Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht - Christian Linberg - Страница 4

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Ohne neue Erkenntnisse machte ich mich also langsam auf den Weg in Richtung Waldrand, um nach dem Maganer zu sehen, der schließlich irgendwo abgeblieben sein musste.

Vielleicht erhielt ich von ihm Antworten auf einige der Fragen, die mir durch den Kopf gingen.

Davon, dass sie sich bei ihrem Tod in einer Stichflamme auflösten hatte ich zwar gehört, glaubte aber nicht wirklich daran. – Andererseits würde das erklären, warum viele von ihnen für große Feuer verantwortlich gemacht wurden.

Auf halbem Weg sah ich plötzlich einige hundert Schritte nördlich der Stelle, an er verschwunden war, wie mehrere Gestalten aus dem Wald traten. Sie waren zu weit weg, als dass ich sie klar erkennen konnte.

Großartig, noch mehr ungebetene Gäste.

Einen Augenblick geriet ich ins Stolpern, doch dann hoben sie grüßend die Arme und winkten mir zu.

Erleichterung durchflutete mich, als ich sie erkannte. Dann winkte ich zurück. Da endlich fiel mir auch auf, wie nah die Auseinandersetzung an unserem Treffpunkt stattgefunden hatte. Ob der Maganer wohl zu unserem Treffen unterwegs gewesen war?

Manchmal stießen neue Gesichter zu unserer kleinen Gruppe hinzu, während alte Veteranen sich irgendwo niedergelassen hatten. Ich winkte erneut und verschwand an der Stelle im Wald, an der ich ihn vermutete. Die anderen würden sicher gleich hier auftauchen. So lange konnte ich schon mal mit der Suche beginnen.

Entschlossen, nicht noch weitere Kopfschmerzen zu erzeugen, indem ich mir den Kopf an einem tief hängenden Ast stieß, tastete ich mich vorsichtig voran.

Zuerst sah ich in dem trüben Dämmerlicht so gut wie gar nichts. Nach und nach konnte ich einige Umrisse erahnen. Bäume und dichtes Buschwerk, in dem unverkennbar eine Lücke klaffte. Vorsichtig schob ich mich hindurch und sah mich dabei sorgfältig um. Es wäre nicht das erste Mal, dass gleich beim Betreten des Waldes eine freundliche Baumspinne zum Essen einlud. Im Laufe der Jahre hatte ich schon einige Begegnungen der unfreundlicheren Art gehabt.

Doch dieses Mal war der Weg frei und keine versteckte Gefahr wartete auf mich – Was nicht hieß, dass keine da war.

Nach wenigen Schritten war es um mich vollends dunkel geworden und nur schemenhafte Umrisse blieben übrig. Möglichst leise bewegte ich mich vorwärts, immer darauf bedacht, den Schild nicht gegen einen Baum zu schlagen.

Zuerst konnte ich keine Spur finden, doch als ich eine weitere meiner geerbten Fähigkeiten herbei rief, glühten in meiner Umgebung die Lebensenergien aller Lebewesen in der Umgebung in bunten Farben auf. Je heller die Farben, je stärker die Lebenszeichen. So fiel mir etwa drei Mannslängen tiefer im Wald ein besonders heller Schatten auf, der an einem Baum lehnte.

Langsam näherte ich mich dem Punkt und schlug dabei einen leichten Bogen zur Seite. Je näher ich kam, desto deutlicher wurden die Umrisse. Es war der Maganer. Seine Haut war von einer dunkelroten Farbe wie alter schwerer Wein oder vor langer Zeit getrocknetem Blut. Seine Haare waren Feuerrot, beinahe Orange. Ob er noch lebte, konnte ich in dem Halbdunkel unmöglich erkennen, nur Dank der Dunkelsicht sah ich, dass seine Lebenskraft nicht weiter abnahm. Vorsichtig ging ich dichter an ihn heran. Als ich nur noch etwa eine Mannslänge entfernt war, hielt ich an und sprach leise mit ihm.

„Hallo? Nicht erschrecken. Lebst Du noch?“

Wirklich eine sprachliche Meisterleistung.

Keine Reaktion.

Ich wartete einen Augenblick und ging dann direkt zu ihm hinüber. Ich hielt meinen Schild zwischen uns und stieß ihn leicht mit dem Schwert an.

