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Kapitel 1: Von der Freiheit, intelligent zu designen

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In allen, auch den kleinsten Kreaturen, ja auch in ihren Gliedern scheinet und siehet man öffentlich Gottes Allmacht und Wundertaten. Denn welcher Mensch, wie gewaltig, weise und herrlich er auch ist, kann aus einer Feige einen Feigenbaum oder eine andere Feige machen?

(Martin Luther)

Und so zerbröselt der Keks nun mal!

(Bruce Nolan[4])

Stellen Sie sich vor, Sie wären allmächtig.

Es ist nicht so, dass die Welt Ihnen offenstände - tatsächlich ständen Ihnen alle Welten offen. Alle möglichen Welten. Alle unmöglichen Welten. Sie sind der Master of 42[5], der Urgrund allen Seins, Sie sind der King of Karneval und hier ist Ihre Show. Sie können eine Welt erschaffen, in der die Menschen drei Arme haben, in der Kot nicht so stinkt und in der ein Penis rein mechanisch nicht in einen Anus passt, Sie können die Worte „Hier bin ich!“ mit Sternen in den Himmel schreiben, eine Umwelt designen, in der es nicht nur um Fressen oder Gefressen werden geht und die Naturgesetze bestimmen – Himmel! - Sie können sogar ganz neue Naturgesetze erfinden. Sie designen ein funkelniegelnagelneues Universum, fangen bei null an und erschaffen Raum und Zeit. Jetzt mal ehrlich: Würden Sie eine Welt gestalten, in der Kamillentee derart eklig schmeckt? Nur weil er gesund ist[6]?

Sie aber entscheiden sich, dass in Ihrer Schöpfung ein Penis sehr wohl in einen Anus passt und es noch dazu Menschen gibt, denen das Spaß macht. Und dann veröffentlichen Sie Bücher, in denen Sie klarstellen, dass Ihnen dies nicht gefällt, dass dies eine Sünde sei, vor allem, wenn es sich dabei um einen männlichen Anus handelt - und dass diese Menschen gefoltert und getötet werden müssen - Menschen, die Sie in Ihrer unendlichen Allmacht gerade eben noch genau so erschaffen haben.

Die Welt muss nicht perfekt sein. Ein paar kleine Fehler, ein paar Ungereimtheiten, hier und da eine kleine Schlamperei und vielleicht auch ein paar Bugs würde man ja jedem Gott zugestehen. So ein Gott ist auch nur ein Mensch, und wer mag schon Perfektion. Oder Perfektionisten.

Spätestens seit dem Film „Matrix 2“[7] wissen wir, dass eine perfekte Welt nicht funktioniert. Also kann man ruhig auch ein paar Fallstricke einbauen: unsichtbare Viren, ein paar Giftschlangen vielleicht, Heuschnupfen, Sünden, Spammails.

Wenn wir uns jedoch in diesem Universum umschauen, dann müssen wir eine Menge Nachsicht haben, um zu behaupten, dass es für die Krone der Schöpfung, den Menschen, lediglich nicht perfekt sei. Genaugenommen ist dieses Universum so weit von Perfektion entfernt, dass man fragen möchte: Was zur Hölle…? Sie haben alle denkbaren Möglichkeiten, nein, noch darüber hinaus: Sie haben alle undenkbaren Möglichkeiten, und was Sie hinbekommen, ist Tod, Leid und Angst. Das kann kein kleiner Fehlerteufel sein. Das ist kein falsches Deteil[8].

Das hat Methode.

Sie sind Sadist.

Der gute alte Deus absconditus[9], der verborgene Gott, dessen Wege unergründlich sind, und der sich den Menschen nicht in seiner Gesamtheit offenbart, ist, wie es scheint, nicht nur uns, den Menschen, verborgen. Ihm ist offensichtlich gleichsam selbst ein ganzes Stück seiner eigenen Schulbildung verborgen geblieben, vielleicht hat er zu oft geschwänzt. Oder er weiß, was er tut, ist aber ein furchtbar gemeiner Typ. Angesichts des Ergebnisses, das er hier abliefert, ist er jedenfalls entweder nicht allmächtig, oder, wenn er allmächtig ist, dann ist er nicht allwissend, aber wenn er allmächtig und allwissend ist, dann ist er auf keinen Fall besonders gut - schon gar nicht irgendwie[10].

