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Aus der Autobiographie von Charles Darwin

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Da ich in der Schule nichts Rechtes zuwege brachte, ließ mich mein Vater klugerweise früher als üblich abgehen und schickte mich (im Oktober 1825) zu meinem Bruder auf die Universität Edinburgh, wo ich zwei Studienjahre lang blieb. Mein Bruder war dabei, sein Medizinstudium abzuschließen, obwohl ich nicht glaube, dass er je die wirkliche Absicht hatte zu praktizieren, und ich sollte mit diesem Studium anfangen. Aber nur wenig später gewann ich aus verschiedenen kleinen Umständen die Überzeugung, mein Vater werde mir so viel Vermögen hinterlassen, dass mein Auskommen gut gesichert sei, hätte mir aber nie träumen lassen, ein so wohlhabender Mann zu sein, wie ich es nun bin. Dennoch war meine Überzeugung stark genug, dass sie jede ernste Anstrengung, Medizin zu lernen, in Grenzen hielt.

Mein Bruder blieb nur noch ein Jahr an der Universität, sodass ich im zweiten Jahr auf mich allein gestellt war; und das hatte Vorteile, weil ich auf diese Weise engeren Kontakt zu mehreren jungen Leuten bekam, die sich für Naturwissenschaften begeisterten. Einer von ihnen war Ainsworth, der später ein Buch über seine Reisen in Assyrien herausgab; er war ein Geologe aus der Werner-Schule, der auf vielen Gebieten ein wenig Bescheid wusste. Ganz anders Dr. Coldstream, fein, formell, sehr religiös und überaus gutherzig; er veröffentlichte später mehrere gute Aufsätze zur Zoologie. Ein dritter junger Mann war Hardie, der wohl ein guter Botaniker geworden wäre, aber jung in Indien starb. Schließlich Dr. Grant, mehrere Jahre älter als ich, aber wie es zu unserer Bekanntschaft kam, weiß ich nicht mehr; er publizierte mehrere erstklassige Abhandlungen über Zoologie, aber nachdem er als Professor ans University College London gekommen war, arbeitete er nicht mehr wissenschaftlich – eine Tatsache, die mir immer unerklärlich geblieben ist. Ich kannte ihn gut; er war trocken und formell in seinem Auftreten, aber mit viel Enthusiasmus unter der äußeren Schale. Als wir eines Tages zusammen spazieren gingen, brach er in hohe Bewunderung für Lamarck und dessen Ansichten zur Evolution aus. Ich hörte in schweigendem Erstaunen zu und dass es, soweit ich es beurteilen kann, einen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen hätte. Zuvor hatte ich die ›Zoonomie‹ meines Großvater gelesen; er vertritt darin ähnliche Ansichten, aber auch sie hatten keine Wirkung auf mich. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass meine frühe Begegnung mit Menschen, die ich derartige Ansichten habe aufstellen und loben hören, mich doch darin bestärkt hat, sie in veränderter Form in meiner ›Entstehung der Arten‹ selbst zu vertreten. Damals bewunderte ich die ›Zoonomie‹ sehr; als ich das Buch aber zehn oder fünfzehn Jahre später wieder las, war ich sehr enttäuscht, weil es ein so großes Missverhältnis zwischen der Spekulation und den mitgeteilten Tatsachen enthielt.

Die Doktoren Grant und Coldstream beschäftigten sich intensiv mit der Meereszoologie, und den Ersteren begleitete ich häufig, um Tiere in den Fluttümpeln zu sammeln, die ich dann, so gut es ging, sezierte. Außerdem freundete ich mich mit ein paar Fischern in Newhaven an und fuhr manchmal mit ihnen hinaus, wenn sie mit den großen Netzen Austern fischten, so fand ich viele Exemplare. Weil ich aber keine Übung im Sezieren hatte und nur ein schlechtes Mikroskop besaß, waren meine Versuche eher armselig. Trotzdem machte ich eine interessante kleine Entdeckung und stellte diese der Plinian Society Anfang 1826 in einem kurzen Vortrag vor. Sie bestand darin, dass sich die sogenannten Eier von Flustra mit Hilfe ihrer Wimpern selbstständig bewegen können und in Wirklichkeit Larven sind. In einem anderen kleinen Aufsatz wies ich nach, dass die kleinen kugeligen Körper, die man für die Alge Fucus loreus im Frühstadium gehalten hatte, nichts anderes waren als die Eikapseln eines wurmartigen Tieres, der Pontobdella muricata.

