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VORWORT

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Der vorliegende Text zum Thema ‚Regietheater‘ in der Oper ist weder eine musik- oder theaterwissenschaftliche Untersuchung noch eine musiksoziologische Betrachtung. Es handelt sich vielmehr um die einschlägigen Beobachtungen und Gedanken von jemandem, der seit den 1950er Jahren Opernvorstellungen besucht und seit 1981 in musikhistorischen Publikationen versucht, Details über die Arbeit von Librettisten, Komponisten und ihren Interpreten – vorwiegend Sängern und Dirigenten[1] – des 19. Jahrhunderts darzustellen und zu vermitteln. Das Thema „Regie“ kam dabei bis dato nicht zur Sprache, aus einem einfachen Grund: Es rückte erst im 20. Jahrhundert in das Blickfeld des Publikums. Zuvor war Regie nichts anderes als die handwerkliche Umsetzung der Vorgaben der Librettisten und Komponisten der aufgeführten Werke, die im Einklang und in Zusammenarbeit mit diesen erfolgte. Für die Beobachtungen des Autors war dabei wesentlich, dass er im Laufe seiner Karriere als Opernbesucher viele Werke szenisch noch so aufgeführt erlebte, wie es dem dokumentierten Willen ihrer jeweiligen Schöpfer entsprach.

Es stimmt zufrieden, dass man beispielsweise 2016 an der Wiener Staatsoper seit 1964 eine den Wünschen ihrer Autoren entsprechende Produktion von Puccinis La bohème und seit 1958 eine Inszenierung von Puccinis Tosca sehen kann, die weder die Interpretationswillkür noch die „Einfälle“ und Fehler unqualifizierter, inkompetenter oder wichtigtuerischer Regisseure (worauf diese – auf den ersten Blick möglicherweise rüde wirkenden – Epitheta basieren, wird im Text ersichtlich) aufweist, noch das Werk aktualisiert, dekonstruiert, zertrümmert, ironisiert oder verfremdet, sondern bei der Realisierung der Bühnenbilder, Dekorationen, Einrichtungen, Versatzstücke, Requisiten und Kostüme ebenso wie bei der Personenregie all das berücksichtigt, was von den Autoren vorgegeben und für das Verständnis des mit einem historischen Ereignis untrennbar verknüpften Stücks erforderlich ist.

Tosca ist nur ein Beispiel für zahllose andere bedeutende Werke der Opernliteratur aller Epochen, die keiner ideologisch motivierten Intellektualisierung oder hintergründigen soziologischen Neudeutung bedürfen, um verstanden zu werden, und die auch nicht ohne Substanzverlust in die Gegenwart transferiert werden können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass nicht alles, was ‚Regietheater‘-Regisseure nicht verstehen, auch vom Publikum nicht verstanden wird. Das Gegenteil ist der Fall.

Wie beim Regieführen heute vielfach vorgegangen wird, zeigen zahlreiche Beispiele aus der Opernpraxis seit Aufkommen des ‚Regietheaters‘, die für ein intelligentes und gebildetes Publikum weder verständlich noch begründbar sind. Die Banalität der behaupteten Gründe für das Zustandekommen solcher Inszenierungen und das Fehlen eines echten Anspruchs solcher zwar kurzlebiger, jedoch trotzdem ärgerlicher Interpretationen wird nur allzu rasch evident, auch wenn das Feuilleton eilfertig vermeintlichen Tiefsinn dahinter ortet. Dass keineswegs alles ‚verstaubt‘, ‚überholt‘ oder ‚reaktionär‘ ist, was sinnvoll und gut ist, beweisen unzählige gegen das Regietheaterunwesen gerichtete Stellungnahmen von Könnern unter Regisseuren (Jonathan Miller, Peter Stein, Franco Zeffirelli), Interpreten (Piotr Beczala, Dietrich Fischer-Dieskau, Riccardo Muti) und Autoren (Daniel Kehlmann, Ephraim Kishon, Georg Kreisler, Botho Strauß,), die sich aus Gründen der beruflichen Kompetenz, der Bildung und nicht zuletzt des gesunden Menschenverstandes von der Regietheatermode weder täuschen noch infizieren lassen. Sie alle kommen hier zu Wort.

Bevor dies geschieht, empfiehlt sich ein Exkurs zum Wesen der italienischen Oper und zu ihrer Rezeption innerhalb und außerhalb des deutschen Sprachraums. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein meinungsbildender Kritiker des 19. Jahrhunderts wie Eduard Hanslick am Entstehen des Phänomens des deutschen ‚Regietheaters‘ und seiner Methoden entscheidend beteiligt war.

Die pauschale Verachtung, die Hanslick auf dem Gebiet der Musik ganzen Nationen („Das französische Volk besitzt von Haus aus wenig musikalische Anlage, es hat ein schlechtes Gehör und wenig Empfänglichkeit für sinnliche Schönheit des Tones.“[2] oder: „Die singende Alleinherrschaft der Oberstimme bei den Italienern hat einen Hauptgrund in der geistigen Bequemlichkeit dieses Volkes.“[3]) oder gleich der halben Menschheit in Person der Frauen („[...] warum die Frauen, welche doch von Natur vorzugsweise auf das Gefühl angewiesen sind, in der Komposition nichts leisten? Der Grund liegt – außer den allgemeinen Bedingungen, welche Frauen von geistigen Hervorbringungen ferner halten – eben in dem plastischen Moment des Komponierens [...]“[4]) entgegenbrachte, ähnelt fatal dem selbstherrlichen, respektlosen Umgang der ‚Regietheater‘-Regisseure mit den von ihnen inszenierten Werken.

Dass Hanslick mit Äusserungen wie diesen und mit seinen berüchtigten Kritikexzessen die historische Basis für die mit der üblichen Verzögerung aufgetretenen Regieexzesse der letzten Jahrzehnte geschaffen hat, ist zu naheliegend, um nur eine These zu sein. Er war der erste, der die Leserschaft im deutschen Sprachraum lehrte, dass man mit musikalischen Meisterwerken nach Belieben verfahren kann: Man darf sie und ihre Schöpfer verhöhnen, beschimpfen und in den Schmutz zerren. Er war auch der Meinung, es gäbe „Musikstücke, die man stinken hört“. Wir haben heute die betrübliche Gewissheit, dass es Inszenierungen gibt, die man stinken sieht.

Humbug & Mumpitz – 'Regietheater' in der Oper

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