Seine Augen sprangen auf und er sah mich direkt an. Flammen leckten aus seinem Körper und der Baum, an dem er lehnte, ging in einer Stichflamme auf.

Ich stolperte rückwärts und landete schmerzhaft auf meinem Hintern. Großartig. Während ich mir den schmerzenden Hintern rieb, sah ich im Schein der Flammen etwas, dass mich stocken ließ. Denn die Person vor mir war gar kein Maganer, sondern eine Magana. Noch ziemlich jung dazu – und attraktiv. Ihr ruiniertes Gewand zeigte deutlich mehr von ihrem Körper, als es verdeckte.

„Hoah, Vorsicht Lady. Ich trage keine schwarze Rüstung und ich schieße auch nicht mit Bolzen auf Euch. Ich bin ein Freund.“ – naja, nicht direkt, aber immerhin wollte ich sie wirklich nicht töten, jedenfalls noch nicht.

„Das… werden wir… noch… sehen“, krächzte sie mit schwacher Stimme. Dann sackte sie zur Seite und blieb bewusstlos liegen.

Ich fluchte laut und lange und sah besorgt zu dem brennenden Baum hoch. Bitte nicht flehte ich in Gedanken und lauschte angestrengt auf weitere Geräusche aus den Tiefen des Waldes, während ich mich wieder aufrappelte.

Einen Augenblick war alles ruhig und nur das Knistern des Feuers war zu hören. - Leider auch zu riechen.

Die Blätter der Bäume um uns herum raschelten einmal leise.

„Oh verdammt!“, entfuhr es mir unwillkürlich.

Heute war wiedermal einer dieser Tage.

Ein kaum wahrnehmbares Zittern erfasste das Geäst.

Ich stürzte zu der ohnmächtigen Magana hinüber und zog sie von dem brennenden Baum weg. Sie stöhnte die ganze Zeit über dabei, denn ich war nicht besonders vorsichtig, während ich sie über den Waldboden schleifte. Warum auch, wir mussten hier weg. Ihre Haut fühlte sich seltsam kühl an, obwohl sie gerade noch Flammen erzeugt hatte.

Das Zittern griff auf den Boden über, und ließ die herabgefallenen Blätter und Nadeln tanzen.

Vom Waldrand erklangen leise Stimmen.

„Ich glaube hier ist er rein“, ertönte eine melodische, weibliche Stimme.

„Ja, denke ich auch“, antwortete eine tiefe männliche.

„Riecht ihr dass? Hier brennt etwas“, erklang eine Dritte, wieder weiblich.

„Oh verdammt. Drakk?“

Jetzt konnte ich aus der Tiefe des Waldes zum ersten Mal das leise Donnern von Schritten hören, die das Beben des Bodens begleiteten.

„Ja hier drin!“, rief ich zurück.

‚Und macht bitte schnell!’, flehte ich in Gedanken. Dabei fluchte ich, denn lautes Rufen brachte meinen Kopf wieder zum Klingeln.

Äste und Zweige knackten und das Donnern der Schritte kam schnell näher.

Doch aus der anderen Richtung tauchte als erstes Anaya auf. Ihre Schritte verursachten keinerlei Geräusche und irgendwie blieb sie auch nie mit ihrem Geweih an den niedrigen Ästen der Bäume hängen.

Wäre nicht der brennende Baum hinter mir, der die Szenerie in ungewohntes Licht tauchte, hätte man die grau-braun grünliche Haut und die Hufe von Anaya wohl übersehen. So aber hatte ich die Gelegenheit meine Gefährtin einen Augenblick lang zu mustern. Ihre Augen lagen tiefer als sonst in ihren Höhlen, und waren außerdem vergrößert.

Ihre schlanke Gestalt hatte an Muskeln zugelegt. Sie hielt zwei bösartig glänzende Knochenmesser in den Händen, die aus den Schulterblättern von Dahatschrecken gefertigt worden waren. Sie gehörte zum Volk der Alian, was „Waldbewohner“ in der alten Sprache bedeutete.

