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6. Kapitel

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Es war kalt und dunkel draußen. Noch war ich alleine an diesem Freitag Abend und machte mir vorsorglich meine Gedanken, wie ich Kai wohl begrüßen würde. Er würde freilich mit zerknirschtem Gesicht auf der Stirn geschrieben „hier ist schlechtes Gewissen drin“ auf mich zukommen, mich beherzt an seine männliche Brust ziehen und mir sachte ins Ohr flüstern, wie sehr ich ihm gefehlt habe. Sich für die vielen Verspätungen entschuldigend einen Plan entwerfen, wie wir doch das vor uns freie Wochenende genüsslich gestalten könnten.

Meine Gedankengänge wippten aufgeregt hin und her. Das wäre doch mal was anderes, einfach himmlisch. Trotz meiner innerlichen Aufregung, die sich für ein paar Sekunden bemerkbar machte, saß ich gelangweilt auf meiner Couch, wohl mit dem richtigen Riecher, dass mein im Bett doch so leidenschaftlicher Liebhaber die Leidenschaft wohl nur dort genoss. In jeglicher Hinsicht auf den Alltag bezogen, bezog Kai sich streng auf Realität und Geldverdienen. Sonstiges Geschmuse und Abgeknutsche nur mal so zwischendurch war reine Zeitverschwendung und doch völlig unnütz. Die Wäsche- und Aufräumfrau an seiner Seite wusste doch schließlich, dass ihr Lebemann sie vollends liebte. Reichte doch, man musste es ja nicht auch noch zeigen; es wäre bei so viel Nebenarbeit doch auch ein bisschen viel verlangt gewesen! Doch bei der Aufräumfrau zeigten sich mittlerweile kleine Unzufriedenheiten im Kopf. Die kleinen Männchen, welche sich im Verstandesteil des Kopfes befinden, hämmerten mit ihren Fäusten gegen die Stirn, mit dem Protestgeschrei „Jetzt ist Schluss! Du hast keine Zukunftsperspektive mit diesem Mann! Er ist ein Egoist, der nicht an seine liebende Frau denkt!“ Wie recht doch dieser Teil meines Gehirns hatte, aber er schien nicht sehr ausgeprägt zu sein, sonst würde ich ja wohl kaum noch in einer Wohnung mit ihm leben. Selbstzweifel kamen auf. Ich machte mir ernsthafte Gedanken um meinen Verstand. Wo ich doch immer annahm, ich sei ein intelligentes Wesen, scheiterte ich in meinem Handeln, eine harmonische Beziehung in die Tat umzusetzen. Einer allein kann nicht viel ausrichten, damit die Liebe funktioniert. Ich war mit meinem Kopf schon auf dem richtigen Weg, nur mein Herz hörte nicht zu. Denn jetzt meldete sich auch noch der andere Teil meines Gehirns, sprich: Gefühlsteil! Dass es so was Lästiges geben musste! Für diesen Moment jedenfalls. Was sagte er? „Dieser Lebemann hat doch was drauf im erotischen Bereich. Er macht dich zufrieden im Bett, wenn er mit seinen übergroßen Händen deinen Körper packt. Er packt zwar nicht alles, was meinen Körper betrifft, aber das Wichtigste hat er doch vollends und ausgiebig im Griff. Dann diese Küsse! Keiner küsst so wie er - nehme ich jedenfalls an.“ Nach 30 Minuten des hochbefriedigenden Aktes – ich war dabei immer ein bisschen unsicher, weil ich nicht wusste, was dieser im Bett so erfahrene Mann denn noch von mir erwarten könnte – lag ich mit bebender Brust nach Luft röchelnd verkehrt herum im Bett. Der liebesgewandte Mann neben mir konnte sich nun seinem gut verdienten Schlaf hingeben. Nun musste ja nicht mehr geküsst, geschweige denn umarmt werden. „Haben wir doch gerade getan, nu muss mal gut sein. Nacht, Puppe!“ Ich hingegen nach Aufmerksamkeit heischend kroch an seine Brust, bis ich mir nach 30 Sekunden – ohne angefasst zu werden – lächerlich vorkam, dann in der Dunkelheit mein Nachtgewand suchte und ins Badezimmer verschwand. Gefühlsbereich beendet! Verstandesbereich winkte begrüßend mit den Händchen. „Das war echt alles! Keine Gefühlsduseleien im Ohr? Kein Rückenkraulen? Was gäbe ich nicht alles fürs Rückenkraulen! Utopische Handhabungen werden nach dem Liebesspiel gestrichen. Basta!“

Kommen wir zum tatsächlichen Geschehen der Rückkehr meines Mitbewohners ins traute Heim. Es unterschied sich nur unwesentlich von meinen Vorstellungen.

