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Zwischenbemerkung 1: Der Begriff Intelligent Design
ОглавлениеDie Selbstbezeichnung Intelligent Design klingt modern, wissenschaftlich, bedeutungsvoll. Im Allgemeinen wird damit die Idee gemeint, dass viele Dinge in der Welt existieren, und mitunter sogar: die Welt als Ganzes – die so aussähen, als gäbe es einen Gestalter. Keine Aussage wird darüber gemacht, welcher Art dieser Gestalter sei – ein höheres Wesen, außer-universische Lebensformen, höhere Energien. Hier gibt sich das ID ganz offen und achtet peinlich genau darauf, bloß nicht von einem Gott zu reden, vor allem nicht von dem eigenen, damit ID wissenschaftlich klingt und nicht religiös. Dennoch bleibt festzustellen, dass es keinen Vertreter des Intelligent Design gibt, der nicht zunächst religiös wäre, und zwar meistens fundamentalistisch religiös.
Die Pseudo-„Theorie“ des ID vertritt genau wie der religiöse Kreationismus im Wesentlichen zwei Aussagen. Erstens: Es gibt Dinge, die nicht natürlich zu erklären sind. Zweitens: Diese können nur durch eine übernatürliche Kraft erklärbar sein. Die erste Aussage ist falsch und darüber hinaus a priori unbeweisbar, die zweite ist ein logischer Fehlschluss[78].
In diesem Buch verwende ich die Begriffe Intelligent Design und Kreationismus synonym. Diesen drei Gedanken – der These über die Unerklärlichkeit, der These über die höhere Macht und das Verwenden als Synonym – sei diese Zwischenbemerkung gewidmet.
Was bedeutet Unerklärlichkeit eigentlich? Kann es Dinge, Beobachtungen oder Sachverhalte geben, von denen man sicher annehmen kann, dass sie nicht nur heute, sondern niemals zu erklären sind? Zunächst einmal kann es natürlich sehr wohl Dinge geben, für die kein Wissenschaftler heute eine Erklärung hat, zum Beispiel die Frage, warum die Masse und die Dichte von Galaxien rechnerisch höher sein müssen als die Masse der beobachtbaren sichtbaren Materie in ihr, da die Gravitation der enthaltenen Materie sonst nicht ausreicht, die Galaxie mit ihrer Drehung und der daraus resultierenden Corioliskraft[79] zusammenzuhalten. Die Astrophysik nennt diese rechnerisch fehlende Masse etwas peinlich berührt dunkle Materie, macht aber keinen Hehl daraus, dass man absolut keinen Plan hat, was das sein könnte. Dennoch gibt es keinen Hinweis darauf, dass es grundsätzlich keinen Weg geben könnte, die Natur dieser dunklen Materie jemals herauszubekommen; tatsächlich arbeitet die Physik bereits genau an dieser Fragestellung. Dinge, die man einst nicht wusste und später herausfand gibt es viele – woher wissen die Farben in einem Regenbogen, in welche Reihenfolge sie müssen? Wie kommen die Fossilien von Muscheln und andere Meeresbewohnern hoch oben auf Bergspitzen? Warum gibt es Ebbe und Flut? All diese Fragestellungen und viele mehr sind inzwischen gelöst. Zwar gab es Probleme, die als grundsätzlich unlösbar galten, etwa die Frage nach der chemischen Zusammensetzung der Sonne oder anderer Sterne, dann aber kamen immer wieder aus ganz unerwarteten Bereichen Methoden zur Klärung, in diesem Fall die Spektralanalyse chemischer Elemente. Die Aussage, etwas sei grundsätzlich nicht herauszufinden ist also grundsätzlich mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Es gibt keinen Weg zu beweisen, dass es für eine bestimmte Beobachtung niemals eine Erklärung geben könnte. Darüber hinaus wären selbst solche Sachverhalte, für die die Menschen vielleicht wirklich niemals eine Erklärung finden werden, nicht unbedingt grundsätzlich nicht zu erklären, denn selbst wenn die Menschen für etwas keine Ursache finden können, bedeutet dies nicht, dass es keine Ursache gibt.
