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»Wie viel?«

»Zweihundertfünfzig Tausend für das Big Target, das Doppelte für ein Small Target. Vorkasse versteht sich.«

Der Mann am anderen Ende der Leitung dachte einen Moment lang nach.

»Ist es möglich, die angebotenen Pakete miteinander zu kombinieren?«

»Natürlich. Durch das höhere Risiko verdoppelt sich allerdings der Preis für das zweite Paket.«

»Über Geld reden wir nicht, vorausgesetzt, ich darf die Targets selbst auswählen.«

»Eine Selbstverständlichkeit und gleichzeitig Grundvoraussetzung unseres Arrangements. Sie haben sechs Stunden Zeit für die Auswahl der Targets, wir organisieren die Events. Allerdings gibt es zwei Regeln zu beachten: Sie dürfen den Targets wissentlich nie zuvor begegnet sein. Keine Verwandten, keine Nachbarn, kein Arbeitskollege. Und nach der Auswahl dürfen Sie auf keinen Fall Kontakt zu einem Ihrer Targets aufnehmen. Auch nicht zu den Familien der Targets nach den Events.«

Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte auf.

»Ist es nicht das, was den Reiz ausmacht? Die Irrationalität des Ganzen? Die Zufallswahl im Moment der Begegnung?«

Der Eventmanager antwortete nicht. Was in den verdrehten Köpfen dieser VIPs vor sich ging, interessierte ihn wenig. Alles, was zählte, war der gelungene Abschluss der Buchung und deren kundenorientierte Umsetzung als Event mit höchster Zufriedenheitsgarantie. Stattdessen pflegte er die Stille und wartete einfach ab. Die steigende Erregung in der Stimme seines potenziellen Kunden war ihm nicht entgangen, und er erlaubte sich ein kurzes zufriedenes Grinsen.

Der ideale Kandidat für das Reiseunternehmen, das sie vor knapp einem Jahr als Start-up gegründet hatten. Exclusive Adventure Tours. Einer der Superreichen im Land, die aus ihren Villen mit Seegrundstück heraus ihre Imperien regierten, ohne sich selbst noch die Hände schmutzig machen zu müssen. Der Eventmanager betrachtete das Foto des Silberhaarigen, das ihm sein Partner gemailt hatte. Perfekt. Ein distinguierter erfolgreicher Geschäftsmann, über jeden Verdacht erhaben. Genau diese Klientel brauchte das Unternehmen.

Die Idee zu dieser außergewöhnlichen Form organisierter Events war ihm auf einer Kreuzfahrt gekommen, als er an der Bar das Gespräch alter Herren belauschte, die sich Schwänke aus ihrer Jugendzeit erzählten. Einer von ihnen war in einer chinesischen Provinz vor Jahrzehnten Ehrengast bei einer Hinrichtung gewesen, und hatte als solcher den Hebel für die Falltür umlegen sollen. Auch wenn seine Worte nichts als gerechte Entrüstung ausdrückten, und er redegewandt abstritt, auch nur in die Nähe des Galgens gekommen zu sein, hörte der Eventmanager aus der unterschwelligen Erregung in seiner Stimme die faustdicke Lüge heraus.

Warum nicht?, hatte der andere, schon angetrunken, gefragt. Andere Länder, andere Sitten.

Die Stille dehnte sich über Minuten, dann kam das erwartete Feedback.

»Tja, also gut. Ich buche die Kombi. Geben Sie mir Ihre Kontodaten.«

Der Eventmanager diktierte sie ihm. Ein Konto auf den Cayman-Inseln, das nach den Überweisungen der beiden Kunden für das kommende Event wieder aufgelöst wurde. 1,5 Millionen für insgesamt drei Targets, alles in allem ein Schnäppchenpreis mit viel Spielraum nach oben, sollte sich die Buchungslage auf ein akzeptables Niveau einpendeln.

»Wir danken für Ihr Vertrauen und hoffen, Ihre Erwartungen zu Ihrer vollsten Zufriedenheit erfüllen zu können.« Er gab sich keine Mühe, seine Stimme zu verstellen. Durch den Stimmenverzerrer klang er ohnehin wie ein Abklatsch von John Wayne.

