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3 Komplexe Wörter 3.1 Charakterisierung der komplexen Wörter Wörter;komplexe

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Komplexe Wörter werden von Simplizia unterschieden. Simplizische Wörter (wie blau und Tisch) werden auch als einfach charakterisiert, da sie nur aus einer sinnhaltigen Komponente bestehen und deshalb nicht weiter zerlegbar sind. Komplexe Wörter (wie Tische und Tischbein) haben dagegen prototypisch mindestens zwei sinnhaltige Bestandteile. Die Sinnhaltigkeit der Wörter im Deutschen zeigt sich darin, dass sie minimale freie Formen sind,1 d.h. sie können allein an einer andere Stelle im Text auftreten.

Nach dieser Definition ist das Wort Tische morphologisch komplex, da es aus zwei minimalen Einheiten besteht: Tischder lexikalischen Basis Tisch und dem grammatischen Pluralmarker e. Letzterer kann auch an anderen Wörtern als Pluralmarker auftreten (Stühle). Tischbein ist auch morphologisch komplex: Es ist eine Wortzusammensetzung (Wortbildung) aus zwei minimalen Einheiten, den Wörtern Tisch und Bein (‘Bein vom Tisch’). Wohnzimmerschrank ist eine Verbindung des komplexen Wortes Wohnzimmer (‘Zimmer zum Wohnen’) mit dem einfachen Wort Schrank. Und Wohnzimmerschrankwand ist eine feste Verknüpfung von zwei komplexen Wörtern: ‘eine Schrankwand fürs Wohnzimmer’.

Wörter können also zum einen komplex werden, wenn sie mit einer minimalen Einheit mit grammatischer oder wortbildender Funktion2 (wie bei Tischler) kombiniert werden. Zum anderen werden sie komplex, wenn sie sich mit anderen Wörtern verbinden. Lyons (1983, S. 141) bezeichnet erstere als „komplexe Lexeme“ (Derivationen) und letztere als „zusammengesetzte Lexeme“ (Kompositionen). LexemkomplexLexemzusammengesetzt

Mittels der Methode der Segmentierung werden die komplexen Wörter identifiziert. Die kompetenten Sprecher und Hörer werden aufgrund ihres lexikalischen Wissens unbewusst, ohne große kognitive Anstrengung, das Wort Tische in die zwei Komponenten Tisch und e und nicht in Tis und che zerlegen. Diese Fähigkeit setzt jedoch bei den lexikalisierten komplexen Wörtern morphologische und semantische Transparenz voraus. Ein produktives Bildungsmuster, die Morphemstruktur und die Bedeutung der Wortkonstituenten muss also erkennbar sein. Wenn die Transparenz im Verlaufe der Wortentwicklung verloren gegangen ist, spricht man von Demotivierung bzw. Idiomatisierung oder Bedeutungsisolierung. Bei dem Wort blaumachen (‘schwänzen’) blaumachenist die morphologische Transparenz vorhanden, jedoch die Bedeutung kann nicht mehr aus den Komponenten ermittelt werden3, sie muss als Ganzes erlernt werden. Im wörtlichen Sinn bedeutet es ‘blau färben’, das der empfohlenen Rechtschreibung nach getrennt geschrieben wird.

Die Übergänge zwischen morphosemantisch transparent und nicht transparent sind fließend. Dies wird in der Wissenschaft u.a. mit dem „Vorschlag einer Skala morphosemantischer Transparenz“ beschrieben (Galèas, 2003, S. 287). Usuelle komplexe Wörter sind mehr oder weniger lexikalisiert; die Motivierung eines Wortes lässt nach und verschwindet. Bei völliger Lexikalisierung geht die Möglichkeit der KompositionalitätStufenKompositionalität und damit die Transparenz verloren, da eine kompositionale Dekodierung nicht möglich ist. Galèas (2003) unterscheidet sieben Stufen der morphologischen Transparenz: Sie reichen von völliger Kompositionalität, bei der die Bedeutungen der Teile im komplexen Wort nicht verändert wurden, wie bei Haustür, bis zur totalen Suppletion, wenn keine Ableitung nach den allgemeinen phonologischen oder morphologischen Regeln möglich ist, wie bei engl. go – went oder dt. sein – bin – war. (Nübling, 1999, S. 78)

Falschsegmentierungen von transparenten Wörtern treten in der Sprachverwendung auch bei Muttersprachlern auf. Beispielsweise bei Ambiguitäten wie in dem Satz: Im Umschlag ist ein Druckerzeugnis. Zu Druckerzeugnis existieren die Lesarten ‘Druck-Erzeugnis’ oder ‘Drucker-Zeugnis’ (siehe weiter dazu Römer, 2009) Römer, C.oder bei „wenig vertrauten fremdsprachlichen Entlehnungen.“ marode(Plank, 1981, S. 68) Dies ist beispielsweise bei dem aus dem Französischen entlehnten Adjektiv marode der Fall, das „letztlich auf frz. maraud ‘Vagabund, Bettler, Lump, schlechter Kerl’ zurück“ geht. (Pfeifer, 1989, Bd. 2, S. 1066) Komplexe Fremdwörter werden am Beginn ihres Auftretens häufig als Simplizia wahrgenommen: „Wiederholen sie sich mit immer den gleichen Affixgruppen, können wir die Fremdaffixe langsam als eigenständige Morpheme erkennen, und wir zerlegen die Fremdwörter nachträglich in ihre morphologischen Bestandteile, das heißt, wir realisieren die Form.“ (Elsen, 2014, Kap. 9.2)

Der deutsche Wortschatz

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