Unabhängig von dieser grundsätzlichen Problematik versuchen Anhänger des Intelligent Design immer wieder zu zeigen, dass es für bestimmte Phänomene keine natürliche Erklärung gäbe – selbst dann, wenn die von der Wissenschaft gefundene Erklärung schon seit vielen Jahren publiziert ist – und behaupten damit unter der Hand, dass es für etwas, was heute nicht erklärlich ist, es auch niemals eine Erklärung geben kann. Dabei wählen sie absurderweise immer wieder Fragestellungen, deren Klärung in Wirklichkeit ein alter Hut ist, etwa wie ein Auge als komplexes System sich Schritt für Schritt entwickelt haben könnte, wie die DNS entstanden ist[80] oder woher bei Bakterien Flagellen kommen. Wenn man also argumentieren möchte, dass „die Wissenschaft [dieses und jenes] nicht erklären kann, und deswegen muss [dieses und jenes] von einem Gott geschaffen sein“, dann sollte man doch eigentlich versuchen, dieses und jenes so zu wählen, dass „die Wissenschaft“ es tatsächlich nicht erklären kann. Die Intelligent Design Bewegung aber sucht nach von ihr sogenannter nichtreduzierbarer Komplexität. Damit ist gemeint, dass es Systeme in der Natur, in Lebewesen geben soll, die so komplex sind, dass sie nicht das Ergebnis einer schrittweisen Evolution sein könnten. Allerdings sind alle als Beispiele für nicht reduzierbare Komplexität genannten Systeme bei näherer Betrachtung dann doch das Ergebnis evolutionärer Entwicklungen und können von „der Wissenschaft“ – in diesem Fall der Biologie – sehr wohl erklärt werden. Wenn Kreationisten richtig gut drauf sind und zu viel Zucker in ihren Frühstücksflocken hatten[81], kommen sie auch gerne auf Fragestellungen, die sich in der realen Welt eigentlich gar nicht erst stellen – etwa, wie es sein könne, dass – wenn die Evolution alle Lebewesen „immer weiter voranbringe“ – Früchte wie Äpfel, Birnen und Bananen bisher keinen Abwehrmechanismus entwickelt haben, der verhindert, dass sie gegessen werden.
Diese Art der Fragestellung ist aber nur der Unbildung vieler Kreationisten geschuldet. Natürlich lassen sich sehr schnell auch tatsächliche Beispiele finden für Gegebenheiten, die die Biologie oder Physik heute nicht zu erklären imstande ist. Losgelöst aber von der tatsächlichen Beantwortbarkeit oder Nichtbeantwortbarkeit dieser Art von Fragestellung steht hinter diesen Fragen die unausgesprochene Vorstellung, dass – wenn es auf etwas keine Antwort geben kann oder gibt – es einen Schöpfer oder Neusprech: einen Designer geben müsse, der sich die Form, Funktion oder Anwendung ausgedacht habe. Diese Idee entspricht der kindlichen Logik, dass, wenn man sich die Hände vor die Augen hält, man von niemandem mehr gesehen werden kann. Nichts desto trotz versuchen Kreationisten diese etwas absurde Vorstellung des Intelligent Design als etwas Wissenschaftliches zu verkaufen: als eine „Theorie“ - und das nicht ohne Grund.
Zunächst einmal wird hierdurch der Begriff der wissenschaftlichen Theorie[82] verwässert. Tatsächlich gibt es enorme Hürden und Anforderungen, bevor eine Idee oder eine Behauptung das Attribut „Theorie“ bekommen kann. Eine Theorie ist die höchste Form der wissenschaftlichen Erkenntnis; weniger gut belegte Gedankengebäude werden Hypothese genannt. Erst wenn es viele Fakten und Beobachtungen gibt, die sie stützen und von ausreichend vielen Wissenschaftlern anerkannt werden, wird etwas als Theorie bezeichnet. Eine wissenschaftliche Theorie ist nicht zu verwechseln mit der umgangssprachlichen Bedeutung („ich denke mir das so“) und auch nicht mit dem Gegensatzpaar Theorie und Praxis. Anja kann zwar zu Peter sagen: „Theoretisch müsste die Lampe jetzt wieder funktionieren“, wenn sie die Birne gerade gewechselt hat und Martin kann zu seiner besten Freundin sagen: „Also meine Theorie ist, dass er dich doch irgendwie liebt“, aber in der Wissenschaft kann niemand ein eigenes Gedankengebäude einfach eine Theorie nennen. Sie muss falsifizierbar sein und nachprüfbar, sie muss von vielen unterschiedlichen Experten des gleichen Fachgebietes überprüft und in Blindstudien bestätigt sein, sie muss genau beschrieben und in Fachzeitschriften veröffentlicht sein und Voraussagen machen, die kontrollierbar eintreten – dann erst wird sie anerkannt und eine Theorie genannt. Das Konzept des Intelligent Design hat keine Vorhersagen, keine belegbaren Beobachtungen, keine nachprüfbaren Fakten, keine Veröffentlichungen oder anerkannte Publikationen in Fachzeitschriften, sie ist nicht falsifizierbar und bietet keinen