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Kapitel 2: Von der Gefahr aus dem All
ОглавлениеZwei Dinge sind unendlich…
(Einstein)
Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.
(Douglas Adams)
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 4000 vor Christus. Genesis Universum, oder genesis ned? Wenn nicht, werden wir es nun kennenlernen.
Groß ist es geworden, dieses Universum. Wirklich groß. Also – also wirklich groß. Vor allem im Vergleich mit allen anderen Universen. Vielleicht wollen Sie, der Schöpfer, ja irgendetwas kompensieren[31].
Der Mensch, so ist es geschrieben, soll die Krone der Schöpfung sein. Das oberste Gut. Das beseelte Tier, das, worum es geht. Nach seinem Bilde wurde er geschaffen und bei den Menschen wirft Gott ein Auge, schaut, was sie tun, wenn sie nackt sind, lässt sie in den Himmel, wenn sie den rechten Glauben haben und ist verärgert, wenn sie zweifeln. Oder denken. Der liebe Gott richtet über eine Frau, wenn sie sich nach 20 Jahren Ehe von einem gewalttätigen Ehemann scheiden lässt und er achtet peinlich genau darauf, welche unmoralischen Gedanken ein Mensch so hat. Denn schon so mancher Gedanke ist eine Sünde, und der Sünder - der Sünder kommt nicht in den Himmel.
Dafür ist der Himmel jetzt allerdings doch ganz schön geräumig geworden. Und für den Menschen, die Krone, wirklich kein Zuhause.
Milliarden von Galaxien und in jeder Galaxie Milliarden Sterne, unvorstellbare Weiten dazwischen und an vielen Orten nichts. Wirklich nichts. Gar nichts[32]. Das beste Vakuum, das Menschen im Labor herstellen können, mit den modernsten Maschinen und einem riesigen Aufwand, dieses beste Vakuum mit weniger Molekülen darin, als man messen kann, ist immer noch abertausend mal dichter als der Raum zwischen den Galaxien: Man kann, wenn man ein Lichtstrahl ist, ewig lang durch dieses Vakuum reisen, ohne auch nur einem Elektron zu begegnen. Beides, die Größe dieses Weltraums und die Leere seiner Voids[33] sind für Menschen nicht vorstellbar. Und das müssen sie auch gar nicht. Ein derart großes und leeres Gebilde ist nämlich an und für sich zu nichts nutze. Schlimmer noch als Dachse. Wenn es dem Schöpfer um seine Krone geht, dann hat er hier mächtig übertrieben. Wahrscheinlich wollte er ein wenig aufschneiden und zeigen, was er so kann, aber am Ende des Tages hätte doch eigentlich eine Milchstraße gereicht. Schon die können wir weder gebrauchen noch in Gänze begreifen.
Fundamentalistische Religiöse sagen: Alles sei perfekt. Es gäbe Tiere und Pflanzen und alles hinge miteinander zusammen, die Bienen bestäuben die Blumen und sorgen damit für einen Augenschmaus und für Honig noch dazu, die Welt biete uns Sonne und Schatten und Schönheit und Nahrung. Wir werden in den folgenden Kapiteln noch darauf eingehen. Das Zusammenpassen aller kleinen Rädchen sei ein Beweis für Gott. Wer sonst könnte sich so etwas ausdenken? Kann es durch Zufall entstanden sein? Alles, was wir betrachten, sieht sinnvoll aus, und alles scheint für den Menschen gemacht zu sein. Der Mensch, als oberstes Schöpfungsgeschöpf sei das Ziel Gottes gewesen, und alles, einfach alles ist so eingerichtet, dass es perfekt in ein Universum für die Menschheit passe.
Also –
Also alles, außer dieses Universum selbst, würde man anmerken wollen[34]. Dieses Universum selbst ist für Menschen mörderisch. Irgendwann wird die Menschheit den Planeten Erde verlassen müssen und das All erobern. Spätestens wenn die Sonne explodiert, müssen wir hier weg. Doch nicht erst dann: Die Gefahr, dass die Menschen von der Erde fliehen müssen, ist schon vorher riesengroß.
