Читать книгу Paganini - Der Teufelsgeiger - Christina Geiselhart - Страница 20

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„Mehrere Jahrhunderte vor Christus entstand am Fuß der Apenninen in den tiefen Tälern Liguriens meine Heimatstadt Genua. Und es hieß, Janus, der Römergott mit den zwei Gesichtern, habe sie gegründet. Von ihm stamme ihr Name Ianua, die Pforte zwischen Meer und Bergen.“ An allen Abenden, die Giorgio zu Hause verbrachte erzählte er den Kindern etwas über Italien. Sie sollten seine Geschichte kennen und in Liebe zu ihrem Land aufwachsen. Still wie Mäuschen lauschten Carlotta und Andrea. Aufmerksam hingen sie an seinen Lippen. Hin und wieder machte Giorgio eine Pause und schloss die Augen. Er war zwar noch keine vierzig Jahre alt, aber fühlte sich erschöpft wie ein Sechzigjähriger nach einem arbeitsreichen Leben. Nur schwer verkraftete er den Tod seines Sohnes Umberto. Als er ihn beim ausgelassenen Spiel in die Luft geworfen hatte und wieder auffangen wollte, war er ihm entglitten und mit der Schläfe gegen die Tischkante geschlagen. Seine Frau Giuliana hatte ihm sein Ungeschick noch nicht verziehen. Daran änderte auch Andrea nichts, der nach der erneuten Verhaftung seines Vaters und dem Tod seiner Mutter die Familie Servetto bereicherte. In der Zwischenzeit war Buonarotti freigekommen und agierte im Untergrund radikaler als zuvor. Während Giorgio gemeinsam mit Di Negro ein verzweigtes Netz der Carbonari unter gebildeten und adligen Anhängern webte, flüchtete Buonarotti in die Schweiz, von wo aus er sein radikales Programm leitete. Er blieb mit Giorgio in Kontakt und erwartete von ihm, den Sohn Andrea in seinem Sinne zu erziehen.

„Wann ist die nächste Zusammenkunft bei Di Negro?“ Andrea war mittlerweile zwölf und hungrig nach Bildung, deswegen konnte er sich nicht satt hören an Giorgios verbalen Ausflügen in die Geschichte Genuas. Aber es drängte ihn auch, andere interessante Menschen kennenzulernen. Bei Di Negro verkehrte der um vier Jahre ältere Silvio Pellico Silvio, Dichter und leidenschaftlicher Verfechter eines geeinten Italiens. Er hatte das Gesicht eines Vogels, tiefliegende Augen, einen verwachsenen Körper, doch seine schäumenden Reden imponierten Andrea. Bei Di Negro traf er auch Margherita, siebenjährig und schön wie ein Traum. Oft verspürte Andrea das Verlangen, in ihre venezianischen Locken zu greifen.

„Die nächste Zusammenkunft ist nicht heute und auch nicht morgen, Andrea! Di Negro ist augenblicklich sehr mit der Förderung eines vielversprechenden jungen Violinisten beschäftigt. Ich kenne ihn sogar sehr gut. Als er vier Jahre alt war, hielt man ihn für tot. Heute spielt er wie der Teufel.“

„Der Marchese vergisst dabei auch nicht unsere gute Sache?“

„Niemals, Andrea! Aber beeile dich mit dem Erwachsenwerden. Wir brauchen junge Menschen wie dich. Die Carbonari sind noch nicht auf dem Höhepunkt ihrer Macht.“ Giorgio bat die Kinder, etwas Holz nachzulegen und dann hinauszugehen. Er sagte, er müsse ein wenig arbeiten. Dichter am Kaminfeuer sitzend, dachte er darüber nach, wie öde das Leben doch wäre, gäbe es nicht den Kampf um Italiens Einheit. Seine Frau behandelte ihn kühl, seine Freunde am Hafen begegneten ihm skeptisch, Antonio sah er kaum noch und die Arbeit als Schiffspacker füllte ihn nicht aus. Gerne ginge er als Befreier Italiens in die Geschichte ein. Berühmt werden wie Andrea Doria oder Columbus. Gleichzeitig spürte er, dass er dafür weder das Profil noch die Courage hatte. Er musste sich mit der Rolle des Mannes im Schatten begnügen. Als derjenige, der den Weg für jene vorbereitete, die noch nicht geboren waren.

Paganini - Der Teufelsgeiger

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