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Aus „Die Fahrt der Beagle“ 24. Juli 1833

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Die Beagle verließ Maldonado und erreichte am 3.August die Mündung des Rio Negro. Es ist der bedeutendste Fluss auf dem gesamten Küstenstreifen zwischen Magellanstraße und Plata. Er tritt ungefähr dreihundert Meilen südlich der Mündung des Plata ins Meer. Vor rund fünfzig Jahren wurde hier unter der alten spanischen Regierung eine kleine Ansiedlung gegründet, die noch heute die südlichste von zivilisierten Menschen bewohnte Position (41° S) an dieser Ostküste Amerikas ist. Das Land nahe der Flussmündung ist aufs Äußerste dürftig: Auf der Südseite beginnt ein langer Abschnitt lotrechter Kliffs, welche einen Teil der geologischen Natur des Landes bloßlegen. Die Schichten bestehen aus Sandstein, und ein Lager fiel insofern auf, als es aus einem fest zementierten Konglomerat aus Bimssteinkieseln bestand, die über vierhundert Meilen weit von den Anden hergewandert sein müssen. Die Oberfläche ist überall von einer dicken Geröllschicht bedeckt, die sich weit und breit über die offene Ebene erstreckt. Wasser ist äußerst rar und, wo angetroffen, stets brackig. Die Vegetation ist kärglich, und obgleich es vielerlei Büsche gibt, sind doch alle mit furchteinflößenden Dornen bewehrt, so als wollten sie den Fremden davor warnen, diese ungastliche Region zu betreten. Die Ansiedlung liegt achtzehn Meilen flussaufwärts. Die Straße folgt dem Fuß des Steilufers, welches die Nordgrenze des großen Tales bildet, worin der Rio Negro fließt. Unterwegs kamen wir an den Ruinen einiger schöner estancias vorbei, die einige Jahre zuvor von den Indianern zerstört worden waren. Sie widerstanden mehreren Attacken. Ein Mann, der bei einer zugegen war, gab mir eine lebhafte Beschreibung der Geschehnisse. Die Bewohner waren genügend lange vorgewarnt, um alle Rinder und Pferde in den Corral zu treiben, welcher das Haus umgab, auch, um eine kleine Kanone aufzustellen. Die Indianer waren Araukaner aus dem Süden Chiles, mehrere hundert an der Zahl und äußerst diszipliniert. Zunächst erschienen sie in zwei Gruppen auf einem nahegelegenen Hügel; nachdem sie dann abgestiegen und sich ihrer Fellumhänge entledigt hatten, rückten sie nackt zum Angriff vor. Die einzige Waffe des Indianers ist ein sehr langer Bambus oder chuzo, der mit Straußenfedern geschmückt und mit einer scharfen Speerspitze versehen ist. Mein Informant schien sich des Zitterns dieser chuzos, während sie heranflogen, mit dem größten Entsetzen zu erinnern. Als sie dicht davor waren, rief der Cacique Pincheira den Belagerten zu, sie sollten ihre Waffen übergeben, sonst werde er ihnen allen die Kehle durchschneiden. Da dies vermutlich unter allen Umständen das Ergebnis ihres Einmarschs gewesen wäre, erfolgte die Antwort mittels einer Salve aus Musketen. Die Indianer rückten mit großer Stetigkeit bis zum Zaun des Corrals vor: Doch zu ihrer Überraschung fanden sie die Pfosten statt mit Lederriemen mit Eisennägeln befestigt vor, weswegen sie natürlich vergebens versuchten, sie mit ihren Messern durchzuschneiden. Das rettete den Christen das Leben: Viele der verwundeten Indianer wurden von ihren Kameraden fortgetragen; und nachdem endlich einer der Unter-Caciques verwundet wurde, erscholl das Hornsignal zum Rückzug. Sie kehrten zu ihren Pferden zurück und hielten offenbar Kriegsrat. Das war eine schreckliche Pause für die Spanier, da ihre gesamte Munition bis auf einige wenige Patronen verbraucht war. Im Nu saßen die Indianer auf und galoppierten außer Sichtweite. Ein weiterer Angriff wurde noch schneller zurückgeschlagen. Ein kühler Franzose bediente die Kanone; er wartete, bis die Indianer nahe heran waren, dann bestrich er ihre Reihen mit Kartätschen: So streckte er neununddreißig von ihnen zu Boden, und ein solcher Schlag veranlasste natürlich die ganze Meute zur Flucht.

