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SCHÖNAU AM KÖNIGSSEE: BRAND VOM BERG
Enzian ist blau. So wird er im Schlager besungen, »Ja, ja, so blau, blau, blau blüht … Wenn beim Alpenglühen wir uns wiedersehen«, und so wird er auf den Flaschen abgebildet, in denen der Schnaps auf den Markt kommt. Leuchtend blau – eine Farbe mit Sympathiewert, da greift man gerne zu.
Allerdings handelt es sich hier um Etikettenschwindel. Die klare Flüssigkeit ist ein Destillat vom Gelben Enzian, doch dessen Blüten sind längst nicht so schön, und es hat sie auch noch keiner besungen. Dafür besitzt Gentiana lutea aber sehr viel kräftigere Wurzeln als ihr blaublütiger Verwandter, und darauf kommt es an: Für einen Liter Reinalkohol braucht man zwölf Kilo Wurzeln. Je höher die Pflanze wächst, desto dicker sind die, und so waren die »Wurzlgraber« früher in Höhen von 1000 bis 1500 Metern unterwegs. Bis zu 80 Kilo konnte ein guter Arbeiter pro Tag stechen, die ins Tal zu transportieren, wäre unökonomisch gewesen. Also verarbeitete man das Produkt dort, wo es wuchs, und errichtete Brennhütten, in denen die Graber und die Brenner den Sommer verbrachten. Mehr als reines Quellwasser und Holz braucht man nicht zum Brennen, und das ist in den Bergen reichlich vorhanden.
Heute produziert die Firma Grassl, die im 17. Jahrhundert gegründete älteste Enzianbrennerei Deutschlands, mit modernen Methoden, aber in den Brennhütten wird noch immer Handarbeit geleistet. Die malerischste liegt am Priesberg auf 1352 Metern Höhe. Hier kann man dem Brenner bei der Arbeit zuschauen und erfährt, wie der Enzian entsteht: Die Wurzeln werden gehackt und mit Wasser und Hefe zur Maische angesetzt. Wenn sich nach ein paar Wochen der Alkohol gebildet hat, kann das Brennen beginnen. Und selbstverständlich kann man den Enzian probieren, in einer Holzwanne stehen immer ein paar Flaschen im kühlen Wasser. Nur zur Warnung: Der erste Schluck ist grausig. Das zweite Glas schmeckt dann. Und nach dem dritten will man mehr. So viel mehr, dass schon manch einer »Ja, ja, so blau, blau, blau« ins Tal hinunterwankte.
Enzian-Brennhütte am Priesberg · ab Parkplatz Hinterbrand (Scharitzkehlstr., Schönau/Königssee) ca. 1 Std. Wanderung · der Brenner arbeitet Mo–Fr von Juni–Okt.