Читать книгу 5 mörderische Herbst Thriller - Krimi Sammelband 5003 September 2019 - Cedric Balmore - Страница 8

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Das Haus des Industriellen Harry J. Morgan lag direkt an einem der malerischen Sandstrände auf der der Jamaica Bay vorgelagerten Rockaway-Nehrung. Das Gelände war eingezäunt. Ein bewaffneter Wachmann patrouillierte mit einem deutschen Schäferhund an der Leine auf und ab. Bount Reiniger war mit seinem champagnerfarbenen Mercedes 500 SL hier herausgefahren, und kam jetzt an das Gittertor. Für gewöhnlich empfing der bekannte New Yorker Privatdetektiv Klienten in seinem Office, aber diesmal machte er eine Ausnahme.

Ein bisschen frischer Seewind - das konnte niemandem schaden, der sonst vorzugsweise den Smog von Midtown Manhattan atmete.

Bount Reiniger ließ die Scheibe des 500 SL herunter und langte zu dem Knopf an der Sprechanlage hinaus.

"Ja bitte?", krächzte es.

"Bount Reiniger. Mister Morgan erwartet mich!" Es folgte keine Antwort mehr. Statt dessen öffnete sich nach ein paar Sekunden selbsttätig das Gittertor. Der Mann mit dem Schäferhund stand in der Nähe herum. Der Hund kläffte etwas. Vielleicht war ihm das Motorengeräusch von Bounts Wagen unsympathisch.

Vor dem Haus stellte Bount den Wagen ab und stieg aus. Ein Mann, der aussah, als wäre er der Majordomus kam ihm entgegen.

"Mister Reiniger?"

"Ja?"

"Mister Morgan erwartet Sie am Strand. Gehen Sie einfach geradeaus. Hinter den Dünen werden Sie ihn sehen."

Bount zuckte mit den Schultern.

Der edle Zwirn, den er trug, war sicherlich alles andere als die passende Kleidung für eine Strandwanderung. Über die Dünenkette gelangte er auf einem Weg aus Holzplanken. Das Meeresrauschen war allgegenwärtig. Vom Atlantik her wehte ein kräftiger Wind.

Zum Baden war es um diese Jahreszeit noch entschieden zu kalt. Und so stand Harry J. Morgan, der Besitzer von Morgan Industries auch in sicherer Entfernung von den auslaufenden Wellen und blickte auf das Meer hinaus. Wenig später hatte Bount ihn erreicht.

"Mister Morgan, nehme ich an!"

Morgan war ein untersetzter, stämmiger Mann um die sechzig, der vor Energie nur so zu strotzen schien. Er drehte sich herum und musterte Bount kritisch von oben bis unten, so als wollte er abschätzen, ob dies der richtige Mann für ihn war.

Nachdenklich nickte er.

"Und Sie sind Reiniger, New Yorks bester Privatdetektiv."

"Danke."

"Bedanken Sie sich nicht Reiniger. Das sagen andere über Sie, nicht ich. Ich werde mit meinem Urteil warten, bis ich gesehen habe, was Sie drauf haben."

Bount lächelte dünn und zuckte mit den Schultern.

"Das ist Ihr gutes Recht. Ich schlage vor, wir kommen gleich zur Sache!"

Harry J. Morgan verengte ein wenig die Augen. Eine heftige Windböe zerzauste sein schütteres graues Haar, aber er achtete nicht darauf, sondern fixierte Bount unverwandt mit seinem Blick.

"Waren Sie früher bei der Polizei, Reiniger?"

"Ja. Sie haben sich erkundigt?"

"Ich habe einfach geraten. Jeder, der in New York eine Lizenz als Privat Eye haben will, muss drei Jahre bei der Polizei oder in der Army gewesen sein. Als nächstes hätte ich gefragt, ob Sie Soldat gewesen sind."

Bount grinste.

"Wie es scheint, sind Sie selbst kein schlechter Detektiv. Warum brauchen Sie dann einen wie mich?"

"Nehmen Sie's mir nicht übel, Mister Reiniger. Ich weiß immer ganz gerne über die Leute Bescheid, mit denen ich umgehe."

"Das verstehe ich."