Raum für Blindstudien[83]. Es ist eine Idee, und zwar eine, die nicht einmal das Zeug zu einer Hypothese hat: Es sieht gestaltet aus, also muss es gestaltet sein. Es hat ein Design – was immer das ist – also muss es einen Designer geben. Dass sich dies – das Intelligent Design – dennoch wie eine wissenschaftliche Theorie gibt, führt dazu – und soll dazu führen - dass wenig belesene Menschen das Gefühl bekommen, eine „Theorie“ sei genau das, was umgangssprachlich damit gemeint ist: einfach eine Idee, eine Aussage. Etwas, was „nicht bewiesen werden“ könne. Damit versucht der Begriff des Intelligent Design eine andere, eine echte, eine wissenschaftliche Theorie zu verunglimpfen: die Evolutionstheorie. Diese allerdings nimmt alle Hürden, ist seit zwei Jahrhunderten gut dokumentiert, macht Voraussagen, ist beobachtbar[84] und seit Generationen durch unterschiedlichste Fachgebiete belegt. Wenn also jemand sagt, die Evolution sei „nur eine Theorie“, dann bedenken Sie: Eine Theorie ist die höchste Form wissenschaftlicher Erkenntnis, und Intelligent Design – im Gegensatz dazu – ist nicht einmal eine Hypothese. Außerdem hat, wer dies sagt, offensichtlich nur wenig Ahnung von wissenschaftlichen Methoden und der Bedeutung des Wortes Theorie.
Der andere Grund für den Versuch, sich wissenschaftlich zu geben und es Intelligent Design zu nennen, wenn man Kreationismus meint, ist ein politischer.
Im Jahre 2004 gab es im US-Bundesstaat Pennsylvania einen Gerichtsprozess zu der Frage, ob Intelligent Design in den öffentlichen Schulen unterrichtet werden solle[85]. Zur Entscheidung standen zwei Standpunkte: Entweder Intelligent Design sei eine wissenschaftliche Theorie und müsse daher gleichberechtigt neben der Evolution an öffentlichen Schulen behandelt werden, oder Intelligent Design sei eine religiöse Vorstellung und habe somit im Unterricht nichts verloren. Der Hintergrund zu diesem Rechtsstreit ist der 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, der in den USA die Trennung von Staat und Religion festschreibt. Deswegen dürfen dort keine religiösen Inhalte an staatlichen Schulen unterrichtet werden – und deswegen war es für die Vertreter des Intelligent Design so wichtig, so zu tun, als sei ID eine wissenschaftliche Theorie und nicht, wie der Kreationismus, eine religiöse Vorstellung. Im Prozess Kitzmiller vs. Dover Area School District ging es also im Abstrakten vor allem um die Frage, ob Intelligent Design und Kreationismus identisch seien, obwohl es konkret um die Verwendung des Biologiebuches „Of Pandas and People“ ging. Dass der Kreationismus selbst keine Wissenschaft ist und keinen wissenschaftlichen Standards entspricht, war schon lange vorher in anderen Urteilen festgestellt worden:
Bereits 1987 hatte der oberste Gerichtshof festgestellt, dass der Kreationismus und das darauf beruhende Gedankengebäude mit dem Namen „Creation Science“ keine Wissenschaft, sondern eine religiöse Vorstellung seien, und zwar in dem Prozess Edwards vs. Aguillard, bei dem einige Eltern und Lehrer gegen das Vorgehen der Regierung, namentlich des Gouverneurs des Bundesstaates Louisiana geklagt hatten, nach der im Biologieunterricht neben der Evolution auch die Erschaffung der Welt durch Gott als mögliche Erklärung genannt werden musste. Im entsprechenden Urteil heißt es: „The Act impermissibly endorses religion by advancing the religious belief that a supernatural being created humankind. The legislative history demonstrates that the term “creation science,” as contemplated by the state legislature, embraces this religious teaching. The Act’s primary purpose was to change the public school science curriculum to provide persuasive advantage to a particular religious doctrine that rejects the factual basis of evolution in its entirety. Thus, the Act is designed either to promote the theory of creation science that embodies a particular religious tenet or to prohibit the teaching of a scientific theory disfavored by certain religious sects. In either case, the Act violates the First Amendment.“[86]
Zu offensichtlich waren die Parallelen zwischen den Aussagen des Creation Science und der Genesis. Die Vorgänge, die in der Bibel beschrieben sind, wurden als Grundlage genommen, als absolute Wahrheit betrachtet und alle Beobachtungen der Natur in diesem Sinne interpretiert. Dies – so das Gericht – sei nichts Anderes als Religion und dürfe wegen des ersten Zusatzartikels zur Verfassung[87] nicht Teil des staatlichen Schulunterrichts sein.
