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1.Das Versäumnisurteil gegen den Beklagten

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180Verteidigt sich der Beklagte nicht, d. h. der

– Beklagte zeigt seine Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Verfahren nicht an, §§ 276 Abs. 1, 331 Abs. 3 ZPO,

– Beklagte erscheint im Termin nicht oder verhandelt nicht, § 331 Abs. 1 ZPO,

so ergeht gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil, wenn die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils gegeben sind.

181a) Antrag. Der Kläger muss den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellen, §§ 331 Abs. 1, Abs. 3 ZPO.

182b) Die Klage muss schlüssig sein, § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das tatsächliche Vorbringen des Klägers – als wahr unterstellt – muss den Klageantrag rechtfertigen (reine Rechtsprüfung), § 331 Abs. 1 S. 1 a. E. ZPO. Der gesamte Klageantrag – auch die Nebenanträge, Zinsen, Gebühren, Kosten – ist auf die Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Ist ein Teil nicht schlüssig – etwa die Zinsen sind nicht nachvollziehbar –, so kann insoweit kein Versäumnisurteil erlassen werden. Wird darüber gleichwohl entschieden, ergeht darüber ein streitiges Urteil. Beachte: Auf die mangelnde Schlüssigkeit hat das Gericht hinzuweisen, es darf nicht einfach darüber entscheiden, außer es ist nur eine Nebenforderung betroffen, § 139 Abs. 2 ZPO.

Klausurproblem: Der Kläger trägt vor, er habe einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens über 100.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 20 %. Das Darlehen habe er dem Beklagten zum 01.01.2019 für 12 Monate ausgereicht. Die Rückzahlung der Hauptforderung dürfte schlüssig sein, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger hat den Vertrag vorgetragen, die Laufzeit und die Auszahlung des Darlehens. Nicht schlüssig dürfte dagegen die Zinsforderung sein, diese Zinsen verstoßen wohl gegen § 138 Abs. 1 BGB. Meldet sich der Beklagte nicht, wird also ein Versäumnisurteil über die Rückforderung ergehen, im Übrigen wird die Zinsforderung durch streitiges Urteil abgewiesen. Das Urteil ist dann als „Teil-Versäumnis und Teil-Endurteil zu bezeichnen, vgl. § 313b Abs. 1 S. 2 ZPO.

183c) Säumnis des Beklagten. Der Beklagte muss säumig sein. Dies ist er, wenn er seine Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren nicht anzeigt, §§ 276 Abs. 1, Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO, oder im ordnungsgemäß anberaumten Verhandlungstermin nicht erscheint, nicht ordnungsgemäß vertreten ist oder nicht verhandelt, §§ 220, 333 ZPO. Die Säumnis muss verschuldet sein, § 337 Satz 1 a. E. ZPO. Unverschuldet ist die Säumnis etwa bei plötzlicher Krankheit, bei einem Unfall bei der Anreise oder bei unvorhersehbarem Verkehrsstau. Beachte: Jede Person besitzt heute ein Handy oder einen Internetanschluss, deshalb ist eine telefonische Meldung oder eine E-Mail – sofern sie möglich sind – unabdingbar.

184aa) Nichtanzeige der Verteidigungsbereitschaft, §§ 276 Abs. 1, Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO. Die Klage muss ordnungsgemäß zugestellt und die Fristen sowie die weiteren Formalien müssen eingehalten sein.

185bb) Ordnungsgemäßer Verhandlungstermin. Es muss sich um einen Termin zur mündlichen Verhandlung handeln. Das kann der frühe erste Termin sein, ein Haupttermin und jeder weitere Verhandlungstermin, vgl. § 332 ZPO. Ein Termin zur Beweisaufnahme ist grundsätzlich kein Verhandlungstermin. Wird jedoch die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht durchgeführt, gilt der Termin zugleich als Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung, § 370 Abs. 1 ZPO. Solange die Beweisaufnahme andauert, liegt kein Verhandlungstermin im Sinne von §§ 330, 331 ZPO vor. Erst nach Abschluss der Beweisaufnahme und dem Übergang in den Verhandlungstermin kann ein Versäumnisurteil ergehen, § 370 Abs. 1 ZPO.

Beachte: Ist der Beklagte in einem Folgetermin säumig wird er so behandelt, als wäre er immer säumig gewesen, § 332 ZPO. Die bisherigen Prozessergebnisse werden nicht verwertet. Hat etwa der bisher erhobene Beweis ergeben hat, dass der Kläger keinen Anspruch hat, wird der Beklagte dennoch durch Verssäumnisurteil – nach Schlüssigkeitsprüfung – zur Zahlung verurteilt.

Klausurproblem: K klagt auf Zahlung gegen B. Nach dem ersten Termin ergeht ein Beweisbeschluss, es wird ein Fortsetzungstermin zur Beweisaufnahme angeordnet. Im Fortsetzungstermin sind K und die Zeugen erschienen, B dagegen nicht. Kann gegen B nun ein Versäumnisurteil ergehen?