Was die Menschheit dann vorfinden wird, wenn sie die Erde verlassen muss, ist allerdings nicht unbedingt ein Paradies. Es ist nicht nur, dass alles da oben so verdammt weit weg ist. Das ganze Universum wirkt tatsächlich überhaupt nicht so, als seien wir da eingeladen. Das Universum ist menschenfeindlich, wenn man sich geistig auf die Reise begibt, weg von den gemäßigten Zonen Nordamerikas und Europas, wo es fast überall fließend Wasser gibt und Supermärkte mit Tiefkühlpizza. Schon ein paar Kilometer nördlich ist es zu kalt. Ein paar Kilometer südlich ist es zu warm. Fragen Sie mal die Bewohner der Steppe, wie perfekt er seine Welt findet. Und dann schauen wir verdutzt in den Himmel und stellen fest:
Es ist verdammt kalt im All. Ganz furchtbar brrr!
Dagegen ist die Arktis ein Ofen. Bevor wir, wenn wir einst die Erde verlassen müssen, ein neues Zuhause finden, müssen wir erst mal durch die Kälte. Und das ist nicht irgendeine Kälte. Es ist die absolute Kälte[35]. In 99,999 Prozent der Orte des Weltalls sterben die Menschen sofort. Sofort! Es ist so kalt und so luftleer und so verstrahlt, dass ein Mensch dort schneller ableben würde, als er denken könnte „Hui, ich sterbe“. In den restlichen wenigen Promille der Orte stirbt der Mensch auch, nur nicht sofort, sondern erst nach wenigen Sekunden. Immerhin. Orte wie der Mars sind selten, und da man dort mindestens eine halbe Sekunde lebt, bis der Körper schlappmacht, ist das bereits das reinste Paradies. Fragen Sie Douglas Quaid.
Wenn Gott ein Universum erschaffen hat, das für den Menschen gemacht ist, in dem alles aufeinander abgestimmt ist, in dem aber die Menschheit irgendwann von der Erde weg muss – wirklich muss, es ist keine Frage ob, sondern nur wann – dann hat er hier aber eine echt böse Falle eingebaut. Bis zum Mars ist es ein ewig weiter Weg. Und dieser Weg ist ebenso unergründlich wie die anderen Wege des Herrn: Wir brauchen meterdicke Isolationswände gegen die herrschende Strahlung[36], enorme Energiemengen für die Wärme und mindestens ein paar Pflanzen für die Luft. Die Reise zum Mars wird in den letzten Jahren im Fernsehen immer wieder thematisiert, und es klingt mitunter so, als wären wir, die Menschen, demnächst bereits dort, aber die enormen Schwierigkeiten einer solchen Reise für nur wenige Astronauten sind ungleich höher als bei den Apollo-Missionen zum Mond. Eine Umsiedlung auch nur eines etwas größeren Teiles der Weltbevölkerung ist momentan geradezu undenkbar. Wir brauchen Zeit. Sehr viel Zeit, denn die Entfernung schon zu diesem, unserem nächsten kosmischen Nachbarn ist kaum vorstellbar.
Die erste Möglichkeit, einen tatsächlich erdähnlichen Planeten zu finden, ist umso vieles weiter weg als der Mars, dass jeder Vergleich absurd ist – abgesehen davon, dass ein solcher Planet bisher nicht gefunden wurde[37], sind alleine die statistischen Abstände zwischen solchen Planeten so fern von der menschlichen Vorstellungskraft, im Verhältnis sehr viel weiter weg als die Strecke für ein Bakterium von New York zum Uranus wäre. Bakterien – immerhin – haben gewisse Möglichkeiten, eine solche Reise durch das Weltall gegebenenfalls zu überleben. Wir nicht.
Aber müssen wir wirklich weg von der Erde?
Ja. Das Universum ist so eingerichtet, dass die Gefahr, die aus dem All kommt, eine Flucht unumgänglich machen wird. Die Dinosaurier konnten es nicht – und wir können es auch nicht. Und wenn Gott dieses Universum schon so baut, dass von überall Gefahren für die Erde lauern, könnte er dann nicht wenigstens so lieb sein, einen mehr oder weniger passenden Fluchtort bereitzuhalten, der erreichbar wäre? Gott aber will uns offenkundig leiden sehen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn er die Welt so geschaffen hat, dass tatsächlich er verantwortlich ist für die sogenannte Perfektion, wie es die Kreationisten behaupten, dann ist er auch verantwortlich für das Ungemach. Welcher intelligente Designer denkt sich schon ein Universum aus, das für die Krone seiner Schöpfung so tödlich ist? Erst sorgt er dafür, dass der Mensch bloß nicht vom Affen abstammt – obwohl dieser Twist in der Schöpfung so einfach gewesen wäre, alle grundlegen Eigenschaften waren schon da, er hätte den Menschen einfach daraus weiterentwickeln können. Aber nein, der Mensch musste ja unbedingt etwas Besonderes sein und wird separat geschöpft. Dann sorgt er dafür, dass die Leute dieser Spezies, seine Lieblings-Buddys, sein Ebenbild, auf jeden Fall und unausweichlich untergehen, aussterben und vernichtet werden – wie jede x-beliebige andere Spezies zuvor, denn über 99 Prozent[38] alle Tierarten die je gelebt haben, sind ausgestorben. Und er denkt dabei nicht einmal an sein eigenes Konzept, die Arche[39]?
