Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht - Christian Linberg - Страница 8
- 6 Grillfest -
ОглавлениеEine Zeitlang blieben wir alle liegen. Jeder stöhnte und ächzte, ein paar Flüche mischten sich auch darunter. Meine Haut brannte und prickelte, an meinem Handgelenk konnte ich sehen, wie sich die Umrisse der Ringe aus meinem Kettenhemd in meinen Arm gebrannt hatten. Auch wenn einige meines Volkes rituelle Brandnarben besaßen, fand ich eine solche Dekoration nicht notwendig.
Ich warf einen Blick auf Anaya, die beim Sturz von meiner Schulter geglitten war. Sie regte sich schwach. Immerhin. Doch ihr ganzer Rücken war verbrannt. Durch das aufgerissene Leder ihrer Rüstung konnte ich Blasen sehen, die sich auf ihrer Haut gebildet hatten – Besser sie als ich, kam es mir in den Sinn.
Ihre Haare waren genau wie die von Jiang fast komplett geschmolzen. Eines ihrer Geweihenden glühte sogar noch. Allerdings erlaubten es ihre Fähigkeiten, Haare und Geweih schnell wieder zu ersetzen.
Über sie hinweg konnte ich sehen, wie sich Kmarr herumwälzte. Sein Fell war an vielen Stellen schwarz versengt und teilweise konnte ich sogar rohes Fleisch entdecken.
Die Magana war dagegen vollkommen unverletzt. Im Gegenteil, ihr schien es tatsächlich eher besser zu gehen.
Sie schlief ruhig und friedlich, ihr Atem ging kräftig und regelmäßig.
„Was war das denn?“, wollte Kmarr schließlich wissen. Seine Stimme war schwach und zittrig.
„Ein nykianischer Globus“, keuchte Jiang heiser.
Sie hatte sich auf ihre Knie erhoben. Von ihrem Gewand war nicht mehr viel übrig geblieben. Die Ränder hatten sich durch die Hitze eingerollt und überall klafften Brandlöcher. Einer ihrer Arme hing nutzlos herab. Sie gab sich Mühe, ihn ruhig zu halten. Die Würgemale waren schon dunkelviolett angelaufen. Der ganze Hals war angeschwollen.
„Ein Kraftspeicher.“
Sie hustete ein paar Mal, bevor sie fortfahren konnte: „Wenn man die richtige Seite öffnet, setzt man alle Energie, die darin ist auf einmal frei. So wie gerade. Wir haben Glück, dass wir überlebt haben.“
„Fühlt sich aber nicht so an“, kommentierte Droin, während er seinen Helm ablegte. Darunter war seine Haut stark gerötet. Dort wo ihn das heiße Metall berührte hatte, hatten sich Blasen gebildet. Zum Glück hatte er darunter eine gepolsterte Haube getragen, die das Gröbste abgehalten hatte.
Wir sahen alle aus, als hätte uns eine Herde Drachenechsen überrannt – Und es fühlte sich auch so an.
‚Rudelführer?’, erklang endlich auch Shadarrs verschlafene Stimme in meinem Kopf.
‚Shadarr! Endlich. Wo warst Du?’, wollte ich verärgert wissen: ‚Immer wenn man Dich braucht, frisst oder jagst Du gerade.’
‚Stinkender Mann hat Schlaf gemacht’, antwortete er.
Shadarr war wütend. Gut so, ich nämlich auch. Gleichzeitig war ich aber auch erleichtert, sonst war er anscheinend unversehrt, das bedeutete, ich konnte weiter auf ihm reiten. Nach laufen war mir im Augenblick nicht zumute.
‚ Komm zu uns. Immer dem Qualm nach.’
Um uns herum war das Gras zu Asche zerfallen, alle Balken und Bretter der Häuser waren verkohlt, die Wände geborsten, die Dächer eingestürzt. Rauch stieg noch von einigen der Reste auf. Hier und da glimmte noch ein Balken. Kleine Brände flackerten überall. Von unserem Angreifer war nichts übrig geblieben. Auch die Kadaver der Hunde waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
„Shadarr ist aufgewacht. Irgendwie hat der Arkanist ihn zum Schlafen gezwungen“, bemerkte ich zu den anderen gewandt.