Folgt man dem Argument des unbewegten Erstbewegers und kommt zu dem Schluss, dass alles eine Ursache haben und zudem diese erste Ursache ein Gott sein müsse, so ist damit natürlich absolut nichts über die Natur dieses Erstbewegers gesagt. Seit früher Kindheit und meinem ersten Religionsunterricht in der Grundschule habe ich das Bild im Kopf von einem kleinen Gott, einem Göttchen, das im Naturwissenschafts-Götzen-Unterricht hinten in der letzten Reihe sitzt und sich gerade meldet:

„Frau Athene“, sagt er, „Frau Athene, kommen Sie schnell. Ich hab´s! Ich hab´s! Ich habe ein Universum erschaffen, schauen Sie, es dehnt sich aus!“

So ein Universum ist halt auch ein sehr dehnbarer Begriff. Dabei ist ein Ausdehnen des Universums gar nicht schlimm. Alle sind sich einig, dass die einzige wirklich unangenehme Ausdehnung, die beobachtbar ist, Tim Wiese betrifft. Aber das tut jetzt nicht zur Sache. Jedenfalls:

Und Frau Athene kommt nach hinten, wirft einen Blick auf jene Schöpfung und sagt: „Ach, Jahwe, nein, schau mal auf die Tafel. Da steht: Ein Universum mit einer Gravitationskonstante von mindestens 8,2. Komm, schütte das hier in den Ausguss und fang noch mal neu an.“[11]

Wobei ich heute rückblickend davon ausgehe, dass ich als Grundschüler noch nicht die Wörter Gravitationskonstante oder Ausdehnung mitgedacht habe und diese erst später in die Vorstellung mit eingeflossen sind; tatsächlich hatte ich wohl nur das Bild vom ausgegossenen Universum im Kopf.

Manche Menschen aber ticken anders: Sie meinen, wenn es etwas außerhalb unserer Welt geben müsse, das der Grund für diese Welt sei, dann kann es bitteschön nur Gott sein. Und zwar ihr eigener, gefälligst, keinesfalls der Gott einer anderen Religion. Tatsächlich stecken in der von vielen Physikern häufig wiederholten Aussage: „Wir wissen nicht, wie das Universum begonnen hat" aber keinerlei andere Informationen über den Beginn des Universums, als die Feststellung, dass wir das eben nicht wissen. Vielleicht gibt es durchaus einen Schöpfer in einer höheren Dimension, vielleicht ist es auch eine natürliche Eigenschaft einer außerhalb unseres Kosmos befindlichen Großwetterfront, Universen zu erschaffen. Vielleicht gibt es einen interkosmischen Ochsen, ein höherdimensionales Rindvieh, dessen eigentümlichstes Charakteristikum es ist, dass in seinen Kuhfladen vierdimensionale Raumzeiten entstehen und wir sind nur das Ergebnis einer Magenverstimmung der heiligen Kuh. Dann wurden wir also in die Welt geschissen. Muslime könnten in diesem Fall froh sein, dass es sich nicht um eine höherdimensionale Sau handelt. Fragt man die Wissenschaft, so gibt es mehrere natürliche Möglichkeiten für die Entstehung unserer Welt – und sie lassen sich durchaus mathematisch beschreiben. In dem fabelhaften populärwissenschaftlichen Buch Der große Entwurf: Eine neue Erklärung des Universums[12] von Stephen Hawking beschreibt der Physiker auf Grundlage des modellabhängigen Realismus eine mögliche Interpretation der Vereinigung von Einsteins Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik durch die M-Theorie. Unsere Welt ist demnach eine Realisation verschiedener möglicher Universen und nur im Rückblick geschichtlich beschreibbar, ohne am Anfang – dem Urknall – bereits determiniert gewesen zu sein. Genaugenommen ist es sogar eine Realisation aller möglicher Welten. Lawrence Krauss beschreibt in Ein Universum aus Nichts[13] sehr anschaulich die Übertragbarkeit von Quantenfluktuationen im Vakuum, bei denen Teilchen und Antiteilchenpaare entstehen[14], auf die Singularität des Urknalls.

Ja – aus dem Nichts kann ein Etwas entstehen.

Deal with it.

Das sind keine unfehlbaren Antworten auf die Frage nach der Entstehung des Universums, aber es sind mögliche Wege. Es sind mögliche Antworten.