Die Vertreter des Creation Science waren nun gezwungen, sich etwas Anderes auszudenken, und so kann 1987 als die Geburtsstunde des Intelligent Design betrachtet werden. Das Ergebnis dieses neuen Versuchs, die Schöpfungslehre der Bibel in ein wissenschaftliches Gewandt zu kleiden, war nun Inhalt des neuerlichen Gerichtsprozesses im Jahre 2004. Da es ein Hauptargument in der 1987er-Urteilsbegründung gewesen ist, dass die Parallelen zur Bibel im Creation Science explizit genannt wurden, vermied man im Intelligent Design diesen Fehler und nannte Gott nun einen Designer. Dies – und nur dies – ist der Grund, warum das Intelligent Design zwar die Argumente des Kreationismus benutzt, nicht aber Bezug nimmt auf eine bestimmte Religion: Welcher Art der Designer ist, das sollen die Menschen ganz frei alleine entscheiden können, das ID beschäftigt sich nur mit der Aussage, dass es grundsätzlich einen solchen Designer geben müsse. Es erfolgte nach 1987 eine groß angelegte und nur als gelungen zu bezeichnende Marketingstrategie, in der man unter anderem den Begriff des Intelligent Design deswegen benutzte, weil er zum ersten Mal viele Jahrzehnte zuvor, 1871 von William Thomson, erster Baron Kelvin, einem der größten Wissenschaftler der Menschheitsgeschichte, benutzt wurde (der in Wahrheit allerdings eine von Gott gesteuerte Evolution annahm, was die neuen Vertreter des ID kühn verschwiegen). In den folgenden Jahren wurde der Begriff Creation Science ungebräuchlich, der Begriff Intelligent Designt dagegen in Prospekten, Büchern, Filmen und Vorträgen immer öfter benutzt. Zu beachten ist hierbei, dass die Benutzung dieses Begriffs weiterhin nur in der öffentlichen Diskussion stattfand und nicht in wissenschaftlichen Publikationen. Niemand hat je den Versuch gewagt, das ID mit wissenschaftlichen Standards zu begründen, die Benutzung des neuen Begriffs erfolgte stets nur in Publikums-Büchern, in Vorträgen, auf Internetseiten und Blogs, niemals als Facharbeit an einer Universität. Es ging stets nur um die öffentliche Meinung, niemals um das Untermauern der Idee mit nachprüfbaren Fakten. In einem Bericht von William Safire in der New York Times[88] beschreibt Stephen C. Meyer, einer der Gründer des kreationistischen Discovery Institute, welches mit erheblichen finanziellen Mitteln diese Marketingkampagne federführend organisierte, dass die Bezeichnung ID 1988 bei der Sources of Information Content in DNA-Konferenz in Tacoma gewählt wurde. Der Begriff Intelligent Design ist also – nun, wie soll man sagen – künstlich hergestellt worden. Designt.
