­lich laut von sich gibt. In mei­nem Fall wür­de das un­ge­fähr so aus­se­hen, dass mir ge­gen­über bei­spiels­wei­se mein Chef steht, hat vor Auf­re­gung ein tiefro­tes Ge­sicht und die Adern tre­ten sicht­bar her­vor. Er kann schrei­en, to­ben und sie nach al­len Re­geln der Kunst zu­sam­men­fal­ten. Ich al­ler­dings be­sit­ze die­se Fä­hig­keit nicht. Mei­ne Ant­wor­ten könn­te man viel­leicht, mit der ei­nes Ro­bo­ters ver­glei­chen, der völ­lig emo­ti­ons­los die Zeit an­sagt oder einen Text vor­liest. Auch im größ­ten Tru­bel blei­be ich im­mer ru­hig und ge­las­sen. In mei­nem in­ne­ren tobt ein Sturm aus tau­sen­den Ge­füh­len, Emp­fin­dun­gen und Erin­ne­run­gen, aber es ist un­mög­lich für mich et­was da­von nach drau­ßen zu trans­por­tie­ren. Im Lau­fe der Jah­re ha­be ich vor dem Spie­gel ei­ni­ge Ge­fühls­re­gun­gen trai­niert. Es ge­lingt mir bei­spiels­wei­se seit ei­ni­gen Jah­ren ein freund­li­ches Lä­cheln auf­zu­set­zen oder auch die Au­gen zu­sam­men­zu­knei­fen um Wut und an­de­re Ge­füh­le we­nigs­tens ein biss­chen zei­gen zu kön­nen.

Das macht es schwer für mei­ne Mit­menschen zu er­ken­nen, was ich füh­le. Die Emp­fin­dun­gen ha­be ich al­ler­dings trotz­dem. Vi­el­leicht kön­nen sie sich ein biss­chen in mei­ne La­ge ver­set­zen. Be­son­ders die ers­ten Jah­re war es sehr schwer für mich. Durch mei­ne Ho­mo­se­xua­li­tät wur­de ich an­ge­fein­det und muss­te jah­re­lang un­ter mei­nen Mit­schü­lern, spä­ter Ar­beits­kol­le­gen und Men­schen aus mei­nem nä­he­ren Um­feld lei­den. Das al­les ent­wi­ckel­te sich bis zu ei­nem Punkt, an dem ich we­der le­ben konn­te, noch über­haupt woll­te. In mei­nen jun­gen Jah­ren und den noch fol­gen­den in Deutsch­land war es bei­na­he ein Ver­bre­chen sich als Ho­mo­se­xu­ell zu ou­ten. Es war ei­ne re­gel­rech­te He­xen­jagd. We­der Frau­en noch Män­ner durf­ten sich auch nur auf je­man­den des glei­chen Ge­schlechts ein­las­sen. Be­son­ders ein Ve­rein stand da­bei an der Spit­ze und mach­te al­len von uns das Le­ben schwer, ob­wohl sie in ih­rer Ge­schich­te noch weit schlim­me­res zu ver­ant­wor­ten hat­ten und ha­ben. Die ka­tho­li­sche Kir­che, bzw. auch das Ge­gen­stück die evan­ge­li­sche Kir­che brand­mark­ten uns als krank. Es gab zum Bei­spiel auch tau­sen­de Ver­su­che uns be­trof­fe­ne zu hei­len! Ho­mo­se­xu­el­len Män­nern zum Bei­spiel zeig­te man Bil­der von Un­be­klei­de­ten des glei­chen Ge­schlechts, und so­bald sich An­zei­chen ei­ner Erek­ti­on zeig­ten, trak­tier­te man ih­re Ge­ni­ta­li­en mit Strom­stö­ßen. Man woll­te sie da­mit kon­di­tio­nie­ren. Auch heu­te gibt es zum Teil noch sehr große Vor­be­hal­te ge­gen Ho­mo­se­xua­li­tät z. B. in der Ka­tho­li­schen Kir­che, in evan­ge­li­ka­len Ge­mein­den, in mus­li­mi­schen Verei­nen und or­tho­do­xen jü­di­schen Ge­mein­den.