Fragt man aber die Gläubigen, so gibt es nur eine mögliche Antwort: Einen planenden, intelligenten, weisen Gott, dem noch dazu im Allgemeinen die Attribute gut und allwissend zugeordnet werden. Das Nicht-Wissen der Wissenschaft wird zum Beweis umgedeutet, dass eine bestimmte, konkrete Ausformulierung der Weltenentstehung, nämlich die Schöpfung durch den eigenen Gott, wahr sein soll. Als ob der Satz „Ich weiß nicht, ob Michael ein Auto hat“ gleichbedeutend wäre mit der Aussage „Dann fährt Michael mit Sicherheit ein 1992 gebautes rotes Damenfahrrad mit 28er Felge und einer 5-Gang Kettenschaltung.“

Aber gehen wir einmal davon aus.

Nehmen wir es als gegeben hin, dass es einen unbewegten Erstbeweger tatsächlich geben müsse. Nehmen wir es hin, dass dies ein Gott sein müsse. Und nehmen wir es ebenfalls hin, dass er das Fahrrad mit Kettenschaltung ist, also Eigenschaften hat, die eine der diversen Religionen zutreffend beschreibt – etwa das Christentum, damit kenne ich mich am ehesten aus. Nehmen wir es hin, dass dieser Gott allwissend und allmächtig ist, und gut, und liebend, und -

Und nun stellen Sie sich vor - - -

Stellen Sie sich vor, Sie seien dieser Gott[15]. Betrachten Sie einmal ihr Werk und lassen Sie für einen Augenblick den entschuldigenden Gedanken fallen, dass diese Schöpfung am ersten Tag begonnen hat und sieben Tage dauerte, also folgerichtig ein Montagsprodukt ist[16].

Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass Gott, dieser Gott, in seiner Allmacht und Allwissenheit viel allmächtiger und allwissender sein sollte als jeder Mensch. Sein göttlicher Geist, sein Intellekt und seine Vorstellungskraft müssen größer und mächtiger sein als der aller Menschen. Definitionsgemäß ist er erhabener als seine Schöpfung - und das nicht nur dann, wenn es sich um Andrea Fischer[17] handelt.

Stellen Sie sich vor, Sie seien dieser Gott. Schauen Sie sich um in Ihrer Schöpfung. Betrachten Sie Ihre Schöpfung. Aufmerksam. Kritisch. Fällt Ihnen etwas auf? Etwas ein? Haben Sie eine Idee, was man verbessern könnte?

Ich rede hier nicht von dem Ungemach, das auf der Welt ist, weil es Menschen gibt. Ich rede hier nicht von der menschlichen Willensfreiheit und den Folgen der Erbsünde, nicht davon, dass Menschen solche Blödmänner sind. Ich rede nicht vom Krieg in Gaza, nicht von Atomwaffen, nicht von Selbstmordattentätern und dem Bankensystem, nicht von Musik von Dieter Bohlen oder der idiotischen Idee, Rinder, Schweine und Vögel lebenslänglich in winzige Käfige zu stecken, mit Antibiotika vollzupumpen, zu mästen und das Ergebnis selbst zu essen. Ich rede von der Schöpfung. Als Ganzes. Ich rede von dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest: Gibt es nichts, was Sie verbessern würden?

Ich würde die Mücken abschaffen.

Was würden Sie?

Nun kann man behaupten, Mücken seien sicherlich für irgendetwas gut. Das stimmt natürlich, denn sie sind Teil der Nahrungskette. Aber vergessen wir nicht: Sie sind allmächtig – also Sie, der Leser, der sich Allmächtigkeit vorstellt, nicht sie, die Mücken. Also Sie sind allmächtig - kann man das nicht irgendwie anders regeln? Oder kann man nicht vielleicht gegebenenfalls wenigstens zumindest das Jucken verhindern[18]? Also wenn man ehrlich ist, sind die Mücken, so, wie wir sie in dieser Schöpfung vorfinden, wirklich nutzlos.

Dachse auch.

Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten – aber Sie sind nur ein Mensch. Wie wir eben festgestellt haben, sind Menschen in Ihrem Geist beschränkt; beschränkter jedenfalls als ein Gott. Und doch fällt uns ad hoc eine ganze Liste an Reklamationen ein, die wir anzuführen wüssten, wenn wir diese Schöpfung betrachten. Und ein „Das-könnte-man-besser-machen“ sollte nicht der erste Gedanke sein, der einem in den Sinn kommt, wenn man ein Geschöpf in einer perfekten Schöpfung ist. Es ist ein Gedanke, der Schönheitschirurgen beim Betrachten von Melanie Griffith oder Schauspieldozenten beim Betrachten von Mel Gibson Filmen vorbehalten bleiben sollte. Dennoch kann jeder Mensch in dieser Schöpfung sehr schnell all die gemachten Fehler erkennen. Wie kann ein beschränkter Geist in der Schöpfung geistvoller und schöpferischer sein, als der unbeschränkte Geist des Schöpfers jenes Geistes?

