Читать книгу Konzert der Mörder: 11 Strand Krimis - Cedric Balmore - Страница 17

4. Kapitel

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„Ich kann Ihnen eine erfreuliche Mitteilung machen“, erklärte Mister McKee, als wir uns in seinem Büro zur Besprechung einfanden. Ich nippte an meinem Kaffeebecher und verbrühte mir dabei fast die Zunge. Mister McKee zögerte, ehe er fort fuhr: „Der neue Bezirksstaatsanwalt Roger Dimastenes hat grünes Licht dafür gegeben, dass wir im Umkreis von Ellroy Garcia ermitteln und dabei notfalls auch etwas Wind machen. Die Spuren führen zu eindeutig in Richtung der Organisation, die er vertritt.“

Außer Milo und mir waren noch die G-men Leslie Morell, Jay Kronburg, Fred LaRocca und Orry Medina anwesend. Dazu natürlich Clive Caravaggio, unser stellvertretender Chef und Max Carter aus der Fahndungsabteilung.

Darüber hinaus gab es noch eine weitere Person in unserer Runde. Sie hatte dunkles, gewelltes Haar – so dicht, dass es auch durch ein Haarband kaum zu bändigen war. Die Züge waren feingeschnitten, der Teint bräunlich.

„Ich möchte Ihnen Special Agent Rita Moreno vorstellen“, eröffnete uns Mister McKee. „Sie wurde uns vom FBI Field Office Miami zugeordnet, damit wir die hiesigen Pläne der Miami-Connection besser bekämpfen können. Vielleicht sagen Sie uns ein paar Worte über sich.“

Rita Moreno nickte. „Ich stamme genau wie die meisten Mitglieder der so genannten Miami-Connection von Menschen ab, die irgendwann aus Kuba flohen, um in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Leben in Freiheit zu führen“, begann sie. „Manche meiner Landsleute betrachten mich deshalb als Verräterin, weil ich die verbrecherischen Organisationen bekämpfe, die einige unter ihnen gegründet haben. Aber in meiner Sicht sind sie die Verräter – nicht ich. Sie haben schließlich die Freiheit, die sie hier fanden, missbraucht. Diejenigen, die darunter am meisten leiden, sind meine Landsleute, die von diesen Leuten wie Zitronen ausgepresst werden.“

Ihre Stimme klang etwas belegt.

Sie muss ein persönliches Motiv dafür haben, sich so sehr in ihre Arbeit zu knien, dachte ich. Einerseits konnte ein derartiges Moment ein Grund dafür sei, auch in schwierigen, beinahe aussichtslosen Fällen nicht aufzugeben. Mir fiel da natürlich an erster Stelle unser Chef Mister McKee ein, dessen Familie durch ein Verbrechen ums Leben gekommen war und der daher sein Leben folgerichtig der Bekämpfung des Verbrechens gewidmet hatte.

Aber wenn die persönliche Betroffenheit zu groß war, konnte andererseits die Urteilskraft darunter leiden. Das lag ganz daran, wie der Einzelne das Geschehen verarbeitet hatte. Im Fall von Rita Moreno schien es noch relativ frisch zu sein. In wie fern sich das auf den Job wirkte, den sie zu machen hatte, musste sich zeigen.

Mister McKee stellte uns der Kollegin aus Miami der Reihe nach vor und erklärte schließlich: „Sie alle werden eng mit Agent Moreno zusammenarbeiten. Ihr großer Vorteil ist, dass sie sich im exilkubanischen Milieu zu gut auskennt und die Sprache spricht.“

„Mein Nachteil ist allerdings, dass ich eine Frau bin – und diese Leute ausgesprochene Machos“, ergänzte Rita. „Die akzeptieren niemanden, der sín cojones ist.“

„Was bedeutet sín cojones?“, hakte Mister McKee nach.

„Ohne Eier.“

„Äh, ja...“, sagte Mister McKee, verzog aber keine Miene, während sich die anderen Anwesenden ein leichtes Grinsen nicht verkneifen konnten. „Vielleicht können Sie uns etwas über Ellroy Garcia sagen, der hier in New York so etwas wie der Statthalter des Miami-Syndikats zu sein scheint.“

„Damit unterschätzen Sie Garcias Rolle bei weitem. Anfangs mag seine Rolle so richtig beschrieben gewesen sein, aber inzwischen hat sich da einiges geändert. Wir können davon ausgehen, dass Ellroy Garcia an allen wichtigen Entscheidungen der Miami-Connection beteiligt und keineswegs nur bloßer Befehlsempfänger ist. Ganz im Gegenteil. Er hat lange Zeit darauf hingewirkt, dass die Miami-Connection ihren eher kooperativen Kurs gegenüber den alteingesessenen Mafia-Organisationen in den Neu England-Staaten aufgibt und endlich zur Offensive antritt.“

„Einer ziemlich blutigen Offensive“, sagte Mister McKee.

Rita nickte. „Die sind es aus Miami gewöhnt, sehr rabiat vorzugehen. Allerdings überrascht mich persönlich der Zeitpunkt, zu dem dieser Krieg ausgebrochen ist. Nach unseren Ermittlungen war damit eigentlich frühestens in einem halben Jahr zu rechnen.“

„Wieso das?“

„Wir wissen, dass die Anführer der Miami-Connection mit einigen wichtigen Drogenlieferanten aus dem Mittleren Osten und dem Bereich der ehemaligen GUS-Staaten in Verhandlungen standen, deren Ziel es war, die Italiener völlig aus dem Markt zu schlagen indem man sie vom Nachschub abschnitt. Das kostet natürlich sehr, sehr viel Geld, wie man sich denken kann. Schließlich wollen die Lieferanten in Afghanistan oder Kirgisien weiterhin ihre Verkaufsmengen garantiert haben. Etwa ein halbes Jahr hätte es unseren Berechnungen nach gedauert, um so einen Angriff auf den internationalen Drogenmarkt zu organisieren.“ Rita zuckte die Schultern. „Kann ja sein, dass die Hombres in Miami plötzlich auf unerwartete Geldquellen gestoßen sind, die es ihnen möglich gemacht haben, die Sache schneller in Angriff zu nehmen.“

„Könnte es nicht auch sein, dass die andere Seite davon erfahren hat und die Miami-Leute deswegen zum Handeln gezwungen waren?“, fragte Mister McKee. Er hob die Augenbrauen und fuhr nach kurzem Zögern fort: „Ich meine, wenn Sie solche Sachen wissen.“

„Innerhalb von Jahren haben wir ein relativ zuverlässiges Netz von Informanten und V-Leuten installiert. Unsere Erfolge beruhen einzig und allein darauf.“

„Ich verstehe.“

„Dabei handelt es sich durchweg um Leute, die ebenfalls kubanische Wurzeln haben. Anders wäre es gar nicht möglich, in diese Strukturen einzudringen. Kein Italiener könnte das – ein Anglo White American schon gar nicht. Selbst Puertoricaner würden sofort auffallen. Latino ist eben nicht Latino.“

Mister McKee wandte den Kopf in meine Richtung. Er trank zunächst seinen Kaffee leer, bevor er mich ansprach.

„Ich denke, Agent Moreno ist die Unterstützung, die Sie brauchen, Jesse, wenn Sie jetzt demnächst Ellroy Garcia auf den Zahn fühlen. Weisen Sie Agent Moreno in den Fall entsprechend ein.“

„Ja, Sir“, nickte ich.