»Wir werden sehen.«

Die Stimme zitterte mittlerweile geradezu vor Erregung, und der Eventmanager stellte sich vor, wie sein Kunde in der einen Hand das Handy hielt und sich mit der anderen einen runterholte.

»Darf ich mir das … Mittel selbst aussuchen?«

»Dieses Privileg steht für Neukunden leider nicht zur Verfügung. Zu Ihrer eigenen Sicherheit. Beim ersten Mal stellen wir Ihnen … das Mittel zur Verfügung und leiten Sie in seinem Gebrauch an, sofern Sie nicht schon Erfahrung haben.«

Erneut trat eine Pause ein, bevor der Kunde mit kaum zu ertragender Arroganz feststellte: »In diesem Fall sollten Sie möglicherweise Ihr Preis-Leistungs-Verhältnis überdenken. Es ist viel Geld für wenige Augenblicke.«

Einen Moment lang glaubte der Eventmanager, ihn verloren zu haben, aber das war auch kurz vor seinem letzten Geschäftsabschluss so gewesen. Ein Trakehnerzüchter aus Schleswig-Holstein, der die Königshäuser und Sultanate im Nahen und Fernen Osten mit Rennpferden belieferte. Die Kunden wollten ihre Träume zu hundert Prozent ausleben und akzeptierten Einschränkungen nur widerwillig. Im Zweifelsfall warfen sie dann doch plötzlich die Buchungsgebühr in die Waagschale, obgleich sie zu Beginn des Gesprächs großspurig getönt hatte: Über Geld sprechen wir nicht.

Sie waren es einfach nicht gewohnt, andere über sich bestimmen zu lassen.

Möglicherweise ein Schwachpunkt ihres Geschäftskonzeptes, den sie noch einmal überdenken sollten. Eigentlich hatte es der Kundenbindung dienen sollen. Beim ersten Mal schnuppern, beim zweiten Mal fressen lassen. Nun ja, Zeit und Erfahrung würden sie lehren, ob ihre Rechnung aufging. Schließlich waren sie noch in der Start-up-Phase und organisierten gerademal das zweite Event. Ihr Erstes lag ein knappes halbes Jahr zurück. Für sie als Veranstalter alles in allem keine angenehme Erinnerung, obgleich der Kunde hochzufrieden gewesen war. Trotz der Vorgabe des Mittels hatte er einen Weg gefunden, sich auszuleben, der mehr als nur unappetitlich gewesen war.

Der Eventmanager entschied sich spontan gegen eine Ausnahme. »Ich bedaure, aber diese Regel ist nicht verhandelbar.«

Die Kunden, mit denen der Eventmanager verhandelte, waren Wirtschaftsbosse und Familienpatriarchen, die ein knallhartes Nein eher akzeptierten als ein halbherziges Vielleicht.

Außer der Kundenbindung hatte auch noch ein anderer Aspekt die Entscheidung der Firmengründer beeinflusst, das Mittel vorzugeben. So abgebrüht, wie ihre Kunden sich in den Vorgesprächen gaben, waren sie zwar in ihrem gewohnten Umfeld. In einer traumatischen Situation wie dem Event würden sie mit dem Mittel ihrer Wahl aber möglicherweise überfordert sein. Oder aber das Mittel der Wahl war ganz einfach schwer zu besorgen und genauso schwer wieder zu entsorgen, wie zum Beispiel eine Eiserne Jungfrau oder ein Schafott aus den Zeiten der Französischen Revolution.

Lieber gleich Nein sagen, als ein Tut mir leid nach der Buchung. Seine Aufgabe war es, jedes Event planungstechnisch zu einem positiven persönlichen Erlebnis zu gestalten, was eben auch nicht verhandelbare Vorgaben bedeutete.

Ein Kunde, der im entscheidenden Moment heulend zusammenbrach oder in seinen Erwartungen enttäuscht wurde, war ein nicht kalkulierbares Risiko für die Firma Exclusive Adventure Tours, die nach außen hin Großwildjagden in Kenia organisierte.

