Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht - Christian Linberg - Страница 7

- 5 Eckige Weltanschauung -

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Nach meinem Gefühl zu urteilen, hatte ich überhaupt nicht geschlafen, als ich eine Berührung am Handgelenk und über dem Mund fühlte. Schlagartig war ich hellwach. Anaya hatte sich über mich gebeugt. Ihre Augen waren groß wie die einer Eule, damit sie in der Dunkelheit besser sehen konnte. Ihre Ohren hatten Ähnlichkeit mit denen von Fledermäusen. Damit konnte sie sogar eine Maus hören, die dreißig Schritte entfernt durch das Gras huschte.

Der Ausdruck in Ihren Augen sagte mir alles, was ich wissen musste. Ärger.

Kommentarlos rollte ich mich herum, um Droin auf die gleiche Weise zu wecken. Anaya huschte währenddessen zu Jiang hinüber.

Droin sah mich überrascht an, denn er hatte Anaya erwartet.

Ärger, signalisierte ich ihm.

Er nickte und griff nach seinem Helm.

Jiang erschien hinter ihrem Vorhang, vollständig angezogen und mit einem gemein aussehenden Dolch und einem ihrer Pinsel in den Händen.

Anaya weckte unterdessen Kmarr und begann dann, ihre Ausrüstung zu verstauen. Ich tat es ihr gleich und zog die Kettenhaube wieder über den Kopf, gefolgt vom Helm.

Sobald alle wach waren, sammelten wir uns um Anaya.

Wir bekommen Besuch’, bedeutete sie uns. Sie formte eine Hand zu einer nach oben offenen Klaue und hielt die andere mit der Handfläche nach unten parallel zum Boden, bevor sie mit der Klaue eine auftauchende Bewegung machte. ‚Telpare.’

Droin entfuhr ein grollender Laut.

Wie viele?’, fragte er in Zeichensprache.

Anaya schlug mit zwei Fingern in die Handfläche der anderen Hand und formte dann eine Faust: ‚Zwanzig.’

Ich fluchte innerlich. Diese menschenähnlichen Wesen hatten grotesk lange Beine und Arme und einen viel zu kleinen Körper. Sie waren sehr beweglich und verflucht schnell. Ihre graubraune Haut war lederartig und vollkommen unbehaart. Hände und Füße endeten in Grabklauen, ähnlich denen von Maulwürfen. Sie hatten kleine Köpfe mit winzigen Knopfaugen und großen Ohren. Ihr Gebiss war klein, aber sie hatten sehr lange, nadelspitze Zähne. Ihr Gehör und Geruchssinn waren ausgezeichnet, dafür waren sie praktisch blind. Das war nicht weiter verwunderlich, denn sie lebten unterirdisch, in von ihnen selbst gegrabenen Gängen und Kammern.

Soweit ich wusste, konnten sie nicht sprechen sondern verständigten sich durch sehr hohe Piepstöne. Normalerweise lebten sie in Clans von fünf bis fünfzig Mitgliedern. Sie verteidigten aggressiv ihr Territorium gegen jeden Eindringling.

Jetzt hatte ich eine ungefähre Vorstellung davon, warum das Dorf verlassen war. Wenn in der Nähe ein Telparbau lag, dann war das eine gute Erklärung dafür.

Shadarr?’

Keine Antwort. Ich war überrascht. Das war noch nie passiert. Ich versuchte es noch einmal, mit mehr Nachdruck. Ganz entfernt konnte ich ihn wahrnehmen, aber er schien bewusstlos zu sein. Nicht wenig beunruhigt überlegte ich, wie wir weiter vorgehen sollten.

„Kmarr, wir gehen durch die Wand im Norden. Dann im Bogen zu den Mahren“, entschied ich, ohne bei der Zeichensprache zu bleiben: „Ich trage die Magana. Droin?“

„Nachhut, in Ordnung.“

Er warf sich das von dem Kampf mit dem Baumschleicher noch immer stark beschädigte Schild auf den Rücken.

Anaya reihte sich mit schussbereitem Bogen zwischen Kmarr und mir ein. Jiang trat kommentarlos hinter mich – in Deckung.

„Los!“

Kmarr sprang wie eine Kanonenkugel vorwärts gegen die Nordwand. Er durchbrach sie, als wäre sie aus Papier. Holzbalken und Weidengeflecht flogen krachend in alle Richtungen davon.

Er rannte geradeaus weiter zwischen zwei Häusern hindurch. Anaya sprang durch die Lücke, riss ihren Bogen ohne anzuhalten hoch und der Pfeil durchbohrte einen Telpar, der gerade von einem Dach auf Kmarrs Rücken springen wollte. Ohne einen Laut stürzte die Kreatur auf der anderen Seite hinunter und verschwand aus meinem Blickfeld.

Ich rannte so gut ich mit meiner Last konnte hinter ihr her. Mit beiden Armen hielt ich die Magana fest, so dass mein Schild sie und mich vom Knie bis zum Kinn bedeckte. Lange konnte ich so nicht laufen, aber dafür waren wir von vorne ziemlich gut geschützt.

Hinter mir hörte ich ein leises Flüstern von Jiang, dann wurde es kurz taghell und es folgte ein Sirren begleitet von einem zischenden Geräusch. Der Geruch von verbranntem Fell wehte zu mir herüber.

„Volltreffer“, lies Droin anerkennend verlauten.

Man konnte trotz der schweren Rüstung und den gebrochenen Rippen kaum Anstrengung in seiner Stimme hören.

Wir hetzten zwischen den Ruinen hindurch, durchbrachen vermoderte Zäune oder trampelten Büsche nieder. Ich stolperte über einen vermoderten Balken aber Jiang griff geistesgegenwärtig zu und hielt mich aufrecht. Dann war es Anaya, die mit einem Huf in einen verlassenen Kaninchenbau trat. Ich konnte sie gerade noch vor einem Sturz bewahren.

