Читать книгу Das grüne Symbol - Christina Marie Huhn - Страница 13

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Nächtliche Fahrt

Ein Rumpeln weckte mich. Verwirrt blinzelnd erkannte ich den Mann von vorhin, der die Tür geöffnet hatte und einen Krug aus glänzendem Ton in der Hand trug. Ihm folgte eine sehr alte, gebeugte Frau, mit dunkelbrauner, runzliger Haut, die eine Art Teller aus dicht geflochtenem Material balancierte, auf welchem Speisen lagen. Die beiden blieben in der Nähe der Tür und stellten Krug und Teller auf den Boden. Es roch nach gebratenem Fisch und Kräutern. Ich merkte, wie hungrig ich war.

Um ihnen zu zeigen, dass ich keine Gefahr darstellte, setzte ich mich zwar auf, blieb aber auf dem Bett und versuchte eine dankbare Geste und ein Lächeln. Die alte Frau lächelte zurück. Wider Erwarten waren die Zähne, die sie dabei entblößte, lückenlos und weiß, auch wenn ihr Haar grau und dünn aussah und ihr Gesicht voller tiefer Falten war, die eher nach Lach- als nach Sorgenfalten aussahen. Ihre Augen waren dunkel und wirkten gütig.

“Ich danke Ihnen”, sagte ich, versuchend, alle Herzlichkeit, die ich empfand, in meine Stimme zu geben.

Kaum hatte ich gesprochen, begann die Frau plötzlich ganz aufgeregt auf den Mann einzureden. Der Mann sah erst sie an, legte Daumen und Zeigefinger unter sein Kinn, dann sah er mich an. Er murmelte nachdenklich einen kurzen Satz, halb an sich selbst, halb an sein Gegenüber gerichtet.

Die Zwei gestikulierten in Richtung der Nahrung und zogen sich zurück. Es rumpelte an der Außenseite der Tür. Offensichtlich zogen sie es vor, mich weiterhin einzuschließen. Die Schritte entfernten sich, und eine weitere Tür ging.

Ich widmete mich dem Essen, das neben Seefisch mit Kräutern einige Knollen und andere Gemüsearten enthielt und mir vorzüglich mundete. Im Krug befand sich Wasser, das klar und frisch schmeckte.

Nach dem Mahl hätte ich mir gern die Hände gewaschen und spürte den Wunsch, mich auch ansonsten etwas zu erfrischen. Ich klopfte an die Tür, aber es blieb still. Vielleicht waren die beiden gegangen?

Da ich ohnehin nichts Anderes zu tun hatte, unterzog ich mein Quartier einer eingehenden Prüfung. Auch hier hingen Kräuter von der Decke, welche aus hellen groben Holzbalken bestand, herab. Die Wände waren stabil. Ich trat ans Fenster und beäugte das durchsichtige Material genauer. Es war keine straff gespannte Tierhaut und kein dünnes Papier. Es schien am ehesten wie Glas, doch viel feiner und etwas silbrig, und es war sehr hart. Erwartungsgemäß konnte ich das Fenster nicht öffnen. Zudem erschien mir der Gedanke an eine Flucht momentan gar nicht sinnvoll. Wohin hätte ich denn fliehen sollen? Das Wohlwollen dieser anscheinend freundlichen Leute war logisch betrachtet meine beste Option.

Im hinteren Bereich des Raumes fand ich eine in den Boden eingelassene Klappe. Da es in dieser Ecke recht dunkel war, hatte ich sie vorher nicht bemerkt, zumal ich völlig erschöpft und verwirrt gewesen war. Nun begab ich mich dorthin. An einer Seite war eine Schlaufe aus grobem, zugleich biegsamem Material befestigt. Ich zog halbherzig daran. Groß war mein Erstaunen, als die Klappe ganz einfach aufging.

Eine Holzstiege führte etwa zwei Meter hinab. Ich hörte das Fließen von Wasser. Dies weckte meine Neugier, und ich kletterte die Stiege hinunter. Unter “meinem” Zimmer gab es ein weiteres Gelass, in das ein wenig Tageslicht durch zwei an der Stirnseite gelegene Lichtschächte herein fiel. In einem Graben floss ein Bächlein mitten hindurch. Über dem Bächlein war an der Seite, zu der das Wasser abfloss, ein niedriges Gestell angebracht. Daneben stand ein eimerartiges Holzgefäß. Fast musste ich lachen, denn das stellte ganz offensichtlich einen Abort dar. Auf der anderen Seite, an der sich der Zufluss befand, stand ein weiteres Gefäß, das flacher, aber breiter als der Eimer war. Vermutlich handelte es sich um eine Waschschüssel. Kein Wunder, dass man mich allein gelassen hatte. Die Leute hatten wohl gedacht, ihr Sanitärsystem wäre mir vertraut.

Eine Weile später fühlte ich mich frisch und fast wie neu geboren.

Was ein bisschen Wasser doch ausmacht, dachte ich.

