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Viertes Kapitel.

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Oliver Twist fängt ein neues Leben unter Särgen an.

Die Directoren hatten Bumble befohlen, Erkundigungen einzuziehen, ob nicht etwa ein Stromschiffer eines Knaben bedürfe, wie man denn die jüngeren Söhne, und eben so die Waisen gern zur See schickt, um sich ihrer zu entledigen. Gerade als der Kirchspieldiener zurückkehrte, trat Mr. Sowerberry aus dem Hause, der Leichenbestatter des Kirchspiels, der es trotz seinem Geschäft doch nicht wenig liebte, zu scherzen.

„Ich habe so eben das Mass zu den beiden gestern Abend gestorbenen Frauenzimmern genommen, Mr. Bumble,“ rief er ihm entgegen, und bot ihm zugleich seine Dose, ein artiges kleines Modell eines Patentsarges.

„Sie werden noch ein reicher Mann werden, Mr. Sowerberry,“ bemerkte Bumble.

„Möcht’s wünschen; aber die Directoren zahlen nur gar zu geringe Preise.“

„Ihre Särge sind auch gar zu klein, Mr. Sowerberry.“

„Grössere thun auch nicht noth, Mr. Bumble, bei der neuen Speiseordnung.“

Bumble missfiel die Wendung, welche das Gespräch genommen; er suchte es daher auf einen anderen Gegenstand zu lenken, spielte mit einem seiner grossen Rockknöpfe mit dem Kirchspielsiegelemblem — dem barmherzigen Samariter — und begann von Oliver Twist. Mr. Sowerberry bedurfte eines Knaben zu Handreichungen, wurde sofort zu den Directoren geführt, und das Geschäft war bald abgemacht. Oliver sollte noch am selbigen Abend „auf Probe“ zu ihm gehen, was so viel sagen will, als dass der Meister, dem ein Kirchspielknabe als Lehrling übergeben wird, denselben auf eine Anzahl Lehrjahre haben soll, um mit ihm zu thun, was ihm beliebt, wenn er nach kurzer Probezeit ersieht, dass ihm der Knabe genug arbeitet, ohne zu esslustig und also zu kostbar zu sein. Dem kleinen Oliver wurde gesagt, wenn er nicht gutwillig ginge, oder sich im Armenhause wieder blicken liesse, so würde man ihn nach gebührender Züchtigung zur See schicken, wo er unfehlbar ertrinken müsse. Er zeigte wenig Rührung, und wurde nunmehr für gänzlich verhärtet erklärt. Er hatte freilich in Wahrheit nicht zu wenig, sondern eher zu viel Gefühl, war aber durch die erfahrene Behandlung betäubt und für den Augenblick vollkommen abgestumpft. Auf dem Wege zu Mr. Sowerberry ermahnte ihn Bumble in seinem gewöhnlichen Tone. Oliver traten die Thränen in die Augen.

„Was weinst du, Schlingel? Hab’ ich’s nicht immer gesagt, dass du die schlechteste, undankbarste Creatur von der Welt bist? Was hast du? Sprich!“

„Ich bin so verlassen, Sir — so ganz verlassen! Jedermann ist so schlimm gegen mich. Es ist mir, als wenn ich hier blutete und mich todtbluten müsste;“ — und er presste die Hand auf das Herz, und blickte mit nassen Augen seinem Führer in das Gesicht.

Bumble hustete, sagte endlich: „Sei nur ein guter Junge,“ und ging schweigend weiter.

Mr. Sowerberry rief seine wenig einnehmende Gattin. „Das ist der Knabe, von welchem ich dir sagte,“ nahm er schüchtern das Wort.

„Mein Himmel, wie klein er ist!“ rief Mrs. Sowerberry aus.

„Er ist allerdings klein,“ sagte Bumble, Oliver sehr unwillig anblickend, als ob es des Knaben Schuld gewesen wäre, dass er nicht grösser war; „er wird aber grösser werden, Mrs. Sowerberry.“

„O ja, auf unsere Kosten,“ entgegnete sie verdriesslich. „Ich sehe keine Ersparniss mit Kirchspielkindern; sie kosten allezeit mehr, als sie werth sind. Die Männer glauben aber immer, Alles am besten zu wissen.“

Sie stiess Oliver eine Treppe hinunter in eine finstere, elende Küche, und befahl einer schlumpigen Dienstmagd, ihm zu geben, was für den nicht zu Hause gekommenen Trip zurückgestellt wäre.

O dass doch so Mancher, dessen Blut von Eis und dessen Herz von Stein ist, und der dennoch eine Stimme sich anmasst, eine Stimme hat, wo es der Beurtheilung der Lage, dem Wohl oder Wehe der Armen gilt, den Knaben hätte verschlingen sehen können, was der Haushund verschmäht! Wie sehr wäre so vielen Menschenfreunden dieselbe und keine andere Diät zu wünschen!

Frau Sowerberry hatte dem Knaben mit stummem Entsetzen zugeschaut; er hörte auf zu essen, als er nichts mehr fand.

„Bist du endlich fertig?“ sagte sie. „Nun komm, dein Bett ist unter dem Ladentische. Du wirst dich doch nicht grauen, zwischen Särgen zu schlafen? Aber wenn du auch nicht wolltest, du bekommst keine andere Schlafstelle.“

Oliver folgte schüchtern und geduldig seiner neuen Herrin.

Oliver Twist

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