Читать книгу Jake kämpft um sein Glück - Charlotte Paul - Страница 8
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ОглавлениеLord Auston schaute immer wieder unauffällig zu Lady Beatrice. Er wurde nicht ganz schlau aus ihr. Sie sah heute wieder wunderschön aus. Sie lächelte jeden freundlich an, doch dieses Lächeln spiegelte sich nicht in ihren Augen wider. Sie trug ein auffälliges rotes Kleid mit tiefem Dekolleté. Seltsam war, dass dieses Kleid sehr lange Ärmel hatte. Ihr musste warm sein, denn die Kerzen verbreiteten eine große Hitze im Haus.
Jetzt gerade sah ihr Gatte seine Frau freundlich an und nahm ihre Hand. Sie schien zu versteinern. Ihre Augen wurden ganz groß und blickten gebannt auf seine Hand. Er fand diese Situation grotesk. Was ging da vor? Glücklich war diese Frau bestimmt nicht. Bei seinem gestrigen Antrittsbesuch glaubte er sogar, große Angst in ihrem Gesicht lesen zu können. Neugierde regte sich in ihm und der Wunsch, hinter das Geheimnis dieser Frau zu kommen. Vielleicht könnte er sie besser kennenlernen.
Nachdem das Dinner aufgehoben worden war, begaben sich die Damen in den Salon, um ihren Tee bei einem netten Plausch zu genießen. Die Herren blieben noch, um eine Zigarre zu rauchen oder sich ein kräftigeres Getränk zu gönnen. Nach einiger Zeit wechselten auch sie in den Salon zu den Ladys. Sir Michael ging sofort zu seiner Frau und nahm neben ihr Platz. Die anderen Herren verteilten sich oder bildeten kleine Gruppen.
Lord Auston öffnete den Flügel, zeigte einladend auf diesen und fragte seine Gäste: »Möchte vielleicht eine der Damen uns etwas von ihrem Können vorführen? Vielleicht Lady Michael?«
Beatrice zuckte zusammen, sie hatte schon so lange Zeit nicht mehr gesungen und Klavier gespielt. Hilflos schaute sie zu ihrem Mann.
»Oder möchte vielleicht eine andere Dame etwas vorspielen?« Auston sah sich im Raum um.
»Natürlich wird meine Frau etwas vortragen!« Sir Michaels Stimme klang laut und beinah wie eine Drohung. Zu seiner Frau sagte er etwas leiser: »Sei doch nicht immer so schüchtern, um Gottes willen.«
Bea starrte ihren Mann erschrocken an. Was sollte sie nur tun?
Lord Auston kam auf sie zu, verbeugte sich vor ihr: »Wollen Sie uns diesen Gefallen erweisen, Lady Beatrice?«
»Auf, meine Liebe, sei nicht so zurückhaltend mit deinem Können!«, forderte Sir Michael sie auf.
An der Seite von Lord Auston schritt Beatrice zögerlich zum Flügel. Leise flüsterte er ihr zu: »Nur keine Angst, ich bin bei Ihnen. Wir werden ein kleines Lied aussuchen und ich begleite sie.«
»Ich habe seit Jahren nicht mehr singen dü… können.« Beinahe hätte sie sich verraten. »Ich bekomme bestimmt keinen Ton heraus.«
»Doch, doch, das werden Sie. Ich singe mit Ihnen. Was haben Sie für eine Stimmlage?«
»Sopran, früher!«
»Das passt ja wunderbar!« An die Gesellschaft gerichtet, verkündete Lord Auston laut: »Wir haben uns für ein Duett entschieden. Wir bitten Sie um einen Moment Geduld.«
Beatrice sah zu ihrem Mann hinüber, der ihr böse Blicke zuwarf. »Bitte, ich glaube, ich gehe lieber wieder zu meinem Mann!«
»Nein, das geht nicht. Das würden die anderen sehr seltsam finden. Kommen Sie, hier habe ich ein kurzes Lied gefunden. Kennen Sie es?«
Beatrice schaute es sich an und nickte Auston zaghaft zu. Er setzte sich und fing an zu spielen. Nach dem Vorspiel stimmte er mit seiner tiefen, warmen Stimme das Lied an. Auffordernd lächelte er Bea zu.