Sie gingen ein Stück den Strand entlang und Morgan erklärte: "Es geht um Kimberley, meine Tochter."

"Was ist mit ihr?"

"Sie ist verschwunden. Wir hatten in der Vergangenheit unsere Probleme miteinander und sie lebt auch schon lange nicht mehr bei mir im Haus, aber..."

Bount kratzte sich am Hinterkopf und meinte: "Sehen Sie, Mister Morgan, ich bin Privatdetektiv, kein Kindermädchen. Wenn Sie Probleme mit Ihrer Tochter haben, bin ich wahrscheinlich die falsche Adresse!" Eine verwöhnte Millionärstochter zur Räson zu bringen, das war einfach nicht Bounts Ding.

Aber Morgan schüttelte energisch den Kopf.

"Nein, das glaube ich nicht!" Er atmete tief durch und machte dann eine Geste mit den Händen, die seine ganze Hilflosigkeit ausdrückte. "Ich fürchte, dass ihr etwas zugestoßen ist, Mister Reiniger!" Sein Gesicht war ganz grau geworden. Trotz der frischen Luft, die vom Atlantik herüberwehte.

Bount nickte.

"Na, gut. Erzählen Sie mir etwas über Ihre Tochter."

"Kimberley ist 25. Vor einigen Jahren haben wir uns zerstritten. Sehen Sie, ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Ich habe eine Firma in Newark, eine Niederlassung in Cleveland und eine drüben in Montreal. Und wenn man will, dass die Dinge so laufen, wie man es für richtig hält, dann muss man sich doch am Ende selbst darum kümmern."

"Verstehe..."

Morgan sog die Meeresluft ein, als gäbe es nur eine begrenzte Menge davon, von der man sich besser etwas sicherte, solange der Vorrat reichte. Mit der Rechten deutete er auf die Umgebung.

"Dies ist ein wunderbarer Ort, nicht wahr, Mister Reiniger?"

"Ja."

Wer hätte das auch ernsthaft leugnen wollen?

"Aber ich habe kaum Gelegenheit dazu, mich hier zu erholen. Ich komme einfach nicht dazu!" Er zuckte mit den Schultern, blieb stehen und blickte in sich gekehrt hinaus auf den Atlantik. "Und genau so war es mit meiner Familie. Meine Frau hat die Konsequenzen gezogen. Sie ist gegangen und ich habe nicht die geringste Ahnung, wo sie steckt. Und Kimberley... Ich habe sie auch verloren. Ich hätte mich mehr, um sie kümmern sollen. Aber zum Jammern ist es jetzt zu spät."

"Wahrscheinlich haben Sie recht."

Bount wartete mit wachsender Ungeduld darauf, dass sein Gegenüber endlich zum Punkt kam und versuchte indessen, sich eine Zigarette anzuzünden.

Bei dem Wind war das allerdings eine Kunst für sich war. Schließlich gelang es ihm jedoch, während Harry Morgan fort fuhr: "Kimberley hat sich herumgetrieben, seit sie von zu Hause ausgezogen ist. Erst wollte sie studieren, aber das war ihr dann wohl zu anstrengend. Sie ist nicht zu den Vorlesungen gegangen. Zwischendurch wurde sie von der Polizei wegen irgendeiner Drogensache aufgegriffen, bei der meine Anwälte sie heraushauen mussten. Vor zwei Jahren hatte sie sich dann etwas gefangen. Seit der Zeit lebte sie in einer Künstlerkolonie in SoHo. Sie hat es mit Malerei versucht. Große Leinwände hat sie vollgeschmiert."

"Konnte sie davon leben?", fragte Bount. Harry J. Morgan lachte heiser und freudlos. Er schüttelte dabei energisch den Kopf.

"Wie kommen Sie nur auf den Gedanken!"

"Es gibt Leute, die ein Vermögen für Kunst ausgeben!"

"Ja, bei Malern, die Talent haben!"

Bount hob die Augenbrauen.

"Und Kimberley hatte keines?"

Morgan zuckte mit den Schultern.

"Das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne mich mit Kunst nicht aus, aber großartige Verkaufserfolge kann sie nicht gehabt haben."

"Wovon lebte sie?"