Kmarr bog so scharf um eine Hausecke, dass er dabei einen guten Teil der Mauer mitriss. Noch während die Reste davon in hohem Bogen in alle Richtungen flogen, rannte ich daran vorbei – und wäre beinahe über Anaya gestolpert, die direkt vor mir angehalten hatte.

Ich schaffte es gerade noch um sie herum zu tänzeln, musste aber die Magana dabei zwischen meinen Beinen zu Boden gleiten lassen damit ich nicht stürzte.

Kmarr war an einer Kreuzung stehen geblieben, seine beiden krallenbewehrten Hände weit zu den Seiten ausgestreckt. Tief gebückt stieß er ein markerschütterndes Brüllen aus.

Über seine Schultern hinweg konnte ich vier Telpare sehen, die nebeneinander vor ihm standen und mit der gleichen Geste ebenfalls ihre Klauen ausgestreckt hatten. Sie versperrten uns den Weg. Auch aus den beiden anderen Wegen tauchten jeweils drei weitere Kreaturen auf. Bis auf hohe fiepende Laute waren sie vollkommen still. Selbst ihre Krallen verursachten kaum Geräusche auf dem weichen Boden.

„Droin, zurück“, rief ich, während ich mich bemühte, die Magana wieder auf meine Schulter zu heben.

„Sinnlos, hinter uns sind auch welche“, gab er mit ruhiger Stimme zurück.

Ich stellte meine Bemühungen ein, ließ die Magana wieder auf den Boden gleiten, und wandte mich stattdessen dem rechten Weg zu.

Anaya trat breitbeinig über den bewusstlosen Körper und hob ihren Bogen. Sie drehte ihren Kopf weit von rechts nach links, wie es Eulen oft taten, dann zielte sie plötzlich durch die Fensteröffnung eines Gebäudes auf der linken Seite. Es gab einen dumpfen Schlag, mit dem der Pfeil traf und dann noch einen zweiten mit dem ein Körper zu Boden stürzte.

Das war das Signal für die Telpare zum Angriff. Sie huschten blitzartig vorwärts – alle auf einmal.

Kmarr wartete nicht auf sie, er sprang geduckt vorwärts. In einem einzigen Satz überwand er die Distanz und riss zwei der Kreaturen zu Boden. Ohne anzuhalten rannte er weiter. Die beiden Telpare, die er nicht getroffen hatte, ignorierten ihn und kamen weiter auf uns zu.

Jiang deutete auf sie und ein grün glühendes Schriftzeichen von einer Mannslänge Höhe schoss vorwärts durch einen von beiden hindurch. Wo die Linien ihn berührten erschienen blutige Streifen. Der Telpar blieb stocksteif stehen und sah verwundert an sich herunter. Dann fiel er in kleine Stücke zerteilt auseinander.

Ich musste kurz würgen, dann hatte ich selber alle Hände voll zu tun. Drei Telpare stürzten sich auf mich. Ohne darauf zu warten, dass sie in Reichweite kamen, nahm ich mir ein Beispiel an Kmarr und stürmte, den Schild vor mich haltend auf den rechten Gegner zu.

Wie erwartet, versuchte er nach links auszuweichen. Als er fast vorbei war, riss ich den Schild zur Seite und erwischte ihn mit der unteren Kante im Rücken. Er wurde mit voller Wucht in die nächste Gebäudewand katapultiert und durchbrach sie mit dem Kopf voran. Es gab ein unangenehm lautes Knacken, seine Gliedmaßen zuckten noch einmal und dann hing er leblos in dem Loch fest.

Telpare waren für ihre Schnelligkeit berüchtigt, und als ich mein Schild zur Seite geschmettert hatte, war meine Deckung für einen Moment geöffnet.

Der mittlere Telpar nutzte die Gelegenheit für einen blitzschnellen Schlag nach meinem Unterleib.

Ich spürte, wie mein Kettengeflecht riss, aber das Polsterwams darunter hielt dem Schlag stand. Ich quittierte den Angriff, in dem ich meinem Gegner den Schwertknauf ins Gesicht rammte.

Benommen taumelte er weiter.

Dann waren wir aneinander vorbei und ich warf mich herum, gerade noch rechtzeitig, um den Angriff des dritten Telpars mit dem Schild abzublocken. Er riss mit jedem Schlag seiner Klauen einige Späne aus dem Holz heraus.

Lange würde mein Schild das nicht aushalten. Da die Telpare jetzt mit dem Rücken zu meinen Gefährten standen, konnte ich über ihre Schultern einen Blick auf das übrige Kampfgeschehen werfen.

Jiang stand Rücken an Rücken mit Anaya. Kleine glühende Symbole kreisten wie zornige Kolibris sirrend um die beiden Frauen. Jiang hielt den Dolch mit der Klinge parallel zum Unterarm vor sich ausgestreckt. Anaya hatte den Bogen fallengelassen und stattdessen ihre beiden Knochenmesser gezückt. Dabei hatte sie ihre Arme verlängert, um die Gegner auf Distanz zu halten.

Beide beschränkten sich darauf, nach den Armen und Beinen der drei Telpare zu schlagen die sie umkreisten, wenn diese versuchten, an der magischen Barriere vorbei zu kommen.

Von Kmarr konnte ich nichts sehen. Anhand des Gebrülls konnte ich jedoch gut abschätzen, wo er sich ungefähr befinden musste

Droin war ebenfalls nicht in meinem Blickfeld, aber da sich Anaya und Jiang nicht weiter um die Richtung kümmerten, aus der wir gekommen waren, schien er dort alles unter Kontrolle zu haben.

Mehr Gelegenheit das Ganze zu beobachten, hatte ich nicht. Meine beiden Gegner sprangen wie auf ein Zeichen hin gemeinsam vor. Der eine griff nach meinem Schild und krallte sich daran fest. Der andere duckte sich tief herunter und packte meinen rechten Knöchel. Ich versuchte den Fuß wegzuziehen, war aber nicht schnell genug.