Hinter dem offenkundig Sinnlosen wie Ebola oder dem plötzlichen Kindstod einen höheren Plan zu vermuten grenzt schon ein wenig an Anmaßung – vor allem den Opfern von Ebola und den Eltern eines toten Kindes gegenüber. Schon Stendhal bemerkte: „Die einzige Entschuldigung Gottes [angesichts des Übels in der Welt] ist, dass er nicht existiert.“[19] Gehen wir nicht davon aus, dass Gott tatsächlich der kleine Schuljunge ist, den Athene gerade zurechtweist, sondern durchaus ein erhabener Gott, der weiß, was er mit seiner Allmacht anzufangen hat, dann bleiben nicht viele Antworten übrig auf die Frage, Was für eine Scheiße hast Du denn hier zusammengeschöpft?

Diese Fragestellung – Theodizee[20],[21] genannt – ist, in weniger vulgärer Sprache, bereits oft gestellt worden. Aber Leibniz´ Antworten lassen einen hier ratlos zurück – ist diese Welt, so wie wir sie erkennen, wirklich die beste aller möglichen Welten? Können wir uns nicht sogar als beschränkte Menschen eine bessere vorstellen? Welche Nachteile entstünden denn schon, wenn Staub die Eigenschaft hätte, nicht gar so dolle auf schwarzen Möbeln aufzufallen? Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Schutz vor Allergien, weil der auffällige Schmutz die Menschen dazu bewegt, öfter zu putzen. Was sollen denn Allergien in einer perfekten Schöpfung. Und ist es nicht gerade die Beobachtbarkeit jener Perfektion der Schöpfung, die als Begründung für einen Schöpfer genannt wird?

Dies ist der Punkt, an dem Theodizee und Kreationismus sich berühren. Tatsächlich ist es ausgerechnet die Perfektion der Schöpfung, die das Fundament des Intelligent Design, des Kreationismus bildet. Irgendwie-Gut-Christen ziehen sich bei dieser Fragestellung gerne auf die menschliche Unkenntnis zurück: Als beschränktes, niederes Wesen könne man nicht wissen, welchen Sinn und Zweck ein uns unbekanntes höheres Wesen verfolge. Es sei arrogant und anmaßend, wenn ein Mensch seine eigene Idee von Perfektion mit der ihm unbekannten Perfektion eines perfekten Gottes zu vergleichen suche. Auf diesen rhetorischen Trick aber kann das Intelligent Design sich nicht zurückziehen. Die Beobachtbarkeit von Perfektion – in den Worten des Kreationismus: Nichtreduzierbare Komplexität – ist ja gerade die Kernaussage dieser Form des Fundamentalismus[22]. Dass die Perfektion der Welt beobachtbar sei, ist notwendige Bedingung für die Schlussfolgerung, es gäbe diesen kreationistischen Gott, der die Welt in sieben Tagen und in der heutigen Form erschaffen habe. Perfektion aber ist nicht teilbar: Es gibt keine halb-perfekte Welt, keine dreiviertel-perfekte Schöpfung – denn teilweise perfekt würde bedeuten: unperfekt. Nichtperfekt. Imperfekt. Defekt. Entweder das beschränkte Wesen Mensch kann Perfektion beobachten – dann könnten die Argumente nichtreduzierbarer Komplexität und das Zusammenpassen aller Systeme in der Schöpfung als Argument gelten[23] (und man müsste diese Welt als perfekte Folterkammer beschreiben, wie dieses Buch in den kommenden Kapiteln aufzeigen wird) – oder ein Mensch kann aufgrund seiner Beschränktheit die wahre Perfektion und den dahinterliegenden höheren Plan nicht erkennen – dann aber ist diese Perfektion grundsätzlich nicht beobachtbar und kann kein Argument sein, dass dieses höhere Arschloch überhaupt existiere. Tatsächlich beobachtbare Teilperfektion wäre im Kern nur die Beobachtung von Nicht-Perfektion, und damit eher das Ergebnis, das man bei einer Entwicklung der Welt, einer Evolution, erwarten würde, nicht bei einer Schöpfung.

