Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht - Christian Linberg - Страница 11

- 9 Schützenfest -

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Wie lange ich zwischen den Hütten durch das Dorf wanderte, war mir nicht so recht bewusst. Jedenfalls stand ich irgendwann wieder an dem Krater, den die Explosion des Magiers in der Nacht zuvor in den trockenen Boden gerissen hatte. Überall lagen Erdbrocken herum.

Mein Fuß pochte jetzt wieder und schmerzte von der bescheuerten Idee, kreuz und quer durch das Dorf zu humpeln.

Ich war normalerweise nicht so schnell zu verärgern. Aber es gab Ausnahmen. Ohrfeigen gehörten eindeutig dazu, weil sie in meinen Augen eine Herabwürdigung der Meinung und Ansichten des Gegenübers darstellten.

Anaya wusste das nur zu genau. Was hatte sie nur dazu bewogen, so zu reagieren? Ich fand ihr Verhalten völlig überzogen. Mein Besuch im Wald von Beren war kein unüberlegter Versuch eines dummen Jungen, berühmt zu werden. Mir waren die Gefahren wohl bewusst und ich hatte sie annehmbar gefunden.

Gut, das war dämlich und außerdem falsch gewesen, aber ich hatte es überlebt – Allerdings nur knapp. Doch die Anderen mussten ja nicht alles wissen.

Lustlos stocherte ich in der Asche der verbrannten Umgebung herum. Die Feuerwand hatte nichts wirklich übrig gelassen.

Daher war ich überrascht, als ich zwischen den Überresten plötzlich einen kleinen roten Gegenstand entdeckte. Es war einer der Rubine, die der Magier uns angeboten hatte. Gedankenverloren steckte ich sie ein.

Ein kleines Vermögen. Das machte den Verlust des roten Sands an Droin erträglicher. Wenn ich die übrigen finden würde, wäre ich wieder fein raus.

Mit deutlich mehr Interesse begann ich den Boden abzusuchen. Es dauerte nicht lange, und ich hatte zu dem ersten vier weitere entdeckt.

Sie wanderten alle zusammen in einen meiner Münzbeutel.

Es dauerte noch eine Weile, dann hatte ich noch einen gefunden, dieser hatte einen kleinen Riss, der seinen Wert erheblich minderte, aber auch so war der Stein einiges wert.

Während ich ihn gerade von Schmutz und Asche befreite, sah ich wie Anaya ganz langsam auf mich zukam.

Sie bewegte sich sehr vorsichtig. Es war ihr anzusehen, dass ihr die Verletzungen Schmerzen bereiteten. Daher war ich mir nicht so ganz sicher, warum sie sich die Mühe gemacht hatte, durch das Dorf zu wandern. Jedenfalls war ich zuvor ähnlich dämlich gewesen, also konnte ich ihr das schlecht vorwerfen.

„Ich dachte mir, dass ich Dich hier finden würde.“

Sie trat langsam auf mich zu, griff beide meiner Hände und zog mich zu sich heran. Ehe ich etwas sagen konnte, gab sie mir einen Kuss auf den Mund, hart und lange.

„Du Idiot. Erschreck mich bitte nie wieder so wie vorhin“, flüsterte sie mit leiser Stimme.

Ich sah tatsächlich Tränen in ihren Augen. Sentimentaler Unsinn, aber immerhin war das eine Erklärung.

„Es ist mir nichts passiert. Ich bin gesund und unverletzt aus dem Wald zurückgekehrt.“

Naja, nicht so ganz, aber ich würde mich hüten, ihr das zu sagen. Ganz so bescheuert war ich dann doch nicht.

„Das ist es doch gar nicht. Ich kann mir doch nicht jedes Mal, wenn ich nicht mit Dir zusammen reise, Sorgen machen, was Du vielleicht während dessen auf eigene Faust unternimmst.“

Sie schimpfte leise in einem fast verzweifelten Tonfall. Ihre Hände krallten sich in meinen fest.

„Verstehst Du das nicht?“

„Ich kann auf mich aufpassen, das weißt Du doch. Wenn ich nicht sicher gewesen wäre, dass ich es aus dem Wald wieder zurück schaffe, hätte ich es nicht versucht.“

Das war glatt gelogen, denn ich hatte nicht die leiseste Ahnung gehabt, was mich erwarten würde, als ich beschlossen hatte, in den Wald zu reisen. Er hieß nicht umsonst der tote Wald von Beren. Daher hatte ich auch nicht wissen können, ob ich es wieder zurück schaffen würde.