Nein, zumindest nicht sofort. Zunächst ist die Beweisaufnahme durchzuführen, § 367 Abs. 1 ZPO. Danach geht der Termin zur Beweisaufnahme in das streitige Verfahren über, § 370 Abs. 1 ZPO. Nun kann – auf Antrag des K – ein Versäumnisurteil ergehen. Dieses lautet: „Der Beklagte wird zur Zahlung von … Euro an den Kläger verurteilt“ – auch dann, wenn die Beweisaufnahme dies nicht ergeben hat. Es kommt nur auf die Schlüssigkeit an, das Ergebnis der Beweisaufnahme bleibt außen vor.

186cc) Nichterscheinen. Säumig ist, wer nach Aufruf zur Sache, § 220 Abs. 1 ZPO, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, § 136 Abs. 4 ZPO, nicht erschienen, § 220 Abs. 2 ZPO, oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist, § 78 ZPO.

Klausurproblem: Der Beklagte erscheint bei einer Verhandlung vor dem Landgericht ohne einen Anwalt. Aufgrund des Anwaltszwangs, § 78 Abs. 1 ZPO, kann der erschienene Beklagte nicht verhandeln. Es kann daher gegen den Beklagten, obwohl er selbst anwesend ist, Versäumnisurteil ergehen, da er als säumig zu behandeln ist.

187dd) Nichtverhandeln. § 333 ZPO stellt klar, dass derjenige, der nicht verhandelt, als nicht erschienen im Sinne von § 331 ZPO behandelt wird. Die Verhandlung beginnt mit Stellung der Anträge, §§ 137 Abs. 1, 297 ZPO. In einem Folgetermin reicht die Erörterung der Streitsache.

188d) Ordnungsgemäße Ladung. Verschuldete Säumnis setzt selbstverständlich voraus, dass der Beklagte ordnungsgemäß geladen ist, § 274 Abs. 1 ZPO (und die Ladung ordnungsgemäß zugestellt ist, §§ 166 ff. ZPO). Die Fristen, Einlassungsfrist, § 274 Abs. 3 ZPO, und die Ladungsfrist, § 217 ZPO, müssen eingehalten sein, vgl. §§ 335 Abs. 1 Nr. 2, 337 ZPO.

189e) Sachurteilsvoraussetzungen. Die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen müssen gegeben sein. Sie müssen, wie bei jedem ordentlichen Verfahren, von Amts wegen geprüft werden.

Klausurproblem: Der Kläger hat eine Gerichtsstandsvereinbarung vorgelegt und beruft sich für die Zuständigkeit des Gerichts auf diese; der Beklagte ist säumig. Ergibt die Vereinbarung die Zuständigkeit des Gerichts?

Die Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO erstreckt sich nicht auf die Zuständigkeit des Gerichts nach §§ 29 Abs. 2, 38 ZPO. Das Gericht muss deshalb von der Vereinbarung überzeugt sein und hat gegebenenfalls auch Beweis darüber zu erheben; gleiches gilt für eine Vereinbarung über den Erfüllungsort.

190f) Erlasshindernisse. Ein Versäumnisurteil kann nicht ergehen, wenn ein Erlasshindernis nach §§ 335, 337 ZPO besteht oder ein Versäumnisurteil unstatthaft ist, wie in Ehesachen, §§ 130 Abs. 2, 270 FamFG. Ein Erlasshindernis besteht, wenn die Fristen zu kurz bemessen waren oder wenn eine Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen gehindert war, § 337 ZPO, sowie in den Fällen des § 335 ZPO, etwa bei nicht ordnungsgemäßer Ladung (Nr. 2) oder wenn der nicht erschienenen Partei ein tatsächliches mündliches Vorbringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig schriftsätzlich mitgeteilt worden ist (Nr. 3; wichtig).

Klausurproblem: Die Klage ist zum Teil unschlüssig. In der mündlichen Verhandlung macht der Kläger die Klage schlüssig. Dennoch kann kein Versäumnisurteil ergehen, wegen § 335 Nr. 3 ZPO; gleiches gilt, wenn der Kläger einen neuen Antrag stellt. Anders ist die Sachlage, wenn etwa der Beklagte zwischenzeitlich die Klagesumme bezahlt hat. Der Kläger kann dann nicht mehr Verurteilung zur Zahlung verlangen, er muss seinen Antrag umstellen und für erledigt erklären (§ 264 Nr. 2 ZPO). Dieser Antrag ist aber dem Beklagten, wenn er erst kurz vor dem Termin bezahlt hat, noch nicht mitgeteilt worden. § 335 Nr. 3 ZPO greift in diesem Fall dennoch nicht, denn die Erledigung ist ein Weniger im Verhältnis zur beantragten Zahlung. Ist die Klage zulässig und begründet, kann daher in diesem Fall gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil mit folgendem Tenor ergehen: „Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch die Zahlung des Beklagten vom … erledigt hat“.

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