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ERSTE EHE

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Am 8.August 1970 heirateten Hanno und ich standesamtlich im kleinen Familienkreis. Dazu waren meine Eltern, meine Schwiegermutter, meine Großmutter Marlies, Hannos Freund, mein Bruder und die hochschwangere Rike eingeladen. Das Mittagessen nahmen wir in einer Gaststätte ein. Zum Kaffe und Abendbrot luden uns meine Eltern in ihr Haus ein. Am nächsten Tag fuhren Hanno und ich zusammen mit seinem Freund nach Berlin. Von dort aus sollte unsere Hochzeitsreise nach Bulgarien starten.

Als wir uns noch in Berlin befanden, wurde für die Nachbarn meiner Eltern eine kleine Nachfeier ausgerichtet. Hannos Mutter nahm an dieser Feier auch noch teil und äußerte vor den Nachbarn ihre Bedenken, wie wir in der Ehe zurechtkommen würden, angeblich weil wir nicht fleißig arbeiten könnten. Als Beispiel erzählte sie, dass sich Hanno beim Reinigen des Schmiedegrundstückes mehr auf den Besen gestützt hätte, als zu fegen. Meine Mutter ärgerte sich über diese Bloßstellung vor den Nachbarn sehr, und es kam zwischen den beiden Frauen zum Krach und Hannos Mutter reiste im Zorn ab. Meine Großmutter unterstützte bei dem Streit Hannos Mutter. Meinem Vater gelang es nicht die Frauen in ihren Temperamentsausbrüchen zu besänftigen.

Meine Eltern schenkten uns sofort zur Hochzeit eine ausziehbare Schlafcouch, die wir für die Einrichtung unseres Zimmers gut gebrauchen konnten. Hannos Mutter wollte uns einen Kühlschrank schenken, den wir dann erst im Oktober bekamen.

Für Hanno und mich war die Reise nach Bulgarien auch der erste Flug. Die Jugendtouristikreise kostete pro Person etwa 700 Mark. Wir flogen von Berlin/ Schönefeld nach Varna an der bulgarischen Küste des Schwarzen Meeres. Von dort fuhren wir 1 Stunde mit dem Bus zu unserem Urlaubsort am Meer. In unserem Hotel waren auch Gäste aus der BRD. Man konnte Unterschiede zwischen ihrer und unserer Verpflegung feststellen. Es hatte natürlich etwas mit unserer schwachen Währung zu tun, aber man empfand es als demütigend. Dennoch genossen Hanno und ich den Aufenthalt am Strand bei Sonnenschein, obwohl wir nicht immer einer Meinung waren.

Bei unserer Rückkehr war der Krach unserer Mütter, von dem wir jetzt erst erfuhren, nicht gerade eine Freude. Wir setzten uns aber darüber hinweg und nahmen nicht Partei..

Am 16.August 1970 hatten Rike und Manuel einen kräftigen Jungen bekommen. Er wurde Michael getauft.

Hanno und ich fühlten uns nun recht wohl in unserer kleinen Wohnung, die aus einem großen Raum mit Kochnische, einem winzigen Flur und einer Dusche mit Toilette bestand. Mit der Einrichtung unseres Quartiers hatten wir eine gemeinsame Aufgabe.

Eine Äußerung von Hanno aber ließ mir keine Ruhe. Er sagte einmal, dass ich froh sein könne, dass er mich mit meinem Fachschulabschluss und dem niedrigen Gehalt geheiratet habe. Seine Worte fand ich wieder einmal sehr verletzend. Bald wurde aber mein Gehalt aufgebessert, denn im September 1970 erhielten alle Lehrer einen neuen Einstufungsbescheid und damit mehr Geld.

Im November wechselte ich an die Lernbehindertenschule meines Vaters. Damit fiel die aufwendige Fahrerei zur Dorfschule weg. Allerdings war es eine Umstellung für mich, jetzt lernbehinderte Kinder zu unterrichten, und ich sehnte mich manchmal nach meinen vernünftigen Dorfschülern zurück. Die Lehrer an den Sonderschulen erhielten eine Zulage von 60 Mark, da man unter erschwerten Bedingungen arbeitete. Die Belastung war aber sehr viel höher, als normale Schüler zu unterrichten und kaum mit Geld zu kompensieren.