Leider schien Anaya meine Antwort zu durchschauen.

„Ich glaube Dir kein Wort“, entgegnete sie zornig; „Niemand weiß etwas über den Wald. Und bisher ist auch noch niemand wieder zurückgekommen.“

„Das dachte ich auch, aber das stimmt nicht. In den alten Werken in Llûn steht einiges über den Wald. Der Erste Gelehrte hat mir darüber hinaus einiges erzählt. Ich bin nicht so dumm, dass ich mich unvorbereitet in eine Region wage, aus der seit Jahrzehnten niemand lebendig zurückgekehrt ist“, entgegnete ich ruhig: „Wenn Du nicht willst, dass ich etwas alleine unternehme, muss Du das nächste Mal eben mitkommen.“

„Wie bitte? Du willst noch mal in den Wald?“

Sie sah mich mit großen Augen an.

„Das war der Vorschlag, den ich euch allen vorhin eigentlich machen wollte. Tiefer im Wald gibt es eine Stadt, zu der ich reisen wollte. Solan Belantar hat mich darum gebeten, noch weitere Nachforschungen anzustellen. Da ihm klar war, dass ich alleine nicht tiefer in den Wald vordringen kann, hat er zugestimmt, außer mir noch weitere Forscher zu finanzieren. Jeder der mit mir kommt, bekommt ebenfalls einen Beutel roten Sand.“

Anaya riss die Augen auf: „Jeder einen?“

„Ja. Interesse?“, fragte ich sie grinsend.

„Du Schwein! Das hast Du extra verschwiegen.“

Sie hämmerte mit ihren Fäusten spielerisch auf meine Brust.

„Wenn mich nicht jemand geohrfeigt hätte, hätte ich das schon lange erzählt.“

„Es tut mir leid. Ich…“, weiter kam sie nicht, dieses mal war ich es, der sie am Reden hinderte, indem ich ihre Lippen mit einem Kuss verschloss. Sie wehrte sich nur kurz. Dann wanderten ihre Hände um mich herum und pressten mich noch fester an sich.

Sie stöhnte leise auf, lies aber nicht los. Ihre Hände wanderten über meinen Körper und unter meine Kleidung.

Es war schwer, ihr zu widerstehen, aber ich schob sie mit sanfter Gewalt von mir weg.

Sie sah mich enttäuscht an: „Hast Du auch noch Dein Herz verschenkt, während Du unterwegs warst?“

Unwillkürlich musste ich lachen: „Nein, natürlich nicht Anya, aber Du bist noch immer schwer verletzt. Vergiss das nicht. Ich will Dir nicht wehtun.“

Sie sah mich skeptisch an: „Seit wann bist Du denn vernünftig?“

„Nie. Ich denke nur praktisch.“

Damit beugte ich mich zu ihr herunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, dass sie knallrot werden ließ. Bei der Beschreibung unanständiger Dinge war ich schon immer äußerst phantasievoll gewesen.

„Das merke ich mir. Wehe Du hältst Dein Versprechen nicht.“

„Gehen wir zu den Anderen zurück. Das Angebot des ersten Gelehrten gilt auch für sie. Eigentlich wollte ich euch im Laufe des Winters langsam den Mund wässrig machen, wenn wir gemütlich in den warmen Tunneln von unserem Klan sitzen, aber es scheint so, als wäre mal wieder etwas dazwischen gekommen.“

Ich seufzte und Anaya lachte mich aus. So war das immer. Egal was ich mir vornahm, immer kam etwas anderes dazwischen.

Auf jeden Fall gefiel mir die Situation so bedeutend besser.

Ein Beobachter musste uns für ein seltsames Paar halten, dass wie zwei Greise auf unsicheren Füßen umher stolperten.

Wir wanderten langsam durch das Dorf zurück zu unserem Lager.

Als wir eintraten sah mich Droin kurz an und atmete dann erleichtert auf, als er Anaya hinter mir entdeckte.

Er war gerade dabei Kmarrs neue Waffe zu inspizieren, mit der er gestern den Hund erschossen hatte.