„Auf gute Zusammenarbeit“, sagte Agent Moreno. „Darf ich Sie Jesse nennen?“

––––––––




EIN KÜHLER WIND WEHTE von der Hudson-Mündung herüber, sodass Francine Benson ihre Jacke schloss.

Sie fröstelte leicht und blickte auf die Uhr.

Der Mann, der sich Smith genannt hatte, hatte Verspätung. Genau hier, mitten in den Grünlagen des Battery Park, die die Südspitze Manhattans umsäumten, hatten sie ihren Treffpunkt.

Sie beobachtete die Fähre, die gerade vom Pier abgelegt hatte, um sich auf den Weg nach Liberty Island zu machen. Die Freiheitsstatue reckte ihre Fackel in den fast wolkenlosen Himmel. Das leicht gekräuselte Wasser an der Hudsonmündung glitzerte in der Sonne.

„Francine!“, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr.

Sie zuckte regelrecht zusammen und wirbelte herum.

Es war Smith.

Der Mann mit dem Sonnenblumen-Tattoo. Das war ihr schon bei der ersten Begegnung mit ihm aufgefallen. Das und eine besondere Intensität in seinem Blick. Eine Form äußerster Entschlossenheit schien sich darin auszudrücken, die sie jedesmal hatte schaudern lassen, wenn sie ihm begegnet war.

Francine zuckte zusammen.

Sie hatte ihn nicht kommen hören.

„Meine Güte, haben Sie mich erschreckt.“

„Das war nicht meine Absicht.“

Francine atmete tief durch. „Am Telefon haben Sie es ziemlich dringend gemacht.“

„Das ist es auch.“

„Was soll ich tun?“

„Kommen Sie an Ray Scirea heran? Trauen Sie sich das zu?“

„Den Conciliere von Harry Marini?“

„Genau.“

Sie zögerte einen Moment und schluckte. „Ich weiß nicht...“

„Was wissen Sie nicht?“

„Ich hatte gedacht, die Sache mit Jimmy....“

„Einmal noch, Francine. Einmal brauche ich noch Ihre Hilfe.“

„Muss es wirklich sein?“

„Diese Frage können Sie selbst beantworten, Francine.“ Er fasste sie bei den Schultern. Sein Blick war wieder von dieser kalten Entschlossenheit geprägt. Ihr fröstelte unwillkürlich. „Ja, es muss sein“, murmelte sie schließlich und der Klang seiner Stimme erinnerte dabei an klirrendes Eis. „Es muss sein...“ Sie wiederholte es noch einmal, so als müsste sie sich erst noch selbst darüber vergewissern, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen.

„An Scirea heranzukommen ist überhaupt keine Schwierigkeit“, sagte sie.

„Großartig. Ich wusste, dass auf Sie Verlass ist!“

„Er läuft mir sogar nach, der Alte.“

„So?“

„Ja, er war bei mir und hat mir eine Menge Geld gegeben.“ Sie lächelte unwillkürlich. „Fast so, wie bei einer Mafia-Witwe...“

Smith lachte. „Da täuschen Sie sich mal nicht, Francine. Scirea ist sich nur nicht sicher, ob Sie vielleicht mehr über Jimmy DiCarlo wissen, als er sich im Moment vorzustellen vermag. Sie sollen fürs erste zum Schweigen gebracht werden, das ist alles. Erst gibt es Dollars – später, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, vielleicht auch ´ne Kugel in den Kopf als Zugabe. Wer weiß?“

Francine ging darauf nicht weiter ein.

„Auf mich wirkte er nicht sehr Angst einflößend.“

„Nein - er erscheint wie ein netter, älterer Herr. Aber da sollte man sich nicht täuschen lassen. Wenn es seiner Ansicht nach sein muss, dann geht er über Leichen.“ Smith machte eine kurze Pause und fuhr schließlich fort: „Wo wohnen Sie übrigens im Moment? Die Nummer, die sie mir gegeben haben, gehört nicht zu Ihrem alten Anschluss.“

„Ich hatte meine Wohnung aufgegeben als ich zu Jimmy gezogen bin. Er wollte das so, damit er das Gefühl hat, dass ich ganz für ihn da bin.“

„Und jetzt?“

„Jetzt wohne ich bei meiner Schwester.“

„Sie haben mir nie erzählt, dass Sie eine Schwester haben.“

„Ich hatte in letzter Zeit auch nicht viel Kontakt zu ihr.“

„Ach...“

„Wirklich!“

„Schon gut!“, murmelte Smith. Sein Blick wirkte dabei nach innen gekehrt, so als hinge er plötzlich irgendwelchen Gedanken nach.

„Was soll ich tun?“, fragte sie. „Mit dem alten Scirea, meine ich...“

––––––––




AM ABEND BESUCHTEN Milo und ich zusammen mit Agent Rita Moreno das STARFIRE in der Avenue A. Gegenwärtig war dieser Glitzerladen das angesagteste Objekt, das unter Kontrolle von Ellroy Garcia stand. Wir wussten, dass er sich sehr häufig im Verlauf des Abends hier sehen ließ – ganz einfach um zu demonstrieren, dass er die Zügel fest im Griff hatte.

Jemand wie Garcia verkroch sich nicht – selbst dann nicht, wenn er gegenwärtig mit der Marini-Familie im Kriegszustand war.

Garcia wusste nämlich sehr genau, wie sensibel die Mobster darauf reagierten. Vom einfachen Gorilla und Schuldeneintreiber, der Leuten die Kniescheiben zertrümmerten, die ihr Schutzgeld mit Verspätung zahlten bis hin zu den Großdealern, die dafür sorgten, dass der Big Apple flächendeckend mit Heroin, Kokain und synthetischen Drogen beliefert wurde, achtete jeder genau darauf, wie sich Ellroy Garcia gab. Ob er Selbstvertrauen oder Angst ausstrahlte. Ob er den Eindruck machte, seine Organisation im Griff zu haben oder nicht. War letzteres der Fall, zog das potentielle Konkurrenten wie Blut die Haie an.

Im STARFIRE war um diese Zeit noch nicht allzu viel los, was den Vorteil hatte, dass wir in der Nähe überhaupt Parkplätze finden konnten. Die Lightshow flimmerte, der Rhythmus stampfte. Latino-Pop war derzeit sehr en vogue in New York. Ganz besonders natürlich in einem Etablissement wie dem STARFIRE.

Die Gog-Go-Girls versuchten dem noch spärlichen, aber rasch anwachsenden Publikum richtig einzuheizen. Wir bestellten einen Drink und sahen uns etwas um. Ich kannte Ellroy Garcia von den Fotos her, die über NYSIS von ihm verfügbar waren. Eine große Erscheinung, das schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst und immer komplett in Leder gekleidet. So hatte sich der Besitzer des STARFIRE bisher in der Öffentlichkeit präsentiert.

„Garcia scheint noch nicht da zu sein“, kommentierte ich die Lage, denn ich war mir sicher, eine so auffällige Erscheinung kaum übersehen haben zu können.

„Um was wetten wir, dass er doch hier ist“, meinte Rita Moreno mit einem schelmischen Grinsen. „Da gehe ich jede Wette ein!“

„Wieso?“

„Weil ich ihn kenne. Er hat in Miami als jemand angefangen, der als Strohmann Clubs im Namen anderer geführt hat – und was immer sich für Garcia auch in der Zwischenzeit geändert haben mag, in diesem Punkt ist er derselbe geblieben.“

„In welchem Punkt?“

„Na, dass er nichts dem Zufall überlässt!“

Sie deutete in eine der Ecken an der Decke des Hauptsaals des STARFIRE. Dort bewegte sich etwas.