Zu mei­nem Glück hat­te ich einen gu­ten Freund an mei­ner Sei­te, der mich auf­ge­fan­gen hat und mir einen Weg aus dem Loch ge­eb­net in dem ich steck­te. Im Buch heißt er Kars­ten und er steckt bis heu­te noch weit mehr in Pro­ble­men als ich mir das über­haupt vor­stel­len mag. Sei­ne Ge­schich­te wird im Buch auch ein we­nig an­ge­schnit­ten, al­ler­dings muss ich sie doch ein biss­chen bes­ser aus­füh­ren. (M. Wenn du das liest, sei bit­te nicht noch bö­ser auf mich, aber es ge­hört ein­fach da­zu)

Kars­ten hat sich im zar­ten Al­ter von fast 14 Jah­ren in ei­ne Mit­schü­le­rin ver­liebt, die ihn, nach­dem er ihr sei­ne Lie­be ge­stan­den hat­te, mit ei­ner Back­pfei­fe und Flü­chen auf dem Schul­hof ste­hen ließ. Nach die­sem Tag be­ach­te­te sie ihn auch nicht mehr. Er al­ler­dings konn­te die­se jun­ge Da­me 30 Jah­re lang we­der ver­ges­sen, noch auf­hö­ren zu lie­ben. Er hat­te kei­nen Kon­takt zu ihr, konn­te nicht mit ihr ver­nünf­tig re­den und muss­te mit an­se­hen wie sie ihr Le­ben ver­brach­te. Das war für Kars­ten ei­ne ein­zi­ge Fol­ter und er hat mehr­fach ver­sucht sich das Le­ben zu neh­men. Da die­se Ver­su­che er­folg­los blie­ben, er­griff er ver­schie­de­ne Be­ru­fe, im­mer mit der Ab­sicht dar­an zu ster­ben. Un­ter an­de­rem ar­bei­te­te er als Bo­dy­guard, weil er hoff­te we­nigs­tens er­schos­sen zu wer­den. Die Lis­te an Ärz­ten, die er des­we­gen auf­such­te, wür­den ein ei­ge­nes Buch fül­len. Erst im Jahr 2019 wur­de es lang­sam bes­ser und er konn­te die jun­ge Da­me ver­ges­sen, aber sein Schick­sal hat­te ei­ne wei­te­re Über­ra­schung pa­rat. Er ver­lieb­te sich in ei­ne an­de­re Frau, der er auf drän­gen, sei­ne Ge­füh­le auch ge­stan­den hat. (Un­ter an­de­ren hat­te auch ich mei­ne Fin­ger im Spiel) lei­der war die­se Frau be­reits in ei­ner Be­zie­hung und hat im wei­te­ren Ver­lauf da­für ge­sorgt das er ne­ben sei­nem Job auch jeg­li­chen Kon­takt zu ihr un­ter­las­sen muss­te. Er ist dar­an furcht­bar zer­bro­chen und saß auf­grund ei­nes er­neu­ten Sui­zid­ver­suchs lan­ge Zeit in der Psych­ia­trie. Seit­dem ist aus dem quir­li­gen Jun­gen von da­mals ein psy­chi­sches Wrack ent­stan­den, dass kei­ner­lei Le­bens­mut oder Wil­le mehr auf­bringt.


Doch ge­nug da­von. Die­ses Buch soll mei­nen Weg durch mein Le­ben bis heu­te zei­gen. Es hat sich für mich zum bes­ten ge­wen­det, aber ich ken­ne lei­der auch die Kehr­sei­te, denn in mei­nem Be­kann­ten­kreis fin­den sich vie­le Ho­mo­se­xu­el­le, die bis heu­te nicht so viel Glück ha­ben.

Das Leben der Catharina R.

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