Читать книгу Eine erfolgreiche Saison. Historischer Roman - Catherine St.John - Страница 7

5

Оглавление

Rupert hatte es geschafft, dem Besuch mehr als eine Woche lang aus dem Weg zu gehen. Sein Vater hatte ihn mit geschäftlichen Terminen und einer frei erfundenen Reise in den Norden entschuldigt und die Aufgabe, die vornehme Verwandtschaft zu unterhalten und zu betreuen, alleine auf sich genommen. Dies bescherte Rupert allmählich ein schlechtes Gewissen und er beschloss, in Zukunft einen Teil der Last zu übernehmen. Aber noch nicht sofort!

Immerhin hatte er vernommen, dass Mr. Bertram das Reitpferd aus den Claremontschen Stallungen durchaus sachkundig behandelte und generell als Sportsmann überzeugender wirkte, als seine Stutzer-Aufmachung es hatte befürchten lassen.

Die ältere Tochter hatte offenbar mit ihrer Mutter einen wütenden Kampf ausgefochten und wirklich nur zwei cremefarbene Ballkleider schlichtesten Zuschnitts aus Seidenmusselin akzeptiert. Und seinem Vater zufolge war die Jüngste, Cecily, zwar noch reichlich kindisch, wie es ihren jungen Jahren entsprach, hatte aber ein sehr viel besseres Benehmen an den Tag gelegt, als sie sich von der Reise erholt hatte. Tatsächlich schien sein Vater den Trubel im Haus regelrecht zu genießen. Ob das Zusammenleben mit einem einzigen Sohn, der noch dazu selten anwesend war, ihn hatte vereinsamen lassen?

Aber sein Vater hatte doch auch Freunde, Geschäftspartner, Bekannte, er war häufig eingeladen, gab auch selbst Einladungen, wenn auch nicht gerade Bälle – was reizte ihn nun an der Anwesenheit der Graythorpe-Verwandten?

Ihm selbst war der Besuch immer noch eher unangenehm, aber nun konnte er die Konfrontation wohl nicht mehr länger hinausschieben. Hoffentlich gelang es ihm, sich nicht zu deutlich anmerken zu lassen, dass er die Graythorpes für eine Bande von nutzlosen Existenzen hielt. Was hatte denn jeder einzelne von ihnen jemals geleistet?

Eine sehr bürgerliche Denkweise, musste er zugeben, aber er war ja auch bürgerlich – und stolz darauf. Oder zeugte das von Vorurteilen? Er kannte auch vernünftige Männer, die einen Titel trugen, wenn auch nicht allzu viele, Adam Prentice zum Beispiel, der mit der Auswertung technischer Neuerungen ein Vermögen verdient hatte und einen großen Teil davon darauf verwandte, die Zustände im East End zu verbessern.

Lord Donnington, der mit neuen, verbesserten Anbaumethoden experimentierte, was langfristig hoffentlich die Brotpreise senken konnte.

Auch Frauen wie die als exzentrisch angesehene Gräfinwitwe von Holebury, die auf ihren Besitzungen Schulen eingerichtet hatte und es sehr förderte, wenn Landarbeiterkinder in eine bessere Klasse aufsteigen konnten.

Es gab also vernünftige Mitglieder des Adels – aber leider auch andere. Und ob er diese Graythorpe-Bande auch zu den anderen zählen musste, würde sich weisen…

Im Moment hielt er sich in seinen eigenen Räumen in der Brook Street auf, wo ihn sein Diener Ramsay diskret auf dem Laufenden hielt. Ramsay allerdings liebte Veränderungen noch weniger als sein Herr, so dass seine Beobachtungen nicht wirklich als vorurteilsfrei gelten konnten.

Rupert kehrte sich vom Fenster ab, denn auf der Brook Street war um diese Zeit nichts Interessantes mehr zu sehen. Das Zimmer hinter ihm wirkte gemütlich – bequeme Sessel vor einem hübschen kleinen Kaminfeuer, ein Tisch an der Wand, auf dem eine anregende Getränkeauswahl zu sehen war, etliche Bücher, teils in Regalen, teils (zu Ramsays stillem Ärger) zwanglos herumliegend und in der Ecke, neben der Tür zu Schlafzimmer und Badekammer, ein mit Papieren überhäufter Schreibtisch.

Zehn Uhr – zu früh, um sich zu Bett zu begeben, zu spät, um sich noch einmal an die Arbeit zu machen. Die rechte Zeit, um noch auszugehen, aber keine Einladung hatte ihn so gereizt, dass er zugesagt hätte. Das meiste hatte sich nach völliger Zeitverschwendung angehört.

Vielleicht sollte er sich wieder einmal eine Geliebte suchen? Nun, nicht heute.

Er würde sich etwas zu lesen nehmen und noch eine Stunde vor dem Kamin sitzen, bis er müde würde; morgen hatte er schließlich wichtige Verhandlungen zu führen, denn Papa war ja durch die Logiergäste vollkommen absorbiert.