Droin hob schwach einen Daumen: „Gut, wir werden ihn brauchen. So wie wir aussehen ist keiner von uns in der Lage, heute noch einen Kampf zu bestreiten.“
Ich nickte: „Ich bin schon froh, wenn ich pissen kann, ohne mich irgendwo festzuhalten.“
„Du hast wirklich keine Manieren“, protestierte Jiang schwach, während sich Droin einen Wasserschlauch über den Kopf schüttete, bevor er einen tiefen Zug daraus nahm.
Ich zuckte mit den Achseln. Jiangs Meinung war mir gerade ziemlich egal.
Die Idee war gut, plötzlich merkte ich wie durstig ich gewesen war. Die Flammenwand hatte uns ziemlich ausgetrocknet.
Ich löste ebenfalls eine Trinkflasche von meinem Gürtel. Zum Glück hatte sie die Kämpfe unbeschadet überstanden. Das Wasser darin war herrlich erfrischend.
Dann besah ich mir die Situation. Anaya und Kmarr brauchten schnell Hilfe, ihr Zustand sah gar nicht gut aus.
Ich hebelte mich mit meinem Schwert langsam wieder in die Höhe. Es tat einfach alles weh. Besonders mein rechter Fuß brannte noch immer von dem Biss des Telpars. Aber es half nichts. Unsere Ausrüstung lag nach wie vor in der Hütte, in der wir ursprünglich gelagert hatten.
‚Shadarr, treib’ die Mahre zu unserem Unterstand. Wir brauchen sie.’
Über die telepathische Verbindung konnte ich Zustimmung spüren.
„Am besten ihr bleibt hier. Ich hole mit Shadarr zusammen unsere Ausrüstung. Es dauert nicht mehr lange, bis zum Sonnenaufgang.“
Die anderen waren zu müde, oder zu schwer verletzt, um zu protestieren.
Nur Droin, mit der für Naurim typischen Sturheit machte sich daran, sich aus seiner Rüstung zu schälen.
„Ich mache Feuer“, verkündete er: „Wir werden die Wärme brauchen.“
So gut es ging humpelte ich durch die Ruinen. Es war zum Glück nicht sonderlich weit bis zu unserem Unterstand. Trotzdem kam es mir vor, als hätte ich mehrere Kerzenlängen gebraucht, ehe ich endlich ankam.
Shadarr wartete schon auf mich.
‚Verletzt?’, fragte er neugierig.
‚Ja, alle’, erwiderte ich müde.
‚Stinkender Mann?’, wollte Shadarr wissen.
‚Tot.’, gab ich einsilbig zurück. Für heute war ich bedient.
‚ Gut.’
Ich hinkte in den Unterstand. So gut es ging, raffte ich alle Sachen zusammen. Ohne sie sonderlich festzuschnallen hob ich sie den Nachtmahren auf ihre Rücken, die zum Glück durch ihre ausgiebige Mahlzeit ruhig und friedlich waren.
Dann riss ich die Decken von den Fenstern und dem Eingang und machte mich auf den Rückweg.
Als ich bei den Anderen ankam hatte sich Droin bis auf den Lendenschurz ausgezogen und ein großes Feuer entfacht. Irgendwie hatte er es geschafft, die Anderen um das Feuer zu versammeln.
Verrückter Naurim. Statt sich etwas anzuziehen, begutachtete er lieber die Schäden an seiner Rüstung. Kopfschüttelnd sah ich ihm einen Moment dabei zu. So stur wie er war, würde er sich dabei nicht mal erkälten, weil er es schlicht und einfach vergaß.
Shadarr trieb unterdes die Nachtmahre hinter mir her. Als er die restlichen Mitglieder unserer Gruppe sah, ließ er ein mitfühlendes Heulen ertönen.