„Ein Kameraauge“, stellte ich fest.

„Ganz genau, Jesse.“

„Sie meinen, der sitzt jetzt in seinem Büro und beobachtet die Lage?“, mischte sich Milo ein.

„Ja, davon bin ich überzeugt. Und dabei wartet er in aller Ruhe ab, wann er meint, dass der richtige Augenblick für seinen Auftritt gekommen ist. Wissen Sie, dass er mal Messdiener war?“

„Was hat das denn damit zu tun?“, fragte ich.

„Na, dass er um den dramatischen Effekt eines wirkungsvollen Auftritts weiß“, meinte Rita Moreno. „Und zwar von frühester Jugend an. Wahrscheinlich hätten wir weniger Probleme, wenn die Schauspielergewerkschaft ihn aufgenommen hätte, bevor er merkte, dass sich mit Drogen noch sehr viel mehr Geld verdienen lässt, als wenn man sich mit Nebenrollen in Vorabendserien und Comedies durchs Leben schlägt.“

„Das hat er auch gemacht?“, wunderte sich Milo. „Woher wissen Sie das alles?“

„Ich weiß immer gerne, mit wem ich es zu tun habe und informiere mich daher sehr gründlich, müssen Sie wissen. In meinen Augen ist das die Basis jeden Fahndungserfolgs. Oder sehen Sie das anders?“

Ich schüttelte den Kopf.

Einerseits bewunderte ich ihre Akribie, mit der sie offenbar bei ihren Ermittlungen zu Werke ging. Auf der anderen Seite fragte ich mich immer mehr, was wohl die Triebfeder war, die dahinter stecken mochte.

„Ich bin dafür, dass wir die Prozedur hier und jetzt abkürzen“, meinte Rita.

„Bitte, wenn Sie einen Vorschlag dazu haben!“, gab ich zurück.

„Zeigen wir hier einfach die Fotos herum, die Sie auch mir präsentiert haben: diesen Chambers, Alvarez und das Phantombild von Alvarez’ Komplizen. Dann taucht der große Boss früher oder später hier auf, auch wenn er seinen Auftritt dann nicht ganz so groß inszenieren kann, wie er das ansonsten gerne tut.“

Milo und ich wechselten einen kurzen Blick miteinander.

„Warum nicht?“, meinte Milo.

Wir sprachen also einen Barkeeper an und zeigten ihm die Bilder sowie unsere Dienstausweise.

Ich deutete auf Chambers. „Dieser Mann hat als Türsteher hier im STARFIRE gearbeitet.“

„Tut mir leid, Sir, das muss vor meiner Zeit gewesen sein“, behauptete der Barkeeper. Er wirkte sichtlich unruhig.

Zwischendurch bemerkte ich, dass er einen Alarmknopf betätigte, mit dem er vermutlich seinem Chef signalisierte, dass es hier Ärger gab.

„Und was ist mit dem Anderen?“, hakte ich nach. „Sie haben sich die Bilder ja überhaupt nicht richtig angesehen!“

„Tut mir leid. Ich würde Ihnen ja gerne helfen, aber...“

„Ist es wahr...“

„Hören Sie, ich weiß nicht, warum Sie nicht auch einfach etwas relaxen, so wie alle hier.“

„Sie meinen mit einer Prise Koks unter der Nase – oder was verstehen Sie darunter?“, mischte sich Rita Moreno ziemlich aggressiv ein.

„Wer sind Sie denn? Die Staatsanwaltschaft in Person oder ist Ihnen etwas über die Leber gelaufen?“

Rita sprach den Mann auf Spanisch an und dieser gab seine Erwiderung ebenfalls in dieser Sprache, sodass Milo und ich kaum mehr von dieser Unterhaltung mitbekamen, als dass wohl keine übertriebenen Freundlichkeiten ausgetauscht wurden.

Inzwischen wurde der Hauptsaal dieses STARFIRE von immer mehr Gästen frequentiert, von denen sich die Mehrheit auf der Tanzfläche drängelte.

Ein groß gewachsener Mann in schwarzem Lederjackett und dazu passender Hose zwängte sich durch eine enge Gasse, die ein paar breitschultrige, ihn noch um Haupteslänge überragende Kerle mit Bodybuilder-Figur für ihn durch die Menge bahnten.

Diese Bodyguards trugen war ebenfalls Ledersackos, aber diese waren ganz in weiß gehalten. Hier und da drückte sich deutlich der Umriss einer Waffe unter dem Leder hervor.

Insgesamt sechs Mann bildeten die Palastwache des Stadthalters der Miami-Connection, der mit Hilfe seiner exilkubanischen Freunde so etwas wie der Drogenkönig von New York werden wollte.

Die weiß gekleideten Bodyguards bildeten einen Halbkreis um uns.

Ein fieses Grinsen spielte um Ellroy Garcias schmallippigen Mund.

„Gibt es hier irgendwelchen Ärger?“

„Kommt ganz darauf an, ob Sie welchen machen“, sagte Rita und hielt ihm ihren FBI-Ausweis entgegen. „Sie sind Mister Ellroy Garcia?“

„Kommt darauf an, was Sie von mir wollen!“ Garcia bleckte die Zähne wie ein Raubtier und wandte sich an Milo und mich. „Manche Männer stehen ja darauf, wenn eine Frau das große Wort führt. Ihr zwei gehört vielleicht zu der Sorte – ich aber nicht.“

Er wollte uns provozieren.

Am besten, man ging nicht weiter darauf ein. Schließlich wollten wir an Informationen herankommen.

„Es geht um einen Mann namens Michael Chambers“, erklärte ich sachlich und holte zwei Fahndungsfotos hervor. Das erste entsprach dem jungen Chambers, der sich nur kurzzeitig im Netz der Justiz verfangen hatte.

„Nie gesehen!“, behauptete er.

Er hatte die Bilder kaum angefasst, da gab er sie auch schon wieder zurück. „Sehen Sie sich die Fotos genau an“, forderte ich ihn auf. „Chambers hat als Türsteher bei Ihnen gearbeitet!“

Ellroy Garcia runzelte die Stirn und betrachtete die Fotos jetzt eingehender. „Naja. Jetzt, wo Sie es sagen. Es wäre schon möglich.“

„Ist in letzter Zeit hier gewesen?“

„Chambers?“ Garcia schüttelte den Kopf. „Nein. Den habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Er zuckte die Schultern und fügte noch hinzu: „Ich nehme an, jemand anderes hat ihm mehr geboten. So ist das nun einmal! Nennt man das nicht freie Marktwirtschaft? Deswegen sind meine Eltern mit mir aus Kuba geflohen. In einem kleinen Fischerboot, das schließlich von einem Schnellboot der amerikanischen Küstenwache aufgebracht wurde. Madre de Dios! Wir wären beinahe alle ertrunken!“

„Es gibt aber auch in der Marktwirtschaft ein paar Geschäfte, die gegen das Gesetz sind, Mister Garcia“, stellte ich klar.

Ellroy Garcia runzelte die Stirn.