Er zog an meinem Bein, während der andere sich gegen meinen Schild warf, obwohl auf der Vorderseite eine Reihe Dornen angebracht waren. Das war zu viel für mich. Fluchend verlor ich rückwärts das Gleichgewicht und schlug der Länge nach hin.

Der Telpar, der meinen Schild festhielt, landete unsanft auf mir. Er fiepte laut auf und regte sich nicht mehr. Erst da stellte ich fest, dass er sich im Fallen unabsichtlich auf meinem Schwert aufgespießt hatte.

Dann zuckte ein scharfer Schmerz durch meinen Fuß und ich schrie laut auf. Das andere Mistvieh hatte mich gebissen. Ich zog meine Beine so gut es ging an und trat nach unten aus. Ich spürte einen Widerstand, dann kam der Schmerz zurück. Stöhnend ließ ich mein Schwert los und zielte mit der Hand ungefähr in die Richtung, in der ich den Telpar vermutete.

Tief in meinem Inneren ließ ich die Kraft aufwallen, es dauerte einen Augenblick, bis sie dieses Mal durch mich hindurch strömte. Schwarzer Nebel quoll auf mein Geheiß schließlich aus meinem Arm hervor und ballte sich in meiner Faust zusammen. Ein dunkler Tentakel formte sich in der Mitte daraus. Stacheln wuchsen aus ihm empor und er zuckte wie ein lebendiges Wesen hin und her. Ein mentaler Befehl sandte ihn vorwärts und ich spürte, wie er sich um irgendetwas wickelte. Mit einem Ruck riss ich ihn zurück.

Ich hielt den Telpar mit dem Tentakel an einem Arm wie eine Stoffpuppe über mir in die Luft. Er wirkte wie ein hilflos zappelndes Insekt. Ich lenkte noch mehr von meiner Energie hinein und wie beiläufig wurde er in hohem Bogen über das angrenzende Haus geschleudert. Ein dumpfer Schlag kündete von seiner unsanften Landung. Der Tentakel löste sich anschließend langsam in Luft auf.

Mühsam wälzte ich mich unter dem zweiten Telpar hervor. Dann besah ich den Schaden an meinem Fuß. Zwei tiefe Bisswunden waren durch den Stiefel in mein Fleisch gedrungen. An Laufen war damit nicht zu denken.

Ich zog einen Verband aus einer meiner Taschen am Gürtel und stopfte ihn ohne ihn abzuwickeln in meinen Stiefel. Schmerzen schossen durch mein Bein und ich fluchte laut und lange.

Ich wollte gerade in Richtung Anaya, Jiang und der noch immer bewusstlosen Magana hinken, da hörte ich hinter mir ein Geräusch.

Ich wirbelte herum und konnte gerade noch mit der Breitseite meines Schwertes die Klaue eines weiteren Gegners zur Seite schlagen, der sich lautlos an mich herangeschlichen hatte. Er roch wie alle anderen Telpare nach feuchter Erde und Wurzeln.

Er umkreiste mich linksherum, so dass ich gezwungen war, mein verletztes rechtes Bein hinterher zu ziehen, damit er nicht hinter mich gelangen konnte.

Schmerzen schossen durch mein Bein und ich fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.

Mein Gegner betrachtete mich genau. Als er sah, dass seine Taktik nicht aufging, sprang er mich kurzerhand an.

Ich versuchte noch, ihn mit dem Schwert im Sprung aufzuspießen, aber dieses Mal war ich nicht schnell genug.

Er klammerte sich mit beiden Armen und Beinen an den Schild, wie sein Kamerad kurz zuvor. Sein Kopf zuckte vor und zurück, als er versuchte mich über den Schildrand hinweg zu beißen. Alles was ich tun konnte, war mein Gesicht in Sicherheit zu bringen und mit dem Schwertknauf auf die Klauen einzuhämmern, damit er los ließ. Das zusätzliche Gewicht an meinem Schild lies mich in die Knie gehen, was mein rechter Fuß mit einer neuerlichen Woge aus Schmerz quittierte.

Meine Lage war nicht gerade die beste. Für einen wirksamen Einsatz meines Schwertes war der Telpar zu nah., an meinen Dolch kam ich nicht heran, weil er in einer Scheide an meinem Gürtel steckte, auf der gerade das Gewicht des Telpars zusammen mit dem Schild lastete.

Auf einmal streckte sich der Telpar nach oben und sein Kopf schoss besonders weit vor. Ich drehte mein Gesicht gerade noch zur Seite, da schnappten seine Kiefer schon zu. Er erwischte ein gutes Stück meiner Kettenhaube und quetschte mein rechtes Ohr darunter schmerzhaft zusammen.

Ich drosch ihm so gut ich konnte meinen Schwertknauf ins Gesicht, und trieb ihn damit zumindest für einen Moment von mir weg.

Plötzlich schoss eine graue Masse über meine Schulter hinweg und als ich nach vorne sah, fehlte dem Telpar das halbe Gesicht.

Blut spritzte mir die Augen, bedeckte Stirn und Wangen und ließ mich würgen, als ich einen Teil davon versehentlich verschluckte. Hustend und vorübergehend blind stolperte ich umher. Spuckend versuchte ich den metallischen Geschmack von Blut aus meinem Mund loszuwerden. Dann spürte ich heißen Atem im Gesicht und eine raue Zunge fuhr über meine Haut.

Einer der Nachtmahre leckte mir gierig das Blut vom Gesicht.