An einem Tag der Woche hatte ich wenige Unterrichtsstunden. Diesen Tag nutzte ich, um Hannos und meine Wäsche bei meinen Eltern in der Wohnung zu waschen und zu bügeln. Meine Mutter erwartete mich dann immer schon mit einem gedeckten Kaffeetisch, und wir plauderten erst einmal gemütlich. Zu diesem Zeitpunkt war ich eigentlich sehr zufrieden, auf „eigenen Füßen“ zu stehen.

Inzwischen war Manuels Armeezeit beendet und er hatte als Familienvater durch seinen Betrieb eine 2-Zimmerwohnung bekommen. Rike und der kleine Michael wohnten noch bei ihren Eltern. Aber Rike hatte es nicht so eilig mit einer Arbeitsortsveränderung und dem Umzug. Daraufhin nahm Manuel ein Direktstudium für Datenverarbeitung in Henningsdorf auf.

Wie ging es zu dieser Zeit meinen Cousinen Maja und Corinna in Süddeutschland? Sie hatten es natürlich nicht nötig, zu heiraten, um Anspruch auf eine Wohnung zu bekommen, so wie das in der DDR üblich war. Dennoch schauten sie sich natürlich auch nach einem Partner um. Maja, der die Tätigkeit als Kindergärtnerin sehr viel Spaß bereitete, war über 1,80m groß. Wegen ihrer Größe befürchtete sie, keinen Lebenspartner kennenzulernen und trat aus diesem Grund einem „Klub für große Menschen“ bei. Dort lernte sie aber auch nicht den Mann fürs Leben kennen und suchte deshalb in einer Zeitungsanzeige einen Partner. Auf die Annonce bekam Maja mehrere Zuschriften. Ihre Wahl fiel auf einen großen, ehemaligen DDR-Bürger, der Wolfgang hieß. Er war 1961 Soldat bei der NVA in Berlin und sollte einen LKW mit Baumaterial an die Mauer fahren. Das geschah nur in Doppelbesetzung, um eine Flucht zu verhindern. Die DDR-Grenzposten hatten den Befehl erhalten, jede „Republikflucht“ mit Waffengewalt zu verhindern. Trotzdem hatte Wolfgang kurz entschlossen, den LKW so abgestellt, dass sein Beifahrer im Führerhaus dicht an der Mauer nicht die Tür öffnen konnte. Wolfgang sprang auf das Führerhausdach und gelangte von da mit einem Sprung über die Mauer nach Westberlin. Er hinterließ in der DDR eine Frau, die fremd ging und ein Kind. Wolfgang muss das DDR-Regime sehr gehasst haben, um zu solch einem Entschluss zu gelangt zu sein. Vielleicht wollte er sich auch nicht an der völligen Abschottung der DDR und bei der Errichtung eines Todesstreifens zwischen West- und Ostdeutschland beteiligen. Maja und Wolfgang heirateten. Er begann auch noch ein Studium in der BRD auf. Später bekamen sie drei Kinder, und Maja gab ihren Beruf auf.

Meine Cousine Corinna beendete ihr Studium als Grundschullehrerin. Sie heiratete Bodo. Er war Diplomingenieur, aber auch – wie mein erster Ehemann – von einer Kriegerwitwe allein erzogen. Corinna bekam sogar vier Kinder und unterbrach deshalb zeitweise ihre Berufstätigkeit.

Später entschlossen sich mein Onkel Kai mit Tante Bärbel, aber auch Maja und Wolfgang, sowie Corinna und Bodo dazu, in einen kleinen Ort im Schwarzwald zu wohnen. Bei dem Kauf von Grundstücken und beim Häuserbau wurden die jungen Familien von Onkel Kai unterstützt.