„Worauf wollen Sie hinaus?“

„Darauf, dass dieser Chambers wahrscheinlich der Täter in einer ziemlich grausigen Mordserie ist“, mischte sich nun wieder Rita Moreno ein. „Fassen wir es so zusammen: Ein Mann, der schon für Sie gearbeitet hat, räumt ein paar Leute aus dem Weg, die Ihren geschäftlichen Plänen bislang im Wege standen. Da drängt sich doch gleich der Verdacht auf...“

Rita verstummte.

Ellroy Garcia war dunkelrot angelaufen. Er vollführte eine ruckartige Bewegung und fuhr seinen Zeigefinger wie ein Klappmesser aus. „Hören Sie mir gut zu, Lady! So reden Sie vielleicht mit diesen beiden Zwergen hier, die Sie in Ihrer Begleitung haben – aber nicht mit mir! Haben Sie das verstanden?“

„Ich lasse mich von niemanden einschüchtern!“, erklärte Rita. Anschließend folgte ein Wortschwall auf Spanisch. Garcia war im ersten Moment etwas verwundert, ehe er schließlich in ein heiseres Gelächter verfiel.

Er wandte sich an mich. „Die Kleine hat mich noch nicht kennen gelernt, Senor! Es verdad!“ Er kicherte dabei dreckig.

Jetzt wurde es mir zu bunt. „Wir können die Vernehmung auch im Bundesgebäude an der Federal Plaza durchführen – und notfalls steht Ihnen dort sogar eine hübsche Übernachtungsmöglichkeit im Stile einer Gewahrsamszelle zur Verfügung!“

„Das Problem ist dabei nur, dass Sie mir nichts nachweisen können. Ich habe nichts getan, was gegen die Gesetze verstößt, Mister...“

„Für Sie Agent Trevellian.“

„Wie auch immer.“

„Und was, wenn wir Ihnen doch etwas beweisen können?“

„Dann hätten Sie die Handschellen schon angelegt. Ich kenne euch G-men doch.“

Garcia beugt sich vor. Er deutete auf mich und sagte: „Ich will mit Ihnen unter vier Augen sprechen. Gehen wir in ein Separee. Ihre Kollegen können sich in der Zwischenzeit einen Drink genehmigen oder einfach nur das Leben im STARFIRE genießen. Okay?“

„Ich bestehe darauf, dass...“ begann Rita.

Der Exilkubaner schnitt ihr auf Spanisch das Wort ab, ich verstand kaum ein Wort. Schließlich sagte er auf Englisch an Milo und mich gerichtet: „Ich rede nur mit einem von euch. Darüber diskutiere ich nicht. Sie können natürlich versuchen, mich vorläufig festzunehmen, aber ich brauche Ihnen ja wohl nicht zu sagen, dass Sie mich schon wenige Stunden später wieder auf freien Fuß setzen müssten, wenn sich nicht jemand findet, der uns anklagt!“

„Okay, wartet hier“, sagte ich zu Rita und Milo gewandt.

Rita schimpfte auf Spanisch vor sich hin. Aber es hatte keinen Sinn, gegen die Gepflogenheiten von Garcias Leuten angehen zu wollen.

Wir brauchten Informationen und ich hatte das Gefühl, dass Garcias bereit war, uns – beziehungsweise mir – etwa zu sagen hatte, was für den weiteren Gang der Ereignisse wichtig sein konnte.

„Gehen wir!", sagte Garcia an mich gerichtet.

Er wandte sich an seine Bodyguards und gab ihnen ein paar Anweisungen auf Spanisch. Nur einer von ihnen folgte uns.

Ellroy Garcia führte mich eine Freitreppe hinauf. Hinter einer Balustrade befanden sich Bistro-artige Tische und eine Bar. Der Boden vibrierte leicht durch die wummernden Bässe.

Garcia schnipste mit den Fingern, worauf hin der uns begleitende Bodyguard zurückblieb.

Ellroy Garcia führte mich in ein Separee. Wir setzten uns.

„Hören Sie zu, G-man, was ich Ihnen jetzt sage, ist inoffiziell. Sie werden nichts davon vor Gericht oder irgendwo sonst verwenden können. Und was diese Pute angeht..."

Damit konnte er nur Rita Moreno meinen. Ich konnte nur einige Brocken Spanisch, aber mir war bekannt, dass eine Pute auch gleichzeitig eine gängige Bezeichnung für eine Prostituierte war.

„Was haben Sie gegen Agent Moreno? Wenn sie sich nicht unnötigen Ärger einhandeln Wollen, sollten Sie ein Mindestmaß an Respekt zeigen."

„Respekt?" Garcia machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich hatte einen Neffen, unten in Miami. Und diese Frau hat ihn auf dem Gewissen! Sie hat ihn kaltblütig erschossen."

„Ich nehme nicht an, dass das schon die ganze Geschichte ist", erwiderte ich.

Garcia lachte heiser.

„Sie haben sicherlich die Möglichkeit, Einsicht in die Akte zu bekommen. Mein Neffe wollte sich nur in einem Club amüsieren. Agent Moreno verdächtigte ihn, mit Drogen gedealt zu haben und wollte ihn verhaften. Bueno, haben wir uns nicht alle irgendwann mal auf solche Sachen eingelassen, als wir jung waren?"

„Manchen passiert das sogar im fortgeschrittenen Erwachsenenalter", erwiderte ich kühl.

Garcia verzog das Gesicht zur Karikatur eines Lächelns.

„Sie wollten doch wissen, weshalb ich Ihre Kollegin nicht leiden kann. Ich habe sie vor Gericht erlebt... eiskalt. Ein Yanqui-Richter hat dafür gesorgt, dass das Verfahren gar nicht erst eröffnet wurde. Fragen Sie Agent Moreno doch mal bei Gelegenheit nach der Sache und lassen Sie mich wissen, was für Ausreden sie Ihnen gegenüber erfindet. Angeblich soll sie gesagt haben, dass mein Neffe Dario eine Waffe ziehen wollte. In Wahrheit war es nur ein Zigarettenetui."

„Wie heißt Ihr Neffe?"

„Dario Garcia Llamador."

„Ich hoffe, Sie wollen mir nicht nur etwas über Ihren Neffen erzählen", sagte ich. „Wenn ich mich richtig erinnere, waren Sie gerade dabei, mir weiszumachen, dass Sie sich nicht an Michael Chambers erinnern."

Garcia atmete tief durch. „Natürlich erinnere ich mich an Chambers. Aber ich schwöre Ihnen, dass ich ihn seit Jahren nicht gesehen habe. Keine Ahnung, wo der jetzt abgetaucht ist."

„Wir fahnden wegen mehrfachen Mordes nach ihm. Unseren Erkenntnissen nach ist er als Profikiller tätig. Aber ich nehme an, dass Sie davon schon gehört haben."