‚Gut gekämpft, mutiges Rudel.’ Stolz schwang in seiner Stimme mit.
Ich antwortete nicht, sondern lud stattdessen die Ausrüstung ab.
Erstmal Decken für jeden, dann widmete ich mich den zahlreichen Salben und Kräutern, die Anaya in ihrem Gepäck hatte. Ich war zwar kein Heiler wie sie, aber ich hatte im Laufe der Zeit einiges gelernt und wusste, wie und womit ich die Verletzungen am wirkungsvollsten behandeln konnte.
Zunächst schnitt ich so vorsichtig wie es ging Anayas Rüstung auseinander. Das war nicht sonderlich schwierig, denn viel war davon ohnehin nicht mehr übrig.
Gleichzeitig bedeutete ich Droin in einem Kessel Wasser zu kochen. Gekochtes Wasser machte nicht krank.
Viele Verbrennungsopfer starben an harmlosen Krankheiten und keiner wusste, warum. Aber Anaya hatte einmal gesagt, dass es half, mit heißem Wasser die Wunden sauber zu halten.
Ihr Rücken sah schlimm aus und sie war noch immer ohne Bewusstsein. Außerdem hatte sie eine tiefe Risswunde in der Seite, aus der ein dünnes Rinnsal Blut sickerte.
Während ich auf das Wasser wartete, sah ich mir die Verletzungen der anderen an. Kmarr hatte schwarz verkohlte Wunden an einigen Stellen, und sein Knie war von dem Hundebiss übel zugerichtet. Er hatte es notdürftig verbunden, der Verband war inzwischen jedoch durchgeblutet.
So wie es aussah, hatte Jiang sich einen Arm gebrochen, die Bruchstelle war zum Glück nicht offen, aber bereits dick angeschwollen. Ein Teil ihres Gewandes war mit ihrer Haut verschmolzen. Darüber hinaus war ihre Kopfhaut stark verbrannt.
Mit dem heißen Wasser wusch ich erst meine Hände, dann rührte ich mit verschiedenen Kräutern eine dünnflüssige Salbe an. Ich gab mir beim zerkleinern der Zutaten besonders viel Mühe, damit sich die darin enthaltenden Öle verbreiten konnten. Sehr vorsichtig träufelte ich die Flüssigkeit auf Anayas Wunden.
Sie stöhnte und schrie sogar einmal leise auf, wann immer die Salbe ihre Haut berührte. Ich verzog mitfühlend das Gesicht, allerdings ließ es sich leider nicht vermeiden.
Kaum dass ich damit fertig war, suchte ich ungefärbtes Leinen aus dem Gepäck heraus und warf es in den Kessel, den ich zurück in das Feuer stellte. Das sollte verhindern, dass sich die Wunden entzündeten, wenn ich sie später damit verband.
„Droin, wenn Du es schaffst, kannst Du noch mehr Holz für das Feuer sammeln? Ich werde Shadarr bitten, Wasser zu suchen, wir werden mehr brauchen, als wir haben.“
„Das klappt schon. Das Bisschen verbrannte Haut wird mich nicht umbringen.“
Droin sprach zwar, als ob ihm nichts fehlen würde, aber er bewegte sich sehr vorsichtig. Sein Gleichmut war wirklich bewundernswert.
‚Shadarr, kannst Du Wasser finden?’, bat ich ihn drängend.
‚ Nicht weit, Shadarr weiß.’
‚ Danke. Kannst Du Droin da hin führen?’
‚ Nicht schwierig. Wir gehen.’
Er grollte in Droins Richtung und warf dann den Kopf herum, um ihm zu zeigen, wohin er gehen sollte.
Während ich erneut auf das Kochen des Wassers wartete, konnte ich mich um die Verletzungen von Kmarr kümmern.
„Wie geht es Dir?“, fragte ich ihn leise.
„Mmm, war schon mal besser“, rumpelte er kaum lauter als ich.
„Was ist schlimmer, Knie oder Verbrennungen?“, wollte ich wissen.