Ich legte ihm meine Schwerthand auf den Hals und tätschelte ihn dankbar, nicht nur dafür, dass er es ableckte, sondern auch dafür, dass er nicht einfach zugebissen hatte. Überrascht hätte es mich nicht, auch wenn ich wusste, dass er den Geruch von meinem Blut von dem des Telpars unterscheiden konnte. Wäre er hungrig gewesen, hätte es ihn vermutlich nicht interessiert.

Das Schwert hielt ich für den Augenblick in der Schildhand, damit ich mir das Blut aus den Augen wischen konnte. Es brannte unangenehm, aber das ließ sich nicht vermeiden, bis ich mich gründlich waschen konnte.

In der Gasse standen alle drei Nachtmahre und machten sich hungrig über die Kadaver der Telpare her.

Ich pfiff leise, damit sie mir folgten. Dann stolperte ich langsam in Richtung Anaya und Jiang.

Die drei Telpare, die sie eben noch belagert hatten, lagen rings um sie herum. Jiang hatte eine blutige Schramme auf der Stirn und ein Ärmel ihres Gewands war zerfetzt. Diese Robe war ruiniert, das würde ihr überhaupt nicht gefallen.

Anaya hatte nur noch ein Messer in der Hand und hielt sich mit der anderen die rechte Seite. Ich sah Blut zwischen den Fingern hervorsickern.

Die Magana lag noch immer bewusstlos zwischen den beiden. Von den leuchtenden Symbolen, die sie gerade noch umschwirrt hatten, war nichts mehr zu sehen.

Beide blickten in die Richtung, aus der wir gekommen waren.

Droin kam mit langsamen Schritten rückwärts aus dem Durchgang. Er hielt seinen Speer mit der bösartigen Spitze voller Widerhaken in beiden Händen, den Schild noch immer auf dem Rücken. Vor ihm auf dem Boden lagen einige dunkle Gestalten.

„Wir müssen hier weg“, grollte er und wies mit seiner Speerspitze die Gasse herunter.

Ich erweckte erneut meine dämonische Sicht, hatte aber einige Mühe damit, die Kraft aus meinem Inneren hervorzurufen. Am anderen Ende der Gasse sah ich noch eine Handvoll weitere Telpare voran schleichen.

„Verfluchter Mist.“

Ich sah mich hektisch nach Kmarr um und entdeckte ihn zwei Dutzend Schritte weiter im Kampf mit einer ganzen Reihe von Telparen.

„Was ist?“, wollte Jiang wissen. Ihre Stimme klang erschöpft

„Da kommen noch mehr von den Viechern“, kommentierte ich trocken.

„Ich sehe, Du hast unsere Reittiere gefunden. Gehen wir Kmarr holen und verschwinden von hier“, bemerkte Jiang kurz angebunden.

Droin wandte sich nach vorne und rannte an mir vorbei. Im Laufen riss er den Speer zurück und schleuderte ihn mit Macht auf einen der zwei Telpare, die noch immer mit dem Leoniden rangen. Der Speer drang tief in den Körper und riss die Kreatur um, allerdings nicht, bevor diese Kmarr noch eine blutige Schramme am linken Bein zugefügt hatte. Der Telpar piepste erbärmlich, und wand sich um den Speer.

Kmarr nutzte die Gelegenheit und warf sich mit weit aufgerissenem Rachen auf den letzten Gegner. Er ignorierte dessen scharfe Krallen und biss ihm kurzerhand den Kopf ab.

Eine Blutfontäne schoss aus dem Körper und tauchte die Schnauze des Leoniden in rote Farbe.

Ich konnte sehen, dass er über und über mit kleinen Wunden bedeckt war. Das Blut daraus verklebte sein Fell und lief in kleinen roten Bächen an ihm herunter.

Er sah uns einen Augenblick mordlüstern an, und streckte uns seine Klauen entgegen.

„Ruhig Großer“, sagte Droin gelassen. „Wir sind’s.“

Kmarrs Blick klärte sich und er entspannte sich: „Entschuldigt“, rumpelte er mit seiner tiefen Stimme: „Ich war noch in Rausch des Kampfes gefangen.“

Leoniden verfielen im Kampf oft in eine Rage, durch die sie alles andere um sich herum vergaßen. Sie konnte auch für Freunde gefährlich werden, wenn man versuchte sie während dessen anzusprechen.

Dementsprechend waren Leoniden sehr gradlinige Kämpfer ohne Finesse – Allerdings hätte ich die auch nicht benötigt, wenn ich ihre Größe gehabt hätte.

„Wo ist Shadarr?“, fragte er uns.

„Keine Ahnung, er hat sich nicht gerührt“, erwiderte ich.

„Drakk, kannst Du ihn nicht wecken?“, wollte Anaya besorgt wissen.

„Hab ich schon versucht, er ist noch da, aber ich erreiche ihn irgendwie nicht.“

Meine Beunruhigung wuchs, denn dass war bislang noch nie passiert. Genauso wenig, wie er sich einen Kampf hatte entgehen lassen. Immerhin hätte er reichlich zu Fressen bekommen.

Jiang sah in die Richtung, aus der ich gekommen war: „Wir sollten ihn suchen gehen ehe wir uns aus dem Staub machen.“

Droin war zu dem Telpar getreten, der sich noch immer fiepend um den Speer wand. Er packte die Waffe und riss sie beiläufig in einer fließenden Bewegung heraus. Das Tier zuckte noch ein paar Mal und lag dann still.

„Gute Idee. Wo steckt er?“, wollte Droin wissen, während er die Spitze seines Speeres mit einem Stück Stoff säuberte, dass er danach achtlos zu Boden fallen ließ.

Ich konzentrierte mich kurz und entdeckte ihn dann noch immer in der Hütte auf der anderen Seite des Dorfes.

„Er ist noch immer in der Hütte drüben auf der anderen Dorfseite.“

„Führ uns hin, ich nehme die Magana.“

Kmarr bückte sich und hob sie auf, als wäre sie nicht schwerer als ein Bündel Kleidung.