„Langsam kann ich eins und eins zusammenzählen", meinte Garcia. „Dann sprechen wir mal ein paar offene Worte, G-man. Dass dieses Gespräch offiziell nie stattgefunden hat, brauche ich wohl nicht noch einmal zu betonen.“

„Nein, das ist mir inzwischen klar.“

„Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Michael Chambers im Verdacht haben, ein paar Leute umgebracht zu haben, die mit Harry Marini in Verbindung stehen?“

„Kann man so sagen.“

„Also, weil die Captains des Marini-Syndikats der Reihe nach über den Jordan gehen, und ein Typ der Täter zu sein scheint, der mal für mich gearbeitet hat, kommen Sie jetzt wahrscheinlich auf die Idee, dass ich der Auftraggeber bin. Es verdad?“

„Sie müssen zugeben, dass diese Version der Geschichte ziemlich plausibel klingt. Schließlich sind Sie und Marini doch Konkurrenten.“

„Erwarten Sie jetzt wirklich, dass ich dazu etwas sage?“

„Zu den Geschäften? Nein. Schließlich würden Sie sich damit selbst belasten. Aber wenn Sie nichts mit den Morden an den Marini-Captains zu tun haben, dann könnten Sie uns doch helfen, Chambers zu finden.“

„Leider habe ich keinen Kontakt zu ihm. Aber ich könnte Augen und Ohren offen halten.“ Ellroy Garcia beugte sich etwas vor. Er sprach nun in gedämpftem Tonfall. „Ich habe mit diesen Morden wirklich nichts zu tun, G-man! Das müssen Sie mir glauben!“

„Aber Sie profitieren davon.“

„Nein, das ist nicht wahr! Sehen Sie, alle Welt glaubt, dass meine Leute dahinter stecken – und Sie können sich denken, dass Harry Marini irgendwann gezwungen sein wird, gegen mich loszuschlagen, nur um seine eigenen Leute im Griff zu halten. Ich will gute Geschäfte, aber keinen Krieg. Mit niemandem. Glauben Sie mir, wenn ich wüsste, wer hinter diesen Morden steckt, würde ich heute noch Harry Marini anrufen, um es ihm zu sagen!“

„Damit der einen seiner Bluthunde losschicken kann?“

„Genau!“

„Rufen Sie in dem Fall besser mich an, Mister Garcia“, wies ich ihn zurecht.

„Ach kommen Sie. Machen Sie sich nicht lächerlich, G-man! Sie wissen doch genau wie das läuft. Letztlich ist jeder auf sich allein gestellt. War‘s das mit Ihrer Fragerei?“

„Nein, eine Sache wäre da noch“, sagte ich.

„Heraus damit, damit wir‘s hinter uns haben. Sonst werden Sie mich ja wohl nie in Ruhe lassen.“

„Hatte Chambers zufällig eine Tätowierung?“

„Nein, nicht dass ich es bemerkt hätte. Aber das ist ja auch schon eine Weile her. Was weiß ich, was er inzwischen mit seiner Haut angestellt hat. Wieso?“

„Nur so“, sagte ich.

––––––––




ICH WUSSTE NICHT SO recht, was ich von Garcias Aussage halten sollte. Entweder er war ehrlich – oder ein sehr guter Schauspieler. Vielleicht verfolgten wir tatsächlich einen völlig falschen Ansatz in diesem Fall. Ich dachte an die Kreuze aus Patronenhülsen.

Und an ein Auge und einen Zahn, die Alvarez herausgeschossen worden waren.

Mochte auch sonst alles auf diesen eiskalten Profi hindeuten, aber so etwas passte eigentlich nicht zu Michael Chambers.

Schade, dachte ich. Es hätte ansonsten alles so gut zusammengepasst...

Ich zeigte Garcia noch ein Bild von Alvarez und das Phantombild seines Komplizen. „Die beiden haben bei Jack Luigini die Wohnung verwanzt, sodass sie immer hervorragend über ihn informiert waren und der Killer sich die beste Gelegenheit zum zuschlagen aussuchen konnte“, erläuterte ich.

„Bedauerlich für Jack Luigini – aber auch was das angeht, wasche ich meine Hände in Unschuld.“

Ich deutete auf das Foto von Alvarez.

„Eigenartig, dass auch Sonny Alvarez für Sie gearbeitet hat.“

„Nicht, das ich wüsste.“

„Er war in einem Club mit dem Namen CORRIDA beschäftigt.“

„Dieser Club ist schon vor längerer Zeit geschlossen worden“, gab Garcia zu bedenken. Ein Muskel zuckte unterhalb seines linken Auges. Irgendetwas schien ihn nervös zu machen. „Im Übrigen hat mir das CORRIDA nicht gehört.“

„Offiziell nicht. Sie hatten einen Strohmann eingesetzt.“

„Können Sie das beweisen?“

„Das muss ich nicht. Ich will nur, das Sie mir jemanden nennen, der mir Auskunft über Alvarez und andere Angestellte des CORRIDA geben könnte.“

Garcia atmete tief durch. „Ziemlich unverschämt, G-man“, meinte er schließlich. „Aber es liegt genauso in meinem Interesse wie in Ihrem, dass diese Morde aufhören, also werde ich Ihnen helfen. Fragen Sie Anthony Lopez, den ehemaligen Geschäftsführer. Er hat sich aus dem Business zurückgezogen und lebt heute in Newark. Ich gebe Ihnen die Adresse und werde vorher mit ihm telefonieren.“

„Wenn ihn das auskunftsfreudiger macht – gerne.“

„Bestimmt!“

„Na, großartig.“

Er notierte mir die Adresse auf die Rückseite einer meiner Visitenkarte, die das FBI für seine Agenten drucken ließ. Als er damit fertig war und mir die Karte zurückgab, meinte er: „Ich denke, wir haben dann alles besprochen - G-man und Sie tun mir einen Gefallen und bringen Rita Moreno nie wieder hier her!“

„Kann ich Ihnen leider nicht versprechen, Mister Garcia. Ich hätte da noch eine letzte Frage.“

„Machen Sie es kurz. Ich habe meine Zeit auch nicht gestohlen.“

„Es gibt hier ein Go-Go-Girl namens Francine Benson.“

„Tut mir leid, ich kenne die Namen der Girls nicht. Ich erfreue mich nur an ihrem Anblick. Das macht alles Gary Galinas, mein Geschäftsführer. Frage Sie ihn, wenn Sie etwas über dieses Girl wissen wollen.“

„Verstehen Sie, dass es mir schwer fällt daran zu glauben, dass es wirklich Zufall sein soll, dass sowohl der Killer, mindestens einer seiner Komplizen sowie die Frau, die Jimmy DiCarlo begleitet, als er erschossen wurde, irgendwann für Sie oder einen Ihrer Strohleute gearbeitet haben, Garcia.“

Garcias Gesicht erstarrte zur Maske.

„Caramba! Ich kann unmöglich für jeden gerade stehen, der irgendwann einmal für mich gearbeitet hat!“, fuhr der Statthalter der Miami-Connection ärgerlich auf. Er schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Das verlangt auch niemand“, erwiderte ich kühl. „Aber wenn Sie wirklich möchten, dass ich Ihnen glaube, möchte ich Fakten haben. Keine Ausflüchte oder irgendwelche Stories.“

„Ich habe Ihnen schon mehr gesagt, als gut für mich ist. Es gibt ein paar Leute, die mich deswegen wahrscheinlich...“ Er verstummte und lehnte sich zurück. Ein paar Augenblicke lang hatte Ellroy Garcia die Kontrolle verloren, aber jetzt erlangte er sie zurück.

„Sagen Sie mir, was Jimmy DiCarlo in Ihrem Glitzerladen hier zu suchen hatte. Und jetzt kommen Sie mir nicht auf die Tour, dass er einen Ort gesucht hat, wo er richtig abtanzen konnte!“

Ellroy Garcia pfiff durch die Zähne.

„Jetzt kapiere ich, welches Girl Sie meinen.“

„Ach, ja?“

„So eine Blonde mit scharfen Kurven.“

„Kommt hin.“

„Ich komme darauf, weil Sie Big Jimmy DiCarlo erwähnten. Er war vor einiger Zeit hier, weil wir ein paar geschäftliche Dinge zu klären hatten. Details werde ich Ihnen nicht sagen. Jedenfalls hat er sich in die kleine Blonde verguckt. Die hat ihm richtig eingeheizt und wie ich gehört habe, sind die beiden wenig später ein Paar geworden. Getanzt hat Francine seitdem leider nicht mehr im STARFIRE.“

„Von wem ging die Initiative aus?“, vergewisserte ich mich.