Der Mars ist kein Zufluchtsort. Der ist viel zu klein. Also – also nicht nur zu klein für all die Menschen, er ist sogar zu klein, um eine Atmosphäre zu halten. Das kann keine Dauerlösung sein, und dann noch nicht mal eine, die schnell zu verwirklichen wäre. Jede auch nur theoretische Idee eines Terraformings[40] des Mars ist, abgesehen von Ideen in utopischen Pseudo-Dokumentationen, auch für nur mittelfristige Planungen der nächsten Jahrhunderte völlig ausgeschlossen. Und wenn die Menschheit soweit wäre, den Mars in eine auch nur teilweise lebensfreundliche Umwelt zu verwandeln, würde das dauern. Für eine schnelle Umsiedlung der Menschheit im Falle einer akuten Gefahr steht der Mars trotz fortschreitender Technik noch für unabsehbare Zeit nicht zur Verfügung. Wenn wir von der Erde fliehen müssen, dann woanders hin. Es gibt aber kein erreichbares Woandershin. Man könnte noch versuchen, die Venus abzukühlen, aber daran sind schon die Römer gescheitert.
Wäre ein süßer, kleiner Zweitplanet mit Wasser und einer Atmosphäre irgendwo in der Nähe nicht eine wirklich freundliche Geste gewesen, wo uns doch der erste so augenscheinlich irgendwann um die Ohren fliegen wird? Ein netter Ersatz, mit etwas Grün, mit ein wenig Magnetfeld und vielleicht ohne Mücken? Wäre das nicht was, ein schöner Zweitplanet, im Angesicht der Gefahren?
Von denen hat das Universum reichlich. Überall dort, wo nicht nichts ist, überall dort, wo der Mensch nicht sofort und gleich stirbt, wenn er sich dort aufhält, überall dort, wo etwas ist, da ist Gefahr. Von Wegen Feinabstimmung der Naturkonstanten. Im Weltraum ist kein menschliches Leben möglich. Dieses Universum ist nicht das schöne, lauschige Plätzchen in einer klaren, warmen Maiennacht mit einem Mädchen im Park. Im Universum geht es hart zur Sache. Supernovae[41] explodieren mit mehr Energie, als unsere Sonne in ihrem gesamten Leben abstrahlen wird. Schwarze Löcher[42] fressen alles auf, was auch nur grob in ihre Nähe kommt – und „Nähe“ bezeichnet hier Abstände, die weiter sind als von Oldenbüttel zum Sternensystem Alpha Centauri. Allein die Gefahren, die unser eigenes Sonnensystem für uns bereithält, spotten jeder Beschreibung.
Überall um uns herum wimmelt es nur so von Meteoriten, Asteroiden und sonstigen Gesteinsgeschossen, nicht wenige davon sind potenziell in der Lage, die Menschheit und die meisten anderen Lebewesen auf einen Schlag auszulöschen. Es ist bei anderen Tierarten geschehen und es wird wieder geschehen – die Frage ist nur wann. Ob die Menschen dann in der Lage sein werden, etwas dagegen zu tun oder vom Planeten in ausreichender Menge zu fliehen?
Sonnenstürme brechen regelmäßig aus – meistens ärgern sie nur unsere Kommunikationssysteme, aber niemand kann sagen, wie schlimm so ein Sonnensturm einmal werden kann. Bereits 2012 entging die Erde nur knapp einem solchen Ereignis – einem Sonnensturm, der laut NASA[43] das Leben auf der Welt bis heute komplett verändert hätte und die Menschheit zurück in die Steinzeit gebombt hätte. Und ja, ich weiß. 2012. Maya. Kalender. Ende der Welt. Aber hey – der Sturm hat uns ja nicht getroffen. Hätte er aber, wenn er nur zwei, drei Stunden eher ausgebrochen wäre[44]. Hat er aber nicht, der Mayakalender ging vor.
