Читать книгу Angsthase gegen Zahnarzt - Christine Jörg - Страница 12
Montag, 9. November
ОглавлениеUm sechs Uhr rasselt der Wecker. Während Markus sich ins Bad zurückzieht schüttle ich die Betten auf und führe meine Gymnastik im Schnellgang durch. Er kommt rasiert und duftend aus dem Bad und zieht sich an. Nun geht er in die Küche und bereitet das Frühstück vor. In der Zwischenzeit suche ich das Bad auf und packe meine sieben Sachen zusammen. Fix und fertig geselle ich mich zu ihm in der Küche.
„Du kannst deine Sachen auch hierlassen. Für das nächste Mal“, schlägt Markus vor.
„Nein, ich brauche sie noch“, erkläre ich ihm, „Danke.“
Kurz nach sieben gehen wir aus dem Haus. Markus umarmt mich:
„Heute Abend komme ich bei dir vorbei. Darf ich?“
„Ja, natürlich darfst du. Dumme Erdlingsfrage! Du kannst kommen wann immer du möchtest. Tschüs Markus und schönen Wochenbeginn.“
„Ja, bis heute Abend, Angelika. Und vergiss nicht, da ist jemand, der dich sehr lieb hat“, damit küsst er mich nochmals und schließt meine Autotür mit einem Schwung.
Zu Hause angekommen, räume ich zuerst meine Tasche aus und kontrolliere den Lebensmittelbestand. Muss ich für heute Abend Essensnachschub besorgen oder nicht? Alles da! Einkaufen ist nicht nötig. Bin ich froh. Also ran an die Arbeit!
*
Gegen zehn Uhr kommt Hildegard, meine Freundin, die hier im Haus wohnt. Sie will wissen, ob ich ihre Kinder für die Nacht nehmen kann. Sie möchte abends ausgehen.
Hildegard ist dreißig und hat zwei Kinder im Alter von drei und viereinhalb Jahren. Seit zwei Jahren ist sie geschieden. Seit wir uns angefreundet haben, ist sie froh, wenn ich ihr ab und zu für einen Abend oder ein Wochenende die Kinder abnehme. Da die beiden Kleinen wirklich süß sind, tue ich ihr gerne den Gefallen. Und für die Beiden ist es jedes Mal ein Fest, wenn sie bei Angelika sind. Denn da ist campen im Wohnzimmer auf dem Boden angesagt.
Meine Freundin hat Zeit. Die Kleinen sind im Kindergarten. Sie kommt herein. Wir trinken Tee und plaudern. Sofort entschuldigt sie sich:
„Ich wollte dich am Wochenende fragen, aber du warst nicht da.“
So kann man durch die Blume Leute ausfragen. Hildegard weiß, dass ich mich abmelde, wenn ich ein oder zwei Tage unterwegs bin. Natürlich möchte sie wissen wo ich war. Ich mache eine vage Aussage.
„Ja, das ist schon möglich. Ich war bei einem Bekannten. Ein netter Mensch. Also dachte ich, er ist wohl ein Wochenende und eine Sünde wert.“
„Angelika“, ruft Hildegard scheinbar entsetzt aus, „so kenne ich dich gar nicht. Du hast dich doch nicht etwa verliebt?“ Freudestrahlend schaut sie mir ins Gesicht um meine Mimik zu ergründen.
Zögernd sage ich: „Doch, wenn ich es recht bedenke könnte man das wohl Verliebtheit nennen. Die Sache hat nur einen Haken. Er ist Zahnarzt!“
Hildegard strahlt mich an und kann es kaum fassen. Man könnte meinen, sie hat sich verliebt.
Sie erinnert sich plötzlich an meine Manie und stellt fest: „Oh je, ein Zahnarzt. Aber das muss schon ein ganz besonderer Mensch sein, wenn er an dich rankommt. Da bin ich mal gespannt, wann ich ihn das erste Mal zu Gesicht bekomme.“
„Ja“, sage ich ganz verträumt, „er hat mich ganz schön schnell um den Finger gewickelt. Du wirst ihn schon noch kennen lernen.“ Hildegard schaut auf die Uhr, steht auf, geht zur Tür und sagt: „So, ich muss Einkaufen gehen. Brauchst du etwas? Um fünf Uhr bringe ich dir die Kinder.“
„Kein Problem, ich bin auf jeden Fall den ganzen Nachmittag zu Hause. Ich glaube, ich habe alles da. Danke dir. Dann bis später, Hildegard.“ Die Tür fällt ins Schloss. Weg ist sie! Mich ruft die Arbeit.