„Natürlich von Francine. Ich wollte sie erst davon scheuchen, aber Jimmy DiCarlo war ganz begeistert von ihr. Sie war wohl genau sein Typ und Francine hat ihn sich zielsicher geangelt.“ Ellroy Garcia grinste breit. „Vielleicht hat sie sogar gehofft, dass sie mal DiCarlo Ehefrau wird und für alle Zeiten ausgesorgt hat, aber da hatte sie von Anfang an keine Chance.“

„Wieso?“

„Na, weil Big Jimmys Onkel die entscheidende Instanz in der Familie ist und Harry Marini ist nun mal als sehr konservativ bekannt.“

Garcias Handy klingelte in diesem Augenblick. Er nahm das Gerät ans Ohr. „Was ist?“, knurrte er und fügte anschließend mit finsterem Gesicht hinzu: „Ich bin gleich da!“

Er steckte das Handy weg und ich fragte: „Gibt es Ärger?“

„Ein paar Typen haben unsere Türsteher zu Brei geschlagen. Ich glaube nicht, dass das ein Fall für das FBI ist!“

––––––––




GARCIA SPRANG AUF UND verließ mit weiten Schritten das Separee. Ich folgte ihm. Zu seinem Bodyguard, der an der Bar auf ihn wartete, rief er ein paar Worte auf Spanisch.

Der Riese in weißem Leder war sofort alarmiert.

Garcia hatte schon die erste Stufe der Freitreppe nach unten hinter sich gebracht. Ich war dicht hinter ihm.

Man hatte von hier aus einen ziemlich guten Überblick über das Geschehen im Hauptsaal des STARFIRE. Inzwischen drängelten sich dort die Gäste nur so. Die Bässe dröhnten. Die Tänzer bewegten sich im Takt der vorwärts treibenden Latino-Rhythmen.

Unten im Publikum gab es Unruhe. Stimmen waren zu hören. Ein Raunen durchlief die Menge und übertönte sogar die Musik. Es gab ein Gedrängel. Genaueres war im flimmernden Disco-Laserlicht nicht zu erkennen.

Garcia hatte schon die halbe Treppe hinter sich gebracht, während sein Leibwächter mir eine Hand auf die Schulter legte, mich zur Seite drängte und überholte.

Mir fiel in der Menge das Gesicht einer Mickey Mouse Maske auf.

Sekundenbruchteile später entdeckte ich Goofy, Donald, Tick, Trick und Track...

Der Kerl mit der Goofy-Maske riss plötzlich etwas unter seiner Jacke hervor. Eine Uzi. Mit einer Hand schwenkte er diese äußerst zierliche Maschinenpistole herum. Mündungsfeuer zuckte blutrot aus dem kurzen Lauf heraus.

Die Scheinwerfer zersprangen reihenweise. Silbern leuchtende Laserkugeln zersplitterten. Auch die anderen Maskierten rissen ihre Waffen heraus. Die Laserpointer von Zielerfassungssystemen tanzten durch die Luft. Schüsse peitschten und unter den Gästen brach die schiere Panik aus.

Ellroy Garcia wollte unter sein Lederjackett greifen, aber dazu kam er nicht mehr.

Sein Körper zuckte unter mehreren Treffern am Oberkörper. Er schrie kurz auf, sackte dann nach hinten und rutschte den Rest der Treppe hinunter, wobei er eine Blutspur hinter sich herzog.

Der Bodyguard riss seine Waffe unter dem Jackett hervor. Es war eine großkalibrige Automatik. Der einzige Schuss, den er abgab, ging in die Decke und traf eine der Spiegelflächen, die als Scherbenregen zu Boden ging.

Ein Treffer mitten zwischen den Augen hatte Garcias Leibwächter taumeln lassen und dafür gesorgt, dass er über den Handlauf der Freitreppe kippte. Mit einem dumpfen Geräusch im unteren Frequenzbereich, das zu den wummernden Bass Drums eine Synkope bildete, schlug sein Körper auf den Boden.

Ich duckte mich.

Mehrere Kugeln pfiffen dicht über mich hinweg.

Die Maskierten ballerten wild um sich. Abgesehen von den gezielten Schüssen auf Ellroy Garcia und seinen Leibwächter, schien es den Angreifern vor allem darum zu gehen, ein möglichst großes Maß an Zerstörung anzurichten.

Ich hielt die Dienstwaffe mit der Rechten und fluchte innerlich, denn es gab keine Möglichkeit für mich die P226 auch zu benutzen. Das Risiko, einen Unbeteiligten zu treffen, wäre einfach zu groß gewesen. Ich rutschte und stolperte den letzten Treppenabschnitt hinunter, während es im Raum immer dunkler wurde. Ein Scheinwerfer nach dem anderen war durch gezielte Schüsse ausgeschaltet worden. Glassplitter flogen durch die Luft.

Ich bemerkte den Strahl eines Laserpointers, der knapp an mir vorbei und sich für Sekundenbruchteile an meinem Arm brach.

Ich ließ mich zur Seite fallen, drehte mich herum und riss die Waffe empor.

Oben an der Balustrade stand jetzt ebenfalls ein Maskierter. Er trug eine Spiderman-Maske.

In der Linken hielt er eine langläufige automatische Pistole mit einer aufgesetzten Laserzieloptik.

Er legte die Waffe auf mich an. Aber ich war schneller. Nur ein Sekundenbruchteil blieb mir für eine Entscheidung. Ich drückte ab und meine Kugel traf den Kerl mitten in der Brust.

Er schwankte kurz und schlug anschließend der Länge nach zu Boden.

Er hatte mir keine andere Wahl gelassen.

Inzwischen herrschte im STARFIRE das vollkommene Chaos. Ein Teil der Gäste hatte sich zu Boden geworfen oder versucht, sich hinter Theken oder Tischen in Deckung zu begeben. Andere rannten von blanker Panik ergriffen in alle Richtungen, suchten dabei nach den Ausgängen, hatten aber jede Orientierung verloren.

Es wurde ziemlich dunkel, als auch die letzten, etwas stärkeren Lichtquellen durch Schüsse zerstört wurden.

Ich rappelte mich auf und erkannte sofort, dass es vollkommen sinnlos war, wenn ich mir einen Weg durch die Menge zu bahnen versuchte. Mein einziger Trost war, dass auch die maskierten Killer Mühe haben würden, ins Freie zu kommen.

Die Musik war längst verstummt.

Eine MPi-Garbe hatte eine der gewaltigen Lautsprecher zerstört. Trotzdem herrschte ein schier ohrenbetäubender Lärm. Angstvolles Stimmengewirr, panische Schreie, Hilferufe....

Es war entsetzlich.

Ich hoffte nur, dass es außer Garcia und seinem Leibwächter nicht noch mehr Tote und Verletzte gab, was aber angesichts der äußerst rücksichtslosen Vorgehensweise der Killer eher unwahrscheinlich war.