„War es schwer, die Teile zu machen?“, wollte er wissen.

„Nachdem ich einen Schmied gefunden hatte, der es verstand, den Stahl entsprechend zu härten, ging es erstaunlich einfach. Es war aber nicht billig. Ah, Drakk, Ana, gut das ihr wieder da seid.“

Er winkte kurz und nähte dann weiter die Risse in seinem ledernen Rock zu. Seine Bewegungen waren langsam und vorsichtig, aber sehr genau.

Auch er wirkte erleichtert, uns beide zu sehen.

Lediglich Jiang machte ein unergründliches Gesicht: „Was machen wir jetzt? Bevor Du so unsinnigerweise weggelaufen bist, waren wir gerade dabei zu entscheiden, was wir mit der Magana machen.“

„Ich dachte, wir hätten entschieden, sie mitzunehmen“, antwortete ich verwundert.

„Und wohin?“, wollte Jiang wissen.

Ich wandte mich an Anaya: „Gute Frage. Wo haben wir die beste Chance, einen Geistheiler zu finden Anya?“

„Vermutlich in einer größeren Stadt. Die nächste müsste Kaltarra sein.“

Anaya setzte sich langsam wieder ans Feuer und goss sich aus dem Kessel einen Tee ein.

„Hmm, Kaltarra. Das wird für unsere Nachtmahre aber kein Vergnügen werden.“

Droins Einwand war berechtigt.

Die Hauptstadt des Bergreiches Kalteon war nur schwer zu erreichen und auf Grund der Natur des gesamten Landes gab es kaum Reittiere, da sie viele Wege nicht nutzen konnten, weil sie zu steil, zu schmal oder beides waren.

Jiang widersprach: „Was ist mit Gi’tay? Das ist viel näher als Kaltarra.“

„Dazu müssten wir genau in die Richtung reisen, aus der die Magana und ihre Verfolger kamen.“

Anaya sah Jiang irritiert an: „Außerdem weißt Du genau, dass Kmarr und ich dort nicht gern gesehen sind, seit wir eine Verschwörung, die Grenzmarken von Denelorn unter ihre Kontrolle zu bringen, zum Rat der Stadt zurückverfolgen konnten.“

„Und? Das ist euer Problem. Ihr müsst ja nicht mit in die Stadt gehen.“

Jiang fuhr fort: „Nur weil die nächstliegende Lösung nicht die praktischste ist, müsst ihr sie nicht gleich verwerfen.“

„Da hat sie nicht ganz Unrecht“, musste ich ihr zustimmen. Das Argument war nicht blöd. Es ging deutlich schneller, Gi’Tay zu erreichen. Trotzdem gefiel mir der Vorschlag nicht. Er würde Anaya und Kmarr in Gefahr bringen. So viel war mir das Leben der Magana dann auch wieder nicht wert.

„Müssen wir die Magana schnell zum Geistheiler bringen Anya?“

„Ich habe noch nie gehört, dass das eine Rolle spielen soll. Also würde ich sagen: Nein.“

„Gut, dann würde ich vorschlagen, wir reisen nach Kaltarra. Das ist weiter weg, aber wenigstens können Anaya und Kmarr die Stadt betreten, ohne verhaftet zu werden. Und es liegt nicht in der Richtung, aus der die Reiter kamen, sondern bringt uns näher zu unserem eigentlichen Ziel.“

„Dann ruft mich, wenn wir weiterreisen!“, Jiang erhob sich und verschwand hinter ihrem Vorhang ohne ein Wort zu sagen.

Wir warfen uns untereinander fragende Blicke zu. Droin hob eine Augenbraue um zu signalisieren: ‚Wer weiß schon, was mit der wieder los ist.’

Ich nickte und ließ mich dann endlich auch am Feuer nieder.

Anaya sah mich an, als wollte sie mich fragen, was mit dem Angebot für die zweite Reise in den Wald von Beren sei.

Ich winkte ab, und deutete dabei auf den Vorhang. Sie nickte.