Natürlich verfolgten wir im Fernsehen die neue Ostpolitik von Willy Brandt gegenüber der UdSSR und erhofften uns eine entscheidende Wende. Die deutsche Regierung erkannte jetzt die bestehenden Grenzen im Osten an, um eine Entspannung im Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten zu erreichen. Damit zweifelten wir an der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Dennoch stand die Politik der Regierung Brandt der späteren deutschen Wiedervereinigung nicht entgegen. Auf dieser Basis wurden 1970 der Moskauer und der Warschauer Vertrag geschlossen, sowie 1972 der Vertrag über die Ungültigkeit des Münchner Abkommens. Beeindruckt waren wir von dem Fernsehbericht über Brandts Kniefall am Ehrenmal für die Toten in Warschau, der in die Geschichte einging.

Im Herbst 1971 wurde Hanno für 8 Wochen zur NVA in die Bezirkshauptstadt Erfurt eingezogen. Für Hochschulabsolventen, die über 26 Jahre alt waren, gab es eine kürzere Dienstzeit bei der Armee. Er nahm an einer Ausbildung als Sanitäter teil. Fast jedes Wochenende besuchte ich Hanno in der Kaserne. Auch munterte ich ihn oft mit Briefen auf, wenn er durchhing. Er durfte auch einmal nach Hause fahren, und da sah man ihn im Fahrstuhl unseres Hochhauses in Uniform, so wusste jeder, dass mein Mann nicht zu Hause und ich selbst also allein war.

Am nächsten Sonnabend klingelte es nun in der Nacht an meiner Tür. Das laute Klopfen und Klingeln dauerte ungefähr 20 Minuten. Im Nachthemd saß ich verängstigt auf unserer Schlafcouch. Hatte wirklich jemand angenommen, dass ich Besuch empfange, wenn ich allein bin? Der Lärm hörte lange nicht auf. Obwohl sich auf unserem breiten Flur 16 Wohnungseingänge befanden, schickte kein anderer Mieter den Krachmacher weg. Ich fand das auch typisch für ein Leben in der DDR. Es wurde die Wohnungstür zugemacht und man kümmerte sich nicht um den Nachbarn. Das praktizierte ich ja selber. Ich war froh, als Hannos Armeezeit beendet war.

Hanno und ich hatten ein Haushaltsbuch angelegt, indem wir unsere Ausgaben eintrugen, um unser Geld genau zu bilanzieren.

Nun bekam Hanno über das Kaliforschungsinstitut eine größere Wohnung angeboten. Wir entschieden uns für eine 2-Zimmerwohnung mit Ofenheizung, weil uns eine ferngeheizte Wohnung monatlich zu teuer erschien. Noch im Frühjahr 1972 zogen wir um. Es handelte sich aber um eine Außenwohnung in einem Neubaublock, die stark beheizt werden musste, wenn wir es warm haben wollten.

In diesem Jahr lief auch noch die Anmeldungszeit für einen „TRABANT“ von Hannos Mutter ab. Da sie selbst kein Interesse hatte, das Auto zu nehmen, gab sie uns die Anmeldung und lieh uns Geld zur Finanzierung des Wagens. Hanno und ich waren nun sehr darauf bedacht, den Kredit so schnell wie möglich abzuzahlen.

Und wieder informierten wir uns in den Nachrichten des Westfernsehens. Am 21. Dezember 1972 erfolgte die Anerkennung der DDR als eigener, souveräner Staat durch die BRD. Der ostdeutsche Michael Kohl und der westdeutsche SPD-Ostexperte Egon Bahr unterschrieben den „Grundlagenvertrag“, der für die DDR das beharrlich verfolgte Ziel der diplomatischen Anerkennung der Eigenstaatlichkeit durch fast alle Ländern der Welt zur Folge hatte. War mit der Existenz eines geteilten Landes in zwei Staatssystemen der Normalzustand erreicht? Viele DDR-Bürger waren über diese Lösung bestimmt nicht glücklich, aber eine Wiedervereinigung mit der BRD erschien damals utopisch.

Wende mit 40

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