Ich hatte versucht, meine Kleidung etwas bequemer anzulegen, indem ich das Mieder lockerer gebunden hatte, da man hier sowieso einen anderen Kleidungsstil pflegte. Inzwischen war ich wieder emporgestiegen. Schuhe und Strümpfe hatte ich ordentlich in einer Ecke des Raumes abgelegt. Daneben hatte ich die restlichen Apfelsinen aufgereiht.

Nun hieß es wieder warten. Ich schaute aus dem Fenster. Draußen sah ich auf eine Wand aus Stein, die zum Nachbarhaus gehörte. Dazwischen befanden sich ein Beet mit Kräutern sowie Sträucher mit gelben rundlichen Früchten, vielleicht eine Art Tomaten. Hinter dem Haus, in dem ich mich befand, begann der Wald.

Dschungel trifft es eher, korrigierte ich mich.

Da keine Zäune oder Mauern um das Dorf errichtet waren, ging ich davon aus, dass man hier recht friedlich lebte und weder vor menschlichen noch vor tierischen Angreifern ein Bollwerk benötigte.

Allmählich brach die Dämmerung herein. Wenig später hörte ich im Haus eine Tür gehen und vernahm den Klang von Schritten. Kurz danach öffnete der hochgewachsene, würdevoll wirkende Mann meine Tür. Er war dieses Mal allein.

Das Szenario aus Schuhen und Apfelsinen mit scharfem Blick erfassend, erhellte der Hauch eines Schmunzelns sein ernstes Gesicht. Der Augenblick ging schnell vorüber. Der Mann gestikulierte zu den Schuhen. Ich sollte sie wohl anlegen, was ich tat. Danach winkte er mich aus dem Zimmer und wies mich durch den anderen Raum hinaus ins Freie.

Draußen stand ein Fahrzeug aus leicht scheinendem, natürlichem Material und vier hölzernen Rädern, vor das zwei große Tiere mit hellem, cremefarbenem Fell, welche Ochsen ähnelten, gespannt waren. Ein gutes Dutzend Menschen, Männer, Frauen und Kinder, hatten sich daneben versammelt. Die jüngeren Leute waren von stolzer Haltung, und sämtliche Männer waren bartlos. Man murmelte untereinander. Neugierde lag in der Luft. Anscheinend war ich zum Dorfgespräch aufgestiegen. Ich war erleichtert, da niemand feindselig wirkte.

Etwas im Hintergrund stehend erkannte ich das kleine Mädchen und dessen Mutter. Die Kleine sah traurig aus und hatte die Ärmchen um die Hüften der Mutter geschmiegt.

Mein Begleiter gestikulierte: Ich sollte auf das Gefährt aufsteigen. Eine kleine Strickleiter mit drei Sprossen führte empor auf eine Bank, die mir wie eine Hängematte vorkam, denn sie schwang lose zwischen zwei Ankerpunkten.

Er folgte mir, setzte sich neben mich und gab ein aufmunterndes Geräusch von sich. Die ochsenartigen Tiere spannten die Muskeln an, und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Ich saß zwar schwankend, aber sehr komfortabel. Anscheinend traute man mir nichts Böses zu, denn niemand sonst hatte das Gefährt erklommen, um mich zu bewachen. Ich fühlte mich dankbar, dass ich ebenso freundlich auf diese fremden Menschen hier wirkte, wie sie selbst auf mich.

Es ging überraschend schnell voran. Schon bald lag das Dorf hinter uns.

Obgleich es dunkelte, war es nicht finster. Mond und Sterne erhellten die Umgebung. Zudem hatte der Mann wohl sehr scharfe Augen. Zügel führte er keine. Er dirigierte das Gespann mit mannigfaltigen Lauten seines Mundes zielstrebig durch die Nacht.

Ab und an raschelte es im Gebüsch, doch ich fühlte mich sonderbar sicher. Das Geschehen wirkte auf mich fast unwirklich, einem Traum gleich. Der Urwald duftete nach Früchten, Holz und feuchten Blättern, unterlegt mit einem erdigen Hauch.

Ich konnte nicht einstufen, ob nur eine oder sogar mehrere Stunden verstrichen waren, als sich der Wegesrand langsam zu verändern begann. Die Bäume lichteten sich und machten Ackerland Platz. Haine mit Apfelsinenbäumen wechselten mit von Bewässerungsgräben durchsetzten Feldern, auf denen fremdländische Halme mit feinen Ähren wuchsen. All dies war im silbrigen Licht des fast vollen Mondes gebadet.

Das Hufgeräusch veränderte sich von dumpf zu hell. Der Belag des Weges war jetzt fest, was ich auch am Fahrverhalten und -geräusch des Wagens merkte.

Es schwankte weniger und surrte mehr. Fast schien das Gefährt zu gleiten.

Am Horizont wurde es heller. Es lag meiner Meinung nach mindestens eine größere Siedlung vor uns. Nachdem wir um zwei Hügel geglitten waren, lag sie vor uns.

Siedlung? Das ist eine ganze Stadt!, dachte ich.

Zunächst standen die einfachen Häuser aus Stein, wie ich sie bereits kennengelernt hatte, noch vereinzelt. Doch mit fortschreitender Wegstrecke fanden sie sich dicht und immer dichter, bis sie deutlich mehr Raum einnahmen als das umgebende Land und sich nur noch wenig Platz zwischen ihnen fand.

