Читать книгу Das grüne Symbol - Christina Marie Huhn - Страница 14

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Garten

Sehr sanft glitt ich aus dem Schlaf heraus.

Ich rekelte mich wohlig. Weiches Licht flutete auf meine Augenlider.

Allmählich kroch auch die Erinnerung zurück in meine Gedanken. Ich blinzelte um mich. So fest musste ich eingeschlafen sein, dass man mich mühelos hatte umbetten und umkleiden können.

Meine Lagerstatt glich dem Bett, das ich aus der Hütte im Dorf kannte, doch es war aufwändiger und kunstvoller gestaltet und trug Intarsienarbeiten im Rahmengestell. Statt weicher Tücher waren zwei seidenglatte Steppdecken im Bett befindlich, eine dickere, festere, auf der ich ruhte, und eine dünnere, anschmiegsamere, die mich bedeckte.

Das unbequeme Reisekleid war verschwunden und hatte einer einheimischen naturfarbenen Tunika Platz gemacht. Das Gewand war sehr weich und schmiegte sich an meine Haut. Die Ärmel waren kurz, ebenso der Rock, der oberhalb meiner Knie endete.

Das Zimmer, in dem ich jetzt weilte, war ähnlich gestaltet wie der große Raum, in welchem ich mit meinem Begleiter gewartet hatte. Auch hier waren Wandbehänge drapiert, wobei die Motive in diesem Gemach hauptsächlich der Musik gewidmet waren. Instrumente ähnlich einer Sitar sowie kleine Trommeln und Flöten aus Rohr waren dargestellt. Rote und blaue Figuren spielten, sangen oder hörten verzückt zu.

Eine kleine Nische in der Seitenwand des Zimmers enthielt nebst einem Waschtisch mit einer Schüssel eine Vorrichtung für die Notdurft. Auch hier hatte man eine Konstruktion errichtet, die fließendes Wasser heranführte. Ich erfrischte mich und versuchte mein Haar ein wenig zu richten. Danach fühlte ich mich bereit, meine Umgebung genauer anzusehen.

Die Stirnwand des Gemachs wurde durch ein doppelflügliges Fenster dominiert, an das ich herantrat. Durch die nur halb zugeklappten Läden schien helles Morgenlicht herein. Ich stieß die Läden nach außen auf. Sofort trug eine laue Brise zarten Blumenduft zu mir.

Ich befand mich in einem höheren Stockwerk des Hauses, so dass ich recht weit blicken konnte. Ich sah auf zahlreiche, üppig grüne Gärten und teils strohgedeckte, teils begrünte Dächer herab.

In einiger Entfernung machte ich einen kleinen Hafen aus, im dem ein paar schmale, leichte Boote dümpelten. Ihre Bauart beinhaltete jeweils zwei Schwimmkörper unter einer Zwischenplatte. Obenauf stak bei jedem Boot ein Mast. Die Segel waren ockerrot und dreieckig, wie ich bei den in Ufernähe fahrenden Booten erkannte. Ich nahm an, dass es sich um Fischerboote handelte.

Der Tag war noch jung, und Tau glitzerte auf den Blumen in den mannigfaltig bepflanzten Gärten. Zäune gab es keine, doch konnte ich anhand der verschieden gearteten Bepflanzung ahnen, wo ein Anwesen endete und ein anderes begann.

Plötzlich flutete ein weicher, samtiger Bariton an, der eine verwobene fremdartige Melodie intonierte, die von tiefen Tönen bis hin ins Falsett reichte und mich faszinierte. Während ich lauschte, beugte ich mich voller Neugierde etwas weiter hinaus, um den Sänger auszumachen. Eine Bewegung ganz in der Nähe des Hauses lenkte mein Auge auf einen schlanken, in eine einfache, knielange, beigefarbene Tunika mit kurzen Ärmeln gekleideten Mann, einen Gärtner vermutlich, der sich singend mit fast rührender Zartheit um einen Strauch mit exotischen Blüten kümmerte. Er hatte dem Haus den Rücken zugekehrt und wirkte ganz in sein Lied versunken.

Gern wollte ich mehr hören und auch den Garten näher sehen. Da ich mein Kleid nicht fand, blieb ich im dem Gewand, das ich trug. Es dünkte mir in diesem Land schicklich genug, um das Zimmer zu verlassen, auch wenn ich meine bloßen Beine ungewohnt und etwas anstößig fand.

Wenn es dem hiesigen Brauch entspricht, soll es so gut sein, dachte ich bei mir, fasste mir ein Herz und öffnete die Tür.

Sie war unverschlossen. Niemand schien gerade jetzt mit meinem Erscheinen zu rechnen oder sich um mich zu sorgen.

Barfüßig bewegte ich mich zu einer robusten, hölzernen Treppe, die nach unten führte. Am Fuß der Treppe lag ein saalartiger Raum, den keine besonderen Dekorationen schmückten. Mehrere lange Bänke standen an den Seiten. Wie überall baumelten auch hier die obligatorischen Kräuter von der Decke herab. Ich nahm an, dass sie dazu dienten, Stechmücken und andere unwillkommene Insekten fernzuhalten.