Der Ort heißt gleichermaßen El Carmen oder Patagones. Er ist am Hang eines Felsens erbaut, der dem Fluss zugewandt ist, und viele Häuser sind sogar in den Sandstein gegraben. Der Fluss, ungefähr zwei- bis dreihundert Yard breit, ist tief und reißend. Die vielen Inseln mit ihren Weidenbäumen und die flachen Landzungen, die eine hinter der anderen an der Nordgrenze des breiten, grünen Tals zu sehen sind, bieten mithilfe der strahlenden Sonne einen beinahe pittoresken Anblick. Die Zahl der Einwohner geht nicht über ein paar Hundert hinaus. Diese spanischen Kolonien tragen nicht wie unsere britischen die Elemente des Wachstums in sich. Viele Indianer reinen Blutes leben hier: Der Stamm der Cacique Lucanee hat beständig seine toldos am Ortsrand stehen. Die örtliche Regierungspartei versorgt sie mit Nahrungsmitteln, indem sie ihnen die ganzen ausgemergelten Pferde gibt, und sie verdienen sich ein wenig mit der Fertigung von Pferdedecken und anderem Reitgerät. Diese Indianer werden als zivilisiert angesehen, doch was ihr Wesen durch ein geringeres Maß an Wildheit gewonnen haben mag, wird nahezu gänzlich von ihrer vollkommenen Unmoral aufgewogen. Einige der jüngeren Männer machen indes Fortschritte: Sie sind bereit zu arbeiten, und kurz davor fuhr eine Gesellschaft auf Robbenfahrt und hat sich sehr gut betragen. Sie genossen nun die Früchte ihrer Arbeit, indem sie sehr farbenfrohe, saubere Kleider trugen und sehr faul waren. Der Geschmack, den sie in ihrer Kleidung zeigten, war bewundernswert; hätte man einen dieser jungen Indianer in eine Bronzestatue verwandeln können, so wäre sein Gewand absolut würdevoll gewesen.

Eine bestimmte Grenzlinie ist bis jetzt sicherlich nicht gezogen worden, weder zwischen Arten und Unterarten, d.h. solchen Formen, welche nach der Meinung einiger Naturforscher den Rang einer Spezies nahezu, aber doch nicht gänzlich erreichen, noch zwischen Unterarten und ausgezeichneten Varietäten, noch endlich zwischen den geringeren Varietäten und individuellen Verschiedenheiten. Diese Verschiedenheiten greifen, in eine Reihe geordnet, unmerklich ineinander, und die Reihe weckt die Vorstellung von einem wirklichen Übergang.

Daher werden die individuellen Abweichungen, welche für den Systematiker nur wenig Wert haben, für uns von großer Wichtigkeit, weil sie die erste Stufe zu denjenigen geringeren Varietäten bilden, welche man in naturgeschichtlichen Werken der Erwähnung wert zu halten pflegt. Ich sehe ferner diejenigen Abänderungen, welche etwas erheblicher und beständiger sind, als die nächste Stufe an, welche uns zu den mehr auffälligen und bleibenden Varietäten führt, wie uns diese zu den Subspezies und endlich Spezies leiten. Der Übergang von einer dieser Stufen in die andere nächsthöhere mag in einigen Fällen lediglich von der langwährenden Einwirkung verschiedener natürlicher Bedingungen in zwei verschiedenen Gegenden herrühren; doch habe ich nicht viel Vertrauen zu dieser Ansicht und schreibe den Übergang von einer leichten Abänderung zu einer wesentlicher verschiedenen Varietät der Wirkung der natürlichen Züchtung mittels Anhäufung individueller Abweichungen der Struktur in gewisser steter Richtung zu, wie nachher näher auseinandergesetzt werden soll. Ich glaube daher, dass man eine gut ausgeprägte Varietät mit Recht eine beginnende Spezies nennen kann; ob sich aber dieser Glaube rechtfertigen lasse, muss aus dem allgemeinen Gewicht der in diesem Werk beigebrachten Tatsachen und Ansichten ermessen werden.

Es ist nicht nötig zu unterstellen, dass alle Varietäten oder beginnenden Spezies sich wirklich zum Rang einer Art erheben. Sie können in diesem beginnenden Zustand wieder erlöschen; oder sie können als solche Varietäten lange Zeiträume durchlaufen, wie Wollaston von den Varietäten gewisser Landschneckenarten auf Madeira gezeigt hat. Gedeiht eine Varietät derartig, dass sie die elterliche Spezies in Zahl übertrifft, so sieht man sie für die Art und die Art für die Varietät an; sie kann die elterliche Art aber allmählich auch ganz ersetzen und überleben; oder beide können endlich wie unabhängige Arten nebeneinander fortbestehen. Doch wir werden nachher auf diesen Gegenstand zurückkommen.

