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Prolog

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Strahlendes Weiß

Diese Biographie zeichnet das Leben von Nell Gwyn nach (1650–1687), der bekanntesten und beliebtesten der Mätressen Charles’ II., deren siebzehn Jahre währendes Verhältnis mit dem König eine der großen Liebesgeschichten unserer Geschichte darstellt.

Nell Gwyn war die Verkörperung ihrer Zeit und wurde deshalb auch als die »wahre Königin des Englands der Restaurationszeit« bezeichnet. Sie hat alle Stufen gesellschaftlicher Existenz erlebt, und wenn auch ihr Sohn in den Rang eines Herzogs erhoben wurde, so starb doch ihre Mutter in der Gosse. Sie war eine der ersten Berufsschauspielerinnen in England, und sofern wir Samuel Pepys und John Dryden Glauben schenken dürfen, die beste Komödiantin ihrer Zeit. Sie war eine echte »Prinzessin des Volkes« und die einzige königliche Mätresse, die je dazu beigetragen hat, die Beliebtheit des Monarchen zu steigern. Die Geschichte der Liebe des Königs zu ihr symbolisiert die Verbindung des Herrschers mit seinem Volk.

Wie der Dramatiker und Autor Clifford Bax es einmal ausgedrückt hat, »beinhaltet ihr Name für all jene, deren Muttersprache das Englische ist, mehr Sonnenschein als der Name irgendeiner anderen Frau in der Geschichte«.1 »Eleanor«, »Ellen« und »Nell« sind allesamt Spielarten von Helena und bedeuten soviel wie »die Helle oder Strahlende«, ein Name, der an Helena von Troja denken lässt, die betörendste aller Frauen, aber auch an die Heilige Helena, die keltische, zum Christentum übergetretene Mutter des Kaisers Konstantin und Tochter jenes legendären, guten alten Königs King Cole.2 Der Name »Gwyn« bedeutet im Walisischen »Weiß«, so dass Nell Gwyn die »strahlend Weiße« ist, ein perfekter Name für eine Frau, deren bemerkenswerte Unschuld, deren Humor und Anständigkeit sie zu einer Volksheldin der englischen Geschichte gemacht haben.

Ihrer Biographin Jeanine Delpech zufolge besaß Nell mit ihrem ›lebhaften, blitzgescheiten Gesicht‹ alle Merkmale einer Märchenprinzessin.3 Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass so viele heutige und frühere Kommentatoren eher ihren Verstand und Witz hervorheben als ihre eigentliche Schönheit. Samuel Pepys war der Erste, der feststellte: »Fürwahr, eine höchst liebreizende Person«, und Aphra Behn, die Dramatikerin der Restaurationszeit, sprach von ihrem »zeitlos anmutigen« Gesicht und schrieb: »Wo immer du auch erscheinst, erfüllst du die Herzen jener mit Freude, die das Glück genießen, dich zu sehen, gerade so, als wärest du dazu ausersehen, alle Welt in gute Stimmung zu versetzen.«4 Und selbst Winston Churchill, der nicht gerade für überschwängliche Komplimente bekannt ist, erwähnt in Band II seiner History of the English-Speaking Peoples die »überirdisch schöne und stets gut gelaunte Nell Gwyn«.

Anekdoten und Geschichten über Nell wurden von Generation zu Generation weiter erzählt und haben sie auch für jene zu einem Begriff gemacht, die sich normalerweise nicht für die Geschichte des siebzehnten Jahrhunderts interessieren. Selbst so ein Lausebengel wie Huckleberry Finn hat schon von ihr gehört. Und als er und Jim auf ihrem Floß den Mississippi hinunterschippern, versucht er, den Freund in die vertrackten Verhältnisse der englischen Geschichte einzuweihen: »Mann, du hättest mal den guten alten Heinrich VIII. sehen sollen, als der noch ein junger Kerl war. Der war vielleicht ein Kerl! Jeden Tag hat er ’ne neue Frau geheiratet und am nächsten Tag hat er ihr dann den Kopf abgehauen. ›Bringt mal Nell Gwyn her‹, sagt er, und man bringt sie. Und am nächsten Morgen: ›Kopf ab!‹ und ab war er.«