Mit einer Selbstverständlichkeit betrat er das Wohnzimmer und unterbrach meine Lieblingssendung. Er sprach über seine Tageserlebnisse, berichtete detailgetreu von der stressigen Autofahrt, aber eine verzeihungsheischende Geste konnte ich um Himmelswillen nicht erkennen. So langsam entfaltete sich nach meiner toleranten Geduldsphase nun doch die Wut im Bauch, zu groß war meine Enttäuschung. Ich fragte gefasst höflich nach, ob er sich nicht einmal für seinen um vier Stunden verspäteten Abend entschuldigen würde. Er lachte mich aus und erwiderte nur, ich solle mich nicht so haben, er hätte es halt zeitlich nicht geschafft, wäre doch kein Drama. Damit war für ihn die Sache erledigt. Für mich nicht, aber ich wusste aus Erfahrung, dass es absolut keinen Sinn hatte, auf diesem Thema herumzureiten. Mein temperamentloser und emotionsarmer Mitbewohner hatte keinen Sinn für solche Gespräche, die eventuell auch ein paar Missverständnisse beiseite geschafft hätten. Also hielt ich meinen Mund und ärgerte mich dafür allein in meinen Gedanken.

Kurz vor dem Einschlafen dachte ich über mein künftiges Handeln nach. Angst schlich sich in meine Gedanken. Angst, dass ich vielleicht nie wieder einen Mann finden würde, der mich genauso lustvoll befriedigen konnte im Bett wie Kai. Verdammt, das konnte doch nicht wahr sein, dass ich mich von einem Mann nicht lösen konnte, nur weil er der erste war, der mich sexuell zum Höhepunkt bringen konnte. Ich hielt mich eigentlich für eine sexuell aufgeschlossene Frau, die keine Scham und keine Tabus kannte. Eine leidenschaftliche Frau, die keine Scheu hatte, den Herren der Schöpfung die Kleider vom Leib zu reißen, die Lust auf der Motorhaube, im vollen Schwimmbecken oder zwischen den Kellergängen zu stillen. Und nun diese furchtbare Erkenntnis, dass genau bei dem Mann, wo die Übereinstimmung von Liebe, Zusammengehörigkeit und Zukunftsplänen nicht stimmte, ich meine intensivsten Höhepunkte erlebt hatte. Vielleicht wollte ich es nicht wahrhaben, weil ich mich als Frau dafür schämte, dass ich mir selbst etwas vorgemacht hatte. Weil ich es nicht eingestehen wollte, dass ich mir bisher nicht die Zeit herausnahm, mich bei der Liebe völlig auf meinen Körper zu konzentrieren, sondern darauf, ob ich auch ja die leidenschaftlichen Gelüste meines Liebhabers stillen könnte und der kleine Mann unterhalb der Gürtellinie dabei immer schön die Stellung behält. Bei Kai war es anders. Ich konnte mich fallen lassen – mich nur auf mich konzentrieren. Ich hatte das Gefühl, ich konnte mich geben, wie ich es in dem Moment wolle. Ich durfte nur an mich denken, überhaupt nicht an ihn, denn er nahm sich schon von ganz allein, was er wollte.

Was sollte ich nun machen? Wie sollte ich denn da glücklich und zufrieden werden, wenn nur 20 Sekunden anhaltende Höhepunkte eine nicht funktionierende Partnerschaft ausgleichen sollten?

Wenn die Praxis genauso leicht zu bewältigen wäre wie die Theorie, hätte keine Menschenseele unter Liebeskummer zu leiden.

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