Ich deutete nach Osten und wir setzten uns in Bewegung. Die Nachtmahre trotteten hinter uns her, wobei sich immer mal wieder einer nach unten beugte und ein Stück aus einem der toten Telpare biss. Sie waren unwillig, uns zu folgen, weil hier ein reich gedeckter Tisch auf sie wartete. Nur durch die Fähigkeiten von Anaya gelang es uns überhaupt, sie in Bewegung zu setzen. Ihr Talent, sich mit allen Tieren zu verständigen, erwies sich einmal mehr als unschätzbar.

Wir rannten so gut es mit unseren Verletzungen ging den Weg in Richtung von Shadarrs Lager, vorbei an zwei weitern Leichen, in denen Anayas Pfeile steckten. Sie nahm sich die Zeit und riss die Pfeile heraus. Einer zerbrach dabei, aber sie steckte die Reste trotzdem ein.

Wir erreichten die Ecke des Dorfes, in der sich Shadarr aufhalten musste, ohne auf weitere Telpare zu treffen.

Ich atmete erleichtert auf: „Scheint so, als wären wir die Biester los.“

„In der Tat höchst beeindruckend.“

Aus dem Dunkel am Rand des Dorfes erklang eine leicht nasale Stimme.

Ich wirbelte herum und hob meinen Schild, die Pinsel in Jiangs Händen begannen zu glühen, Anaya hatte einen Pfeil auf der Sehne, Droin hielt seinen Speer wurfbereit, während Kmarr die bewusstlose Magana zu Boden gleiten lies.

„Aber, aber, das wird nicht notwendig sein“, auf dem sanften Anstieg stand ein schlanker, in eine rote Robe gehüllter Mann, der eine seiner Hände in einer beschwichtigenden Geste erhoben hatte. Er trug sein braunes Haar kurz und nach Art der Moraner in einem Topfschnitt. Auf seinen Schläfen ruhte ein schmaler goldener Reifen, der mit rötlichen Steinen besetzt war. Viel mehr war unter dem Mantel nicht zu sehen, der zur Hälfte seinen Körper und einen seiner Arme verdeckte.

„Bitte, es besteht kein Grund zu weiterer Gewalttätigkeit. Es gab ein kleines Missverständnis“, fuhr er in dieser seltsam monotonen Stimme fort.

„Was willst Du?“, fragte ich ihn misstrauisch.

„Ist das nicht offensichtlich?“, er zog eine Augenbraue hoch.

Jiang sah ihn herrisch an: „Ihr habt keine Erziehung. Ihr stellt euch nicht vor, tretet in der Dunkelheit auf uns zu, verbergt eine Hand unter dem Mantel und verlangt etwas von uns ohne uns zu sagen, was ihr wollt und was ihr uns dafür anbietet. Das sind die Manieren eines Bauern. Und so werden wir euch auch behandeln. Ihr könnt gehen.“ Sie machte eine scheuchende Geste.

Der Fremde legte seine Stirn in Falten, jede Freundlichkeit war aus seiner Stimme gewichen und der nasale Tonfall war jetzt deutlich ausgeprägter. „Verzogene Göre, Du hältst den Mund wenn Erwachsene sich unterhalten.“

Er wedelte mit der freien Hand und Jiangs Proteste erstickten in einem würgenden Geräusch.

Sie griff sich an den Hals und fiel auf die Knie.

Droin schleuderte seinen Speer, Anaya riss den Bogen hoch, zog die Sehne bis an ihr Ohr und schoss. Dann ließ sie die Waffe fallen und sah nach Jiang. Diese hatte sich an den Hals gegriffen und versuchte verzweifelt Luft zu holen.

Der Speer drang durch die Brust des Fremden und der Pfeil bohrte sich ins Herz. Aber er taumelte weder zurück, noch zeigte er irgendwelche Anzeichen, eines Treffers.

„Das war aber nicht nett.“ Jetzt war seine Stimme wieder freundlich und gelassen. Von dem Speer oder dem Pfeil in seinem Körper schien er nichts zu bemerken.

Ungläubig sahen wir ihn an.

„Wie macht er das?“, flüsterte Droin.

„Irgendeine Art arkaner Kraft, vermute ich. Aber eine, die ich noch nie gesehen habe“, mutmaßte Anaya ratlos, die sich darum bemühte, Jiang beim Atmen zu helfen, indem sie den Hals mit einer rötlichen Paste einschmierte.

Ich sammelte Energie in meiner Hand und feuerte einen Blitz auf seine Gestalt ab. Doch auch der blieb ohne Wirkung.

Droin wollte auf ihn zu stürzen, doch der Mann hielt ihn mit einer Geste auf: „Das würde ich nicht tun, sonst erstickt eure Freundin. Ich gebe euch noch eine Möglichkeit. Überlasst mir die Magana und zieht eures Weges. Ich bin sogar bereit euch dafür eine Handvoll hiervon zu überlassen. Entscheidet euch schnell, viel Zeit hat sie nicht mehr.“, meinte er geringschätzig.

Achtlos warf er dabei etwas ins Gras zu unseren Füßen. Droin bückte sich und keuchte überrascht auf. Er hielt einen Saphir von der Größe meines Daumennagels in der Hand.

Unterdessen war Jiang auf die Knie gestürzt und ihre Lippen liefen blau an, so sehr sich Anaya auch bemühte, ihr zu helfen.

„Lasst sie los, dann sind wir vielleicht bereit zu verhandeln“, entgegnete ich.

„Wie ihr meint, sorgt nur dafür, dass sie den Mund hält.“

Wieder wedelte er mit der Hand.

Jiang sog keuchend Luft ein.

„Wir werden das besprechen, gebt uns einen Augenblick“, fügte ich zornig hinzu.

„Gut, aber nicht zu lange“, entgegnete er gelangweilt.

