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Überraschung

as T-Shirt war nicht einfach nur lachsrosa. Genau genommen hatte es einen beängstigend an Haut erinnernden Farbton. Darauf war in einer sehr realistisch wirkenden Airbrush-Technik ein paar weiblicher Brüste modelliert worden, die exakt auf meinen eigenen saßen. Und damit nicht genug. Direkt darunter stand in breiten Lettern die Aussage ‘Got milk‘ geschrieben.

Ich bin nackt!

»Oh, Scheiße, das geht gar nicht«, entschlüpfte es meinen kraftlosen Lippen.

Ein Kichern erinnerte mich daran, dass Zino immer noch in der Leitung war.

„Warum zum Teufel hast du dir so einen Fetzen zugelegt? Doch hoffentlich nicht, um mich irgendwann in diese Falle zu locken?“

„Nein, Grübchen. Den hat mir Dimitri hinterlassen, als er ausgezogen ist. Er stand auf diese Art von Humor. Und ich muss zugeben, dass es an ihm ausgezeichnet ausgesehen hat ...“ Seine Stimme verlor sich und mir war klar, dass er in Erinnerungen an den letzten … ach nein … vorletzten Lover schwelgte.

»Ja, er war ein Sahneschnittchen. Aber was soll ich denn jetzt machen?«

»Was hast du denn bis eben gemacht?«

»Ich bin mit dem Verleger und seiner Assistentin zusammen. Die haben mir gerade erklärt, dass sie mich in Urlaub schicken. Nach Italien.«

Ein weiteres schier trommelfellzerfetzendes Gelächter dröhnte aus dem Hörer.

»Meine Schwester baut Mist und wird dafür in einen bezahlten Urlaub geschickt. Ich krieg mich nicht wieder ein. Oder wissen die etwa, dass du Italien bis zum Geht-gar-nicht gefressen hast?«

»Glaub nicht. Die Krause macht eher den Eindruck als ob sie sich für eine der Weihnachtselfen hält … obwohl sie eher wie der Grinch wirkt …«

»Dann lass dir das am besten weiter erklären und sieh zu, dass du da schnell rauskommst. Wenn die das T-Shirt sehen …« Ein unterdrücktes Prusten unterbrach die wenig hilfreiche Anweisung.

„Na super, vielen Dank für gar nix“, schnaubte ich und beendete die Verbindung. Beide Hände auf den Waschtisch gestützt, lehnte ich mich nach vorn und ließ die Stirn gegen den Spiegel sinken. Das kühle Glas hatte eine beruhigende Wirkung auf mein aufgewühltes Innenleben.

Im Prinzip kann ich hier einfach wieder rausgehen, solange ich vorher den Blazer schließe. Immerhin haben bisher weder Stein noch Frau Krause etwas von meinem Fashion Fauxpas bemerkt. Oder haben sie nur taktvoll geschwiegen?

Bevor die Zweifel mich übermannen konnten, stieß ich mich mit den Händen vom Waschtisch ab und begutachtete ein weiteres Mal mein Spiegelbild. Okay, es sah immer noch bescheuert aus, entbehrte aber tatsächlich nicht einer gewissen Komik.

Wie hat Mamma es früher einmal gesagt? ‘Wenn du vor einer großen Gruppe stehst und Lampenfieber hast, stell sie dir einfach alle nackt vor.’ Vielleicht funktioniert das ja auch andersherum. Ich stehe zwar nicht vor einer großen Gruppe und muss sie mir deshalb auch nicht nackt vorstellen. Doch das Wissen, dass ich unter dem Jackett quasi eine nackte Brust spazieren trage, könnte eine ähnliche Wirkung haben.


Ich strich das Shirt glatt und knöpfte den Blazer zu. Mit einem diebischen Schmunzeln auf den Lippen zwinkerte ich dem nun wieder hochgeschlossenen Spiegelbild zu und verließ die gekachelten Nebenräume.

Frau Krause schaute zu mir, als ich ihr Büro betrat.