Gekleidet war sie wie üblich in ein Gewirr aus kunstvoll geflochtenen Bändern aus weichem Leder, das in den für sie üblichen Grün- und Brauntönen gefärbt war, die sich kaum von ihrem Hautton unterscheiden ließen. Diese einzigartige Kleidung wurde praktisch nur von den Alian getragen. Sie erlaubte es ihnen, sie schnell in der Größe zu verändern. Was auch notwendig war, denn sie waren Gestaltwandler.

Zwei Umhängetaschen, die sie gekreuzt über ihre Schultern trug, rundeten das Bild ab.

Einen Moment lang stellte sie sich in Pose und warf mir einen frechen Blick zu. Dann gab sie mir einen langen und intensiven Kuss, den ich ohne zu zögern erwiderte. Es tat gut, sie endlich wieder zu sehen. Für meinen Geschmack hatte es zu lange gedauert, seit wir uns getrennt hatten.

„Du schmeckst wie das Arschloch einer Kuh“, protestierte sie angewidert, als sie sich wieder aufrichtete.

Woher sie den Geschmack wohl kannte, fragte ich mich insgeheim.

Das Donnern wurde lauter. Irgendetwas riss Äste ab und knickte kleinere Bäume um.

Alarmiert sah sie mich und die bewusstlose Magana an.

„Ich weiß nicht, ob Dir das aufgefallen ist, aber der Baum hinter Dir brennt“, sagte sie zu mir, als sie ihre Messer verstaute und den anderen Arm der Magana ergriff.

Die donnernden Schritte ließen alle Bäume um uns herum beben, und wir hüpften bei jedem Schritt leicht mit.

„Tatsächlich? Ist mir gar nicht aufgefallen“, erwiderte ich säuerlich.

„Musst Du den Spaß immer alleine haben? Du teilst wohl nicht gerne?“, ertönte die vertraute Stimme von Droin direkt neben mir. – Er meinte die fast nackte Magana, deren Arm ich noch immer fest umklammert hatte.

Dabei hielt er sich an einem Stamm fest, weil er sonst von den Erschütterungen umgeworfen worden wäre.

Bäume barsten krachend und stürzten donnernd zu Boden.

Ohne auf eine Antwort zu warten, ergriff er die Beine der Bewusstlosen und half uns dabei, sie durch das Unterholz zu bugsieren. – Natürlich nicht ohne dabei ausgiebig ihre Kurven zu begutachten.

„Ich freue mich auch, Dich zu sehen, kleiner Mann.“

Droin war ein Naurim. Nur etwas über eineinhalb Schritt groß, war er gut einen Schritt breit und wog vermutlich genauso viel wie ich.

Er war im Gegensatz zu mir und Anaya vollständig in seine Rüstung gehüllt – Wie immer. Nur den Helm hatte er nicht aufgesetzt. Daher konnte ich einen Blick auf sein schwarzes Haar werfen, dass wirr in alle Richtungen abstand, während er seinen Bart ordentlich zu einer Gabel geflochten hatte. Sein ganzes Gesicht war mit blauen Runen tätowiert, die sich nur wenig von seiner grauen Haut abhoben. Wie ich sehen konnte waren wohl ein paar hinzugekommen.

Für eine genauere Betrachtung war das Licht zu schlecht. Außerdem konnte man nun bereits umstürzende Bäume sehen, weil sie eine Schneise hinterließen, die genau auf uns zeigte.

„Kmarr? Jiang?“, fragte ich die beiden, während wir fast den Waldrand erreicht hatten.

„Warten draußen mit den Mahren.“

Droin warf einen Blick über die Schulter als er antwortete.

„Los, weg hier!“, brüllte er mit einem ungewöhnlichen Anflug von Panik in der Stimme.

Ein Holzsplitter von der Größe meines Oberschenkels sauste an mir vorbei und bohrte sich in den Baum neben mir. Weitere Äste und Splitter regneten auf uns nieder. Dabei waren auch brennende Trümmer. Ein paar davon verfehlten uns nur knapp.

Wir stolperten aus dem Wald heraus und hinter uns erklang ein wütendes, heiseres Kreischen. Droin grunzte und stolperte einen Schritt, bevor er sich fing und die Magana und uns weiter aus dem Wald heraus schob.

Weitere Bäume krachten und splitterten, der Lärm war ohrenbetäubend. Aufgewühlte Erde und darin enthaltene Steinbrocken flogen in alle Richtungen aus dem Wald heraus und hinter uns her.