Sie gab sich einen Ruck und fiel mit ihrem schönen Sopran in das Lied mit ein. Die ersten Töne waren noch etwas steif, doch wurde sie immer mutiger und gab sich schließlich ganz dem Gesang hin. Wie lange hatte sie nicht mehr gesungen? Es schien gefühlt Jahrzehnte her zu sein. Sie vergaß alles um sich herum, bemerkte nicht, dass Auston aufgehört hatte mitzusingen und sie einfach nur noch verzaubert ansah. Auch die Gäste waren still geworden und lauschten entzückt dem Gesang.
Nachdem der letzte Ton verklungen war, brandete Applaus auf. Das Publikum wollte noch mehr hören. Bea sah Lord Auston in die Augen. Das Leuchten darin ließ ihr Herz höherschlagen. Schnell wandte sie den Blick ab und schaute zu ihrem Mann. Die Wut in seinen kalten Augen ließ sie abrupt in die Wirklichkeit zurückkommen. Panik erfasste sie. Lord Auston, immer noch am Klavier sitzend, um ihr den Platz für den Applaus zu lassen, sah zu ihr hinauf und erschrak. Bea, die eben noch so glücklich aussah, zitterte jetzt am ganzen Leib. Er folgte ihrem Blick zu Sir Michael und sah den puren Hass. Was war das hier? Der starke Wunsch, diese Frau zu beschützen, stieg in ihm auf. Wusste er doch genau, er konnte nichts tun. Er durfte nichts tun. Um den Ehemann nicht weiter zu erzürnen, begleitete er Beatrice möglichst gelangweilt zu ihm.
»Beatrice, ich glaube, wir müssen jetzt aufbrechen!« Die eiskalte Stimme ihres Mannes ließ Beas Herz gefrieren. Den Blick auf seinen Gastgeber gerichtet, sagte er nur: »Auston.« Den Titel ließ er gewiss absichtlich weg, dachte Beatrice. Sie schaute kurz auf, um zu sehen, wie wohl Lord Auston reagieren würde, doch der lächelte nur freundlich. »Oh, wie schade. Ich dachte, Sie selbst wollten vielleicht auch etwas vortragen.«
Sir Michael überging diese eindeutig provokante Bemerkung. »Meine Frau ist sicherlich von der ungewohnten Anstrengung erschöpft. Es wird Zeit, dass ich sie nach Hause bringe. Auf Wiedersehen!«
Die beiden Männer verbeugten sich kurz, Beatrice machte einen kleinen anmutigen Knicks. Sir Michael fasste seine Frau am Ellbogen und zerrte sie fast hinter sich her. Beatrice musste sich bemühen, Schritt zu halten.
Lord Auston schüttelte nur den Kopf über ein solch unhöfliches Benehmen. Die arme Frau, dachte er. Schlug der Mann sie oder behandelte sie sonst irgendwie gemein? Sie hatte eindeutig Angst vor ihrem eigenen Ehemann. Aber was für eine wundervolle Stimme! Er dachte an den kurzen tiefen Blick, den sie getauscht hatten. Eine wunderbare Frau! Er schüttelte lächelnd den Kopf über so viel Gefühl. Schluss jetzt! Sie ist eine verheiratete Frau und geht mich nichts an. Er nahm sich ein Glas Champagner, trank es in einem Zuge aus und versuchte, sich auf die verbliebenen Gäste zu konzentrieren.
Beim Blick auf den Flügel bemerkte er, dass Lady Michael ihre kleine Tasche vergessen hatte. Schnell ergriff er sie, um sie ihr zur Kutsche nachzutragen. Draußen sah er gerade noch, wie sich die Kutschentür schloss. Dann vernahm er ein klatschendes Geräusch, ganz als ob jemand einen Schlag abbekommen hätte. Es klang eindeutig nach einer kräftigen Ohrfeige. Gleich darauf hörte er das Wimmern einer Frau. Ihm fiel wieder ein, wie Lady Beatrice ihren Mann voller Angst angesehen hatte. Er spürte eine unglaubliche Wut. Dieses Schwein schlug seine Frau tatsächlich! Und er hatte ihn fast dazu aufgefordert. Jake hätte sich selbst ohrfeigen können.