Mühsam kam Jiang wieder auf die Beine. Anaya und ich halfen ihr dabei. Deutliche sichtbare Druckstellen von Händen prangten in einem aggressiven Rot auf ihrem Hals. Sie würde einige Tage Schmerzen beim Sprechen und Schlucken haben.

Das war nicht gut, denn sie brauchte ihre Stimme beim Wirken ihrer Zauber.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich sie.

Der Hund, dafür wird er bezahlen.’

Sie gestikulierte in Zeichensprache und funkelte ihn wütend an, wobei sie sichtbar nach Atem rang.

Sichtlich ungerührt blickte der Mann zurück.

Beschwichtigend legte ich ihr eine Hand auf den Arm. Unwirsch wischte sie die Hand bei Seite, drehte sich dann aber um und wandte dem Mann demonstrativ den Rücken zu.

Was nun?’, verlangte sie von uns zu wissen.

Droin sah uns an: „Was machen wir?“

„Wir werden ihm auf keinen Fall die Magana überlassen“, entgegnete Anaya. „Sie gehört ihm nicht.“

„Woher willst Du das wissen?“, fragte Kmarr: „Vielleicht ist sie seine Sklavin.“

In der Gesellschaft der Leoniden waren Sklaven ein legitimer Besitz, daher fand er nichts bei dem Gedanken.

„Ist mir egal. So lange die Magana nicht selbst bestimmen kann, was sie will, werden wir sie niemandem überlassen, den wir nicht kennen.“

Jiang signalisierte Zustimmung.

„Wie siehst Du die Sache Drakk?“

Statt etwas zu der Diskussion beizutragen, bedeutete ich den anderen, weiter zu reden. Hier stimmte etwas nicht. Mir war keine arkane Kraft bekannt, die es jemandem erlaubt hätte, Treffer durch Pfeil oder Speer einfach zu ignorieren. Ablenken war in Ordnung, aber ignorieren? Nein, dafür musste es eine andere Erklärung geben.

Er hat mich angegriffen!’, Jiangs Gesten waren schnell und abgehackt, ich hatte Mühe, sie zu verstehen.

Er bekommt von uns gar nichts!’

„Hmm, die Bezahlung ist gut“, warf Droin ein. Naurim waren generell käuflich, wenn das Angebot stimmte, konnte man sie zu fast allem bewegen.

Ich nutzte die Ablenkung und wechselte in der Sicht auf Dunkelsicht, mit der ich Lebensenergie und Wärme wahrnehmen konnte, weil ich hoffte, so hinter das Geheimnis des Arkanisten zu gelangen.

Und tatsächlich: an der Stelle, an der der Fremde stehen müsste, stand niemand. Es war eine Art Puppe aus Holz. Zehn Mannslängen weiter den Hang hinauf und rechts stand der Mann tatsächlich. Um ihn herum saßen oder standen fünf gedrungene Vierbeiner. Vermutlich Hunde.

Vorsichtig, damit er nichts bemerkte, lies ich meinen Blick weiter schweifen, ich tat so, als überlegte ich angestrengt, ob das Angebot gut genug war.

„Ja, das Angebot ist nicht schlecht“, sagte ich laut, während ich den anderen Zeichen machte.

Das ist nur eine Puppe, er steht etwa zehn Mannslängen weiter rechts oben. Er hat fünf Hunde bei sich.’

Droin blickte einen Moment an mir vorbei, dann nickte er.

Ich sehe es auch.’

„Mir ist das zu wenig“, erwiderte Anaya: „Ich will das Doppelte.“ Sie hatte offensichtlich verstanden und spielte mit.

Kmarr bewegte sich ein wenig, so dass seine massige Gestalt dem Mann die Sicht auf mich versperrte. Er zog einen länglichen Gegenstand aus einer Ledertasche am Gürtel. Er bestand aus fünf Rohren, die um einen hölzernen Schaft gruppiert waren. Auf der einen Seite ragten scharfkantige Spitzen heraus. Die anderen Enden waren geschlossen. Die ganze Konstruktion ruhte auf dem Schaft einer Armbrust, an dem seitlich ein Hebel befestigt war.

In den Pranken von Kmarr sah das ganze wie ein Spielzeug aus.

Fertig?’, signalisierte Droin ihm bewundernd.

Kmarrs antwortendes Grinsen entblößte alle seine Reißzähne und zeigte eine geradezu kindliche Freude.

„Ja“, antwortete er.

„Wie sieht es aus? Es wird Zeit für eine Entscheidung, Freunde.“

Die nasale Stimme klang ungeduldig.

„Wir haben uns entschiede.“, erwiderte ich: „Ihr zahlt zu wenig.“ Bei diesen Worten trat ich so weit um Kmarr herum dass ich den Mann sehen konnte und deutete mit der linken Hand auf ihn: „Wir wollen mehr Geld.“

Gleichzeitig sammelte ich mich und rief Kraft aus dem schwarzen Abgrund in meinem Inneren hervor.

„Was?“, entfuhr es ihm, als sich erneut ein ungesundes, dunkel violettes Leuchten um meine Hand sammelte.

Weiter kam er nicht, da schleuderte ich bereits die Energie auf ihn. Im letzten Moment bewegte ich meinen Arm zur Seite und der Blitz raste der Stelle entgegen, an der ich den Mann aufgespürt hatte.

Kurz bevor sich der Blitz in ihn bohrte, prallte er gegen ein Hindernis. Er fächerte in viele kleine Entladungen auf, die eine Halbkugel nachzeichneten, bevor sie sich harmlos auflösten.

Ein Gutes hatte meine Attacke dennoch, sie enthüllte den Anderen den Standort des Mannes. Seiner Unsichtbarkeit beraubt, konnten wir auch mehr Details seiner Gestalt ausmachen.