Das war kein geeigneter Zeitpunkt dafür. Zum Glück war Droin mit seiner Inspektion von Kmarrs neuartiger Waffe gerade fertig geworden:

„Kmarr, würdest Du Klan Fenloth erlauben, von Deiner Erfindung Kopien herzustellen?“

Der Leonide überlegte einen Augenblick, dann nickte er: „Das wäre mir eine große Ehre.“

„Sehr Gut. Ich schlage vor, Du bekommst den zehnten Teil jeder Waffe, die wir fertigen. Gleich ob wir sie verkaufen oder nicht.“

„Was glaubst Du denn, was sie wert ist?“, wollte ich wissen.

„Was kostet eine Armbrust in den meisten Ländern?“, fragte Droin zurück.

Das war nicht besonders schwer: „Ich schätze mal etwa fünfzig Goldstücke?“,

Kmarr und Anaya nickten.

„Okay“, Droin sah uns alle an: „Ich denke für diese Waffe hier werden wir 250 Goldwürfel bekommen können. Ohne Bolzen. Der Klan nimmt sieben Teile von zehn, und übernimmt die Kosten der Fertigung.“

Anaya pfiff leise: „So viel? Scheint so, als müsstest Du nie wieder arbeiten Kmarr.“

Auch ich war beeindruckt. Das war viel Geld. Ein goldener Würfel der Naurim entsprach ungefähr zwei oder drei Münzen in den Ländern der Menschen.

„Bist Du sicher?“

Droin sah zu mir herüber: „Hast Du mal genauer darauf geachtet, was das Ding kann?“

„Nein“, musst ich zugeben.

„Dann würde ich vorschlagen, wir gehen raus und Kmarr zeigt uns mal, warum es so viel Gold wert ist.“

„Gute Idee.“

Ich war neugierig geworden. Wenn Droin sicher war, dass die Waffe einen so guten Preis erzielen würde, dann war eine Demonstration sicher viel versprechend.

Wir gingen alle nach draußen. Kmarr hatte die Waffe geladen und hielt sie genauso wie eine Armbrust.

Er wählte zufällig eine Hauswand aus, auf die er seine Waffe richtete und betätigte den Abzug. Mit einem lauten, metallischen Knall sauste ein Bolzen aus dem obersten Rohr heraus und durchschlug die Wand.

Er zog den Hebel an der Seite der Waffe nach hinten, woraufhin sich ein anderer Lauf nach oben drehte. Wieder betätigte er den Abzug und ein zweiter Bolzen schoss hervor.

Er wiederholte den Vorgang in schneller Folge insgesamt fünfmal. So verschoss er sechs Bolzen in sehr kurzen Abständen hintereinander.

So schnell hatte ich weder einen Armbrust-, noch einen Bogenschützen schießen sehen. Jetzt wurde mir klar, warum Droin sich so viel Geld von der Waffe versprach.

„Überzeugt.“

Auch Anaya war beeindruckt. Sie nickte und Droin strahlte uns alle an: „Wir werden diese Waffe erstmal nur an Klanmitglieder verkaufen und später vielleicht auch an andere Klans. Das wird genug Profit abwerfen.“

„Dann fertigt auch gleich welche für uns an“, schlug Anaya vor.

„Einverstanden.“

„Ich würde es als besonderen Gefallen betrachten, wenn wir die ersten Bolzenwerfer bekämen“, grollte Kmarr, als er an uns vorbei schritt, um die Bolzen einzusammeln.

„Das wird kein Problem sein. Immerhin ist es Deine Erfindung“, erwiderte Droin: „Wer schießt als nächster?“

Den ganzen Tag über wechselten wir uns damit ab, den Bolzenwerfer auszuprobieren. Dabei wurde schnell klar, dass das Laden ein Problem war. Die Bolzen mussten von vorne in das jeweilige Rohr geschoben werden. Das bedeutete, man musste auf die Spitze drücken. Auch der beste Bolzen würde davon sehr schnell stumpf werden.

Als die Dunkelheit herein brach, zogen sich Droin und Kmarr in die Hütte zurück, um darüber nachzudenken, wie man das Problem lösen könnte.

Anaya legte sich wieder hin, weil ihre Verletzungen doch relativ schwer waren. Sie brauchte noch viel Ruhe. Jiang war noch nicht wieder hinter ihrem Vorhang hervor gekommen. Also war ich auf einmal wieder alleine im Dorf.

Shadarr?’

Wache über das Rudel.’

Wo bist Du? Ich komme zu Dir.’