Die Plinian Society wurde von Professor Jameson sehr gefördert und war, glaube ich, auch von ihm gegründet worden: Ihre Mitglieder waren Studenten; sie trafen sich in einem Kellerzimmer der Universität, um sich gegenseitig ihre Aufsätze zur Naturwissenschaft vorzulesen und darüber zu diskutieren. Ich nahm regelmäßig teil, und die Zusammenkünfte hatten einen guten Einfluss auf mich, indem sie meinen Eifer anspornten und mir Umgang mit Gleichgesinnten verschafften. Die Aufsätze, die in unserer kleinen Gesellschaft vorgelesen wurden, kamen nie zum Druck, sodass mir die Befriedigung, meine Abhandlung gedruckt zu sehen, nicht zuteilwurde; ich glaube aber, Dr. Grant erwähnte meine kleine Entdeckung in seiner ausgezeichneten Schrift über die Flustra

Dr. Grant nahm mich gelegentlich zu Sitzungen der Wernerian Society mit, wo verschiedene Abhandlungen über Naturgeschichte gelesen, diskutiert und später in den ›Transactions‹ veröffentlicht wurden. Ich habe dort einige interessante Vorträge von Audubon über die Lebensweise nordamerikanischer Vögel gehört, in denen er etwas ungerecht über Waterton spöttelte.

Dagegen kann man fragen, wie kommt es, dass die Varietäten, die ich beginnende Spezies genannt habe, sich zuletzt in gute und abweichende Spezies verwandeln, welche meistens unter sich viel mehr als die Varietäten der nämlichen Art verschieden sind? Wie entstehen diese Gruppen von Arten, welche als verschiedene Genera bezeichnet werden und mehr als die Arten dieser Genera voneinander abweichen? Alle diese Wirkungen erfolgen unvermeidlich, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, aus dem Ringen ums Dasein. In diesem Wettkampf wird jede Abänderung, wie gering und auf welche Weise immer sie entstanden sein mag, wenn sie nur einigermaßen vorteilhaft für das Individuum einer Spezies ist, in dessen unendlich verwickelten Beziehungen zu anderen Wesen und zur äußeren Natur mehr zur Erhaltung dieses Individuums mitwirken und sich gewöhnlich auf dessen Nachkommen übertragen. Ebenso wird der Nachkömmling mehr Aussicht haben, die vielen anderen Einzelwesen dieser Art, welche von Zeit zu Zeit geboren werden, von denen aber nur eine kleinere Zahl am Leben bleibt, zu überdauern. Ich habe dieses Prinzip, wodurch jede solche geringe, wenn nützliche Abänderung erhalten wird, mit dem Namen »natürliche Züchtung« belegt, um dessen Beziehung zur Züchtung des Menschen zu bezeichnen. Wir haben gesehen, dass der Mensch durch Auswahl zum Zwecke der Nachzucht große Erfolge sicher zu erzielen und organische Wesen seinen eigenen Bedürfnissen anzupassen im Stande ist durch die Häufung kleiner, aber nützlicher Abweichungen, die ihm durch die Hand der Natur dargeboten werden. Aber die natürliche Auswahl ist, wie wir nachher sehen werden, unaufhörlich tätig und des Menschen schwachen Bemühungen so unvergleichbar überlegen, wie es die Werke der Natur überhaupt denen der Kunst sind.

Wir wollen nun den Kampf ums Dasein etwas mehr ins Einzelne erörtern. In meinem späteren Werke über diesen Gegenstand soll er, wie er es verdient, in größerem Umfang besprochen werden. Der ältere de Candolle und Lyell haben reichlich und in philosophischer Weise nachgewiesen, dass alle organischen Wesen im Verhältnis der Mitbewerbung zueinander stehen. In Bezug auf die Pflanzen hat niemand diesen Gegenstand mit mehr Geist und Geschicklichkeit behandelt als W. Herbert, der Dechant von Manchester, offenbar infolge seiner ausgezeichneten Gartenbaukenntnisse. Nichts ist leichter, als in Worten die Wahrheit des allgemeinen Wettkampfes ums Dasein zuzugestehen, und nichts schwerer, als – wie ich wenigstens gefunden habe – dieselbe im Sinne zu behalten. Und bevor wir solche nicht dem Geist tief eingeprägt haben, bin ich überzeugt, dass wir den ganzen Haushalt der Natur, die Verteilungsweise, die Seltenheit und den Überfluss, das Erlöschen und Abändern in derselben nur dunkel oder ganz unrichtig begreifen werden. Wir sehen die Natur äußerlich in Heiterkeit strahlen, wir sehen bloß Überfluss an Nahrung; aber wir sehen nicht oder vergessen, dass die Vögel, welche um uns her sorglos ihren Gesang erschallen lassen, meistens von Insekten oder Samen leben und mithin beständig Leben vertilgen; oder wir vergessen, wie viele dieser Sänger oder ihrer Eier oder ihrer Nestlinge unaufhörlich von Raubvögeln und anderen Feinden zerstört werden; wir behalten nicht immer im Sinn, dass, wenn auch das Futter jetzt im Überfluss vorhanden, dies doch nicht zu allen Zeiten im Umlauf des Jahres der Fall ist.

Die Entstehung der Arten

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