»Ein Ärgernis, das ich aber wohl hinnehmen muss, obgleich Gott die Mittel seiner Wahl selbst entscheiden darf. Niemand wagt es, ihm Vorschriften zu machen. Kommen Sie mir entgegen, sollte ich ein weiteres Eventwochenende bei Ihnen buchen?«

Gott? Der Eventmanager versagte sich jeglichen Kommentar. »Selbstverständlich.«

In diesen speziellen Fällen der Kombibuchung konnten sie die Kunden natürlich auch spontan überraschen. Bei einem reibungslosen Verlauf des ersten Events mit dem vorgegebenen Mittel lag es durchaus im Bereich des Denkbaren, ihm bei Event Nummer zwei doch plötzlich die Wahl zu lassen.

Effekthascherei mit doppeltem Nutzen. Kundenbegeisterung und Kundenbindung.

»Sie reisen allein?«, fragte der Eventmanager rasch und sachlich, und es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

Ehepartner kannten in der Regel ihre Angetrauten so gut, dass ihnen jede emotionale Instabilität sofort auffiel. Und nach einem Event waren voraussichtlich alle emotional instabil. Geliebte, männlich wie weiblich, dürften noch problematischer werden, da sie zu klettenhaftem Verhalten neigten.

»Natürlich. Was für ein Hotel haben Sie gewählt?«

»Vier Sterne, ein angenehmes Business-Hotel in Bad Rehburg, der nächstgelegenen Stadt. Ein Golfplatz in unmittelbarer Nähe, wie gewünscht. Auf Wunsch erwartet Sie nach Ihrer Rückkehr vom Event eine Dame eines sehr exklusiven Begleitservice. Eine Gratisleistung unsererseits und auch spontan vor Ort zubuchbar.«

Den zweiten Kunden würden sie vierzig Kilometer weiter nördlich in Verden an der Aller unterbringen. Er wollte die Gelegenheit nutzen, auf einer der renommierten Pferdeauktionen einen gekörten Hengst für seine Zucht zu ersteigern. Geschätzter Preis unter Experten: um die zehn Millionen. Die Buchungsgebühr für sein Event zahlte er da wahrscheinlich aus der Portokasse. Zweihundertfünfzig Tausend für ein Big Target, das er sich am Freitag schon aussuchen sollte.

»Vier Sterne? Gab es nichts Besseres?«

Der Eventmanager biss für den Moment die Zähne zusammen.

»Die Stadt bietet leider kein höherwertiges Hotel, und die Anonymität eines Tagungshotels dient Ihrer Sicherheit. Dort findet in der Zeit Ihres Aufenthaltes ein Kongress des Bundesverbandes deutscher Reiseveranstalter statt, was Sie nahezu unsichtbar macht. Nach den Events erholen Sie sich selbstverständlich in einem 5-Sterne-Hotel. Wir haben das Schlosshotel Münchhausen im Weserbergland gewählt, weit genug entfernt und ein Paradies für Golfspieler.«

»Gut. Oder nicht gut, aber auf jeden Fall wohl nicht zu ändern. Ein Touristikerkongress? Wie passend. Ich schätze mal, Sie nehmen daran teil mit Ihrem … Reiseunternehmen?« Der Kunde lachte belustigt.

»Nein«, log der Eventmanager ungerührt. »Bitte teilen Sie uns rechtzeitig Ihre Musikwünsche zur Untermalung der Events mit.«

Ein schwieriger Kunde, alles, was Recht war. Normalerweise wusste der Eventmanager Sarkasmus wohl zu schätzen, aber momentan wollte er die Buchung einfach nur noch zu einem Abschluss bringen und sich in den wohlverdienten Feierabend verabschieden.

Dem Himmel sei dank, dass ihre neue Geschäftsidee den Zwölfstundentagen bald den Garaus bereiten würde. Sie hatten viel Geld in die Vorbereitungen investieren müssen - der Dienstwagen, die Anmietung der Eventlocation - waren aber schon mit dem Zahlungseingang ihres ersten Kunden vor einem halben Jahr mehr als saniert gewesen. Natürlich kostete jedes dieser Eventwochenenden im Vorfeld Fixkosten zwischen zwanzig- und fünfzigtausend Euro, Personalkosten eingerechnet, aber nach Abzug aller Ausgaben belief sich der errechnete Gewinn allein an diesem Wochenende auf mehr als eine Million. Steuerfrei.