„Tut beides höllisch weh. Mach einfach. Danke, mein Freund“, entgegnete er. Dann schloss er die Augen und entspannte sich so gut es überhaupt ging.
Ich rührte eine Kräuterpackung an, die ich in die Mitte eines Tuchstreifens legte. Die Kräuter und das Moos, das ich damit tränkte hatten blutstillende Wirkung und sollten außerdem eine Entzündung verhindern.
„Ich bin Wasser holen.“
Droin meldete sich beladen mit sämtlichen Wasserschläuchen unserer Gruppe ab.
Ich winkte ihm, dann wandte ich mich wieder Kmarr zu.
Vorsichtig löste ich den improvisierten Verband um das Knie. Kmarr grollte und knurrte, hielt aber still. Frisches Blut trat aus den Bissspuren aus, als ich das Knie freigelegt hatte. Ganz behutsam tastete ich das Knie ab.
„Heh!“, stöhnte Kmarr: „Das brauche ich noch.“
„Keine Sorge, ich hab selber zwei. Ich wollte feststellen, ob der Knochen beschädigt ist.“
„Schon gut. Weiß ich“, grollte er: „Macht aber deshalb nicht mehr Spaß.“
Ich wickelte den Verband fest um das Knie.
„Das sollte die Blutung stillen. Du wirst eine Weile nicht tanzen können.“
„Sehr lustig“, bemerkte er ohne eine Spur von Humor in der Stimme.
Ich wusste, dass Kmarr für die gesellschaftlichen Vergnügen der Adligen und anderen Würdenträger unter den Menschen nichts übrig hatte. Trotzdem musste ich grinsen: „Bin gleich wieder bei Dir.“
Ich hob das gekochte Leinen mit der Spitze meines Dolches aus dem Kessel und legte es über meinen Sattel, der unweit von mir auf dem Boden lag. Damit es etwas abkühlen konnte.
Ich bereitete weitere Kräuterpackungen vor und warf auch das restliche Leinen von Anaya und Droin in den Kessel.
‚Sind beim Wasser’, verkündete Shadarr in meinen Gedanken.
‚ Gut, beeilt euch bitte.’
Ich legte das noch immer dampfende Tuch auf Anayas Rücken, die auch prompt wieder zu stöhnen begann. Aus Erfahrung wusste ich, dass es danach besser wurde.
So gut ich konnte, hob ich sie an, um mir die Wunde in ihrer Seite anzusehen. Das entlockte ihr ein neuerliches Stöhnen. Noch immer sickerte Blut aus dem Riss.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie viel Blut sie inzwischen verloren hatte. Da der Rücken nun versorgt war, konnte ich eine Kräuterpackung auf die Verletzung legen und festbinden.
Danach deckte ich Anaya mit einer Wolldecke zu und platzierte ihr Gepäck rund um sie herum, um ihr wenigstens ein Minimum an Schutz vor der Kälte zu bieten und gleichzeitig, um zu verhindern, dass sie sich aus Versehen auf den Rücken drehte.
Jiang hatte sich unterdessen aus ihrem Seidengewand gewunden, und saß nackt neben Kmarr. Erneut konnte ich ihre alabasterfarbene Haut bewundern. ‚Und kalt ist ihr auch.’, fügte ich im Stillen nach einem Blick auf ihre steifen Nippel hinzu. Ich bemerkte, wie sie zitterte. Anscheinend ging es ihr schlechter, als sie zugeben wollte.
„Hältst Du durch?“, wandte ich mich fragend an sie.
Es dauerte einen Moment, bis sie etwas ungehalten antwortete: „Natürlich. Und wenn Du mich nicht stören würdest, könnte ich auch meditieren, um mich von den Schmerzen abzulenken.“
„Verzeiht mir Lotusblüte. Euer unwürdiger Diener wollte euch nicht unterbrechen.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, kümmerte ich mich wieder um Kmarr.
Ich hatte noch eine Menge von der flüssigen Salbe übrig, die ich für Anaya gemacht hatte. Ich schnitt das verbrannte Fell weg und goss vorsichtig die Salbe auf die nässenden Wunden.