Zwei Bäume wurden von einer Urgewalt plötzlich zur Seite gerissen, und knickten wie dünne Ästchen um. Krachend schlugen ihre Kronen auf dem Boden auf.

Wir wollten weiter rennen, aber wie vom Donner gerührt, blieben wir stehen, als zwischen den Bäumen ein Wesen hervortrat, das ich so deutlich noch nie gesehen hatte. Der Baumschleicher war groß, viel größer als ich je in Berichten gehört hatte.

Die Gestalt entstammte auf jeden Fall einem Alptraum. Fast so hoch wie ein Baum, lange Arme und Beine, die jeweils in vierfingrigen Klauen endeten, die allesamt länger als mein Unterarm waren. Der Körper war dünn und kurz, der Hals wand sich wie eine Schlange und der Kopf, der darauf saß, hatte Ähnlichkeit mit dem eines Drachen, jedenfalls soweit ich das nach den Gemälden, die ich gesehen hatte, sagen konnte.

Es gab weder Ohren noch Hörner daran. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und waren riesig groß – und es waren vier. Um den Kopf auszubalancieren hatte der Baumschleicher einen langen muskulösen Schwanz, an dessen Ende eine scharfkantige Spitze von der Größe einer Schwertklinge saß. Wild peitschte er gerade hin und her als der Schleicher zwischen den Bäumen hervor trat. Wenn er dabei einen Baum traf, riss er wie die Axt eines Riesen ein Stück Holz aus dem Stamm. Jeder Holzfäller wäre neidisch darauf gewesen.

Der Kopf des Schleichers bewegte sich aufgeregt vor und zurück und dabei schossen seine zwei Zungen aus dem weit aufgerissenen Maul hervor und wanden sich suchend hin und her.

Die Mahre der Anderen waren sicherheitshalber eine Bogenschussweite entfernt stehen geblieben und beobachteten das Ungetüm misstrauisch.

Ein Nachtmahr war ein fleischfressendes Raubtier, das von weitem beinahe wie ein Pferd wirkte, außer dass es schneller, ausdauernder und schlechter gelaunt war. Es hatte ein gräuliches Fell, rasiermesserscharfe Zähne und dreizehige Klauen statt Hufe. Außerdem versorgten sie sich selbst, so dass man kein Futter für sie mitnehmen musste. Sie schreckten auch nicht davor zurück, ihre Reiter zu fressen, falls diese nicht aufpassten.

„Oh verdammt!“, brüllte Kmarr: „Runter!“

Sein Warnschrei riss mich unsanft aus meinen Überlegungen. Heute war ich einfach nicht bei der Sache.

Wir ließen uns alle auf den Boden fallen, wobei das Stöhnen der bewusstlosen Magana fast in dem fauchenden Zischen unterging, dass über uns hinweg brauste. Ein beißender, saurer Gestank wusch vorbei, der ein prickelndes Gefühl auf der Haut hinterließ. Ich roch Galle und fauliges Leder und musste an meine eigene Kotze denken.

„Weiter!“

Eine riesige Klauenhand packte mich und riss mich wieder auf die Füße.

Vor mir stand Kmarr, ein fast zwei Mannslängen großer Leonide, gekleidet in einen ledernen Rock, der mit Federn und Perlen bestickt war. In der anderen Pranke hielt er ein gewaltiges Schwert mit gezahnter, fast einen halben Fuß breiter Klinge, das um einiges größer war, als ich.

Ich packte die Magana und trug sie zusammen mit Droin und Anaya so schnell wir konnten weiter.

Die Erde unter uns bebte und ein weiterer heiserer Schrei ließ mir fast die Trommelfelle platzen. Beinahe hätte ich die Bewusstlose fallengelassen.

Der Baumschleicher war tatsächlich aus dem Schatten des Waldes hervorgekommen und blickte sich witternd um. Als sein Blick auf uns – oder vielmehr die Magana fiel, stieß er wieder diesen heiseren Schrei aus und sprang plötzlich in einem riesigen Satz auf uns zu.