Anstatt mich also in das Getümmel des Hauptsaals zu stürzen, schnellte ich die Treppe empor. Die wenigen Gäste, die mir entgegenkamen, drängte ich zur Seite. Die meisten der STARFIRE-Besucher, die an den Tischen oder der Bar hinter der Balustrade gesessen hatten, schienen sich nicht so recht darüber schlüssig zu sein, was sie tun sollten. Außerdem existierten rund um die Bar die letzten etwas stärkeren Lichtquellen, die noch nicht dem MPi-Feuer der Maskierten zum Opfer gefallen war.

„FBI! Bleiben Sie ruhig!“, rief ich, als eine Frau hysterisch zu kreischen begann, nachdem sie die SIG in meiner Hand erblickt hatte.

Ich erreichte schließlich einen schmalen Korridor und rannte ihn entlang. Dabei folgte ich selbst leuchtenden Hinweisschildern, die eigentlich Besucher auf den Fluchtweg hinweisen sollten. Aber die Situation war dermaßen chaotisch, dass sie so gut wie von niemandem beachtet wurden.

Ich folgte den weißen Pfeilen, rannte einen weiteren Korridor entlang und kam schließlich an eine Fensterfront, die zur Rückseite des Gebäudes ausgerichtet war, in dessen unteren Geschossen sich das STARFIRE befand.

Eine Feuerleiter führte in die Tiefe. Ich schlug mit dem Griff der Dienstwaffe das kleine Glasfenster ein, hinter der sich der Schlüssel befand, mit dessen Hilfe man jene Tür öffnen konnte, die hinaus auf die Feuertreppe führte.

Ich stieß die Tür auf.

Halb rannte, halb rutschte ich die letzten drei Absätze der Feuertreppe hinunter. Unten erwartete mich ein ziemlich enger Hinterhof. Mehrere Fahrzeuge parkten hier. Lieferwagen und lange Limousinen. Ich lag wahrscheinlich richtig mit der Annahme, dass es ein Privileg des STARFIRE-Besitzers war, hier parken zu dürfen. Ich rannte weiter, erreichte die Einfahrt, die durch ein etwa ein Meter fünfzig hohes Gittertor abgesperrt war. Ich sprang hinüber, erreichte eine kleine Nebenstraße, in der Einbahnverkehr herrschte und die von beiden Seiten so zugeparkt war, dass größere Fahrzeuge sich hier wohl ausschließlich im Schritttempo bewegen konnten.

Hier gab es nur wenig Passanten. Die meisten Fahrzeuge, die hier abgestellt worden waren, gehörten vermutlich Gästen des STARFIRE.

Ich nahm das Handy ans Ohr, nachdem ich eine Kurzwahltaste betätigt hatte, um unser Field Office in der Federal Plaza zu erreichen.

Ich bekam Mister McKee an den Apparat und schilderte ihm in knappen Worten, was hier an der Avenue A los war.

„Ich werde alles Notwendige in die Wege leiten“, versprach er.

„Der Krieg scheint jetzt richtig los zu gehen“, erwiderte ich. „Da braucht man ja wohl nur zwei und zwei zusammenzählen, um sich ausrechnen zu können, dass Marinis Leute dahinter stecken.“

„Was wir ihm hoffentlich auch beweisen können, Jesse!“

„Ich melde mich wieder!“

„Okay, Jesse!“

Ich unterbrach die Verbindung und setzte meinen Weg fort. Zwischen zwei etwa zehnstöckigen und damit für New Yorker Verhältnisse eher flachen Häusern gab es eine Lücke von kaum etwas mehr als anderthalb Metern. Durch diese schmale Gasse konnte man – wenn ich mich nicht völlig falsch orientiert hatte, zurück zur Avenue A gelangen können. Es handelte sich weder um einen regulären Fußweg, noch um eine Straße, denn abgesehen von Motorrädern und Fahrrädern hätte sie nicht passiert werden können. Vermutlich waren es Feuerschutzgründe, die dazu geführt hatte, dass man in diesem Fall nicht wie sonst üblich, direkt an die Mauern des Nachbargebäudes herangebaut hatte.

Jedenfalls war der Weg asphaltiert.

Es herrschte Dunkelheit dort.

Von der anderen Seite hörte ich Schritte.

Ein Bewegungsmelder sorgte für die Aktivierung einer spärlichen Außenbeleuchtung, die aber ausreichte, um die beiden Kerle zu erkennen, die mir entgegen kamen und jetzt ihren Lauf ebenso abrupt stoppten wie ich.

Es waren ‚Mickey’ und ‚Donald’.

Die großen, schwarzweißen Comic-Augen blickten in meine Richtung. Dem Körperbau nach handelte es sich bei beiden um Männer.

Die beiden Männer trugen MPis vom israelischen Typ Uzi, der sich vor allem durch seine Zierlichkeit auszeichnet.

Ich riss die SIG empor.

„FBI! Das war der falsche Fluchtweg, den ihr euch ausgesucht habt! Ihr seid verhaftet! Sofort die Waffen fallen lassen und die Masken herunter!“

Für eine volle Sekunde geschah nichts. Die beiden Maskierten standen wie erstarrt da, während ich ihnen mit der SIG in der Faust ein paar Schritte entgegen ging.

„Okay, okay, G-man...“ dröhnte es unter der Mickey-Maske hervor. Er schleuderte mir die Uzi entgegen. Gleichzeitig griff er unter die Jacke und riss eine Automatik hervor. Aber ich ließ ihn nicht zum Schuss kommen.

Ich feuerte die SIG ab.

Mein Schuss traf meinen Gegner an der Schulter. Er schrie auf. Die Wucht des Geschosses ließ ihn rückwärts taumeln. Ein ungezielter Schuss löste sich aus seiner Automatik, der als tückischer Querschläger zwischen den Wänden beider Häuser hin und her geschickt wurde.

Glücklicherweise aber oberhalb meiner Kopfhöhe.

Der Mann mit der Donald-Maske hatte einen Sekundenbruchteil zu lange gezögert, um mich mit der überlegenen Feuerkraft seiner Uzi über den Haufen zu ballern. Jetzt schien er zu begreifen, dass das Risiko für ihn verdammt hoch war. Der Lauf meiner SIG war auf ihn gerichtet. Innerhalb der engen Gasse hatte er keinerlei Möglichkeit auszuweichen oder in Deckung zu gehen.

„Nicht schießen!“, sagte er und legte vorsichtig die Waffe auf den Boden. Ich näherte mich.

„An die Wand und Hände hoch. Beine auseinander und die Handflächen gegen die Wand drücken!“, befahl ich.

Er gehorchte.

‚Mickey’ wälzte sich derweil am Boden. Die Uzi, die er mir entgegen geschleudert hatte, nahm ich vom Boden auf.

Die Automatik war ‚Mickey’ aus der Hand gefallen, da seine Finger ihm nicht mehr gehorcht hatten. Mit der Linken versuchte er die starke Blutung an der Schulter zu stillen. Der dünne Blouson und das Hemd, das er trug, waren bereits Blut durchtränkt. Rot rann es zwischen seinen Fingern hindurch.

Die Uzi befand sich nur einen halben Meter von ihm entfernt. Seine Muskeln spannten sich an.

„Denken Sie nicht einmal daran!“, knurrte ich.

Ich trat hinzu, kickte die Automatik aus seiner Reichweite.

––––––––




ICH LEGTE DEN BEIDEN Männern Handschellen an, zog ihnen die Masken herunter und durchsuchte sie nach Waffen. Dabei fand ich noch einen kleinkalibrigen Revolver vom Kaliber 22, ein Springmesser und zwei Shuriken. Außerdem eine Handgranate und eine Nebelbombe. Letztere hätten sie niemals innerhalb des STARFIRE zünden wollen, beteuerten die beiden – wohl mit Blick auf die zu erwartenden Gerichtsverfahren.