Was Sorge machen kann, ist die Tatsache, dass auch dieser 2012er Sonnensturm nicht die Obergrenze in der Stärke solcher Stürme darstellt, sondern dass physikalisch leicht ein noch dramatisch schlimmerer Sonnensturm die Erde treffen kann, bei dessen Auftreten wir uns als Menschen nicht mehr nur Sorgen um unsere Computer und Kommunikation machen müssten, sondern um alles was kreucht und fleucht. Die Wahrscheinlichkeit auf einen solchen Sturm liegt bei 12%.[45] Diese Quote liegt höher als ein Gewinn eines Turnierspieles der englischen Nationalmannschaft durch Elfmeterschießen.
Es gibt Gammablitze, die das gesamte Leben auf der Erde in einer Millisekunde auslöschen können – in diesem Falle wäre eine Flucht sogar gänzlich unmöglich, denn ein solches Ereignis würde ohne jede Vorwarnung kommen. Gammablitze entstehen (wahrscheinlich[46]) durch Hypernovae, besonders große Supernovae, oder durch Neutronensterne und sind – man möchte sagen: Gott sei Dank – stark gerichtet. Bei ihrer Entstehung enthalten sie mehr Energie in nur wenigen Sekunden, als unsere Sonne in ihrer gesamten Existenz produziert hat und noch produzieren wird, und sowmit eine unvorstellbar große Leistung von einigen abermiliiarden Watt. Von ihrer Quelle aus schießen sie nicht in alle Richtungen, sondern fokussiert wie ein Laserstrahl nach, nennen wir es der Einfachheit halber: oben und unten. Wohl dem Planeten, der nicht in diesem Fokus haust. Das Perfide an diesen Gammablitzen ist, dass sie aus allen Richtungen kommen können und über sehr – sehr! – weite Entfernungen gefährlich bleiben – alles, was zu nahe ist, würde die Menschheit zerstören. Während die Erde sich für die Zerstörung durch eine Supernova schon – im kosmischen Maßstab – recht nah, nämlich weniger als 100 Lichtjahre an der explodierenden Sonne aufhalten muss – was bereits eine kaum vorstellbare Entfernung ist -, kann unsere Welt also durch einen, bei einer weit entfernten Hypernova entstehenden Gammablitz zerstört werden, dessen Ursprung bis zu mehrere tausend Lichtjahre entfernt ist. Tatsächlich bergen Gammaraybursts, deren Ursprung weiter weg ist, deutlich mehr Gefahren: Schrieb ich oben noch, dass die Abstrahlrichtung in der Entstehung sehr fokssiert ist, so ist dies nur die halbe Wahrheit. Zwar werden sie bei ihrer Entstehung sehr gebündelt an den Polen der Hypernova abgestrahlt und bewegen sich daher wie ein Strahl nur in diese zwei Richtungen, nämlich genau nördlich und südlich fort – im Gegensatz zu einer Explosion, die sich kugelförmig in alle Richtungen ausbreitet; die Breite dieses fokussierten Strahls nimmt allerdings mit wachsender Entfernung deutlich zu. Ähnlich wie bei einem Laserpoiter, dessen Laser man sehr fokussiert in einem halben Meter an der Wand sieht, und der, wenn man ihn vier oder fünf Meter auf die gegenüberliegenden Wand des Zimmers richtet einen deutlich dickeren Lichtpunkt erzeugt, so verbreitert sich auch ein Gammarayburst zunehmend, weil sich die kleinsten Abweichungen in der Parallelität der Strahlen über große Entfernungen multiplizieren. Am Ende der Reichweite, in der Gammablitze gefährlich sind, können sie so Durchmesser von zehn oder sogar fünfzig Lichtjahren haben – ein Vielfaches unseres Sonnensystems. Tatsächlich werden Gammablitze als eine der möglichen Lösungen des Fermi-Paradoxons genannt: Vielleicht sehen wir Menschen mit unseren Teleskopen deswegen nirgendwo im Weltraum Anzeichen für andere Zivilisationen, weil alle entstehenden Zivilisationen regelmäßig durch Gammablitze ausgelöscht werden, bevor