Ein rascher Blick über alle Bände, die auf dem Tischchen zwischen den Sesseln am Kamin lagen, machte ihm deutlich, dass ihn nichts davon im Moment reizte. In der Bibliothek gab es aber, das wusste er, eine wahre Fülle von Reisebeschreibungen, unter anderem Georg Forsters A Voyage Round the World, nicht mehr ganz neu, aber interessant und vor allem gut geschrieben, daran erinnerte er sich. Das könnte er wirklich wieder einmal lesen, beschloss er und machte sich auf den Weg in den ersten Stock.

In der Bibliothek brannte noch Licht, stellte er verblüfft fest – um diese Zeit?

„Papa?“

Keine Reaktion. Nun, vielleicht hatte nur jemand vergessen, die Lampe zu löschen. Das Kaminfeuer jedenfalls hatte jemand ordentlich gelöscht und den Kamin gesäubert.

Immerhin konnte er so die Kerze abstellen und den Forster im Licht der vergessenen Petroleumlampe suchen. Vielleicht sollte man langfristig doch einmal über diese neuartige Gasbeleuchtung nachdenken? Immerhin wurden schon Londoner Straßen so erhellt, warum dann nicht auch Wohnhäuser? Damit ließen sich wahrscheinlich auch noch gute Geschäfte machen…

Er umrundete das erste Sofa und dann das zweite und blieb wie angewurzelt stehen. „Wer sind Sie?“

Das Mädchen, das sich in die Ecke des Sofas gekuschelt und die bestrumpften Füße unter sich gezogen hatte, sah erschrocken auf: „Du lieber Himmel, haben Sie mich erschreckt!“

„Wer sind Sie?“, wiederholte Rupert seine Frage.

„Dorothy Mallowe. Ich bin hier zu Gast. Und wer sind Sie?“

Rupert nickte. „Können Sie das nicht erraten?“

„Doch, natürlich. Sie sind Mr. Claremonts Sohn, Rupert – nehme ich an. Hätten Sie dann nicht auch erraten können, wer ich bin?“

Das hatte etwas für sich, musste er zugeben. Es hatte ihn aber interessiert, wie sie sich wohl vorstellen würde – unter Nennung sämtlicher Titel der Familie?

„Mein Vater hat mir gesagt, dass Lady Graythorpe mit zwei Töchtern angereist ist“, griff er zu einer nicht allzu abwegigen Ausrede.

„Das leuchtet freilich ein, Mr. Claremont. Cecily ist allerdings gerade erst sechzehn geworden und liest nicht gerne. Ich glaube nicht, dass sie diesem wunderbaren Raum etwas abgewinnen könnte. Viel zu viele Bücher – am Ende verlangte man von ihr noch, etwas zu lernen?“

Sie lächelte ihn an und Rupert wappnete sich gegen ihren unschuldigen Charme.

„Ich sehe gar kein Buch in ihren Händen“, bemerkte er also nur.

„Gut beobachtet, Sir. Heute wollte ich einfach nur einen ruhigen Moment genießen. Meine Mutter plant für übermorgen den Besuch der ersten großen Abendveranstaltung und ich bin schon bei dem bloßen Gedanken daran ganz erschöpft. Aber wenn ich darf, würde ich mir gerne ein Buch ausleihen und es mit auf mein Zimmer nehmen.“

„Ich vermute, einen Roman?“

„Vielleicht“, antwortete sie vorsichtig, „sofern er nicht allzu unwahrscheinlich ist. Ich schätze realistische Erzählungen, aber verfolgte Heldinnen und schurkische Verfolger sind mir zu albern.“

Sie lachte auf, als sie seine ungläubige Miene bemerkte. „Die Damen Ihrer Bekanntschaft lieben wohl das Unheimliche?“

Er schnitt eine Grimasse. „Das weiß ich gar nicht. Nun, holen Sie sich Ihr Buch, ich hole mir meins und dann löschen wir das Licht.“

Sie schlüpfte wieder in ihre Schuhe und erhob sich, wobei sie reuig ihr zerknittertes Kleid betrachtete. „Ihr Buch ist wohl kein Roman, nehme ich an?“

„Richtig. Ich bevorzuge Reisebeschreibungen.“

„Ferne Länder… das kann ich verstehen.“ Sie entdeckte einen vielversprechenden Titel, Der Antrag, von einer Dame, und angelte ihn aus dem Regal. „Ob das wohl die gleiche Dame ist, die Verstand und Gefühl verfasst hat?“, überlegte sie, als sie den Band zur Lampe getragen hatte.

„Ich glaube nicht“, erklärte Rupert und zog den Forster aus dem Regal. „Sind Sie fertig?“

„Ja, danke. Stimmt es, dass Sie zwei Hunde besitzen?“

„Ja. Das hat Ihnen mein Vater erzählt – nehme ich an?“ Gerade noch rechtzeitig war ihm eingefallen, dass er das eigentlich nicht wissen konnte.

„Richtig. Ihr Vater ist ein furchtbar netter Mann, finde ich. Wo sind die Hunde denn?“

„Sie schlafen in den Stallungen. Sie können sie sich gerne ansehen, wenn Sie wollen. Wenn Ihnen Ihr Debüt Zeit dafür lässt.“

Sie zog eine komische Grimasse, wünschte ihm eine gute Nacht und verschwand.

Eine erfolgreiche Saison. Historischer Roman

Подняться наверх