»Wann geht es los?«

»Am Sechzehnten. Sie kommen Freitag Mittag an und beziehen Ihr Hotelzimmer. Am Samstag fährt Sie ein Limousinenservice, der Ihnen für die gesamte Woche zur Verfügung steht, nach Nienburg, wo sie sich die Targets auswählen. Die Events finden je nach Verfügbarkeit im Laufe der nächsten sechs Tage statt. Bei einer Kombibuchung schlage ich das erste Event noch für denselben Tag vor.« Er hielt kurz inne. »Wir verlassen uns natürlich auf Ihre Verschwiegenheit.«

Was soviel hieß wie: Andernfalls finden und eliminieren wir dich. Es gab da zwar keine entsprechende Klausel in irgendeinem Vertrag, weil naturgemäß keine schriftlichen Verträge existierten. Dafür ließ der Eventmanager schon während des ersten Verkaufsgespräches keinerlei Zweifel daran, dass die Firma über den Interessenten informierter war als dessen eigener Bruder, was höchstwahrscheinlich sogar stimmte.

Die erste Kontaktaufnahme führte über eine Internetseite mit angeblichen Snuff-Filmchen und ständig wechselnden Emailadressen, die mit dem Datenpaket einer völlig harmlosen Seite über einen südamerikanischen Provider hochgeladen worden war. Sein Partner war bestens über die User dieser Website informiert und wurde via iPhone alarmiert, sobald einer dieser Perversen den Link Interessiert an mehr? anklickte und tatsächlich seine ganz persönlichen Wünsche in das Kontaktformular eintrug, bevor er auf Senden tippte.

Völlig anonym, wie er glaubte, aber in der Realität fraß sich mit der automatischen Antwortmail Wir haben Ihre Anfrage erhalten und werden sie zeitnah bearbeiten ein kleines aber sehr effektives Spähprogramm durch die Bytes des Empfängercomputers und sammelte Daten, die es umgehend an den Sendecomputer zurückschickte.

So siebten sie die ungewollten Personen aus - mittellose, emotionale Krüppel, Kriminelle - und konzentrierten sich auf ihre Wunschklientel. Millionäre mit sauberem Background. Keine Vorstrafen, keine laufenden Ermittlungen, kein allzu auffälliger Dachschaden.

Der Eventmanager war heilfroh, dass nicht er diesen kranken Scheiß jeden Tag lesen musste.

Nach Beendigung des Telefonats lehnte sich er sich zufrieden in seinem Chefsessel zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch und dachte nach: ein Topkandidat, alles, was recht war. Ihre Angebote köderten als Zielgruppe die Crème de la Crème, was angesichts der Paketpreise natürlich logisch und auch gewollt war. Allerdings erschütterte ihn dann doch die Erkenntnis, wie viele kaputte Typen da draußen herumliefen, die in Luxusvillen wohnten.

Dann griff er erneut zum Telefon und rief seinen Partner an.

»Dieser Fisch ist ebenfalls am Haken. Er will die Kombi. Mit dem anderen Kunden haben wir damit drei Targets während der Tour.«

Am anderen Ende blieb es eine Weile still.

»Hey, ich …«

»Wir bieten die Small Targets an, okay? Was der Kunde möchte, bekommt er. Setz Zlatko darauf an. Wir verdienen allein bei dieser Tour über 1,4 Millionen Euro. Steuerfrei. 1,4 Millionen! Bei minimalem Risiko.«

Zlatko war ein Serbe, der im Kosovokrieg aufgewachsen war. Ein Gewissen war Luxus für ihn, und Luxus konnte er sich nicht leisten.

Als er aufgelegt hatte, starrte der Eventmanager beunruhigt eins der Poster an der Wand an. Edward Munchs Der Schrei. Ein Ausstellungsplakat des Prado in Madrid.

Hatte er in der Wahl seines Partners vielleicht einen Fehler begangen?

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