Vor meinem geistigen Auge sah ich den westlichen Teil des Dorfes, ein wenig südlich von der Stätte unseres Kampfes mit dem Magier.

Shadarr lag in der Sonne in einer der Hütten, der das komplette Dach fehlte.

Es dauerte nicht lange, bis ich die Hütte erreicht hatte. Ohne seine Zustimmung abzuwarten, ließ ich mich neben ihm nieder und lehnte mich an seinen massigen Körper.

Kargat waren nicht sonderlich sozial, aber hin und wieder lebten sie eine zeitlang in Gruppen oder als Paare zusammen. Daher störte es ihn nicht weiter.

Bald paaren?’

Seine Frage riss mich aus dem Schlaf. Anscheinend war ich eingenickt.

Ich prüfte den Sonnenstand, lange konnte ich nicht geschlafen haben.

Raus aus meinem Kopf. Das geht Dich gar nichts an.’

Das letzte was ich tun würde, wäre mit Shadarr meine sexuellen Wünsche besprechen.

Beide Weibchen gut. Starke Kinder.’

Ungerührt fuhr er fort, mir die Vorzüge von Anaya und Jiang zu beschreiben, so wie er sie verstand, bis ich genug davon hatte.

Schluss jetzt. Das entscheide ich selber.’

Allerdings wusste ich nicht, wie ich das anstellen sollte, ohne dass sie sich gegenseitig umbringen würden – oder mich, wo wir schon mal dabei waren. Bei meinem Glück machten sie mich dafür verantwortlich. Bisher war unsere Gruppe herrlich unkompliziert gewesen. Ein Grund dafür, dass wir schon so lange zusammen arbeiteten.

Anaya und ich hatten eine lockere Affäre gehabt, die keine von uns zu irgendwas verpflichtete. Jiang hatte bisher nie Interesse an irgendjemandem gezeigt. Damit war es jetzt wohl vorbei. Zwei attraktive Frauen, die beide etwas von mir wollten. Es gab schlimmere Dinge.

Wenige davon tödlicher.

Mir vielen immer wieder die Augen zu und schließlich gab ich den Kampf gegen die Müdigkeit auf. Shadarrs Körper war angenehm warm und so wickelte ich mich in meinen Mantel und schlief kurzerhand hier.

Am nächsten Morgen hinkte ich verschlafen zu den Anderen zurück.

Meine Gedanken wanderten dabei zu der Magana, der dritten Frau, die unfreiwillig zu unserer Gruppe gestoßen war.

Soldaten eines fast unbekannten Landes, die hunderte von Meilen von ihrer Heimat entfernt eine einzelne Person verfolgten, und bereit waren alles zu tun, um sie zu erwischen, war nicht nur ungewöhnlich, sondern verhießen nichts Gutes. Noch dazu weil sie ihre Rüstungen offen trugen.

Hier ging irgendetwas vor, das ich nicht verstand.

Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass wir die Verfolger nicht zum letzten Mal gesehen hatten. Es gefiel mir nicht, dass wir hier festsaßen und nur darauf warteten, gefunden zu werden. Dinge die ich nicht verstand, neigten leider oftmals dazu, sich zu lebensgefährlichen Problemen zu entwickeln.

Mir kam eine Idee.

Feinde?’, wollte Shadarr wissen, der meine plötzliche Unruhe spürte.

Ich richtete mich auf und beschleunigte meinen Schritt zurück zum Lager, zumindest so gut es mit meinem Fuß möglich war.

Nein, mir ist etwas eingefallen. Ich gehe zu unserem Lager zurück. Kannst Du zwei von uns tragen?’

Auch drei.’

Prima, trägst Du auch die Feuertänzerin?’

Feuerfuß nicht Rudel.’

Das hatte ich erwartet.

Trotzdem?’

Eine Zeitlang blieb es still.

Grollend fletschte er die Zähne, blieb aber nicht stehen. Dann schüttelte er seinen Kopf wie ein Hund der Wasser aus seinem Fell entfernen wollte. Bei Shadarr kam das einem Nicken recht nah.

Danke.’

Er war alles andere als begeistert, würde aber nicht versuchen die Feuertänzerin zu fressen.

An unserem provisorischen Lager angekommen fand ich Anaya noch immer schlafend vor und Droin und Kmarr waren inzwischen dabei Zeichnungen der Waffe anzufertigen und zu besprechen.