Aus diesen Bemerkungen geht hervor, dass ich den Kunstausdruck »Spezies« als einen nur willkürlich und der Bequemlichkeit halber auf eine Reihe von einander sehr ähnlichen Individuen angewendeten betrachte, und dass er von dem Kunstausdruck »Varietät« nicht wesentlich, sondern nur insofern verschieden ist, als dieser auf minder abweichende und noch mehr schwankende Formen Anwendung findet. Und ebenso ist die Unterscheidung zwischen »Varietät« und »individueller Abänderung« nur eine Sache der Willkür und Bequemlichkeit.

Durch theoretische Betrachtungen geleitet, habe ich geglaubt, dass sich einige interessante Ergebnisse in Bezug auf die Natur und die Beziehungen der am meisten variierenden Arten darbieten würden, wenn man alle Varietäten aus verschiedenen wohlbearbeiteten Floren tabellarisch zusammenstellte. Anfangs schien mir dies eine einfache Sache zu sein. Aber Herr H. C. Watson, dem ich für seine wertvollen Dienste und seine Hilfe in dieser Beziehung sehr dankbar bin, überzeugte mich bald, dass dies mit vielen Schwierigkeiten verknüpft sei, was späterhin Dr. Hooker in noch bestimmterer Weise bestätigte. Ich behalte mir daher für mein künftiges Werk die Erörterung dieser Schwierigkeiten und die Tabellen über die Zahlenverhältnisse der variierenden Spezies vor. Dr. Hooker erlaubt mir noch beizufügen, dass, nachdem er meine handschriftlichen Aufzeichnungen und Tabellen sorgfältig durchgelesen, er die folgenden Feststellungen für vollkommen wohlbegründet halte. Der ganze Gegenstand aber, welcher hier notwendig nur sehr kurz abgehandelt werden muss, ist ziemlich verwickelt, zumal Bezugnahmen auf das »Ringen um Existenz«, auf die »Divergenz des Charakters« und andere erst später zu erörternde Fragen nicht vermieden werden können.


Palmen, hatte Darwin das Gefühl, gaben doch jeder Landschaft ein tropisches Flair.


Halt an einer Pulperia in den Pampas, aus Darwins Reise eines Naturforschers um die Welt.

Alphonse de Candolle u.a. Botaniker haben gezeigt, dass solche Pflanzen, die sehr weit ausgedehnte Verbreitungsbezirke besitzen, gewöhnlich auch Varietäten darbieten, wie sich ohnedies schon erwarten lässt, weil sie verschiedenen physikalischen Einflüssen ausgesetzt sind und mit anderen Gruppen von Organismen in Mitbewerbung kommen, was, wie sich nachher ergeben soll, von noch viel größerer Wichtigkeit ist. Meine Tabellen zeigen aber ferner, dass auch in einem beschränkten Gebiet die gemeinsten, d.h. die in den zahlreichsten Individuen vorkommenden Arten und jene, welche innerhalb ihrer eigenen Gegend am meisten verbreitet sind (was von »weiter Verbreitung« und in gewisser Weise von »Gemeinsein« wohl zu unterscheiden ist), oft zur Entstehung von hinreichend bezeichneten Varietäten Veranlassung geben, um sie in botanischen Werken aufgezählt zu finden. Es sind mithin die am üppigsten gedeihenden oder, wie man sie nennen kann, dominierenden Arten, nämlich die am weitesten über die Erdoberfläche ausgedehnten, die in ihrer eigenen Gegend am allgemeinsten verbreiteten, es sind die an Individuen reichsten Arten, welche am öftesten wohl ausgeprägte Varietäten oder, wie man sie nennen möchte, beginnende Spezies liefern. Und dies ist vielleicht vorauszusehen gewesen; denn so wie Varietäten, um einigermaßen bleibend zu werden, notwendig mit anderen Bewohnern der Gegend zu kämpfen haben, so werden auch die bereits herrschend gewordenen Arten am meisten geeignet sein, Nachkommen zu liefern, welche, mit einigen leichten Veränderungen, diejenigen Vorzüge noch weiter zu vererben im Stande sind, wodurch ihre Eltern über ihre Landesgenossen das Übergewicht errungen haben.

Die Entstehung der Arten

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