Er war älter, als ich zuerst vermutet hatte. Sein Haar war durchsetzt von grauen Strähnen und der goldene Reifen der wie bei der Puppe auf seiner Stirn ruhte, war mit Edelsteinen besetzt. Auch an seinen Händen funkelten Ringe mit kostbaren Steinen. Die Robe hatte eine goldene Borte, die zahlreiche Runen zeigte, die ich aber auf die Entfernung nicht lesen konnte. Seine Augen waren klein und seine Nase hatte entfernte Ähnlichkeit mit der eines Schweins. Das erschien mir irgendwie passend.

„Dafür wirst Du bezahlen! Es war ein Fehler sich mir zu widersetzen.“

Wut verzerrte seine Stimme, die im ersten Augenblick nun sowohl vom Standort der Puppe, als auch von dem Arkanisten selber zu erklingen schien: „Tötet sie!“

Der Befehl galt den Hunden, die mit ihm zusammen sichtbar geworden waren. Wie ein einziges Wesen stürzten sie sich vorwärts.

Die massigen Körper legten ein erstaunliches Tempo vor, als sie auf uns zupreschten. Kmarr hob sein seltsames Gerät an die Schulter und betätigte den Abzug.

Ein eiserner Bolzen von der Länge meines Unterarms schoss aus einem der Rohre hervor und bohrte sich in die Brust eines der Hunde. Das Tier überschlug sich jaulend und blieb liegen.

Anaya legte einen Pfeil auf die Sehne und schoss blitzartig einen weiteren Hund nieder.

Droins Speer steckte noch immer in der Brust der hölzernen Puppe, daher zog er nun seine bösartige Kriegshacke und schwang den Schild von seiner Schulter, um so den Tieren entgegen zu treten.

Jiang versuchte mit heiserer Stimme, ein glühendes Symbol in der Luft vor sich zu zeichnen, aber kurz bevor sie fertig war, wurde sie von einem Hustenanfall geschüttelt und die sich aufbauenden Energien verloschen wieder.

Ein hämisches Lachen unseres Kontrahenten quittierte ihren gescheiterten Versuch. Er begann nun seinerseits mit der Beschwörung magischer Kräfte. Mit einer kräftigen Stimme rezitierte er alte Formeln nach Art der Arkanisten des Alten Reichs. Jetzt ertönte seine Stimme ausschließlich von ihm selbst und nicht mehr von der Puppe, die ihren Zweck anscheinend erfüllt hatte.

Ein kleiner roter Funken begann mit den Worten seiner Beschwörung immer stärker in der Luft vor ihm zu glühen.

Ich sah ihm dabei zu, versuchte schneller zu sein als er und sammelte ebenfalls meine Kräfte für einen weiteren Blitz, dieses Mal hatte ich jedoch eine Überraschung parat.

Er sah mir dabei zu und erhöhte das Tempo, mit dem er seine Formeln rezitierte.

Es war ein Wettrennen, das ich knapp gewann. Mein Blitz zuckte donnernd in seine Richtung, er duckte sich, doch ich hatte ihn gar nicht als Ziel ausgewählt. Stattdessen schlug er in einen der verbliebenen Hunde ein und schleuderte diesen zur Seite. Doch damit nicht genug, der Blitz sprang vom Hund direkt in den Boden zu Füßen des Magiers. Dreck und Gesteinsbrocken wurden hochgeschleudert. Sie schmetterten in unseren Gegner und warfen ihn um.

Dann waren die beiden übrigen Hunde heran. Der eine warf sich gegen Droin und riss ihn mit seiner Masse von den Füßen.

Jetzt erst, wurde mir die wahre Größe von den Biestern bewusst. Die Viecher mussten annähernd siebzig Steine schwer sein.

Wo züchtete man nur solche Hunde?

Der Zweite sprang Kmarr an. Er tauchte unter den Armen des Leoniden hindurch und verbiss sich in dessen Knie.

Kmarr heulte auf und drosch mit dem Schaft seiner Schusswaffe auf den Hund ein.

Trotz der harten Treffer dauerte es, bis dieser seinen Biss lockerte.

„War dass alles? Erbärmlich.“

Der Magier hatte sich wieder aufgerichtet und auch der Rot glühende Funke schwebte noch immer vor ihm in der Luft.

„Jetzt bin ich an der Reihe.“

Mit beiden Händen schob er den Funken in unsere Richtung, so als würde er einen Ball werfen.

In hohem Bogen flog er auf uns zu. Anaya schoss einen Pfeil darauf ab, der ihn jedoch harmlos passierte.

Kurz bevor er uns erreichte, machte Jiang eine wegwerfende Bewegung. Der Funke wich von seiner Flugbahn ab. Statt mitten zwischen uns zu landen beschrieb er einen Bogen und krachte Links von Droin zu Boden.

Eine gewaltige Explosion aus Feuer riss große Stücke aus dem Untergrund. Steine, Erde und Grasbrocken regneten ringsum zu Boden. Wir wurden alle zur Seite geschleudert.

Der Krater den er hinterließ maß gut und gerne drei Mannslängen.

Mich schauderte bei dem Gedanken, was passiert wäre, hätte er uns mit dem Funken getroffen.

Droin rollte sich bereits wieder herum und schmetterte seine Kriegshacke in den Nacken des Hundes. Mit gebrochenem Genick fiel der Hund um.

Anaya jedoch blieb liegen und hielt sich stöhnend die Seite. Blut lief aus ihrem Mund. Ich hoffte, dass sie sich nur auf die Lippe gebissen und nicht ihre Lunge verletzt hatte. Als sie nach ein paar Herzschlägen noch immer nicht wieder auf die Füße gekommen war, wurde mir allmählich klar, dass für sie der Kampf vorbei war. Das hieß, wir mussten den Arkanisten möglichst schnell erledigen, um ihre Verletzungen behandeln zu können. Ich musste auf ihre Fähigkeiten vertrauen, sich selbst zu heilen.