Die Situation rund um das STARFIRE entspannte sich nur langsam.

Einsatzfahrzeuge von FBI, NYPD und Emergency Service näherten sich der Avenue mit Sirenen und Warnlichtern.

Ich telefonierte erst mit Milo und anschließend mit Mister McKee.

Milo berichtete mir, dass Ellroy Garcia noch lebte. Er war zwar schwer verletzt durch mehrere Kugeln, aber noch lebte er.

Einige seiner Leute kümmerten sich um ihn.

Milo und Rita tauchten wenig später bei mir auf, um mir bei den beiden verhafteten Mobstern zu helfen.

„Ich brauche einen Arzt!“, rief der Verletzte. „Das ist Polizeibrutalität!“

„Sie bekommen einen Arzt, sobald der es geschafft hat, sich bis her durchzuschlagen“, erwiderte ich kühl. „Und dank Ihres Auftritts im STARFIRE können Sie sicher sein, dass es da auch noch andere gibt, die vielleicht sogar dringender Hilfe brauchen als Sie!“

Die beiden hatten Führerscheine und Kreditkarten bei sich, anhand derer wir sie ziemlich leicht zu identifizieren vermochten. Der Verletzte hieß Alex Mantone, sein Komplize trug den Namen Robert Torturro. Über eine Abfrage per Handy hatten wir sehr schnell heraus, dass beide eine Liste einschlägiger Vorstrafen aufzuweisen hatten und in enger Verbindung zum Marini-Syndikat standen.

„Alle Achtung, Jesse!“, äußerte sich Rita Moreno voller Anerkennung. „Immerhin haben Sie von dem halben Dutzend schießwütigen Mobstern zwei im Alleingang festgenommen. Das muss Ihnen erstmal einer nachmachen!“

„War Glück dabei“, schränkte ich ein.

„Jetzt spielen Sie nicht den Bescheidenen, Jesse. Das passt doch gar nicht zu Ihnen.“ Dabei zwinkerte sie mir zu. Ich hatte das Gefühl, dass zum ersten Mal, seit ich ihr in Mister McKees Zimmer begegnet war, wenigstens ein Teil der inneren Anspannung von ihr abgefallen war, die offenbar ansonsten vollkommen von ihr Besitz ergriffen hatte.

Eine Anspannung, die vielleicht tatsächlich mit den Dingen in Zusammenhang stand, die Ellroy Garcia mir über sie berichtet hatte.

„Die anderen kriegen wir auch noch“, äußerte sich Milo zuversichtlich. „Wir wissen jetzt jedenfalls schon mal, wo wir suchen müssen. In Little Italy nämlich.“

Ich wandte mich an die beiden Mobster. „Sie wissen ja, dass Sie das Recht zu schweigen haben und einen Anwalt hinzuziehen können. Schließlich wurden Sie heute ja nicht zum ersten Mal verhaftet.“

„Dann würde ich sagen, machen wir Gebrauch davon“, knurrte Robert ‚Donald Duck’ Torturro. „Wir sagen keinen Ton.“

„Dumm für Sie – denn jetzt könnten Sie den Vorteil nutzen, als erste auszusagen und damit der Staatsanwaltschaft Ihre Kooperationsbereitschaft zu signalisieren.“

„Es hat wenig Sinn, wenn Sie versuchen, uns mit Ihren Tricks und Winkelzügen weich zu kochen“, erwiderte Torturro nach einem kurzen Moment des Schweigens, wobei er kaum die Lippen auseinander bekam, sodass seine Worte ziemlich gepresst wirkten.

„Wir können Sie auch schützen, falls sich Ihre Angst darauf bezieht, dass Ihre Auftraggeber...“

„Ich habe überhaupt keine Angst!“, behauptete Torturro. „Vor niemandem.“

„Wie Sie meinen. Wenn Sie die Schuld an dem, was Sie hier angerichtet haben, unbedingt auf Ihre persönliche Kappe nehmen wollen – ganz allein. Aber ehrlich gesagt verstehe ich Sie nicht. Denn Harry Marini oder einer seiner Captains würde dasselbe umgekehrt niemals für Sie tun. Nun kommen Sie schon! Wer hat Sie beauftragt, hier im STARFIRE alles kurz und klein zu schießen und Ellroy Garcia umzubringen.“

Jetzt mischte sich Milo ein.

„Mord, Mordversuch... Totschlag, versuchter Totschlag... Vielleicht sogar fahrlässige Tötung. Von der strafrechtlichen Bewertung her liegen zwischen diesen Taten Welten. Und so, wie ich Ihren Fall sehe, ist da noch alles drin. Der Leibwächter war zwar nicht mehr zu retten, aber Ellroy Garcia hat ja vielleicht mehr Glück und kommt durch. Es gibt übrigens noch fünf andere Schwerverletzte im STARFIRE, von denen drei in Lebensgefahr schweben.“

„Sollen sie verrecken!“, knurrte Torturro.

„Beten Sie dafür, dass sie überleben“, erwiderte Milo kühl. „Das hat nämlich direkte Auswirkungen darauf, welcher Verbrechen man Sie anklagen wird.“

„Diese Männer wissen Ihre Großzügigkeit einfach nicht zu schätzen, Milo“, meinte Rita Moreno.

Milo zuckte die Schultern.

„Wir haben es jedenfalls probiert. Wer weiß, vielleicht kommt mehr dabei heraus, wenn wir sie getrennt verhören. Jesse? Hörst du mir überhaupt zu?“

Ich war gerade damit beschäftigt, mir das Handy eines der Verdächtigen genauer anzusehen. Es gehörte dem verletzten Alex ‚Mickey Mouse’ Mantone. Es war ein Prepaid-Gerät, bei dem man im Voraus eine Karte mit einem bestimmten Gegenwert erwerben muss, wenn man nicht, wie sonst üblich, einen festen Vertrag mit einem Telefonanbieter geschlossen hat. Ein Prepaid-Handy ist weitaus schwerer zu identifizieren und abzuhören, weswegen es in den Kreisen des organisierten Verbrechens seit längerem üblich geworden ist, die mobilen Kartentelefone anstatt von Handys mit regulärem Vertrag zu benutzen. Die Prepaid-Handys wurden außerdem noch in entsprechend kurzen Intervallen gewechselt, so dass die Gefahr geortet oder abgehört zu werden auf ein Minimum reduziert wurde.

Mantone hatte es nicht mehr geschafft, sein Gerät abzuschalten, bevor ich ihn verhaftet hatte. Und so war es nun ein Leichtes für mich, in das interne Menue hereinzukommen und unter anderem nachzuforschen, mit wem Mantone in letzter Zeit telefoniert hatte.

Kurz vor dem Anschlag auf das STARFIRE und seinen Besitzer hatte Mantone noch ein Gespräch gehabt. Die Nummer, die er angewählt hatte, ließ ich mir auf dem Display anzeigen und wählte sie nun meinerseits an.

„Wer ist da?“, fragte eine raue, etwas heisere Stimme, wenig später, als ich das Gerät ans Ohr nahm. „Robert? Bist du das? Ist alles glatt gegangen?“

Ich unterbrach die Verbindung wieder.



Konzert der Mörder: 11 Strand Krimis

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