Dies zu klären und die Geschehnisse seit 1987 zu sortieren war nun der Inhalt des erwähnten Prozesses Kitzmiller vs. Dover Area School District 2004. In dem (Schul-)buch „Of Pandas and People“, das von der Foundation for Thought and Ethics herausgegeben wurde, deren Academic Editor William A. Dembski wiederum zufällig Senior Fellow des Discovery Institute war, wurde die Evolution als eine mögliche Theorie beschrieben, die von einigen Wissenschaftlern vertreten würde, um „die Entstehung des Lebens“[89] zu erklären, während „viele andere Wissenschaftler eine andere Theorie“ vertreten, nämlich jene des Intelligent Designs. Dies ist eine glatte Lüge – es gibt unter Wissenschaftlern keine Diskussion über die Faktizität der Evolution, wenngleich es wie bei jeder Theorie leicht unterschiedliche Auffassungen bei Detailfragen gibt, etwa, ob der Einfluss von Mutationen auf die Artenbildung größer oder kleiner ist als der Einfluss der Gendrift auf die Artenbildung. Die Frage, ob die Evolution wahr oder falsch sei, ist unter Wissenschaftlern unstrittig und findet ausschließlich in der Kirche und der Politik statt.
Neben dieser offensichtlichen Lüge in dem Schulbuch krankte die Argumentation der Kreationisten daran, dass das Buch Of Pandas and People allem Anschein nach mit heißer Nadel gestrickt war: Es stellte sich heraus, dass das gleiche Buch bereits vor Jahren unter dem Namen Creation Biology erschienen war, dort aber ganz offen von Kreationismus sprach. Nachdem 1987 der Kreationismus als Religion von den Schulen verbannt wurde, war es nötig, ihn in ein (pseudo-) wissenschaftliches Gewand zu stecken. Es konnte nachgewiesen werden, dass in diesem Buch die Worte „Kreationismus“ und „Intelligent Design“ einfach per Suchen/Ersetzen ausgetauscht worden waren, genau wie „Schöpfer“ mit „Designer“ sowie einige andere. Allerdings ging man dabei nicht besonders sorgfältig vor. Sätze und Absätze wurden an einigen Stellen nicht ordentlich angepasst, und dort, wo das Wort Kreationismus durch Tippfehler falsch geschrieben war – in einem Schulbuch..! - hatte das automatische Ersetzen gleich gar nicht geklappt.
Die Akten dieses Prozesses sind noch heute sehr spannend nachzulesen[90], denn die Vertreter des Dover Area School District, die dieses Schulbuch ihren Schülern und Lehrern vorschreiben wollten, hatten zur Verstärkung direkt einige der Kreationisten eingeladen, auf die sich die Autoren des Buches direkt bezogen, wie zum Beispiel Michael J. Behe. Dieser allerdings musste recht kleinlaut zugeben, dass alle von ihm als nicht reduzierbar komplex bezeichneten Systeme, die er als von der Wissenschaft nicht erklärbar bezeichnete, von der Biologie tatsächlich bereits lange erklärt waren. Es stellte sich heraus, dass die in dem Schulbuch vertretene These, die Evolution sei in der Wissenschaft umstritten, völlig haltlos war. Noch heute beziehen sich viele in der öffentlichen Diskussion genannten Argumente direkt auf die Argumente jenes Gerichtsprozesses, an dessen Ende der konservative Richter, nämlich der direkt vom Befürworter kreationistischer Ideen, Präsident George W. Busch eingesetzte John Jones III, nicht mehr anders konnte, als Intelligent Design als das zu bezeichnen, was es ist: Kreationismus. Auch manche Argumentationslinien in diesem Buch nehmen ihre Ursprünge direkt in jenem Prozess.
Seit dieser höchstrichterlichen Niederlage des Intelligent Designs versuchen die Vertreter des Discovery Institute und in der Folge die nachplappernden Vertreter des Kreationismus in Deutschland eine andere Strategie, nämlich jene der Toleranz. Unter dem Label „teach the controversy“ – unterrichtet die Kontroverse – wird gefordert, dass Schülern die Argumente für und gegen die Evolution beigebracht werden sollten. Da es keine echten Argumente gegen die Evolution gibt, werden hiermit gemeinhin die Argumente für das Intelligent Design bezeichnet. Es wird nun so getan, als sei die Wissenschaft „dogmatisch“ und würde bewusst und absichtlich jeden Hinweis auf die Existenz eines Gottes bestreiten. Diese neue Strategie führt zu vielen schönen Stilblüten.
Dieser politische Hintergrund muss mitgedacht werden, wenn man sich über die Frage unterhält, ob ID eine wissenschaftliche Theorie ist oder nicht, und eingedenk dieses politischen Hintergrundes der Entstehung des Begriffes ID verwende ich ihn hier synonym zu Kreationismus.