Wenn wir uns vorstellen, wir wären dieser Gott, ist die Wahrheit aber noch schlimmer. Wir sind nicht gezwungen, diese Schöpfung zu nehmen und sie zu verbessern. Wir haben die Freiheit, intelligent zu designen. Von Grund auf. Von Grund auf bedeutet, dass wir uns keine Gedanken machen müssen, ob Mücken Teil der Nahrungskette sind und ob ein Abschaffen der Mücken diesbezüglich Probleme verursachen könnte. Wir sind es doch, die die Nahrungsketten schöpfen. Wir schöpfen Nahrungsketten ohne Mücken, punktum. Das ist, was Allmacht bedeutet. Wir haben die Macht, die Freiheit, alles zu tun. Von Grund auf. Wer beim Abschaffen der Mücken und beim Abschaffen von Staub auf die Konsequenzen hinweisen möchte, die dieses Abschaffen oder jenes Abschaffen haben könnte, der übersieht, was Allmacht bedeutet. Autarkie. Die Fähigkeit, die Welt wirklich schlau zu gestalten. Wir sind nicht gebunden an Naturgesetze oder Regeln, an Abhängigkeiten oder Notwendigkeiten. Wir müssen den Planeten Erde nicht in genau diesem Abstand zur Sonne kreisen lassen, damit das Wasser in flüssiger Form vorkommt. Wasser ist bei jenen Temperaturen flüssig, die wir als die Temperaturen bestimmen, in denen es flüssig sein soll[24]. Die Naturgesetze zu bestimmen heißt nicht, sie dergestalt einrichten zu können, in denen alles feinabgestimmt zueinander passt. Es heißt viel mehr, jegliche Kombination aus Werten und Gesetzen bestimmen zu können, die wir als zueinander passend definieren. Mücken sind da unser kleinstes Problem.

Wir können sogar Widersprüche in die Schöpfung schöpfen. In der Allmacht und Allwissenheit ist der Schöpfer einer Schöpfung unerschöpflich. Wenn Leid und Angst auch notwendig sind in der Natur, in der Evolution, um die Tiere und Menschen vorsichtig zu machen und achtsam – mit dem Nachteil, dass manche Menschen in manchen Situationen zu vorsichtig und zu achtsam sind, dass manche Kinder sich in der Dunkelheit fürchten oder dass man Brandblasen und Schmerzen erleidet, wenn einen das heiße Fett aus der Pfanne anspringt – Abhängigkeiten! – so ist dies in einer Schöpfung nicht der Fall. Leid, Angst und Schmerz sind nur in der Evolution sinnvolle Attribute. In einer Schöpfung mit Widersprüchen können Schmerzen dort auftreten, wo sie den Menschen sinnvoll vor Gefahren schützen, während sie gleichzeitig dort, wo sie nur Leid verursachen würden und somit störend sind, ausbleiben. Wir können die Welt so designen, dass solche inneren Widersprüche Normalität wären: In einer designten Welt gäbe es keine Naturwissenschaften, die die Entstehung der Welt oder den Aufbau des Lebens erklären könnte. In einer perfekten Welt würden wir uns gar nicht erst darüber wundern, dass die Dinge im Allgemeinen immer nach unten fallen, außer die wertvolle alte Blumenvase von Tante Ingrid, die sanft und vorsichtig in der Luft schwebt und nach unten gleitet, damit sie nicht kaputtgeht. Also die Vase, nicht die Ingrid. Das wäre normal. Das wäre schon immer so gewesen. Newton hätte dereinst herausgefunden, dass Materie sich reziprok proportional zum Quadrat des Abstandes anzieht[25] – außer, wenn diese Materie zerbrechlich ist. In einer perfekten Schöpfung besteht keine Notwendigkeit. Für gar nichts. Die Freiheit, intelligent zu designen ist die absolute Freiheit, absolut intelligent zu designen. Intelligentes Design sollte nun mal intelligent sein – und nicht bescheuert. Schließlich arbeitet unser Schöpfer ja nicht bei Volkswagen. Dem schlechten Design nach zu urteilen vielleicht höchstens bei KiK[26].

Genau dies wird auch postuliert im Kreationismus. Also nicht, dass Gott bei KiK arbeiten würde; aber die Perfektion der Schöpfung. Wenn von perfekten Systemen gesprochen wird, das perfekte Zusammenspiel zwischen Bienen und Blumen, das perfekte System des Auges oder des Flagellenmotors der Bakterien, so ist die dahintersteckende Aussage implizit: Diese Welt, diese Schöpfung sei perfekt. Die Perfektion der Systeme ist die Basis für den Kreationismus, die Intelligent-Design Bewegung, denn durch die Beobachtbarkeit der Perfektion in der Natur können wir auf einen Designer schließen. Aber bei der Freiheit, intelligent zu designen, ist diese Welt wirklich perfekt?