„…vielleicht noch ein Loch. Dann kann man das besser greifen.“

„Ist das nicht zu instabil?“, fragte Kmarr zweifelnd.

„Nicht wenn die Bolzen weiter aus Stahl sind“, argumentierte Droin dagegen.

„Sonst müsstest Du eine Art Ladestock fertigen, mit dem man erst die Federn spannt, bevor man die Bolzen in die Röhren schiebt.“

„Das wäre auf alle Fälle billiger.“

Sie bemerkten gar nicht, dass ich eingetreten war.

„Okay, dann versuchen wir es erstmal so. Was ist mit dem Schaft?“

„Entschuldigt dass ich euch unterbreche, aber ich habe nachgedacht, was unsere Verfolger betrifft, und mir ist etwas aufgefallen. Jiang, kommst du bitte auch? Das sollte Dich interessieren.“

Kmarr und Droin sahen mich erwartungsvoll an, doch ich wartete, bis Jiang aus ihrer Ecke geglitten war. Sie machte ein ruhiges Gesicht und sah mich ebenfalls an, als sie sich am Feuer niederließ.

„Kannst Du bitte etwas Tee zum Frühstück machen?“, wollte ich wissen.

Sie blickte mir weiter in die Augen, und griff nach Kessel und einem Beutel mit Teeblättern, ohne den Blick abzuwenden. Aber gesagt hatte sie bisher nichts.

„Also, wir nehmen an, dass die Verfolger der Magana noch nicht aufgegeben haben. Mindestens zwei der Reiter sind schließlich noch übrig. Wir wissen aus Erfahrung, dass Untote keinen Verstand besitzen, also muss mindestens einer von ihnen ein lebendiges Wesen sein. Soweit richtig oder?“

Jiang nickte, während sie die Teeblätter in den Kessel warf.

„Gut. Dann heißt das also sie suchen in der Umgebung nach uns, weil sie nicht wissen, wo wir sind. Dazu werden sie sich aufteilen, denn nur so können sie eine möglichst große Fläche durchsuchen.“

Droin unterbrach mich: „Worauf willst Du hinaus?“

„Geduld. Sie werden sich entweder in gewissen Abständen treffen oder sie tauschen mit Boten oder Signalen Informationen aus. Das bedeutet, irgendwann wird jemandem auffallen, dass der Magier sich nicht meldet. Sie werden sich also sammeln und hierher kommen, um nach ihm zu suchen.“

„Aber ihm hätte doch auch etwas anderes zustoßen können. Räuber zum Beispiel“, meinte Kmarr zu meiner Vermutung.

„Glaubt einer von euch ernsthaft, der Magier hätte aus Versehen von ein paar einfachen Gesetzlosen zur Strecke gebracht werden können?“

Allgemeines Kopfschütteln.

„Seht ihr. Also werden sie uns hier vermuten und relativ bald hier auftauchen. Ich fürchte spätestens morgen.“

Droin warf grübelnd kleine Steinchen ins Feuer: „Du meinst also, wir sollten trotz der Verletzungen aufbrechen?“

„Ich sehe keine andere Möglichkeit. Ich wäre auch lieber ein paar Tage hier geblieben. Mein Fuß tut bei jedem Schritt weh.“

„Ich werde die Magana nicht tragen können. Das schaffe ich mit meinen Verletzungen nicht.“

Kmarr sah niedergeschlagen aus. Das war ein beachtliches Eingeständnis für einen Leoniden, die von sich behaupteten, nie bei einer Aufgabe zu scheitern.

Gerüchten zu Folge hatte Kmarr deshalb begonnen, mechanische Spielzeuge zu bauen.

Droin hatte vor langer Zeit einmal behauptet, ein Leonide könne so etwas niemals verstehen.

Ich hielt das durchaus für glaubwürdig, auch wenn keiner der beiden das zugeben würde.

„Das wirst Du auch nicht müssen. Anaya und Jiang werden zusammen mit der Magana auf Shadarr reiten und ich werde ein Nachtmahr nehmen. So kommen wir schneller voran.“

„Wieso trägst Du nicht die Magana auf Shadarrs Rücken?“, schlug Droin vor.

„Weil ich nicht mit euch reiten werde. Und das hat folgenden Grund…“

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht

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