sie sich hinreichend in der Milchstraße ausbreiten, sich schützen und / oder durch elektromagnetische Kommunikation bemerkbar machen können. Zu allem Überfluss können auch noch weiter entfernte Gammablitze bei einem Auftreffen auf die Erde ein langsames Massensterben verursachen, indem sie die Ozonschicht zerstören und das Aussterben in der Folge nicht direkt durch den Blitz selbst, sondern langsam durch die nunmehr eindringende tödliche Strahlung unserer eigenen Sonne verursacht wird. Nun muss ein Planet schon viel Pech haben, um genau in einen solchen, gerichteten Blitz zu geraten – aber immerhin: Zumindest einmal, am Ende des Ordoviziums[47], hat es ein solches Ereignis wahrscheinlich gegeben. Unangenehm. Vor allem für die Leute am Ende des Ordoviziums. Und wenn Sie denken, die Ausrichtung eines solchen Gammablitzes genau auf die Erde sei wegen der Größe des Weltraums und der geringen Größe der Erde sehr unwahrscheinlich, dann haben Sie recht. Allerdings sollten Sie nicht allzu beruhigt sein. Die Rotationsachse des Wolf-Rayet-Sterns WR104 und seines Begleiters – die Richtung also, in die ein Gammablitz abstrahlen würde – zeigt tatsächlich in Richtung Erde[48]. Ob ein solches Ereignis wirklich stattfinden wird und wie die Auswirkungen sind, ist unklar – es gibt zu viele Variablen und Möglichkeiten, als dass die Astronomie hierzu abschließende Erkenntnisse liefern könnte. Aber zumindest ist WR104 ein Hinweis darauf, dass ein Gammablitz, der in Richtung Erde zielt, keinesfalls unmöglich ist. Und: WR104 ist Stern, den wir entdeckt haben. Wie viele auf die Erde zielende Rotationsachsen wir nicht entdeckt haben, können wir nicht wissen. Wollen wir schnell das Thema wechseln.
Braune Zwerge, die das Sonnensystem aus dem Gleichgewicht bringen können, würden alles zerstören und die Erde in die Sonne oder aus dem Sonnensystem schleudern, so sie in die Nähe geraten. Man soll sich durch den Ausdruck „Zwerg“ nicht täuschen lassen: Diese Zwerge sind größer als alle Planeten unseres Sonnensystems, größer als alle Planeten überhaupt. Im Grunde sind es Sonnen, die allerdings im Gegensatz zu Roten Zwergen knapp weniger Masse haben, als zum Zünden der Kernfusion in ihrem Inneren benötigt würde und daher nur sehr schlecht beobachtet werden können – sie leuchten nicht, und niemand weiß, ob und wievielte Braune Zwerge sich gegenwärtig auf Kollisionskurs befinden. Massereich sind sie dennoch: Durchschnittlich etwa das 50-fache der Jupitermasse, und schon der Jupiter erreicht etwas mehr als das 300-fache der Erdmasse. Da in diesem Universum nur Massen Massen bewegen, wäre ein Zusammentreffen eines Braunen Zwerges mit unserem Sonnensystem sehr unerquicklich für die leichten Planeten wie Merkur, Venus, Mars – und Erde. Wohlgemerkt: Dieser Zwerg muss nicht mit der Erde kollidieren wie ein Asteroid, um alles zu zerstören. Es reicht, wenn er die Saturnbahn kreuzt. Ob es dem Herrn dabei nun beliebt, unseren Planeten aus dem Sonnensystem heraus in die Kälte zu schleudern oder in die Sonne hinein, bleibt abzuwarten – aber das, jedenfalls, werden ein paar aufregende letzte Tage der Welt, wenn die Sonne immer näherkommt, es immer heißer wird, die Ozeane verdampfen und man schließlich verbrennt. Dies gehört zu den Dingen, die man einfach gerne verdrängt, nicht wahrhaben möchte oder nicht darüber nachdenken will, so wie: Die Inhalte von Chicken-Nuggets. Oder das eine Mal, als man völlig betrunken in der Kneipe diese Frau angequatscht hat mit diesem völlig absurden Spruch, der – hach!