Er ertrug die Prozedur bewundernswerter Weise ohne zu schreien oder zu stöhnen. Zum Abschluss wickelte ich um die schwersten Verbrennungen wieder ausgekochtes Leinen, dass ich in Streifen geschnitten hatte.
Ich war neugierig: „Es scheint, Du hast von Jiang gelernt mein Freund.“
Kmarr öffnete träge ein Auge: „Du hast Recht. Ihre Lehren sind bisweilen sehr hilfreich.“
Damit schloss er wieder die Augen und ich konnte fühlen, wie sich seine Muskeln entspannten. Kein Wunder, dass er an Selbstbeherrschung zugelegt hatte. Vermutlich erklärte das auch, warum er eine Rüstung trug.
Jetzt blieb nur noch Jiang übrig.
Vorsichtig ging ich zu ihr hinüber. Ich streckte den Arm aus, um sie sanft aus ihrer Meditation zu erwecken, aber sie schlug die Augen auf, kurz bevor ich sie berührte.
Der klare Blick aus ihren grünen Augen faszinierte mich immer wieder. „Wird auch langsam Zeit. Ich bin es nicht gewohnt zu warten.“
„Tatsächlich?“, ich zog die Stirn in Falten, denn wie man nur eine Augenbraue hebt, hatte ich nie verstanden: „War es nicht so, dass die Tätigkeiten im Palast des Jadekaisers hauptsächlich aus Warten bestehen?“
„Nicht auf Diener, nur auf Minister und andere Persönlichkeiten.“
„Aha, ich bin also nur ein Diener für Dich. Gut, das werde ich mir merken“, entgegnete ich spitz.
„Das solltest Du auch.“
„Wollt Ihr Euch selbst versorgen, oder bin ich dafür noch gut genug?“
Ohne zu antworten drehte sie ihr Gesicht von mir weg und lies ihr Kinn sinken.
So wie ich das verstand, war ich für sie immerhin gut genug, um ihre Wunden zu versorgen. Das sie nackt vor mir saß, war mir gerade herzlich egal. Diener! Pah! Ich war niemandes Diener.
Unwirsch begann ich damit, die in ihren Rücken eingebrannten Stücke ihrer Kleidung mit meinem schärfsten Messer zu lösen.
Jiang versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber ich spürte, wie sie sich jedes Mal anspannte, wenn sich wieder ein Stück löste.
Feine Rinnsale aus Blut liefen aus den Wunden über ihren Rücken herunter. Sie bildeten zusammen mit der Tätowierung ein bizarres Muster.
Nachdem ich auch die letzten kleinen Fetzen entfernt hatte, die zum Teil wenig größer waren, als der Nagel meines kleinen Fingers, trug ich wieder die flüssige Salbe auf. Ich tropfte sie von meinen Fingern auf die einzelnen Verletzungen. Jiang zuckte unter jedem Tropfen und ich sah, wie sich Schweißperlen auf ihrem Rücken bildeten.
Ich fing an kurze Pausen zu machen, bevor ich die nächste Wunde behandelte.
„Du machst das absichtlich“, warf sie mir vor. „Du tropfst die Salbe langsam auf die Wunden, um mich für meine Worte von vorhin zu strafen.“
Das war ja wirklich das Letzte. „Meinst Du? Ist es Dir so lieber?“
Wütend goss ich einen ganzen Schwung Salbe auf ihre Schultern, so dass sie über ihre gesamte Rückseite hinunter lief.
Jiang warf sich nach vorne und bog den Rücken zu einem extremen Hohlkreuz. Sie schrie laut auf und schüttelte sich.
Die offensichtliche Qual in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Vorsichtig berührte ich sie an der Schulter: „So besser?“
Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Aber sie hatte es verdient.
Sie hob den gesunden Arm: „Schon gut. Ich verzeihe Dir. Fahr fort. Bitte.“
Jetzt war ich doch überrascht. Ich hatte arrogante Proteste und Beschimpfungen erwartet. Das war vermutlich das erste Mal, dass sie ernsthaft um etwas gebeten hatte.
