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Politische Mythen

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Neben Erinnerungsorten eignen sich politische Mythen für das landeskundliche Lernen, da sie als „Erzählungen, die auf das politisch-soziale Geschehen gemünzt sind und diesem Geschehen eine spezifische Bedeutung verleihen“ (Becker 2005, 131), einen Einblick in das Selbstbewusstsein einer Gemeinschaft geben.1 Aus diesem Grund thematisiert ein Hauptteil des hier untersuchten Unterrichts politische Mythen und besonders Gründungsmythen. Auf die Bedeutung von großen Erzählungen geht auch Anderson ein, der eine Nation als eine „vorgestellte politische Gemeinschaft“ (Anderson 1996, 15) betrachtet, die ihre Identität auch über politische Mythen konstruiert (vgl. Anderson 1996, 284–286). Dies stellt auch Müller-Funk fest:

Zweifelsohne sind es Erzählungen, die kollektiven, nationalen Gedächtnissen zugrunde liegen und Politiken der Identität bzw. Differenz konstituieren. Kulturen sind immer auch als Erzählgemeinschaften anzusehen, die sich gerade im Hinblick auf ihr narratives Reservoir unterscheiden. (Müller-Funk 2008, 14)

Politische Mythen erzählen primär über den Ursprung und die Entwicklung einer Nation. Jan Assmann zeigt beispielsweise das Verhältnis von Geschichte und Mythen auf und definiert damit die Funktion des Mythos:

Für das kulturelle Gedächtnis zählt nicht faktische, sondern nur erinnerte Geschichte. Man könnte auch sagen, daß im kulturellen Gedächtnis faktische Geschichte in erinnerte und damit in Mythos transformiert wird. Mythos ist eine fundierte Geschichte, eine Geschichte, die erzählt wird, um eine Gegenwart vom Ursprung her zu erhellen. (Assmann 1992, 52)

Assman bringt also nicht nur zum Ausdruck, dass erinnerte Geschichte in Mythos transformiert wird, sondern betont außerdem die Bedeutung von Mythen für die Gegenwart: Sie erzählen nicht nur, wie es war, sondern geben auch Handlungsanweisungen für Gegenwart und Zukunft. Münkler weist darauf hin, „dass Mythen nicht bloß weitererzählt, sondern auch fort- und umerzählt werden und dass die dabei zu beobachtenden Variationen spezifisch politische Deutungsleistungen darstellen“ (Münkler 2011, 15). Die Gründe für Umdeutungen von Mythen lassen sich aus einer diachronen Perspektive analysieren und sind im Hinblick auf die historische Entwicklung des nationalen Selbstbewusstseins aufschlussreich.

Im Hinblick auf den fremdsprachlichen Landeskundeunterricht argumentiert Schumann, dass Mythen kollektive Selbstbilder sichtbar werden lassen und dass die Beschäftigung mit ihnen und ihren verschiedenen Erscheinungsformen kulturelle Konstruktions- und Dekonstruktionsprozesse offen zu legen [vermag]. Die Arbeit an kollektiven Mythen entwickelt ein kulturelles Wissen, das nicht nur landeskundliche Kontexte einbezieht und kulturelle Sinngebungsprozesse erhellt […]. (Schumann 2005b, 121)

In ihren Unterrichtsentwürfen beschreibt Schumann, wie der französische Mythos von der Einheit von Land, Volk und Nation, der sich im Symbol des Hexagons widerspiegelt, in verschiedenen Kontexten und Erscheinungsformen aufgegriffen wird, deren Behandlung im Unterricht einen Einblick in aktuelle französische Diskurse liefert und spezifisches kulturelles Wissen vermittelt.

Auch Koreik argumentiert für die Behandlung von Mythen im landeskundlichen Unterricht:

Wenn es so ist, daß Mythen und Legenden das Geschichtsbild breiter Bevölkerungskreise prägen oder zumindest eine größere Rolle darin spielen, dann wäre genau dies ein zu bearbeitender Themenkomplex, aus dem sich einzelne Beispiele für die Behandlung im Unterricht anbieten. Indem ausländische Deutschlernende Faktoren kognitiv verarbeiten, die die im Inland sozialisierten Deutschen auf welche medial vermittelte Weise auch immer […] als Mythen und Legenden aus dem Vorrat des ‚kollektiven Gedächtnisses‘ zum großen Teil zum Bestandteil ihres subjektiven Geschichtsbildes gemacht haben, erhalten sie eine Möglichkeit zu einer besseren Nachvollziehbarkeit prägender Einflüsse deutscher Geschichts- und Gesellschaftsbilder. (Koreik 1995, 70)

Mythen stellen also nach Koreik einen Zugang zu den Geschichtsbildern dar, die eine Gruppe hat, so dass über diesen Weg die Perspektivgebundenheit von Geschichtsbildern sichtbar wird. Eine Möglichkeit, wie dies konkret im universitären Landeskundeunterricht geschehen kann, wird in Becker (2015a und 2015b) aufgezeigt.

Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation

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