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2.2 Bedingungsgefüge bei Angststörungen

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Angstzustände können sich auch bei Kindern entwickeln, die emotional stabil erscheinen, meist aber zeigen die betroffenen Kinder schon früh eine höhere Sensibilität gegenüber Belastungen und eine auffallende Besorgtheit in neuen Situationen. Diese Sensibilität kann als Temperamentseigenschaft betrachtet werden; ihre wesentlichsten Merkmale sind einerseits eine erhöhte negative Affektivität, also eine größere Wahrscheinlichkeit des Ausdrucks negativer primärer Emotionen, und das Überwiegen von Hemmung, also ein geringeres Zugehen auf neue Reize (Lonigan & Phillips, 2001). Diese Prädisposition dürfte genetisch übertragen werden, wobei nach den bisherigen Ergebnissen die genetische Determination für depressive und Angststörungen gleich ist und die spezifische Richtung der Entwicklung eher von Umgebungsbedingungen abhängt. Der durch genetische Faktoren erklärte Varianzanteil dürfte etwa ein Drittel ausmachen. Angststörungen gehören nach den Ergebnissen von Zwillingsstudien zu jenen Störungen, bei denen ein relativ großer Anteil der interindividuellen Unterschiede durch die gemeinsamen familiären Bedingungen („shared environmental variance“) erklärt wird. Dabei dürfte v. a. den psychischen Problemen der (depressiv-ängstlichen) Mütter eine große Bedeutung zukommen (Eley, 2001).

Neben der genetischen Veranlagung für Angst im Allgemeinen könnte es auch noch speziellere Anlagen geben, die für einzelne Angststörungen eine besondere Bedeutung haben. Dies wird etwa für die Panikstörung diskutiert, bei der eine besondere Sensibilität von Rezeptoren für Atemmangel dazu prädisponieren könnte, dass Panikattacken ausgelöst werden. Außerdem wird auch eine (genetisch bedingte) stärkere Empfindlichkeit für Ekelgefühle mit der Phobie vor körperlichen Verletzungen und Arztbesuchen (Injektionen etc.) in Zusammenhang gebracht (Muris & Merckelbach, 2001).

Die Prädisposition steht oft im Zusammenhang mit chronischen Belastungen seitens der Umgebung. Manchmal werden Angstzustände durch ein erschreckendes Ereignis ausgelöst (Spitalsaufenthalt, Tod eines Bekannten oder Verwandten), manchmal liegt eine Ansteckung durch die Ängste der Eltern vor, wobei die Unsicherheit, mit der die Eltern auf die Ängste der Kinder reagieren, ebenfalls von Bedeutung ist.

Rachman (1977) hat drei mögliche Ursachen von Angstreaktionen postuliert:

– direkte Konditionierungs- bzw. Koppelungserfahrungen der Betroffenen, bei denen ein früher nicht Angst auslösender Reiz durch Koppelung (klassische Konditionierung) mit einem unbedingt angstauslösenden Reiz dessen Eigenschaft, Angst auszulösen, übernimmt;

– indirekte oder stellvertretende Konditionierung, wobei die Koppelung nicht von dem Betroffenen selbst erfahren, sondern die Konditionierung über das Beobachtungslernen von einem Modell übernommen wird;

– die Übertragung von Angst durch Informationen, die eine Situation bzw. einen Gegenstand beängstigend erscheinen lassen.

Die Häufigkeit, mit der die verschiedenen Entstehungsmechanismen wirksam werden, ist von der Art des gefürchteten Objekts abhängig. Im Allgemeinen wird angenommen, dass selbst erfahrene Konditionierungen die stärksten Angstreaktionen zur Folge haben. Sehr groß dürfte jedoch der Unterschied zwischen der selbst erfahrenen Konditionierung und der Übertragung durch das Modell anderer nicht sein (Muris & Merckelbach, 2001).

Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter

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