Auch ich war nicht ungeschoren davon gekommen. Die Hitze hatte meine Augenbrauen angesengt und sicherlich auch ein paar Haare verbrannt, wie mir der Geruch sagte.

Ein Schrei aus Jiangs Mund lies mich unseren Gegner einen Moment vergessen. Ihre Kleider waren zerrissen und verdreckt und sie hielt sich mit beiden Händen den Kopf.

„Was ist, bist Du verletzt?“, wollte ich besorgt wissen.

Sie schrie noch lauter, diesmal war der Tonfall einer voller Protest.

„Meine Haare!“

„Was?!?“

„Er hat meine Haare verbrannt!“, krächzte sie, gefolgt von einem neuerlichen Hustenanfall.

Und tatsächlich, von ihrer langen Haarpracht war wenig mehr als ein paar Stoppeln übrig geblieben.

Ungläubig sah ich sie an. Das war doch wohl nicht ihr Ernst.

Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder unseren echten Problemen zu.

Der Arkanist stand auf dem Hügel und rezitierte weiter irgendwelche Verse und Formeln. Vor ihm hüpften kleine Flammen aus dem Boden und sausten eine nach der anderen auf uns zu.

Drei davon trafen Kmarr, zwei weitere gingen auf Droin nieder und jeweils eine erwischten Jiang, Anaya und mich.

Die Flamme brannte sich durch das Kettengeflecht an meinem linken Arm tief in mein Fleisch. Schmerzen schossen durch ihn hindurch. Ich fluchte böse.

Den anderen erging es nicht besser. Kmarr wälzte sich auf dem Boden herum und Rauch stieg aus seinem verbrannten Fell auf.

„Genug.“

Anaya lag auf einer Seite und krallte ihre Hand in die Erde. Ihr Arm versank fast bis zum Ellbogen darin.

Eine beinahe unsichtbare Welle raste pfeilschnell von dort aus durch den Boden auf unseren Widersacher zu. Er versuchte noch auszuweichen, war aber zu langsam.

Drei armdicke Dornen explodierten aus dem Boden und spießten ihn von verschiedenen Seiten auf wie Speere.

Er zuckte noch ein paar Mal, dann sackte der Kopf auf seine Brust.

Ich beugte mich zu Anaya herunter: „Gut gemacht. Wie schwer bist Du verletzt?“

„Ich werde es überleben. Danke.“

Sie hustete Blut und rollte sich vorsichtig auf den Rücken.

„Kmarr, Droin, wie steht es mit euch?“

Droin stand schon wieder und klopfte sich den Dreck aus der Rüstung. Er winkte ab: „Noch ein paar solcher Begegnungen, und ich brauche schon wieder eine neue Rüstung.“

Kmarr lag noch auf dem Boden. In der einen Hand hielt er den Körper des letzten Hundes. So wie das Tier aussah, hatte Kmarr ihm mit seinen Krallen einfach die Kehle aufgeschlitzt. Mühselig stützte er sich auf einen Ellenbogen.

Er schleuderte den Kadaver von sich und zeigte auf den Körper unseres Gegners: „Ist er tot?“

„Keine Ahnung, ich sehe nach.“

Vorsichtig näherte ich mich dem aufgespießten Körper. Es war ein Wunder, aber er war noch nicht ganz tot.

Mit einem schiefen Lächeln sah er mich an. „Ihr habt… gesiegt…Dieses…Mal.“

„Wer bist Du und was geht hier vor?“

„Das...wirst Du niemals…erfahren.“ Seine Stimme wurde immer schwächer.“

Er hob einen Arm und in der Hand lag ein Würfel von einem Finger Kantenlänge. Auf jeder Seite war eine Rune eingraviert.

„Weg da! Er hat einen nykianischen Globus in der Hand.“

Ich hatte zwar keine Ahnung was das war, aber Jiangs mühsam mit ihrer heiseren Stimme gerufene Warnung war für mich Anlass genug, mir Sorgen zu machen. Mit meinem verletzten Bein würde ich vermutlich nicht rechtzeitig entkommen. Statt das zu riskieren, musste ich wieder auf meine Kraftquelle zurückgreifen. Keine Zeit für Subtilität, statt mich lange zu konzentrieren, gab ich mich einfach hin.

Macht überflutete mich. Ich stellte mir ein Portal vor, dessen Türen von einer gewaltigen Kraft aus den Angeln gerissen wurden. Dahinter lagen in meiner Vorstellung Anaya und die Magana auf dem Boden. Ich hechtete ohne zu zögern hindurch.

Kaum gelandet, richtete ich meinen Blick auf den Würfel, den der Tote noch immer in Händen hielt. Gerade rechtzeitig, um mit anzusehen, wie die Seiten des Würfels aufklappten. Blauweiße Flammenwände entfalteten sich nach allen Seiten. Eine der Wände kam genau auf uns zu.

Ich packte Anaya und riss sie auf die Füße. Sie stöhnte auf, als ich sie über meine Schulter warf. Kmarr tat das Gleiche mit der Magana.

So schnell wir konnten, flohen wir zurück in Richtung des Dorfes.

In unserem Rücken breitete sich eine unglaubliche Hitze aus. Ich spürte, wie meine Haare anfingen zu qualmen. Das Leder meiner Stiefel trocknete und bekam Risse. Mein Kettenhemd wurde glühend heiß.

Droin in seiner Rüstung stöhnte unter der brutalen Hitze. Schweiß rann mir in Sturzbächen über das Gesicht und den Rücken.

Wir werden es nicht schaffen, ging es mir durch den Kopf. Ich hatte das Gefühl, in Flammen zu stehen, Anaya schrie und wand sich auf meiner Schulter, aber ich hielt sie eisern fest.

Das war’s dann wohl, dachte ich.

Eine plötzliche Druckwelle warf uns alle nach vorne. Dann war es vorbei.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht

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