Bilde ich es mir nur ein oder ist in ihrem Blick tatsächlich ein wenig Überraschung? Vielleicht nimmt sie die Änderung meiner inneren Haltung wahr.

Aber selbst wenn das nicht der Fall war, so erkannte ich doch keinerlei Anzeichen davon, dass sie ahnte, wie es unter der äußeren Schale aussah.

»Kommen Sie, Liebes«, sagte Frau Krause und winkte. »Ich habe hier schon einmal die Unterlagen bereitgelegt, damit Sie alles beisammen haben.«

Ich trat zu ihrem Schreibtisch und besah mir, was darauf lag. Es handelte sich um den Ausdruck eines E-Tickets, Dokumente einer Autovermietung und eines Hotels. Den Namen konnte ich allerdings nicht erkennen, da er in sehr geschwungenen Lettern geschrieben war und meine Aufmerksamkeit von der direkt daneben liegenden Abbildung eines Kartenausschnitts eingenommen wurde, auf dem eine Region farblich hervorgehoben war. Sie wirkte wie eine Eins, bei der man das Häkchen auf der falschen Seite angebracht hatte. Als Kind meiner Mutter, einer waschechten Italienerin, die sich aus dem sonnigen Land ihrer Vorväter ins kalte Deutschland aufgemacht hatte, um ihren Traum vom Design-Studium zu verwirklichen, erkannte ich sofort, wo es hingehen würde.

Verdammt.

Apulien.

Das war nicht nur Italien, sondern der Sporn und Absatz des Stiefels, also genaugenommen der Arsch der Welt.

Da gibts doch nichts außer … Gegend. Aber wenigstens nicht Rimini oder irgendein anderes, von Touris völlig überlaufenes, Nest.

»Ahh«, machte ich unverbindlich und brachte sogar ein Lächeln zustande.

»Genau«, interpretierte Frau Krause mein Schauspiel richtig. »Hach, ich freu mich ja so für Sie«, ergänzte sie in einem, für eine so herb wirkende Person, vollkommen untypischen Anflug von Herzlichkeit.

Bevor ich allerdings dazu kam, ihr Lächeln zu erwidern, öffnete sich die Tür und der Verleger kam herein, einen Stapel Papier in der Hand und seinen Mantel über dem Arm.

»Die Verträge hier müssen heute noch raus. Ich bin jetzt im Rotary Club. Wenn noch etwas sein sollte … die Mailbox ist an und in Notfällen schicken Sie eine Nachricht.« Dann musterte er zuerst die Unterlagen und danach mich. »Wie Sie sehen, ist alles vorbereitet. Sie müssen nur noch packen und dann kann es losgehen.«

»Was, heute?«, rutschte es mir heraus.

»Genau genommen jetzt«, fuhr er ungerührt fort. »Der Zeitplan ist recht eng gesteckt, aber Sie werden es schaffen.«

»Aber … ich dachte … morgen …«, stammelte ich.

Oder besser nächstes Jahr.

»Frau Finocchio. Ich kenne Sie doch. Wenn ich Sie hier nicht sofort aus der Schusslinie nehme, kann ich es genausogut im nächsten Jahr machen.«

Ja. Ja. Bitte.

Der Verleger wackelte mit dem Zeigefinger. »Nein, nein. Sie fahren heute. Je schneller Sie von der Bildfläche verschwunden sind, umso weniger können Sie die Dinge durch Ihr – bewundernswertes, aber leider etwas zu impulsives – Wesen womöglich noch komplizierter machen.« Er lächelte dabei, doch der Ausdruck in seinen Augen war nun eindeutig so steinhart wie sein Name.

Mir wurde klar, dass ich Fortuna über Gebühr strapazieren würde, wenn ich jetzt nicht einlenkte. Also hob ich beschwichtigend die Hände.

»Es ist ja nicht so, dass man mich zu meinem Glück zwingen müsste, aber ich kann es immer noch nicht so richtig glauben … Apulien also. Ich bin gespannt.«

Wer will schon eine Null

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