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Die Burg ohne Herrn

Baron Jakai war so weit, dass er Pokorures Soldaten am liebsten eigenhändig erwürgt hätte.

Gut, vielleicht nicht alle Soldaten. Aber ganz sicher den Anführer der Truppen, Pokorures Bastard-Sohn Skitar. Hochnäsiger Idiot!

Patrouillen? Wofür? Gegen bloße Tiere?

Zusätzliche Wachen? Wer sollte eine befestigte Burg im Winter wohl angreifen wollen?

Ein Glück, dass wenigstens Zauberer Ku zu seinem Vertrag stand und seine Pflichten erfüllte. Ohne die Feuerbälle und die mageren Hilfstruppen, die Jakai jetzt noch zur Verfügung standen, hätten die Dörfer vermutlich keine Chance gehabt. Jakai war sich nicht einmal sicher, ob die Burg eine bessere Chance hatte als die Dörfer. Skitars erste Großtat war es gewesen, alle regulären Soldaten Shioges zu entlassen. Um, wie er mit kaum verhohlenem Grinsen verkündete, die Ressourcen der Schatzkammer für den abwesenden Burgherren Ortege zu schonen. Klar, das wird dem Jungen gefallen, hatte Jakai bei diesen Worten gedacht. Eine gefüllte Schatzkammer in einer zerstörten Burg. Genau das, was ein Burgherr braucht.

Nur gut, dass er in weiser Voraussicht ein paar Truhen Gold in Sicherheit gebracht hatte. Genügend Gold, um die offiziell entlassenen Soldaten inoffiziell weiter auf seiner Lohnliste zu halten. Jetzt steckten sie in den entlegensten Außenposten und verstärkten dort die Grenzwachen. So wie Jakai Skitar einschätzte, hatte der nicht die mindesten Ambitionen, sich selbst auf den beschwerlichen Weg in die Berge zu machen, um die Außenposten zu kontrollieren.

Blieb das Problem, die Burg gegen die Frostgeister zu halten.

Und draußen fiel der Schnee. Lautlos, sanft, tödlich.

Skitars Einschätzung der Frostgeister als vernachlässigbare Konstante hielt genau bis zu seinem ersten Zusammentreffen mit ihnen. Genauer gesagt, bis zum ersten Zusammentreffen seiner Soldaten mit den Tieren, denn Skitar zog es vor, hinter den sicheren Mauern der Burg zu bleiben. Von den Männern, die er an einem trüben, dunklen Tag entgegen Jakais Rat rausgeschickt hatte, um Berggazellen zu jagen, die man in den letzten Tagen um die Burg gesichtet hatte, kamen genau zwei zurück. So zerbissen, dass sie nach wenigen Tagen dem Wundfieber erlagen. Jakai hatte den jungen Hauptmann gewarnt. Berggazellen so weit unten im Tal, das konnte nur eines bedeuten: Die Tiere waren vor den Frostgeistern geflohen.

Und trotzdem begriff Skitar immer noch nicht, wie bedrohlich die Frostgeister tatsächlich waren.

Der Zauberer verteilte Feuerkugeln auf jedem Wachturm der Burg. Jakais eigene Männer verdoppelten die Wachen.

Dann kam der erste Schneesturm. Mit Frostgeistern.

Zwei Tage später, nach dem Abflauen des Sturmes, teilte ein ziemlich blasser Skitar Baron Jakai mit, dass man im kommenden Jahr unbedingt die entlassenen Soldaten zurückholen müsse. Es könne nicht angehen, dass er ausschließlich seine eigenen Truppen für einen noch nicht einmal anwesenden, vielleicht nicht einmal mehr lebenden Burgherren opfere.

Jakai enthielt sich eines Kommentars.

*

Mit dem ersten Tauwetter kamen Shioges Soldaten zurück in die Burg. Unter ihnen war einer, den nicht Jakai weggeschickt hatte. Überaus zufrieden hörte Jakai, dass sein Herr, der Sohn und Erbe Shioges, wohlauf war.