Die Klauen, schnappten weit auf und der Schwanz bog sich wie bei einem Skorpion zurück. Ohne nachzudenken öffnete ich mich der Kraftquelle in meinem Inneren und ließ mich von der Energie durchströmen. Ich stellte mir den Ort, an dem ich Shadarr zurückgelassen hatte vor und mir eröffnete sich in Gedanken ein Tor dorthin. Ich zwang mich, den Schritt hindurch zu machen. Eisige Kälte, Orientierungslosigkeit und ein Gefühl zu ersticken hämmerten von allen Seiten auf mich ein, dann war es auch schon vorbei und ich fand mich mit der Magana zusammen zwischen dem halb gefressenen Pferd und dem Rest der toten Reiter wieder.

Der Baumschleicher landete krachend an der Stelle, an der ich einen Herzschlag zuvor noch gestanden hatte. Droin rannte vor, rollte sich unter dem Bauch und zwischen den Beinen hindurch ab und kam hinter dem Schleicher wieder auf die Füße.

Anaya war wie ein Hirsch mit ein paar schnellen Sprüngen zur Seite entkommen. Ihre Beine hatten eine beinahe groteske Länge angenommen, wodurch sie allerdings ungeheuer schnell geworden war. Sie hielt sogar bereits wieder ihre Knochenmesser in den Händen.

Ich bewunderte ihren Mut, aber hatte ernsthafte Zweifel ob diese durch die rindenähnliche Haut des Ungetüms dringen würden.

Kmarr rannte bereits dem Schleicher hinterher, als dieser noch die zehn Mannslängen durch die Luft gesegelt war.

Irgendwie hatte Droin seinen Helm aufgesetzt und hielt Schild und Kriegshacke in den Händen. Er duckte sich unter dem vorbeizischenden Schwanz hinweg und schlug auf das rechte Bein ein. Der Schlag klang wie der einer Axt auf Holz. Mit dem Treffer zog er die sofortige Aufmerksamkeit des Schleichers auf sich.

Dieser wirbelte blitzartig herum und der Kopf schoss vor. Im letzten Moment kauerte sich Droin hinter seinen Schild und der gewaltige Kiefer schnappte an der Stelle zu, an der sich einen Augenblick zuvor noch sein Kopf befunden hatte.

Ich bezweifelte ernsthaft, dass selbst ein so hervorragender Naurimhelm dieser Kraft standhalten würde.

Anaya bestrich etwas abseits ihre Klingen gerade mit einer sirupartigen Substanz aus einem kleinen Holztiegelchen, vermutlich Gift. Missbilligend runzelte ich die Stirn, aber ich wusste dass hier alle Hilfe nötig sein würde, die wir bekommen konnten.

Jetzt war auch Kmarr heran und schmetterte seinen Zweihänder gegen den Hals des Schleichers. Der Schlag zeigte ein wenig Wirkung, denn er drängte das Biest immerhin soweit zur Seite, dass es Droin gänzlich verfehlte. Dieser nutzte die Gelegenheit und sprang sofort unter dem Hals hindurch und drosch mit seiner Hacke erneut gegen das rechte Bein.

Der Schwanz des Ungeheuers schoss unter dessen Bauch hindurch und schlug mit voller Wucht in Droins Schild ein. Er durchschlug die Lagen aus Eisenholz, als wären sie aus Papier, blieb dann aber in der Lage Stahl darunter stecken.

Droin wog gut und gerne hundertfünfzig Steine, aber der Baumschleicher riss ihn mit einem Ruck von den Beinen und schleuderte ihn hin und her.

Jeder Schwanzschlag hämmerte den Naurim in den weichen Hügelboden. Ob er noch lebte, konnte ich nicht erkennen, als er schließlich zu Boden fiel.

Es hätte mich aber überrascht, wenn der zähe Bursche so schnell bezwungen worden wäre. Schläge, die einem normalen Menschen alle Knochen brachen, riefen bei einem Naurim nicht mehr als ein paar Beulen und blaue Flecken hervor. Daher ging ich fest davon aus, dass Droin nur bewusstlos war.

Der Schild hing noch zwei Schläge lang am Schwanz fest, dann flog er in hohem Bogen davon.