"Von meinem monatlichen Scheck." Er verzog bitter das Gesicht. Seine Nasenflügel bebten ein wenig. "Sonst wollte sie wenig mit mir zu tun haben, aber ich war immer noch gut genug dafür, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten." Er wandte sich zu Bount um und sah ihn offen an. "Es ist im Leben wie im Geschäft, Mister Reiniger! Genau wie ich sagte: Man muss sich um alles selbst kümmern! Ich hätte mich auch selbst im Kimberley kümmern müssen."

"Weder ich noch Sie können die Zeit zurückdrehen, Mister Morgan!", stellte Bount fest. Ein Unterton von Ungeduld war jetzt nicht mehr zu überhören. "Aber Sie könnten mir jetzt sagen, weshalb Sie so felsenfest davon überzeugt sind, dass Kimberley nicht einfach nur Urlaub macht, ohne Ihnen etwas davon gesagt zu haben!"

"Die Schecks der letzten drei Monate hat sie noch nicht eingelöst. Ist doch merkwürdig, nicht? Sie war immer in Geldnot und es würde mich nicht wundern, wenn sie noch immer hin und wieder Kokain genommen hat - angeblich soll das ja die Kreativität fördern. Jedenfalls ist es verdammt teuer. Kimberley hat nie gelernt, sich Geld einzuteilen, weil sie immer im Überfluss davon hatte. Manchmal hat sie mich angerufen und gefragt, ob der Scheck nicht eine Woche früher kommen könnte. Sie hat keine Rücklagen, da bin ich mir so gut wie sicher. Es mag ja Leute geben, die von wenig oder gar keinem Geld leben können, aber Kimberley gehört ganz sicher nicht dazu!" Bount wurde hellhörig.

Das mit uneingelösten Schecks war ein Punkt, der tatsächlich merkwürdig klang.

Indessen fuhr Morgan fort: "Gestern hat mich ihr Vermieter angerufen. Sie hat ist mit der Miete im Rückstand. Die Nachbarn haben sie seit längerem nicht mehr gesehen."

"Waren Sie in der Wohnung?"

"Ja. Ich habe mir Zutritt verschafft."

"Und?"

Er zuckte die Achseln.

"Sie war nicht dort!"

"Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?"

"Das ist fast ein halbes Jahr her. Sie brauchte mal wieder Geld. Das war nichts Ungewöhnliches, aber sie hatte sich doch in erschreckender Weise verändert. Sie trug nur noch schwarze Sachen und war im Gesicht weiß geschminkt. Wie eine Leiche. Ich war schon einiges an modischen Verrücktheiten von ihr gewohnt, aber als ich sie sah war ich doch etwas erschrocken. Wie eine lebende Leiche sah sie aus. Ich fragte sie, was mit ihr los sei."

"Was hat sie gesagt?"

"Ich hatte den Verdacht, dass sie wieder irgendetwas genommen hätte. Vielleicht war es auch so, sie wirkte ziemlich high und erzählte mir irgend so einen Unfug von Geisterbeschwörungen, Gläserrücken, Seancen, Stimmen auf Tonbändern, die von Verstorbenen stammen sollen und so weiter. Ich habe es nicht richtig verstanden und war auch nicht weiter neugierig darauf. Sie war ganz erfüllt von diesem Okkultismus-Zeug! So war das immer mit ihr, wenn sie auf einem neuen Trip war."

"Haben Sie ein Photo von ihr?"

"Ich werde Ihnen gleich eins geben, wenn wir zurück ins Haus gehen. Und dann bekommen Sie auch einen Scheck. Die Summe können Sie selbst eintragen." Er lächelte matt.

"Ich hoffe, Sie machen mich nicht arm, Mister Reiniger!"

"Ist das bei Ihnen überhaupt möglich?"

"Sie müssten sich schon einige Mühe geben!" Dann atmete Harry J. Morgan erleichtert durch und stellte fest: "Ich nehme also an, dass Sie den Fall übernehmen." Bount nickte.

"...falls es tatsächlich ein 'Fall' ist!"

"Ich hoffe, dass sich Ihre Skepsis bewahrheitet, Mister Reiniger. Aber ich habe ein schlechtes Gefühl."

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