Wir würden Zeichen über Zeichen in die Schöpfung schöpfen. Die Kreationisten sind ganz scharf auf Zeichen und Hinweise. Es ist nicht möglich, im Internet nach dem Glykoprotein[27] Laminin[28] zu suchen, ohne auf kreationistische Webseiten zu geraten, die Laminin als Zeichen für einen Schöpfer feiern, nur weil dieses Protein in seiner schematischen Darstellung die Form eines Kreuzes besitzt. Wie vieles andere in der Natur auch. Würden wir, als allmächtiger, allwissender Schöpfer wirklich Zeichen und Hinweise in die Natur einbauen, die derart absurd schwach auf der Brust sind? Das ist, als würde McDonald´s eine Werbekampagne starten, indem sie winzige Aufkleber herstellen, auf denen zwei winzige, gelbe Kreise zu sehen sind, deren Ränder mit viel Fantasie an eine „M“ erinnern, und diese Aufkleber vornehmlich in gut gesicherten Atombunkern an versteckten Stellen hinkleben, hinter Türen mit der Aufschrift „nicht öffnen“, in Räumen mit defekten Lichtschaltern, die von einer Horde hungriger Vogelspinnen bewacht werden, um sicherzugehen, dass wirklich nur eingefleischte McDonald´s-Fans diese Aufkleber überhaupt entdecken, während allen anderen Menschen auch nur die reine Existenz der Mac-Burger gänzlich unbekannt bleibt. Was, wenn man darüber nachdenkt, im Grunde wohl tatsächlich absolut sinnvoll wäre, aber darum geht es jetzt nicht. Die Freiheit, intelligent zu designen ist die Freiheit, Perfektion zu designen, und dies beinhaltet – wenn schon, denn schon – auch ordentliche Zeichen, deren Existenz und Bedeutung nicht zu bestreiten sein können.

Wir sind allmächtig. Wir fangen bei null an. Wir können ein Universum from the scratch neu aufbauen, einen Planeten von Grund auf designen wie die Bewohner Magratheas, das ganze Leben der Welt erschaffen und den Menschen als Krönung. Wir arbeiten vom großen Ganzen bis ins Deteil[29], kümmern uns um Galaxienhaufen und den großen Attraktor bis zur DNS und dem Aufbau der Proteine um alle Angelegenheiten, die diese Schöpfung so mit sich bringt und feiern unser Werk ab Werk. Und wir haben dabei viel mehr als sieben Tage Zeit – nicht einmal daran sind wir gebunden. Wenn wir wollen, können wir uns viel mehr Zeit nehmen, niemand macht uns die Vorgabe, uns an irgendeinen Termin zu halten. Wenn wir es in sieben Tagen schaffen – prima. Wenn nicht, dann steht halt hinterher in den Büchern „Im ersten Jahr schuf Gott…“ – oder „Im ersten Jahrhundert schuf Gott…“ – niemand wird uns hier Vorwürfe machen. Wobei sich die Frage sowieso stellt, warum ein allmächtiger Gott sieben Tage brauchen soll. Er ist allmächtig, wäre hier nicht ein etwas zügigeres Abarbeiten so einer Wald- und Wiesenschöpfung möglich gewesen?

Aber sei es drum. Wir haben Zeit. Wir erschaffen sie erst noch[30].

Sie sind der Schöpfer. Sie sind allmächtig. Sie designen die ganze Welt. Ihr Wille ist es, eine perfekte Welt für die Krone der Schöpfung zu gestalten. Sie machen Licht. Sie planen das Sonnensystem und die ganze Galaxie, Sie planen den Planeten, die Natur und darin den Menschen nach Ihrem Bilde. Aus dem Nichts. Sie sprechen diese Welt in ihre Existenz. Die Perfektion ist Ihr Beweis. Jede Sonnenblume, die sich zur Sonne dreht, jeder Flagellenmotor von Bakterien, jedes Auge, die Ozonschicht und die Feinabstimmung der Naturgesetze seien Ihr Manifest.

Sie sind allmächtig. Sie fangen bei null an, in der Dunkelheit, Sie machen Licht und sehen, dass es gut ist. Mit dem vorhandenen Schund geben wir uns nicht ab, wir booten das Universum neu.

Gott ist ein Arschloch

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