Die beiden Klauen des Schleichers schossen während dessen unablässig vor wie die Scheren einer Sandkrabbe. Abwechselnd zuckten sie nach Kmarr, der nicht mehr tun konnte, als sein Schwert festzuhalten und zurückzuweichen. Obwohl ich wusste, dass ihm sein Instinkt sagte, anzugreifen. Leoniden waren alle aggressiv und brutal im Kampf. Sie zeigten keine Zurückhaltung und kannten keine Vorsicht.

Hier hätte dieses Verhalten allerdings nur den Tod gebracht. Zum Glück hatte Kmarr dazugelernt. Er brüllte und knurrte, hielt sich aber zurück.

Den Kampf würden wir so nicht gewinnen.

Trotz meiner weichen Knie musste ich etwas tun.

Shadarr!’

Hinter Baumstinker.’

Tatsächlich, mein Kargat war im Begriff dem Baumschleicher auf den Rücken zu springen.

Nun gut, dann eben mit Gewalt.

Ich zog meine mentale Verbindung zurück und öffnete mich wiederum der Kraftquelle in meinem Inneren. Wieder zwang ich die Kraft in meinen Linken Arm und ein Blitz schoss aus der Handfläche hervor. Er traf den Baumschleicher hinter dem rechten Schultergelenk in den Rücken. Kreischend fuhr der Kopf zu mir herum und der Schleicher stieß einen unglaublich lauten Schrei aus, der mich mit der Gewalt eines Hammers traf und rückwärts zu Boden warf.

Ich wälzte mich mühsam wieder zurück auf die Knie und konnte gerade noch sehen, wie Jiang neben Kmarr aus dem Gras aufstand. Ich hatte sie bisher völlig übersehen. In der Hand hielt sie senkrecht einen hellgrünen, fast weiß leuchtenden Pinsel, kaum länger als eine Handspanne. Aus dem Ende zuckten zwei grünrote Flammen und bohrten sich tief in die Brust des Baumschleichers wo sie in alle Richtungen auseinander spritzen, bevor sie an seinem Körper entlang bis zu seiner Schwanzspitze liefen.

Der Schleicher heulte dieses Mal vor Schmerz auf. Aber er war noch lange nicht besiegt.

Anaya rannte unter dessen wie ein Blitz hinter dem Ungetüm vorbei und schlug mit beiden Dolchen auf die Beine ein. Um besser an sie heranzukommen, hatte sie ihre Arme verlängert, bis sie ihr fast bis zu den Knöcheln reichten. Ohne auf eine Reaktion des Schleichers zu warten, lief sie auf der anderen Seite außer Reichweite von Schwanz und Hals. Ich bewunderte sie für ihre Schnelligkeit, mit der sie schon häufiger Hirsche im Wettrennen besiegt hatte.

Der schlangenförmige Hals des Untiers bog sich wie ein Schwanenhals in einer S-Kurve zurück. Die flachen Nüstern blähten sich gewaltig auf.

Kmarr brüllte eine Warnung und warf sich rückwärts, so dass er hinter Jiang landete.

Diese dreht den Pinsel in ihrer Hand nur minimal bis zu einer horizontalen Position, dann spie der Schleicher auch schon eine faulige, stinkende Wolke von Flüssigkeit aus. Sie hüllte Jiang und Kmarr völlig ein und wusch über sie hinweg. Überall wo sie darauf traf, verdorrte das Gras und selbst der Boden darunter wurde braun und staubig, und bildete Trockenrisse, als wenn es dort schon Monate nicht mehr geregnet hätte.

Der Strom an Flüssigkeit war schier endlos und ich konnte nur hilflos mit ansehen, wie Jiang und Kmarr darin verschwanden.

Anaya hatte die Zeit genutzt, eine kleine Dose aus einer ihrer Taschen zu nehmen, die sie vorsichtig auf den Boden stellte und dann rasch ein paar Schritte zurück trat. Etwas kleines Weißliches kam daraus hervor und verschwand beinahe sofort im Gras.

Erneut ließ ich die Magie durch meinen Körper strömen und ein Blitz raste aus meiner Hand und traf das rechte Bein des Ungetüms. Dieses Mal zeigt er Wirkung. Der Schleicher klappte sein Maul zu und der faulige Atem versiegte. Außerdem knickte sein Bein leicht ein und der Schleicher hüpfte wenig elegant auf dem Anderen herum.