Mit mehr Sorgfalt als zuvor, beendete ich die Behandlung.
„Ich muss Deinen Rücken noch verbinden und Du wirst eine Weile nicht darauf schlafen können.“
Die Bewohner von Shâo hatten merkwürdige Gewohnheiten. Dazu gehörte es, dass sie immer auf dem Rücken schliefen. Nach Jiangs Angaben schützte sie dies davor, dass sich böse Geister nachts von hinten anschleichen konnten, um ihre Körper zu rauben.
Ein unsinniger Aberglaube, aber es würde für Jiang unmöglich sein, mit den starken Verletzungen auf dem Rücken zu liegen.
Sie nickte: „Ich weiß. Ich werde mir etwas überlegen.“
Ich nahm wieder ein gekochtes Stück Leinentuch und legte es ihr auf den gesamten Rücken. Erneut stieß sie einen spitzen Schrei aus, beruhigte sich aber sogleich.
Mit drei langen Streifen aus Leinen fixierte ich das Tuch am Rücken. Dazu musste ich um sie herum greifen, ohne ihren gebrochenen Arm zu bewegen. Dabei berührte ich unwillkürlich ihre Brüste. Ich konnte ihre samtweiche Haut spüren und fühlen, wie sich ihre Brustwarzen unter der Berührung aufrichteten. Sie atmete schwer, sagte aber nichts.
Nervös beendete ich die Behandlung. Ich vergaß auch nicht, dass ihr Kopf ebenfalls verbrannt war und verband ihn nach einer Salbenbehandlung ebenfalls mit einem Streifen gekochtes Leinen.
Wo war nur Droin wenn man ihn brauchte, fragte ich mich?
Eine unangenehme Stille breitete sich aus.
„Kannst Du eine Schlinge für meinen Arm machen?“
Jiangs Stimme war sehr leise und hatte einen eigentümlichen Klang angenommen.
„Einen Moment.“
Ich schnitt ein quadratisches Tuch zurecht, formte daraus ein Dreieck und knotete es um ihren Hals, so dass die Tasche vorne lag. Mit größter Vorsicht legten wir ihren Arm hinein.
Sie verbeugte sich leicht zum Zeichen ihres Dankes.
„Meine Kleidung.“
Erst wollte ich sie schon wieder zurückweisen, aber dann fiel mir auf, dass sie mir ihre Kleidung zum reinigen gegeben hatte.
„Einen Augenblick.“
Ich ging zurück zu meiner Ausrüstung und zog eine etwas zerknitterte Robe daraus hervor. Nachdem ich sie ihr überreichte hatte, begann Jiang umständlich damit, sie mit einer Hand anzulegen.
Ich könnte behaupten, ich wäre ein Ehrenmann und hätte mich umgedreht, aber jeder der das in einer solchen Situation behauptete, war ein Lügner. Außerdem war ein Ehrenmann, etwas, dass ich höchstens aus Büchern kannte. Und so langweilig und dämlich würde ich niemals werden.
Jiang war eine wunderschöne Frau, warum sollte ich sie also nicht ansehen. Mit unverhohlenem Interesse ließ ich meinen Blick über ihren Körper wandern.
Seide stand ihr wirklich hervorragend. Der feine Stoff floss über ihre Formen und betonte sie subtil durch das eingewebte Muster. Die Schneider der Shâo mussten außergewöhnliche Künstler auf ihrem Gebiet sein.
„Bewunderst Du die Aussicht?“
Grinsend stand der Naurim am Feuer. Neben ihm hatte Shadarr die Wasserschläuche auf dem Rücken.
‚Rudelführer paaren mit kleiner Riechtgut? Starke Kinder.’ Zustimmung drang durch unsere Verbindung
‚ Was? Wie? NEIN! Naja, zumindest nicht jetzt.’
‚ Kleine Riechtgut riecht aber nach Paarung. Sie möchte paaren mit Dir.’
Sie wollte sich mit mir…? Ich hatte das Gefühl knallrot anzulaufen.