Geschichtsforschung und volkstümliche Überlieferung haben sich bei der Wiedergabe ihrer Liebesgeschichte stets kreativ ergänzt. Doch in unserer Wahrnehmung von Nell Gwyn spielt noch eine weitere, tiefer gehende Dimension eine Rolle: der Mythos. Der Mythos, der ihre Geschichte am besten repräsentiert, ist der vom Aschenputtel, das seinen Traumprinzen findet, weil es sich selber treu bleibt. Es ist die Geschichte vom Triumph des Geistes über niedere Begierden, und es ist die Offenbarung von innerer Schönheit. Im Gegensatz zu seinen stolzen, ruhmsüchtigen Stiefschwestern bleibt das Aschenputtel seinen innersten Gefühlen treu. Es bleibt zu Hause am Herd und hält so die Flamme seiner Individualität am Leben. Diese Aufrichtigkeit bewirkt, dass übernatürliche Kräfte in Form eines Haselstrauchs und einer Taube ihm zu Hilfe kommen – beides Sinnbilder des Geistes. Am Ende ist es der Prinz, der das Aschenputtel erwählt, und nicht umgekehrt. Und ebenso verhielt es sich mit Nell, die sich nicht einmal einen Monat lang als Spielgefährtin und Geliebte des Königs hätte halten können, geschweige denn siebzehn Jahre, wäre sie sich nicht selber treu geblieben.

Genau wie beim Aschenputtel, das sich auf übernatürliche Kräfte stützt, um auf dem Ball des Prinzen tanzen zu können, ist auch etwas geradezu Wundersames daran, dass es Nell Gwyn gelang, das Herz des Königs für sich zu gewinnen. Wie war es einer in den Elendsvierteln von London aufgewachsenen Austernhökerin möglich, eine dauerhafte Beziehung zu dem wichtigsten Mann im Land herzustellen und sich bei Hofe einen Platz zu erobern? Nun, sie muss wohl schon wie ein Wirbelsturm in den weiten Gängen und den Ankleideräumen von Whitehall empfunden worden sein und nicht nur wie eine frische Brise. Bischof Burnet, ein unverhohlener Kritiker Charles’ II., beschrieb Nell jedenfalls als »das taktloseste und wildeste Geschöpf, das je bei Hofe gesehen ward«.

Die Antwort auf diese Frage liegt höchstwahrscheinlich in der Rolle, die sie übernahm; sie spielte den Narren, dessen Markenzeichen, die Naivität, ihr den königlichen Schutz sowie einen eigentümlich innigen und unverrückbaren Platz im Herzen des Herrschers sicherte. In gewisser Weise setzte Nell einfach ihre Karriere als Schauspielerin fort, die sie auf dem Theater begonnen hatte, nur dass dieses Mal ihre Bühne der Hof war. Als Parodistin, Schelm und ganz allgemein als die Lady, die für Unruhe sorgt, füllte sie am nachmittelalterlichen Hof Charles’ II. eine echte Lücke aus.

Ich schreibe als ein direkter Nachfahre von Nell Gwyn und König Charles II. sowie als Erbe des Herzogtitels von St. Albans, eines Titels, den der König für ihren gemeinsamen Sohn geschaffen hat. Damit möchte ich von Anfang an klarstellen, dass dies ein sehr subjektives Porträt meiner Vorfahrin ist. Das soll nun aber keineswegs heißen, dass mein Blick auf die ›Fakten‹ weniger streng ist als der meiner Biographenvorgänger, sondern nur, dass ich gerne jenes lebendige, familiäre Band wiederaufnehmen möchte, das mich mit meiner Ahnin verbindet. Letztendlich habe ich versucht, mit dieser Biographie ein intimes Bild von Nell Gwyn zu zeichnen, eines, das über die Ikone hinausgeht und zur lebendigen Person vordringt; ich wollte herausfinden, welche Bedeutung sie für das Leben am Hof und auch für das Land insgesamt gespielt hat.

Bei der Erforschung ihrer Rolle und Bedeutung für das Leben der Nation habe ich mich nicht nur auf die historische Berichterstattung gestützt, sondern auch die Mythen und Erzählungen mit einbezogen, die ihr Leben umranken. Damit ist es mir hoffentlich gelungen, Nell Gwyns Bedeutung für ihre Zeit und auch für die unsrige herauszustellen. Wir haben es hier mit einer Frau zu tun, die die Monarchie zum Volk und das Volk zur Monarchie gebracht hat, mit einer Frau, die zum Sinnbild für die Verbindung von König und Untertan geworden ist. Was würde das heutige Haus Windsor nicht alles darum geben, mit einer solch starken Kraft auf die Psyche des Volkes Einfluss nehmen zu können.

Nell Gwyn

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