Jiang und Kmarr lagen – scheinbar unverletzt – ein paar Mannslängen von der Stelle entfernt, an der ich sie zuletzt gesehen hatte.

Jetzt!’

Vernahm ich Shadarrs telepathische Stimme und schon schoss er durch die Luft und landete auf dem Rücken des Schleichers. Zuvor schon aus dem Gleichgewicht geraten, und von einem über tausend Steine schweren Kargat getroffen, brach das Monstrum in die Knie. Es fing sich mit den vorderen Klauen jedoch geschickt ab, wobei die Spitze des Schwanzes hoch peitschte und versuchte, Shadarr zu treffen. Dessen Krallen gruben sich unterdes tief in den Rücken des Schleichers.

Dort war anscheinend eine besonders empfindliche Stelle, denn der Baumschleicher heulte vor Schmerzen auf und versuchte Shadarr von seinem Rücken zu vertreiben. Er warf sich hin und her, sein Schwanz zuckte wie der eines Skorpions blitzschnell vor aber Shadarr blieb nicht untätig und schlug seine vorderen Krallen fest in den Körper und lies zu, dass er hin und her geschleudert wurde, um dem Schwanz zu entgehen.

Kmarr nutzte die Ablenkung durch Shadarr und sprang vor um seinen Zweihänder gegen den Hals des Schleichers zu schmettern. Der Knall war so gewaltig, dass ich beinahe erwartete, den Kopf abgetrennt davon fliegen zu sehen. Doch der Treffer riss ihn nur ein wenig zur Seite.

Plötzlich tauchte auch Droin wieder aus einer Senke auf, die verdächtig seiner Körperform entsprach. Er hieb mit einem beidhändig geführten Schlag erneut nach dem rechten Bein.

Ich wartete nicht weiter ab, sondern zielte mit dem nächsten Blitz auf den Kopf des Ungetüms, doch im letzten Moment zuckte er herum und ich verfehlte mein Ziel.

Anaya war unterdessen in weitem Bogen zu den Mahren gelaufen, die noch immer aus sicherer Distanz den Kampf beobachteten. Ab und zu erhaschte ich einen Blick zwischen den Beinen des Schleichers hindurch auf sie. Vermutlich war sie dabei ihren großen Knochenbogen zu spannen, der hier mehr Erfolg versprach, als die Messer.

In diesem Augenblick tauchte eine kleine weiße Masse aus dem Gras auf, die sich am Körper des Schleichers empor wand.

Rasend hüpfte er auf einem Bein hin und her, während er versuchte, mit seinen Klauen die Masse zu entfernen.

Der Baumschleicher erzitterte unter den zahlreichen Attacken während er versuchte vor allem Shadarr loszuwerden. Er warf sein ganzes Gewicht erst nach rechts, und ich konnte sehen was kommen würde.

Runter!’, befahl ich Shadarr: ‚Er macht eine Rolle.’

Noch bevor ich den Satz zu Ende hatte, lies sich der Schleicher auf seine linke Seite fallen und rollte wie ein Pferd – alle Viere von sich gestreckt – über den Rücken ab.

Kurz bevor es zu spät war, konnte mein Gefährte sich abstoßen und außer Reichweite katapultieren – Jedenfalls fasst. Ein blitzschneller Stoß des Schwanzes streifte seine Flanke und lies Shadarr aufheulen.

Droin hatte weniger Glück, er stand genau im Weg der Rolle und wurde unter dem Schleicher begraben.

Für mich sah das gar nicht gut aus, inständig hoffte ich, dass er das überleben würde.

Das zähe Vieh wollte einfach nicht aufgeben. Heulend wälzte es sich über den Boden. Klauen und Schwanz zuckten dabei ungezielt in alle Richtungen.

Die weiße Masse hatte sich davon unbeeindruckt von den Beinen inzwischen bis zur Brust ausgebreitet.

Ich bereitete einen neuen Blitz vor und wollte diesen gerade abfeuern, als der Baumschleicher wieder aufsprang und einige Schritte auf den Waldrand zu machte, um dann mit einem einzigen, riesigen Satz darin zu verschwinden.

Ein paar splitternde Geräusche drangen noch zu uns heraus, dann war der unwirkliche Spuk vorbei.

Erschöpft lies ich mich ins Gras sinken.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 1 - Flucht

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