Um das zu verbergen, ging ich hinüber zu Shadarr und nahm ihm die Wasserschläuche ab.
„Wie geht es Dir Droin?“, wollte ich wissen, um mich abzulenken.
„Nachdem ich einiges getrunken habe, deutlich besser als vorher. Ich könnte eine kühlende Salbe vertragen, und eine Weile wird Rüstung tragen keinen Spaß machen. Sonst ist alles in Ordnung – abgesehen von den gebrochenen Rippen natürlich.“
Er deutete auf meinen Fuß: „Du könntest Dich also mal um Deine eignen Verletzungen kümmern.“
Wo er Recht hatte… Über die Behandlung der Anderen hatte ich meine eigenen Verletzungen völlig verdrängt.
Wie um mich für die Vernachlässigung zu strafen, machten sie sich jetzt alle auf einmal bemerkbar.
„Danke dass Du mich daran erinnert hast. Ich hatte sie gerade vergessen.“
„Gern geschehen“, antwortete er beinahe gut gelaunt.
Ich ließ mich neben meinem Gepäck nieder, das praktischerweise direkt gegenüber von Jiangs Platz war. Das gab mir Gelegenheit, sie zu beobachten, während ich mich langsam aus meiner Rüstung schälte.
Als ich die Kettenhaube abzog, bemerkte ich, dass mein Ohr anscheinend etwas abbekommen hatte. Eine schmerzhafte Überprüfung später hatte ich die Bestätigung in Form von blutigen Fingerspitzen.
Darum würde ich mich später kümmern. Jetzt waren erstmal die anderen Verletzungen dran.
Ächzend entledigte ich mich der übrigen Rüstung. Ich spürte eine Reihe Blutergüsse und Prellungen, dort wo mich die Telpare getroffen hatten.
Schließlich wandte ich mich meinem Fuß zu. Ich wusste, was mich dort erwarten würde. Sehr behutsam löste ich die Schnürung meines Stiefels. So wie mein Schuhwerk aussah, würde ich neue brauchen.
Mist, ich hing an meinen Stiefeln.
Es ging dann aber doch besser als erwartet. Sobald der Stiefel aus dem Weg war, konnte ich den Schaden begutachten. Ich hatte Glück gehabt, denn die Bisswunden waren an Gelenk und Knochen vorbeigegangen. Es war im Wesentlichen nur eine Fleischwunde. Ich reinigte sie und versah sie ebenfalls mit einer Kräuterpackung. Dann verband ich den Fuß so fest ich konnte, ohne den Blutfluss zu unterbrechen. Zum Abschluss zog ich den Stiefel wieder an, bevor die Schwellung so groß wurde, dass er nicht mehr passte.
Die übrigen Verletzungen waren nicht weiter dramatisch und ich wusch meine Hände abschließend wieder mit heißem Wasser.
Die Erschöpfung schlug jetzt erst richtig zu. Mit einem Mal konnte ich kaum noch die Augen aufhalten.
Inzwischen war die Morgendämmerung hereingebrochen. Das Zwielicht versprach einen wunderschönen Morgen. Wie in Flammen getaucht leuchteten die Wände der Gebäude, zwischen denen wir uns niedergelassen hatten. Rot-, Orange- und Gelbtöne spiegelten sich in den wenigen Wolken, die über uns gen Norden zogen.
Normalerweise hatte ich durchaus ein Auge für diese Art Naturschauspiel, aber gerade war mir das herzlich egal.
Ich streckte mich auf dem Boden aus. Der Sattel diente mir als Kopfkissen.
‚Shadarr, kannst Du Wache halten?’, fragte ich träge.
‚ Rudel verletzt, Shadarr passt auf.’
‚ Danke.’
„Shadarr schiebt Wache, wir können uns ausruhen.“
Keine Antwort.
Ich sah mich um. Die Anderen waren schon längst eingeschlafen.
Also machte ich es mir auch gemütlich. Kaum waren die Augen zu, war ich auch schon im Land der Träume.