Wie die Astrophysical Journal Letters[49] berichten, hat ein solcher Fast-Zusammenstoß mit einem noch etwas massereicheren Kandidaten zur Zerstörung der Welt, nämlich einem Roten Zwerg[50] vor etwa 70.000 Jahren stattgefunden, als ein Scholz genanntes Objekt mitten durch die Oortsche Wolke flog – nur sehr knapp entfernt genug, um die Planetenbahnen nicht nachhaltig zu stören, sondern nur ein paar Gesteinstrümmer in das Sonnensystem hineinzuschleudern. Ich wusste immer, dass von einem Scholz nur Gefahren ausgehen können.
Und dann die Rotation unserer Galaxie: Wir bewegen uns mit unserem Sonnensystem regelmäßig an Orten innerhalb unserer Milchstraße vorbei, die für uns potenziell lebensgefährlich sind. Supernovae, explodierende Sonnen, Doppelsternsysteme mit Ausreißern und Flüchtlingen, die, einmal in unserer Nähe, das Leben unmöglich machen würden. Riesensonnen, so heiß, dass sie selbst bei mittleren Abständen tödlich wirken. Und unsere gesamte Galaxie kollidiert bereits jetzt mit unserer Nachbargalaxie Andromeda. Andromeda ist tatsächlich eine ganze Galaxie mit Milliarden Sternen, ebenso groß wie unsere Milchstraße, und nicht nur ein einzelner Stern – da muss man Hallo Spencer[51] leider widersprechen - was unausweichlich zu enormen Verwerfungen führen wird. Ja. Es ist keine Frage. Die Menschheit wird, wenn sie überleben will, irgendwann den Planeten Erde verlassen müssen.
Unser Universum ist – aus der Sicht der Menschen – kein Ort, an dem man sein möchte, und unser Planet ist nicht freischwebend in einem Meer des Friedens. Wenn der Grund für die Schöpfung wir, die Krone der Schöpfung, die Menschheit sein soll, dann sind wir hier ganz schön hereingelegt worden. Wenn man sich ein Auto kauft, mit allen Schikanen und jedem Luxus, fühlt man sich ja auch veräppelt, wenn ausgerechnet der Fahrersitz aus Stroh ist und beim geringsten Unfall Feuer fängt, während der Sicherheitsgurt in genau jenem Moment sich nicht mehr lösen lässt. Unser Planet ist kein Eldorado, das Leben schenkt inmitten eines Weltalls des Friedens. Er ist eine Falle, die eine Flucht verunmöglicht in einem All, das erbarmungslos zuschlägt.
Dieses Universum bietet beides: Es bietet die permanente Gefahr, dass es die Erde zerstören könnte – neben den Gefahren, die es dazu auch noch auf der Erde selbst gibt – und es bietet die absolute Unmöglichkeit der Flucht. Die Weite des Alls ist für uns wie eine Grenze, und die ist strikter, als es die Grenze der DDR je war. Allen StarTrek-Fantasien und Sternreise-Romanen zum Trotz. Wir werden noch auf unabsehbare Zeit keinerlei Versuch unternehmen können, diesen Planeten zu verlassen. Geht man von der Idee aus, dass Gott alles gestaltet habe und selbst für die kleinsten funktionierenden Systeme verantwortlich ist, dann kommt man bezüglich des Universums um die Erkenntnis nicht herum: Er mag im Deteil[52] an viele Kleinigkeiten gedacht haben, im großen Maßstab aber hat er gepfuscht. Der Schöpfer hat eine Folterkammer erschaffen. Er will uns foltern. Die Menschheit wird untergehen – dieses Universum ist einfach nicht gemacht für uns. Nun stellt dies in den Religionen keinen Widerspruch zur Schöpfung dar – wenn man von einer Apokalypse ausgeht, von der viele Kreationisten ausgehen, kann man hier nur feststellen, dass bereits alles dafür vorbereitet ist. Dann aber hat Gott von Anfang an die Zerstörung seiner Schöpfung im Sinn gehabt, die Menschheit hatte keine Chance und sollte auch nie eine haben und die Prüfung, das Leben, war keine Prüfung, sondern ein Hinterhalt.
Oder das Leben ist für die Menschen nicht die Prüfung, sondern diese haben wir schon hinter uns. Dies hier ist in Wirklichkeit bereits die Hölle.
Aber lassen Sie uns froh sein, dass es wenigstens nicht der Himmel ist. Denn der ist kalt, riesig, verstrahlt, gefährlich und lebensfeindlich.