Der Soldat trug die Botschaft zurück zu Taephe, dass Orteges Erbe Bestand hatte und Jakai aktuell keine weiteren Schwierigkeiten erwartete.

Eine weitere Botschaft ging nach Süden. Königinmutter Sirit hatte diskret nach dem Befinden ihrer Adoptivtochter gefragt, die so merkwürdig lange nichts mehr von sich hatte hören lassen. Jakai war klar, dass Sirit, und mit ihr Inagoro, von Shioges Ableben wissen musste. Ebenso klar, wie sich das Königshaus vermutlich über die Folgen war.

Die offizielle Antwort hatte Skitar geschrieben.

Jakais Antwort trug eine vermeintliche kirsitanische Händlerin in die Hauptstadt.

*

„Sie lebt!“

Inagoros Erleichterung war fast mit den Händen zu greifen. Sirit sah ihren Sohn verwundert an. Bislang war ihr nicht klar gewesen, wie sehr Inagoro tatsächlich an seiner Halbschwester hing. Äußerst ungewöhnlich für einen Karapakier. Erst recht ungewöhnlich für einen König, der seine Schwestern, Tanten und Töchter in der Regel nur als Faustpfänder für gewinnbringende oder Allianzen schmiedende Heiraten zu betrachten hatte. „Ja, sie lebt, und ihre Söhne auch. Aber sie ist in Kirsitan. Und dort sind derzeit mehr Frostgeister als Menschen.“

„Sie wird einen Ausweg finden. Meine Schwester ist klug.“

„Sie ist nur eine Frau.“

„Das sagst ausgerechnet du, Mutter?

Sirit lächelte schmallippig. „Du weißt, wie unsere Gesetze aussehen. Der erste Mann aus Shioges Verwandtschaft, der Taephe auf karapakischen Boden zu packen kriegt, kann sie in seinen Harem zwingen. Sie hätte keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Ich brauche dir wohl kaum zu sagen, wie winzig die Überlebenschancen ihrer Söhne dann wären. Egal, wer aus Pokorures Sippe sich Taephe krallt, in dem Moment, indem sie wieder verheiratet ist, kann sie ihre Söhne nicht mehr schützen. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Burg Pokorure völlig legal zufällt. Und ich glaube nicht, dass Taephe tatenlos zusehen würde, wenn es ihren Söhnen an den Kragen geht.“

Inagoro zog unbehaglich die Schultern hoch. „Sie kann sich wehren. Sie hat gelernt, mit Waffen umzugehen.“

„Ja.“ Sirit zögerte, bevor sie fortfuhr: „Und genau das ist es, was ein karapakischer Mann bei seiner Frau niemals dulden wird. In dem Moment, in dem sie sich wehrt, spricht Taephe ihr eigenes Todesurteil.“

Inagoro ballte die Fäuste. „Ich wünschte, ich könnte ihr irgendwie helfen“, flüsterte er.

„Das Gesetz erlaubt dir kein Eingreifen. Seit ihrer Heirat gehört Taephe nicht mehr zu deiner Sippe.“

„Das Gesetz!“

Aus Inagoros Mund klangen die beiden Worte wie ein Fluch. Sirit sah, dass seine Augen verdächtig glitzerten, bevor er sich jäh umwandte und mit harten, eiligen Schritten den Raum verließ. Sie seufzte. Es half nichts, dass sie die Erbitterung ihres Sohnes ob dieser Gesetze teilte. Sie mussten damit leben. Nicht einmal der König stand über dem Gesetz.

Allerdings musste man ein Gesetz nicht unbedingt brechen, um es zu umgehen. Noch war Taephe in Kirsitan. Noch war sie in Sicherheit. Und das gab sowohl Sirit als auch ihrer Pflegetochter die Zeit, zu überlegen.

Feuerwind

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