Am Ende des großen Raumes lag eine breite Holztür, die halb offen stand und den Weg direkt in den Paradiesgarten frei gab. Beinahe ehrfürchtig trat ich hinaus in den Sonnenschein. Tief atmete ich die klare, frische Luft ein und fühlte das taufeuchte Gras unter meinen bloßen Füßen.

Vorsichtig tastete ich mich auf meinem Weg voran, denn weder wollte ich etwas Empfindliches zertreten noch mit etwaigen Dornen Bekanntschaft machen. Nachdem ich um einige Hecken spaziert war, erreichte ich den Blütenstrauch, an dem der Gärtner vorhin gearbeitet hatte. Irgendwie war ich enttäuscht, denn der Platz war leer. Auch der Gesang war zwischenzeitlich verstummt.

Als mich ich um eine weitere Hecke manövriert hatte, erscholl plötzlich ein helles, kristallklares Lachen. Wie aus dem Boden gewachsen stand ein junger Mann vor mir. An seinen Kleidern erkannte ich den Gärtner wieder, den ich beobachtet hatte. Ich schätzte ihn ein wenig älter als ich selbst war, also auf zirka Mitte zwanzig. Sein lockiges Haar war kinnlang und hellbraun, und die Morgensonne verlieh seinem Schopf einen glänzenden Schimmer. Seine Augen lagen etwas im Schatten, so dass ich ihre Farbe nicht erkennen konnte. Seine Brauen waren fein, die Wimpern wirkten fast mädchenhaft lang und dicht. Um seinen schön geschwungenen Mund lag ein spöttischer Zug, während er mich unverhohlen angrinste. Tiefe Grübchen auf beiden Seiten seiner Wangen zeichneten sich beim Schmunzeln ab. Seine Arme und Beine waren von der Sonne zu einem tiefen Bronzeton gebräunt, genau wie sein Gesicht, auch wenn seine Haut etwas heller wirkte als die der Leute aus dem Dorf.

Ich war sofort fasziniert, da er einerseits sehr männlich, andererseits fast mädchenhaft auf mich wirkte, was vielleicht am Zusammenspiel seines feingeschnittenen Gesichtes mit den hohen Wangenknochen und der zierlichen Nase im Gegensatz zu seinem markanten, bartlosen Kinn sowie seinem trotz seines schlanken Erscheinungsbildes muskulösen Körperbau lag.

Offen gestanden: Ich hatte noch nie einen so schönen Mann gesehen.

Er begann zu sprechen. Natürlich verstand ich kein Wort, gleichwohl faszinierte mich seine Stimme. Sie war ein Zwischending aus kristallklar und weich und samtig.

Er spricht wie er singt, dachte ich.

Er lachte erneut sein melodisches Lachen und offenbarte eine kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen. Etwas amüsierte ihn anscheinend aufs Vortrefflichste. Was mich dabei irritierte, war, dass dies in irgendeiner Weise mit meinem Auftreten zu tun zu haben schien. Wiederholt fiel sein Blick auf meine Knie. Und dann begriff ich. Auch in diesem Land schickte es sich für Frauen wohl weniger, ihre Beine zu zeigen. Ich erinnerte mich an die Mutter am Strand. Ihr Umhang war lang gewesen, ebenso der der alten Frau in der Hütte.

Entsetzt machte ich kehrt und floh ins Haus.

Dort lief ich geradewegs einem blassen, schmächtigen, sehr, sehr alten Mann mit langem, weißem Bart und Haupthaar in die Arme. Genauer gesagt: Ich rannte fast ihn ihn hinein und brachte ihn gehörig ins Schwanken.

„Entschuldigung!“, rief ich aus.

Während meines Ausrufs schalt ich mich bereits insgeheim, da er mich sowieso nicht verstehen konnte.

„Oh, Sie müssen das Fräulein sein, wegen dem ich hergerufen wurde“, sagte er.

Obgleich seine Worte holprig klangen, waren sie unmissverständlich in deutscher Sprache gesprochen. Die Überraschungen an diesem Morgen wollten nicht enden.

„K… Karin Mehrendt, sehr angenehm“, murmelte ich mechanisch.

Die Szene wurde plötzlich ausgesprochen surreal.

Der alte Mann schien dies zu merken und lachte ein leises Lachen.

„Sie müssen überrascht sein“, fuhr er fort, „dass ich Ihre Sprache spreche. Aber sicher haben Sie auch noch viele andere Fragen. Bitte kleiden Sie sich erst einmal an, dann werden wir gemeinsam eine Kleinigkeit speisen, und ich werde beginnen, Ihnen ein wenig über dieses Land zu erzählen.

Mein Name ist übrigens Petersen Hédrian.“

Das grüne Symbol

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