*
Wie verabredet bringt Hildegard um fünf Uhr die Kinder. An Arbeit ist von nun an nicht mehr zu denken. Wir spielen mit Autos und gegen sechs Uhr bereite ich das Abendessen zu. Tobias und Klaus dürfen einen Kinderfilm anschauen.
Jedes Mal, wenn ich die Buben bei mir habe, bedaure ich, dass nicht meine eigenen kleinen Geschöpfe um mich tanzen. Sie sind wirklich bezaubernd. Auf der anderen Seite hat es natürlich seine Vorteile. Man hat die Kinder befristet und kann sie wieder abgeben.
*
Tobias und Klaus sitzen noch am Tisch und essen, als es um kurz vor sieben an der Tür klingelt. Markus! Jetzt schon? Während der Aufzug brummend nach oben kommt, haben sich auch die Kinder an die Tür gestellt. Sie sind neugierig auf den Besucher der um diese Zeit zu Angelika kommt.
Die Fahrstuhltür öffnet sich wie immer automatisch. Markus tritt heraus. Seine Augen weiten sich merklich. Er stutzt zweimal kurz und sagt dann:
„Na, die Überraschungen reißen bei dir wohl nie ab. Guten Abend, mein Schatz.“
„Guten Abend, Markus“, damit gebe ich ihm einen Kuss. „Das sind Tobias und Klaus. Und das ist Markus. So Kinder, jetzt esst schön fertig. Das Essen ist inzwischen kalt.“
Gehorsam trotten die Kinder ins Wohnzimmer. Ich erkläre Markus in Stichpunkten, was es mit den Kindern auf sich hat. Dann zieht er den Mantel aus, hängt ihn auf den Bügel und kommt in die Küche.
„Isst du nicht, Angelika?“, will er wissen.
„Doch, ich habe auf dich gewartet.“
„Na, jetzt bin ich da. Lass uns mit den Kindern essen“, schlägt er vor.
„Gut“, sage ich, nehme noch zwei Teller und Besteck mit ins Wohnzimmer und gebe ich zu bedenken: „Das Essen ist aber sicher nicht mehr richtig warm.“
„Das macht nichts. Komm, Angelika, setz dich.“
Wir sitzen wie eine Familie am Tisch und essen. Um viertel vor acht ist für die Kinder Zapfenstreich. Nach kurzen Protesten nehmen sie ihre Lager auf dem Wohnzimmerboden ein.
Markus hilft mir das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen und den Rest abzuspülen. Anschließend lassen wir uns im Arbeitszimmer nieder.
„Weißt du, Angelika, es hätte mich nicht gestört, wenn es deine Kinder gewesen wären. Aber du hattest mir schon erzählt was es damit auf sich hat. Dann kümmerst du dich also um den Nachwuchs deiner Freundin. Sind reizend, die Beiden. Wenn man sie so betrachtet wünscht man sich es wären die Eigenen“, stellt er fest und schaut mich zärtlich an.
„Ja, das wünscht man sich“, wiederhole ich nur einen Teil seiner Rede ohne große Überzeugung. Schon seit einiger Zeit habe ich den Traum vom eigenen Kind weit von mir geschoben. Natürlich auch, weil ich die Mitte dreißig überschritten habe. Aber das sage ich jetzt nicht. Außerdem bin ich wegen meiner Hormonstörungen bestimmt unfruchtbar. Sonst wäre ich mit Mustafa schwanger geworden.
„Man kann eben nicht alles haben“, beschwichtigt er und küsst meine Hände.
Bis Mitternacht unterhalten wir uns und gehen dann, nachdem ich mich vergewissert habe, dass die Kinder zugedeckt sind und schlafen, ins Bett. Wir verzichten auf die Kuschelstunde, wohl auch weil wir in Sorge sind, dass einer der Jungen aufwacht und ins Schlafzimmer kommt.