Die Architektur wurde eleganter. Die Häuser hörten auf, lediglich zweckmäßig zu sein, und sie trugen teilweise aufwändiges Zierwerk. Ich sah jetzt auch immer mehr Säulen, die prächtige Eingangsportale säumten. An höheren Holzpfosten waren fast durchsichtige Kugeln als Straßenbeleuchtung aufgehängt, die sanft glommen, ohne dass Kerzen oder Ähnliches darin zu sehen waren. Ich machte Vorrichtungen vor vielen Häusern aus, in denen tagsüber vielleicht Waren feilgeboten wurden. Jetzt waren diese Regale leer.

Niemand war unterwegs. Ich wunderte mich nicht darüber, denn schließlich hatte die Nacht bereits begonnen. Aus manchen Häusern drang durch Ritzen in den Fensterläden weiches Licht, andere wiederum lagen völlig dunkel.

Nach einer kleinen Weile des Zickzackfahrens kamen die Zugtiere durch einen gurrenden Laut des Kutschers zum Stehen. Vor uns erhob sich ein wahrhaft imposantes Anwesen mit einer schweren, hohen Holztür unter einem mächtigen, von Säulen getragenen Portal, welches fein mit Intarsien versehen war. Über der Tür glomm eine weitere der Leuchtkugeln.

Mein Begleiter sprang behände vom Sitz und gestikulierte mir zu, es ihm gleich zu tun. Ich hangelte mich an der Strickleiter herunter, mir meines Mangels an Eleganz deutlichst bewusst. Er begab sich zur Tür und hob eine Hand. Etwa auf Schulterhöhe befand sich eine Kuhle, in die er drückte. Ein Blubbern erscholl, das sich entfernte. Kurz darauf vernahm ich ein Läuten wie von einem Gong, das bald schon von schlurfenden Schritten erwidert wurde.

Die wuchtig scheinende Tür öffnete sich leicht und geräuschlos. Dahinter stand ein großer, dünner, grauhaariger Mann. Er war ebenfalls bartlos. Seine Füße waren bloß, und er war in eine Tunika aus glänzendem, leichtem Stoff gehüllt. Er schaute sehr verwundert drein, als er den nächtlichen Besucher erblickte und diesen zu erkennen schien. Dann erfasste sein Blick mich, und sein Erstaunen nahm offenkundig noch deutlich zu.

Es folgte ein kurzer, trotz des Überraschungsmoments ruhig wirkender Wortwechsel, der schnell zu einem Resultat führte. Der Grauhaarige trug in der mir unbekannten Sprache anscheinend eine kurze Zusammenfassung der Übereinkunft vor, dann hieß er uns eintreten und wies uns den Weg durch einen kurzen steinernen Gang in eine weitläufige Stube.

Wie ich es schon im Dorf kennengelernt hatte, hingen Kräuter von der Zimmerdecke herab. Die Decke bestand auch hier aus Balken, welche jedoch viel kunstfertiger und feiner gearbeitet waren als die Balken des Hauses im Dorf.

An den Wänden waren Wandbehänge angebracht, die gemalte Szenen aus Landwirtschaft und Handwerk zeigten, wobei manche der abgebildeten Personen rot, manche von blauer Farbe waren. Bei den blauen Gestalten schwang auch ein Hauch von Glanz in der Darstellung mit.

Vielleicht, mutmaßte ich, sind dies hier Darstellungen der hiesigen Mythologie oder Religion.

Die Mitte des Raumes wurde von Tisch und Stühlen dominiert, wie ich es ebenfalls bereits im Dorf gesehen hatte, doch waren diese von weitaus feinerer Handwerkskunst gestaltet. Die Sitzfläche der Stühle fand sich mit dicken Kissen gepolstert.

Wir sollten Platz nehmen. Ich sank tief in das Kissen ein und merkte, dass die Bestuhlung um einiges niedriger war, als ich es gewohnt war. Als ich sah, dass sich mein Fuhrmann auf den Stuhl gekniet hatte, tat ich es ihm gleich.

Es war wirklich bequem so zu sitzen. Wir warteten.

Zwischendurch brachte uns der Grauhaarige einen frischen Trunk in einem irdenen Gefäß mit passenden Bechern, was nicht nur mir sehr gut tat, sondern auch mein Begleiter trank durstig und mit deutlichem Genuss. Dazu bekamen wir einen der geflochtenen Teller mit dicken Datteln gereicht. Ich hatte Datteln bisher nur zum Weihnachtsfest genossen. Diese hier waren frisch und saftig und schmeckten mir köstlich.

Trotz all der Labe jedoch merkte ich, dass ich immer müder wurde. Meine Lider wurden bleischwer. Ich konnte sie nur noch mit Mühe offenhalten. Zu viel hatte ich in den letzten anderthalb Tagen erlebt.

Meine Gegenwehr erlahmte: Ich sank in mich zusammen und schlief ein.

Das grüne Symbol

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