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Ein Raum zwischen Damals und Heute

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Wer Schloss Artstetten zum ersten Mal besucht, kann sich dem Zauber der harmonisch angeordneten Räume und der Romantik des Landschaftsparks kaum entziehen. Spätestens aber nach dem Verweilen im Innenhof und dem bewussten Nachempfinden der dramatischen Ereignisse jenes 28. Juni 1914 drängt sich die Frage auf: Wo ist der Anfang jener Spirale, die sich im Leben meiner Urgroßeltern plötzlich immer schneller drehte, ohne dass es diejenigen, die davon betroffen waren, bemerken konnten? Wo und wie hat das Leben jenes Mannes begonnen, dessen Name so untrennbar mit dem Attentat von Sarajevo und in letzter Konsequenz mit der Neuordnung Europas verbunden ist?

Der gedankliche Übergang vom gemeinsamen Sterben des Thronfolgers und der Herzogin von Hohenberg – zurück zur glücklichen Kindheit, hinein in die große Familie und Verwandtschaft – gelingt am besten mit einem kurzen Innehalten. Aus diesem Grund haben wir im Schloss den »schwarzen Raum« geschaffen. Bevor man einer Fülle von Exponaten, Bildern, Fotos und Einrichtungsgegenständen aus der damaligen Zeit gegenübersteht, erblickt man in dieser »Zeitschleuse« nur das weiße Gipsrelief des Paares. Hier wird noch einmal deutlich, dass zwei einander von Herzen zugetane Menschen plötzlich sterben mussten. Ohne die Gnade eines gemeinsamen, besinnlichen Alterns; ohne die Freude, die drei geliebten Kinder heranwachsen sehen zu dürfen; ohne das Vergnügen, Enkelkinder haben zu können.

Das Tröstliche ist, dass wenigstens der gemeinsame Todeszeitpunkt, wenn auch viel zu früh, den jeweils anderen nicht hat leiden lassen. Der Erzherzog, mein Urgroßvater, wusste, dass eine der Folgen seiner Hochzeit mit einer nicht ganz »Ebenbürtigen« auch sein würde, dass sie nicht gemeinsam an der für Mitglieder des Erzhauses vorgesehenen Stelle bestattet werden könnten: in der Kapuzinergruft. Da waren die Hausgesetze der Habsburger kompromisslos.

Also sorgte Franz Ferdinand bereits zu Lebzeiten rechtzeitig vor und ließ für sich und seine Familie eine eigene Gruft in Schloss Artstetten errichten. Den Schlüssel zu ihr kann man an der Kasse unseres Museums-Shops ausleihen. Ein paar Schritte um das Haus, und man kann in ruhiger Betrachtung die beiden schlichten hellen Sarkophage auf sich wirken lassen. Die Zeichen für Alpha und Omega, Anfang und Ende, sind jeweils am Fußende der Marmorsärge eingraviert. Mit wenigen Worten wird auf dem gemeinsamen Sockel das Wichtigste gesagt: IVNCTI CONIVGIO FATIS IVNGVNTUR EISDEM –»Verbunden durch das Band der Ehe, vereint durch das gleiche Schicksal«.

So wie ich meinen Urgroßvater einschätze, war es für ihn unerheblich, ob er in Wien oder Artstetten zur letzten Ruhe gebettet würde. Er war überzeugter Katholik. Wichtig war ihm vor allem, dass er jederzeit auf seinen Tod vorbereitet war. Interessant dazu ein Brief seines Beichtvaters, Pater Edmund Fischer. In diesem Schreiben vom 16. Jänner 1909 bezieht sich der Geistliche auf ein zuvor in Konopischt geführtes Gespräch:

»Gewöhnen Euer Kaiserliche Hoheit sich an, vor jeder Reise, an jedem Abend recht innig Reue über alle Armseligkeiten des Tages und des ganzen Lebens zu erwecken, damit einen jeden Augenblick wir vor Gott hintreten können, auch wenn der Priester nicht an unserer Seite wäre. Das ist ein großer Trost und gibt uns Muth.«

Ein guter Rat, der auch heute noch seine Gültigkeit hat, nicht nur für den strenggläubigen Katholiken.

Er war mein Urgroßvater

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